Der junge Mann fiel sogleich mit der Tür ins Haus. Ich hob eine Braue und beschloss, zunächst einmal die Fakten zu klären, die er versäumt hatte. "Ah. Dann bist du mit Tiberius Durus verwandt? Ich zähle ihn zu meinen Freunden", sagte ich. "Ich hoffe, es geht ihm gut? Wir haben uns schon eine Weile nicht mehr gesehen." Was sich bald ändern würde, da die nächste contio nicht mehr fern war. "Du bist ein interessierter Leser, nehme ich an? Über aktive Schreiber freuen wir uns natürlich immer. Wie bist du zu dem Entschluss gekommen, für die Acta Diurna schreiben zu wollen?" fragte ich freundlich. Die Acta brauchte dringend neue Leute, und deswegen konnten wir uns ohnehin nicht leisten, allzu wählerisch zu sein. Ich war gespannt.
atrium | In Sachen Acta
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Als ich Corvinus Gesichtsausdruck sah und mir seine ersten Worte anhörte, wusste ich, dass ich was falsch gemacht hatte. Warum passierte mir so etwas immer? Ich hätte ihn erstmal richtig begrüßen müssen, ihm dann Grüße von meinen Verwandten bestellen, ein paar nette Worte, vielleicht zu seinem Haus oder zu seinem Amt. Aber vielleicht konnte ich es ja noch hinkriegen. "Ja so ist es, ich bin sein Neffe 4. Grades. Er ist auch mein Patron.", fügte ich noch hinzu. "Oh, ja! Es geht ihm sehr gut. Ich soll dich von ihm grüßen.", log ich, aber das hatte er bestimmt nicht gemerkt, denn lügen konnte ich gut. Sehr gut sogar. Dann kam endlich das von mir ersehnte Thema. "Das stimmt, ich lese fast jede Ausgabe. Ich fand die Acta schon immer ganz toll. Diese ganzen Artikel, die über das Reich berichten. Und dann sagte mir Durus gestern Abend, dass ich ja in der Acta als Autor arbeiten könnte. Ich war dann total aufgeregt uind wollte gleich hierherkommen, aber da war es ja schon spät, also bin ich erst heute gekommen." Das mit der Faszination war auch alles gelogen, aber das würde er nie merken. Meine Stimme klang ziemlich überzeugend und enthusiastisch. "Ich würde mich also freuen, wenn ich eingestellt werden könnte."
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Sein Neffe also. Und Durus zusätzlich sein Patron? Nun, das wunderte mich ein wenig, doch andererseits war es wohl nicht bei jeder Familie so, dass man auch ohne hochoffizielle Bindung einander half und beistand. "Vielen Dank, dann entrichte ihm doch ebenfalls meine Grüße", erwiderte ich und freute mich, dass Durus an mich gedacht hatte. Die darauffolgenden Worte zur Acta Diurna nahm ich mit gemischten Gefühlen auf, nicht weil der Tiberier es an Enthusiasmus nicht mangeln ließ, sondern weil er klang, wie die kleine Sisenna geklungen hatte, als sie sechs Jahre alt gewesen war. Es war demnach sicher nicht so falsch, dass Durus ihn auch offiziell unter seiner Fittiche genommen hatte - so mochte kaum jemand abwertend über diesen jungen Mann reden, ohne es sich gleichsam mit Durus zu verscherzen.
Ich rieb mir kurz die Stirn und griff dann nach dem Weinbecher, nahm einen Schluck und schindete damit etwas Zeit, um die Worte in meinem Kopf zu formulieren. "Nun", erwiderte ich und platzierte den Weinbecher wieder auf dem niedrigen Tisch. "Wir freuen uns über jeden Schreiber, und über die engagierten ganz besonders. Allerdings stellen wir nicht jeden gleich ein, so engagiert er auch erscheinen mag." An dieser Stelle zeigte ich ein gut einstudiertes, entschuldigendes Lächeln. "Bist du denn bereits redaktionell tätig gewesen? Wir arbeiten viel mit freien Schreibern zusammen, aber deinen Namen habe ich bisher nicht entdeckt." Wobei es durchaus sein konnte, dass er mir nur entfallen war, denn meistens achtete ich nicht allzu sehr auf die Namen derer, die Artikel einreichten.
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"Nein, ich war noch nie redaktionell tätig. Ich könnte aber einen Probe-Artikel schreiben und dann kannst du entscheiden, ob du mich einstellst.", schlug ich ihm vor.
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Ich hatte noch nie sonderlich viel mit Personen anfangen können, die kaum etwas erwiderten, auf das man selbst eingehen konnte. Ich seufzte lautlos und schüttelte den Kopf. "So meinte ich das nicht. Auch ein einzelner Artikel wird keine Kontinuität zeigen, und gerade das ist es, was einen guten subauctor ausmacht. Kontunuität, einen guten Schreibstil und etwas Gespür für Interessantes. Jeder Autor wird zunächst als freier Mitarbeiter getestet, was bedeutet, dass du mehrere Artikel einreichst. Du wirst selbstverständlich dafür auch entlohnt werden. Gleichzeitig können wir uns ein Bild über dich machen."
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Mehrere Artikel also. Aber das mit der Entlohnung hörte sich gut an! "Gut, dann mach ich das so." Mal sehen, was ich so fand. Der ganze Kram mit den paar Artikeln hörte sich zwar ganz leicht an, aber man wuste ja nie... Besonders als neuer Autor war es bestimmt schwierig gute Artikel zu finden. "Soll ich die Artikel persönlich abliefern oder kann ich einen Sklaven vorbeischicken?" Die Frage war mir gerade noch eingefallen. Das spielte bestimmt keine Rolle, aber am Ende verärgerte oder kränkte ich den Auctor noch. Und dann wäre das mit der Acta vorbei ...
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"Es reicht allemal, wenn du einen Sklaven vorbeischickst. Du kannst die Artikel entweder hier oder am domus der Acta Diurna einreichen, dort ist immer jemand vor Ort, der auch eventuelle Fragen beantwortet." Im Zweifelsfall mochte der Tiberier an Caius Columnus geraten überlegte ich, doch dann wusste er immerhin gleich, worauf er sich einließ, wenn er Durchhaltevermögen besaß und tatsächlich bei uns anfing. "Im Normalfall wird übrigens der Name des Autors nicht genannt. Solltest du darauf bestehen, füge bitte eine entsprechende Notiz hinzu", fiel mir dazu noch ein. Ich war bereits gespannt auf den ersten Artikel des Tiberiers.
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Den Namen des Autors nannten die nur, wenn dieser darauf bestand? Nicht schlimm, ich wollte meinen Namen ja eh nur unter den guten Artikeln sehen, sonst könnte das ja richtig peinlich werden... "Eine Frage habe ich noch: Seid ihr an einigen Themen mehr interessiert als an anderen?"
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"Nein", unterbot ich den Tiberier noch an Minimalismus.
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Nach dieser knappen Antwort wurde mir irgendwie klar, dass der Aurelier genervt von mir war. Dann am besten bloß weg hier! "Sollte ich dann noch etwas wissen oder war das dann alles?", fragte ich nochmal nach. Ich wollte ja nicht unhöflich sein und einfach Vale zu sagen und abzuhauen war das bestimmt. Ich wartete auf seine Antwort und überlegte schonmal über ein mögliches Thema für meinen ersten Artikel.
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Dass der Tiberier ob meiner kurzen Antwort die falschen Schlüsse zog, war mir natürlich nicht klar. Es war nur stets schwer, ein Gespräch am Laufen zu halten, wenn man selbst stets bereit war, ausführlich auf eine Frage zu antworten oder überhaupt auf jemanden einzugehen und jener Gesprächspartner einen dann selbst kurz und knapp abfertigte. Gerade von einem Tiberier hätte ich in dieser Richtung mehr erwartet. Genervt war ich daher nicht, jedoch nicht bereit, den jungen Mann vor mir zu unterhalten, wo er selbst sich außerstande sah, seinen Teil beizutragen.
"Nein, mehr gibt es nicht zu wissen, Tiberius", erwiderte ich. Grundsätzlich konnte jeder über alles schreiben, sofern er der Redaktion kurz das Thema bekannt gab, damit kein Artikel zweimal geschrieben wurde. Bald würde Seiana die auctrix sein, doch das wusste ich zu jenem Zeitpunkt noch nicht, insofern gab es hierzu nichts weiter zu bemerken.
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"Gut, dann muss ich jetzt gehen. Ich muss noch zur Casa Germanica und zur Villa Flavia..." Ich stand auf. "Vielen Dank, dass du mich empfangen konntest.", bedankte ich mich höflich. "Ich werde dann meine Artikel zum domus der Acta Diurna schicken." Bevor ich noch "Nochmal vielen Dank für alles! Vale!" gesagt hatte, verließ ich die Villa Aurelia.
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