Dritte Unterrichtsstunde - von der Theorie zur Praxis

  • Nachdem Ánthimos seine Tasche zu Inhapys Zufriedenheit gepackt hatte, waren sie hinaus auf die Straßen von Rhakotis getreten. Inhapy wusste genau, wo sie hin mussten, aber Ánthimos war der Weg wahrscheinlich unbekannt. Ebenso wie den meisten Griechen, die sich allesamt lieber im Museion behandeln ließen als hier unten im ägyptischen Viertel der Stadt.
    “Das Haus der Schlangen ist das, was wir hier unten haben, für die, die lieber die alte Medizin wollen. Schlangen sind heilige Tiere, von großer Heilkraft. Euer Äskulap hat doch auch eine Schlange dabei, nicht?“
    Inhapys Wissen um fremde Gottheiten war sehr beschränkt, und was nun eine römische und was eine griechische war, war ihr auch relativ egal. Sie war schon stolz, dass sie so etwas überhaupt wusste.
    Sie gingen also tiefer nach Rhakotis hinein, in Richtung Serapeion, aber nicht wirklich dorthin. Ihr Ziel war doch ein wenig abgelegener, um die Besucher des Tempels nicht gleich abzuschrecken, und es gehörte auch nicht so richtig dazu. Inhapy war ja so stolz auf sich, dass sie es geschafft hatte, dass sie mit Ánthimos kommen durfte. Und dabei war er nicht einmal Ägypter.

  • Die Erklärung war ja sehr nebulös. "Was meinst du mit alter Medizin? Ist das ein Tempel, wo wir hingehen?" Anthi konnte sich das nicht so ganz erklären, und runzelte die Stirn. Es sei denn es wäre ein Tempel in dem man für seine Gesundung beten konnte. Aber warum sollte jemand die fortschrittliche Medizin, des Museions etwa, ablehnen?

  • “Was weißt du eigentlich über das Land, in dem du hier lebst? Ägypten ist alt, Ánthimos, fünf Tausend Jahre alt. Meinst du, die Ägypter saßen die ganze Zeit nur in der Wüste und haben Sandkörner gezählt? Wir hatten lange Zeit schon Medizin, ehe Alexander kam und zum Pharao wurde. Und auch lange, bevor die Römer kamen und Pharao wurden. Das meine ich mit alter Medizin. Nicht diese neumodischen Theorien, wie ein Körper funktioniert, und das, was die im Museion da so machen.
    Für Griechen ist das sicher gute und richtige Medizin, aber Ägypter brauchen da ägyptische Medizin.“

    Inhapy hatte sich ein wenig in Rage geredet und merkte das erst jetzt, also atmete sie einmal tief durch. Es war nicht die Schuld von Anthi, das wusste sie, also wollte sie es auch nicht bei ihm abladen. Zumindest nicht, solange er ihr nicht noch anfing, zu widersprechen.
    “Das Haus der Schlangen ist kein Tempel, aber es gehört dazu. Der Heiler dort ist Priester der Isis. Du hast doch keine Angst vor Schlangen? Dort gibt es wirklich welche.“

  • Diese Erklärung fand er schwachsinnig und sie ärgerte ihn. "Und wie unterscheiden sich Ägypter mit ihren Krankheiten von uns Griechen? Tut mir leid, dass ich dir da wiedersprechen muss, aber ich kann mir nicht vorstellen dass wir uns da groß unterscheiden. Und auch Penelope und ich haben Isis ein Opfer dargebracht!"


    Zudem ärgerte ihn, wie abfällig sie über sein Volk sprach. Aber er beruhigte sich schnell wieder.

    "Ich habe keine Angst vor Schlangen."

  • Und da hatte er den Fehler begangen und ihr widersprochen. Inhapy blieb mitten im Gehen stehen und sah Ánthimos aus blitzenden Augen an. Es war ihr wahrlich nicht leicht gefallen, die Entscheidung zu treffen, ob und vor allem was sie ihm beibringen wollte. Sie kam sich dabei teilweise schon fast wie eine Verräterin an ihrem Volk vor. Und nun kam er an und spielte sich auf, nur weil Ägypter lieber ägyptische Medizin haben wollten, und Griechen lieber griechische?
    “Ich habe die Welt, wie sie ist, nicht gemacht. Wenn du ein Problem damit hast, dass die Griechen lieber ins Museion gehen als zu ägyptischen Heilern, dann klär das mit den Griechen. Wenn du ein Problem damit hast, dass Ägypter lieber ihre Heiler nehmen, als griechische Heiler, dann solltest du dir überlegen, was du denn von mir lernen willst. Ich dachte, du wolltest lernen, was die Herren im Museion eben nicht wissen, weil es nicht alles dort haarklein aufgelistet ist. Weil es nicht das neue Wissen ist, über das sie diskutieren können, sondern etwas, das seit ewigen Zeiten so gemacht wird.“
    Inhapy hielt nicht viel davon, irgendwelche Theorien auszudiskutieren, was sein könnte. Sie lernte viel lieber, wie man wirklich etwas tun konnte, um zu helfen, und dazu brauchte sie keine neuen Alternativen, wie etwas auch gemacht werden könnte. Solange ein Weg funktionierte, reichte es ihr, diesen zu kennen. Und dass die Griechen die Ägypter von oben herab behandelten, war sicher weder ihr Verdienst noch ihre Schuld. Und ändern konnte sie daran sicher auch nichts.
    “Ich bin Ägypterin, und für meinen Teil will ich ägyptische Medizin. Und ich dachte, diese interessiert dich auch, weil du nicht wie die anderen Griechen nur griechische Medizin haben willst. Wenn ich mich geirrt habe, solltest du jetzt gehen, denn dann kann ich dir nichts beibringen. Dann musst du ins Museion gehen.“

  • "Natürlich will ich wissen wie das bei den Ägyptern gemacht wird. Aber zu sagen, dass diese nur bei den Ägyptern funktioniert und die griechische Medizin eben nur für Griechen gut sei, ärgert mich. Warum soll die griechische Medizin nicht bei Ägyptern helfen und umgekehrt? Darum geht es mir. Ich kann nicht glauben, dass die Medizin, egal ob ägyptische oder griechische, nicht jedem helfen kann. Die Medizin sollte unabhängig vom Land oder dem Glauben sein! Als Arzt hat man seine Feinde und seine Freunde gleich zu behandeln. Es geht darum Leben zu retten, und dabei dürfen Antipathien oder das Land aus dem jemand kommt, keine Rolle spielen...Ich will alles lernen, was mir dabei hilft. Aber wenn du meinst das würde nichts bringen, weil ich nur ein Grieche bin, dann sollte ich wirklich besser gehen."


    Er war enttäuscht, von ihrer Einstellung. Er hatte immer jeden Menschen gut behandelt, und hatte er nicht Penelope zu Inhapy gehen lassen und nicht ins Museion?

  • “Und wann bitte habe ich behauptet, dass sie bei Griechen nicht funktioniert? Natürlich funktioniert ägyptische Medizin bei denen, und auch bei Römern und Nubiern und Thrakern und Dardanern und Parthern! Einiges funktioniert sogar bei Kühen und Schweinen!“
    Jetzt hatte Ánthimos es geschafft, Inhapy wirklich wütend zu machen, denn sie stand mitten auf der Straße in Rhakotis und fing an, lauthals auf ägyptisch zu zetern. Nicht, dass sie die erste Frau wäre, die das hier auf den Strassen tat, das passierte in der Tat so häufig, dass noch nicht einmal vorbeigehende Passanten auch nur mit der Wimper dabei zuckten. Aber für Inhapy war es doch etwas ungewöhnlich. Auch wenn sie ruppig und direkt war, war sie doch sonst nie wirklich laut.
    “Und ich bin sicher nicht hier, um mit dir darüber zu diskutieren, wie man wen wann behandeln sollte! Ich habe schon so viele Kinder auf die Welt gebracht, die nicht nur ägyptisch waren, dass ich schon gar nicht mehr zählen kann! Also unterstell mir ja nie wieder, ich würde da Unterschiede bei meinen Patientinnen machen, oder die einen besser oder schlechter behandeln als die anderen. Wenn du das wirklich glaubst…“
    Sie führte den Satz nicht zu Ende. Sie wollte Penelope bei der Entbindung helfen, und sie würde sich da von einem Mann nicht reinreden lassen. Die Kleine war ihr so ans Herz gewachsen, die würde sie nicht unerfahrenen Ärzten überlassen. Und wenn sie die Griechin entführen musste vor der Geburt.
    Freunde und Feinde gleich behandeln… Inhapy war mit diesem Satz klar, dass dieser Mann nie in einer Schlacht war. Denn dort behandelten auch Ärzte die Feinde nicht so wie ihre Freunde, sondern ließen sie blutend auf dem Feld liegen, bis die eigenen Truppen alle verarztet waren. Etwas anderes anzunehmen war vielleicht sehr nobel und edel, aber nicht Realität. Aber darüber würde Inhapy sicher nicht auch noch diskutieren. Sie hatte die Welt ja auch schließlich nicht gemacht, sie lebte nur darin.
    Wütend schüttelte sie den Kopf und wandte sich seitlich zu Ànthimos, so dass sie ihm nicht mehr direkt gegenüber stand. Das sah auch sicher lustig aus für Außenstehende, war sie doch bestimmt eine Königselle kleiner als er.
    “Wenn ich gedacht hätte, dass du nur ein Grieche wie alle anderen wärst, meinst du, ich hätte dann zugestimmt, dir etwas beizubringen?“
    Im Moment war Inhapy wütend auf sich selber, dass sie das getan hatte. Sie hätte es besser wissen müssen, auch wenn er Penelopes große Liebe war. Griechen behandelten die Ägypter doch fast immer von oben herab.

  • Jetzt verglich sie nicht nur Griechen mit Kühen und Schweinen, sondern redete offen schlecht über sein Volk. Nur ein Grieche wie alle anderen, hallte in seinem Kopf wieder. Natürlich hatte sie ihn davon ausgenommen, aber das machte es nicht besser! Was hätte sie wohl gesagt wenn er zu ihr gesagt hätte, dass sie nicht nur eine Ägypterin sei?

    "Und was macht mich und Pelo besser als die anderen, die einfach nur Griechen sind?"
    , fragte er niedergeschlagen. Wie hatte er sich so in ihr täuschen können?

  • Ach, darum ging es also. Er sah sich in seinem Volksstolz gekränkt, weil Inhapy nun einmal sagte, wie es allgemeinhin war. Aber so verrauchte zumindest der gröbste Zorn, und sie konnte die schneidende Schärfe aus ihrer Stimme nehmen.
    “Dass ihr zuhört, auch wenn ich Ägypterin bin. Die meisten deiner Landsleute tun das nicht, und wenn du ehrlich bist, dann weißt du das. Für die meisten Griechen sind Ägypter das, was ihr für die Römer seid. Das mag weder dir noch mir gefallen, dass es so ist, aber so ist es. Bestimmt gibt es auch irgendwo Römer, die zuhören und einen gleichberechtigt behandeln. Auch wenn ich noch keinen getroffen habe, aber ausschließen kann ich es nicht.“
    Ihre ganze Gestik und Mimik war nun auch ihrer Stimme angepasst wieder ruhig und sachlich. Dieser große Mann war schon ein großer Idealist, kam es ihr vor. Aber auch solche Menschen musste es geben, denn nur so bestand die Chance, dass sich an den Ungerechtigkeiten auch einmal etwas änderte. Von daher war sie weniger böse auf ihn, vielmehr beneidete und bemitleidete sie ihn in gleichem Maße um diese naive Art. Als sie jung war, hatte sie sie auch einmal besessen, aber nun war sie älter und hatte sich irgendwann einmal mit der Welt, wie sie war, abgefunden. So war es leichter, in ihr zu leben.
    "Ich habe das für mich schon lange akzeptiert, dass es so ist. Die Frage ist nun, ob du es auch akzeptieren kannst, oder nicht. Aber weder du noch ich können hier und jetzt etwas daran ändern. Ich will dir nicht den Stolz auf dein Volk nehmen, aber lass mir auch den auf meines."

  • Er musterte sie einen Augenblick und überlegte dabei, was sie gesagt hatte. "Ich schätze dein Volk nicht gering und ich würde nie versuchen jemandem den Stolz auf sein Volk zu nehmen.", meint er ernst. "Aber du hast Recht, viele Griechen schätzen die Ägypter gering. Wenn du das damit meintest, dann soll das nicht zwischen uns stehen. Ich schätze dich sehr als Lehrerin und bin dir sehr dankbar dafür, was du mir beibringst. Und ja, es gibt auch Rhomäer die einem zuhören und die einen gleichberechtigt behandeln. Aber ich glaube wir lassen dieses Thema besser ruhen und sprechen es nie wieder an."


    Bei diesem Thema würde es immer Ärger geben, wenn verschiedene Völker anwesend waren.


    "Ich würde mich freuen, wenn du mir die die Ehre erweisen würdest und mir die alte Medizin deines Volkes zeigen würdest." Er meinte das völlig ernst und ohne jeden Sarkasmus oder Spott in der Stimme.

  • Inhapy war normalerweise immer viel zu beschäftigt, um nachtragend zu sein. Und zu hören, was einem Frauen während der Geburt alles an den Kopf warfen in ihrem Schmerz, härtete doch ziemlich ab und ließ einen kleine Beleidigungen doch schnell vergessen. Und das hier war weniger als eine Beleidigung gewesen, also war es für Inhapy auch schon gleich vergessen.
    “Ich kann dich nicht so viel lehren. Zumindest nichts, was du als Mann lernen darfst, denn ich kenne fast nur die Geburt. Aber deshalb wollen wir uns beeilen, damit wir zum Haus der Schlangen kommen, denn dort gibt es das Wissen, das du suchst. Also lass uns gehen, es ist noch ein ganzes Stückchen.“
    Inhapy hatte kein Problem damit, zuzugeben, dass sie in der Allgemeinmedizin nicht besonders bewandert war. Natürlich konnte sie Ánthimos einige Rezepte beibringen und ihm noch ein paar Dinge erklären, aber sie war Hebamme und kein Heiler. Dafür gab es ja auch Heiler und Priester. Und zu genau so einem würde sie den Griechen nun auch bringen, damit er wirkliche Heiler einmal bei der Arbeit sehen konnte.

  • Anthi nickte zustimmend und folgte ihr. Er war gespannt, was der Heiler dort genau machte? Unterschied sich deren Handhabe wirklich so essentiell von der griechischer Heilkundiger? Irgendwie konnte er sich das nicht vorstellen. Aber da würde er sich jetzt einfach überraschen lassen.


    "Es ist doch sicher nicht normal, das man da einfach hingehen kann, oder?"

  • “Nun, ja und nein. Natürlich kann man dort hingehen, und wenn man ein Anliegen hat, wird man normalerweise auch eingelassen. Es ist ein Ort der Heilung, ähnlich dem Haus des Lebens. Das kennst du, oder?“
    Das musste Inhapy kurz abklären, ehe sie weiter erklärte. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, das jemand nicht das Haus des Lebens kannte, immerhin hatte er Isis geopfert. Da würde er das Haus, in dem ihre Priester heilten, doch sicherlich auch kennen. Meistens war das ja sogar direkt in der Tempelanlage, wobei in den eher griechischen Poleis diese auch anders aufgebaut waren als in den Städten, die ihren ägyptischen Kern noch hatten.
    “Aber normalerweise wird dort nicht gelehrt. Ich kenne nur einen Heiler von dort, ich habe seiner Tochter bei der Geburt geholfen. Und ich habe ihn gebeten, dass er dich heute ein wenig unter seine Fittiche nimmt.“

  • Jetzt bekam Anthi ein ganz schlechts Gewissen, wo Inhapy sich so für ihn eigesetzt hatte.


    "Es tut mir leid wie ich mich gerade aufgeführt habe. Ich schmeiß dir solche Sachen an den Kopf und du bist so nett zu mir und verschafft mir die Chance dort etwas zu lernen. Entschuldige bitte." Jetzt war der hünenhafte Grieche ganz kleinlaut. Dann fügte er eifrig hinzu:
    "Ich habe von den Häusern der Heilung gehört, aber ich war bisher noch nicht in einem. Eigentlich bin ich nie krank, daher hatte ich bisher noch keinen Grund dorthin zu gehen."

  • “Ach, schon vergessen. Du solltest mal hören, was einem schwangere Frauen bei der Geburt so alles an den Kopf werfen, vor allem in den ersten paar Stunden.“
    Inhapy winkte mit einer lässigen Handbewegung ab, als wäre sonst nichts weiter. Dass er aber noch nie in einem Haus des Lebens war, verwunderte sie doch ein wenig.
    “Wirklich noch nicht? Penelope meinte, du würdest dich im Gymnasion mit einem anderen Kerl prügeln und das als Sport betreiben. Noch nie dabei verletzt worden, oder nur noch nie ins Haus des Lebens deswegen gegangen?“
    Dort konnte man natürlich auch das „handwerkliche“ wie Knochen einrenken und all solche Dinge. Aber das konnten die Griechen auch sehr gut, musste Inhapy auch mal zugeben.

  • Aha, sie hatte als erzählt er würde sich prügeln? Also ein Fasustkampf oder der Pankration war mitnichten einfach mit einer wilden Prügelei gleichzusetzen. Da würde er mit Pelo wohl mal reden müssen...
    "Da passiert nur ganz selten was. Außerdem ist das Museion direkt in der Nähe, wenn doch mal etwas passieren sollte. Aber mit Prellungen, blauen Flecken und solchen Sachen geh ich nirgends hin. Die behandel ich selbst. Und das ist meistens alles, was man da abbekommt."

  • Auch mal löblich, jemand der nicht immer gleich nach einem Heiler krähte, wenn er sich mal piekste. Wobei Inhapy ja auch sagte, lieber einmal zu oft nachgefragt als einmal zu wenig.
    “Nun, dann weißt du wenigstens schon einmal, wie sich so etwas anfühlt. Es ist immer gut, zu wissen, wie sich eine Krankheit auch anfühlt, wenn man sie behandeln will. Dann weiß man aus eigener Erfahrung, welche Teile des Körpers betroffen sind. Und eine robuste Gesundheit ist auch gut, denn einiges ist ansteckend, und als Heiler sollte man nicht gleich mit krank sein. Vor allem wenn du bald ein kleines Kind dann im Haus hast, musst du besonders darauf achten. Dann solltest du dich auch waschen und umziehen, bevor du es in den Arm nimmst, denn manche Dinge haften in der Kleidung. Ich glaube, es kommt durch den Atem der kranken Personen, aber ich bin mir da nicht so sicher. Aber waschen hilft auf jeden Fall.“
    Sie lief mit ihm weiter, immer in Richtung Serapeion, aber nicht direkt dorthin. Sie führte ihn durch das dichte Straßengewirr zielsicher, bis sie ein paar Querstraßen vom Tempel entfernt schließlich vor einem recht bunt bemalten Haus Halt machten, auf dem erstaunlich viele Schlangen abgebildet waren.
    “So, da wären wir.“

  • "Auch laut Hippokrates ist die Reinlichkeit äußerst wichtig. Vor allem beim Umgang mit Galle, Blut und Schleim ist darauf besonders zu achten. Außerdem soll man auf sein Aussehen acht geben, um dem Patienten zu zeigen, dass man auch auf sich achten kann. Und man soll gut riechen, damit der Patient das als angenehm empfindet. Ich habe mir extra schon wohlriechende Salben gekauft."


    Anthi betrachtete das Haus ein wenig misstrauisch. Klar konnte man die Schlangen gut erkennen, aber besonders kunstfertig waren sie nicht gezeichnet.


    "Und da drin gibt es wirklich Schlangen? Doch hoffentlich keine giftigen, oder?"


    Vorhin hatte er so leichthin gesagt, dass er vor Schlangen keine Angst hatte. Das stimmte ja auch, aber er war vorsichtig! Gerade bei giftigen Schlangen war man dumm, wenn man nicht vorsichtig war.

  • Inhapy hob allein beim Namen von Hippokrates leicht die Augenbraue. Für sie war er jemand, der das Wissen bei den Ägyptern geklaut hatte und als sein eigenes verkaufte, und dazu noch ein bisschen was dazugedichtet hatte. Von daher war sie von ihm nicht so überzeugt wie so manch andere, aber sie wollte jetzt nicht schon wieder einen Streit anfangen mit Ánthimos.
    “Natürlich sind da giftige Schlangen. Die meisten Schlangen hierzulande sind giftig. Wenn du dich fürchtest, gehen wir nicht hinein. Normalerweise sind die Schlangen dort in den Räumen, wo normale Besucher nicht hinkommen, aber manchmal sind auch welche dort. Ich werde dich nicht verurteilen, wenn du dich nicht traust. Ich kenne viele Leute, die Angst vor Schlangen haben. Es sind sehr mächtige Wesen.“
    Inhapy hatte nicht vor, ihm da etwas vorzumachen oder ihn zu überreden. Natürlich war das auch ein Test, um zu sehen, wie ruhig er auch in gefährlichen Situationen bleiben konnte. Wirklich gefährlich waren die Schlangen dort nicht. Zum einen waren Menschen zu groß, um für sie Beute zu sein, und zum anderen gab es dort auch nur ein paar, die dazu noch gefüttert wurden. Aber dennoch gehörte die Überwindung der eigenen Angst auch ein Stückweit dazu, was es hieß, Heiler zu sein. Da musste man sich öfter die Hände schmutzig machen und bekam Dinge zu sehen, vor denen sich jeder normale Mensch ekelte oder fürchtete.

  • Oha, dann musste er aber vorsichtig sein.


    "Nein, ich habe keine Angst. Aber ich habe Respekt und werde nun vorsichtig sein. Bei giftigen Schlangen nicht vorsichtig zu sein wäre dumm und vielleicht tötlich."


    Ein bisschen mulmig war ihm schon, allerdings war es mehr Aufregung als Angst. Anthi war halt einfach nicht der Typ der lange über seine Sterblichkeit nachdachte. Da drinnen waren noch andere Menschen, und wenn die nicht gebissen wurden, dann würde er auch nicht gebissen werden. Und wenn er doch gebissen wurde, dann war er immernoch groß und stark und würde sicher die Bisse der meisten Schlangen überleben.

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