Zwei Cousinen im Park

  • Severa und ich kamen schon nach einem kurzen Weg in den Park, der auf halbem Weg zwischen den Märkten und der Villa Aurelia gelegen war. Hier war es angenehm kühl und wenige Menschen waren unterwegs und vor allem wenig Gesindel.
    Severa und ich schlenderten voran und die Sklaven trotteten hinterdrein.


    "Erzähl mir, wie es Dir zuletzt bei Deiner Mutter ging. Wieso bist Du hergekommen?" Ich ahnte, wieso sie es nicht mehr zu hause hatte aushalten können, aber dennoch fragte ich.

  • Mit jedem Schritt den die Patrizierin tat besserte sich ihre Laune. Die frische Luft tat ihr gut. Zu dieser frühen Zeit waren nur wenige Menschen unterwegs gewesen und für römische Verhältnisse war es doch sehr ruhig. Ihre Füße brachten sie in langsamen Schritten neben ihrer Cousine in Richtung des Parks, während sie auf ihrer Haut den kalten Wind spürte, der ihr gnadenlos ins Gesicht peitschte. Den anstehenden Winter spürte Severa durch und durch. Ja, es war wirklich kalt - und dabei hat sie sich von dem Tag so viel versprochen. Nicht, dass das Wetter allein den ganzen Ausflug hätte verderben können, aber wärmender Sonnenschein wäre definitiv angenehmer gewesen. "Naja, mir fehlte es eigentlich an nichts, aber es war einsam und langweilig und du kennst meine Mutter ja noch. Sie ist keine besonders gute Gesellschaft...", entgegnete Severa prompt auf Laevinas Aussage hin, gefolgt von einem Lächeln, dass sich bald zu einem Grinsen entwickelte. Mit ihrer nächsten Frage lenkte sie das Thema bewusst von sich ab. "Aber wieso bist du denn hier?" Severa blickte seitlich lächelnd auf zu ihrer Freundin, die ein wenig höher gewachsen war als sie selbst.

  • Auch mich fröstelte es und ich zog mein Gewand etwas enger um mich. Die Antwort die Severa mir gab, war die die ich erwartet hatte. Ich grinste zurück, wenn auch etwas vorsichtiger, es war ja immerhin noch ihre Mutter.
    Dann fragte sie zurück... das hätte ich ahnen müssen. Ich hörte auf zu Grinsen und sagte etwas leiser aber mit fester Stimme: "Vater ist vor einigen Wochen gestorben... Er war schon lange krank und wollte, dass ich zu Corvinus reise." Soweit, so gut oder schlecht viel mehr. Aber das Verhalten meines verstorbenen Vaters machte mich wütend. "Ich sollte nach Rom. Warum hat er damit solange gewartet, bis er nicht mehr mitkommen konnte?", fragte ich niemand bestimmten empört und traurig zugleich.
    Ich hoffte, Severa würde verstehen, warum ich nicht weinte oder meiner Trauer stärkeren Ausdruck verlieh. Denn ich konnte es nicht. Ich vermisste meinen Vater und was man alles tun sollte, wenn sein nächster Verwandter verstarb, aber es fiel mir ehrlich schwer. Er hatte mich fast immer auf Distanz gehalten, seit meine Mutter verstorben war und das war wirklich schon ewig her. Und obwohl er mir alles geben wollte, was er konnte, hatte er mich doch eingesperrt: Eingesperrt im langweiligen, verschlafenen Griechenland, eingesperrt durch die Einsamkeit die er mir zufügte um mit seiner scheinbar ewig währenden Trauer umgehen zu können.

  • "Vater ist vor einigen Wochen gestorben…" Severa hielt inne. "Was?" Traurigkeit und Mitgefühl erfüllten die Patrizierin. Wieso wusste sie nur nichts davon? "Das.. tut mir unglaublich Leid für dich…" Diese Nachricht kam für die Aurelierin einfach zu plötzlich und unerwartet. Jetzt hatte ihre beste Freunden auch noch den Vater verloren. Severa trat näher an sie heran und nahm ihre Hände. "Das muss so schlimm für dich gewesen sein" Die Aurelierin wusste ganz genau wie es war. Einen geliebten Menschen gehen zu lassen. Oder verlassen zu werden. Sie wusste ganz genau, was Laevina dadurch hat mitmachen müssen. Ihre gute Laune sank nun auf einen Schlag. Ihre Cousine selbst indes verbarg scheinbar ihre Trauer hinter einer ernsten Maske. Severa umarmte sie kurz, um nochmals zu zeigen, dass sie mit ihrer Freundin mitfühlte. "Er hatte sicherlich seine Gründe..." vermutete Severa auf Laevinas Frage hin, die scheinbar eher ein ausgesprochener Gedanke ihrerseits war.
    "Hm" war der zunächst verzweifelte Versuch das Thema zu wechseln. "Und, hast du in der kurzen Zeit hier in Rom schon jemanden Interessantes kennen gelernt?", fragte Severa schließlich schelmisch grinsend - und dabei äußerst stolz auf sich ein unterhaltsames Thema gefunden zu haben - schließlich spielte sie auf die männlichen Wesen Roms an. "Weißt du noch wie oft ich mich früher immer verliebt hab?" sprach sie kurzerhand ihre Gedanken aus, die ihr gleichsam mit der vorigen Frage ins Gedächtnis sprangen und lachte laut los. ...Das Verliebtsein beschränkte sich leider nur auf Äußerlichkeiten... fügte Severa in Gedanken hinzu und seufzte innerlich. Wie einfältig sie damals doch nur gewesen ist. Wobei. Hatte sich daran jetzt etwas geändert? Ihre Gefühle für andere waren seit jeher oberfächlich gewesen. Sie war einfach nicht dazu fähig, sich einem Anderen völlig zu unterwerfen. "Sollen wir uns erstmal hinsetzen?" fragte Severa schließlich und deutete dabei auf eine nahe stehende Marmorbank.

  • Severa bemitleidete und umarmte mich sofort. Es war mir etwas unangenehm, ich konnte mit der Situation nicht so gut umgehen, es war mir nie leicht gefallen, mit Schicksalsschlägen umzugehen, doch hier war die Situation durch mein Verhältnis zu meinem Vater noch um einiges komplizierter. Ich war trotzdem dankbar für Severas Mitgefühl und hauchte ein "Danke...".
    Unendlich dankbar war ich ihr dafür, als sie das Thema zwar etwas ungeschickt aber erfolgreich wechselte. So kamen wir weg von diesem sehr leidigen, weil mit Leid verbundenen Thema und kamen sogar sofort zu einem hoch interessanten. Über Jungs hatten wir uns natürlich schon tausend Mal unterhalten, ich hatte es in den letzten Jahren vermisst, dass ich nicht einmal mit jemandem darüber reden konnte, geschweige denn eine besonders grosse Auswahl zu haben.
    Ich schluckte und gab mir dann alle Mühe, mich aufzuheitern und meinen Vater wieder in die hintere Ecke meines Kopfes zu verdrängen, wo er seinen Platz hatte. Grinsend sagte ich: "Du hast Dich früher wirklich andauernd verliebt! Schade eigentlich, dass es bei mir in der Gegend nicht so viele nette Jungen gab." Das war wirklich bedauernswert, ich hatte keine Erfahrungen sammeln können - zumindest nicht mit Jungen..., dachte ich grinsend.
    Dann fuhr ich leicht errötend fort, weil ich mich etwas ertappt fühlte: "Nunja, es gibt schon einige nette Herren in Roma. Das ist ja einer der Vorzüge einer Grossstadt für ein junges Mädchen..." Dann führte ich meine Aussage doch noch fort und fragte unschuldig, aber wohl zu unvermittelt: "Hast Du schon Aurelius Ursus kennengelernt?" Wir setzten uns, während ich gespannt ihre Antwort und im Zweifelsfall ihr Urteil abwartete.

  • Am liebsten hätte Severa mehr über den Vorfall mit Laevinas Vater gewusst, aber sie spürte, dass ihre Cousine nicht weiter darüber reden wollte. Sie hakte nicht weiter nach, kamen sie nun ohnehin auf ein sehr viel spannenderes Thema. Severa konnte über alles mit ihrer besten Freundin reden, aber das Thema Jungs war ohne Zweifel das Interessanteste. Severa erinnerte sich nicht ungern an frühere Erlebnisse diesbezüglich - und jedes Mal wenn sie das tat, zauberte es ihr gleichsam ein breites Grinsen auf das Gesicht. Die Patrizierin war zwar sehr oft verliebt, konnte aber generell genau so wenig Erfahrungen mit Jungs sammeln wie ihre Cousine auch. Selbst den ersten Kuss hatte sie nicht mit einem solchen, stattdessen übte sie mit ihrer Cousine, um später, wenn es dann so weit war, alles richtig zu machen. Es war damals aufregend gewesen, das musste sie zugeben. Nicht das Üben an sich, sondern die Tatsache, dass sie es heimlich machen mussten. Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn Laevinas Vater davon Wind bekommen hätte oder einer der vielen Sklaven. Schwierig war es schon sich immer verstecken zu müssen, aber Severa empfand es als spaßig. Jetzt sprach die Aurelierin jedoch nicht mehr darüber, selbst mit Laevina eher ungern. Nicht, dass sie sich schämte, aber die Beiden hatten sich früher geschworen dass sie davon niemals jemandem etwas erzählen würden. "Hm" machte Severa nachdenklich und nickte. "Ich habe leider noch niemanden kennen gelernt der meinen vielen Ansprüchen gerecht wird.." Die Auelierin lachte. "Aber im Ernst. Ich muss irgendwie mehr unter die Leute… Rom ist so groß!" Und zwar unter die richtige Gesellschaft, versteht sich! Severa wollte sich schließlich nicht mit irgendwelchen Plebs abgeben. "Ursus?" Die junge Frau zuckte kurz mit den Schultern. "Nein, bis jetzt leider noch nicht. Wieso denn…?" Aurelius Ursus… nein, Severa kannte ihn nicht weiter. Aber wieso fragt Laevina ausgerechnet jetzt danach? Klingt ja fast so als ob… "Was ist denn mit ihm?" fragte die Aurelierin schließlich betont unwissend, obwohl sie es sich fast denken konnte.

  • Ich drückte mich ein wenig vor der Antwort, schliesslich war sie ziemlich peinlich und unanständig. Nein, nicht unanständig... eher ungewöhnlich.
    Aber es war Severa, meine Severa, mit der ich hier redete und die Sklaven waren ein gutes Stück entfernt, also druckste ich nur noch eine kurze Weile herum und gab dann zu: "Naja, er gefällt mir!" Das war ziemlich eindeutig und skandalös. Also schwächte ich es schnell ab. "Du weisst ja dass da nichts ist oder sein kann, er ist immerhin auch ein Aurelier. Aber...", geriet ich ins Schwärmen, "Er ist ein toller Mann. Er ist jung, erfolgreich, gutaussehend, fröhlich, freundlich und lustig. Du musst ihn unbedingt kennenlernen. Vielleicht gereicht er ja sogar Deinen hohen Ansprüchen... Aber kriegen tust Du ihn nicht!", grinste ich sie an und stupste sie schelmisch in die Rippen, wohlwissend, dass auch ich ihn nicht "kriegen" würde. Aber wofür hatte man eine beste Freundin, wenn man ihr nicht einmal die un... - das richtige Wort fehlte mir immer noch - naja, die ungewöhnlich unanständigen und unpassenden Sachen erzählen konnte.


    "Wo wir schon bei dem Thema Verwandte sind...", bemerkte ich nicht ohne Selbstironie, schliesslich war dies ja gerade das Problem. "Hast Du schon andere aus der Aurelia in Rom kennengelernt? Prisca ist eine weitere sehr nette Cousine. Dann gibt es noch Marcus. Er ist mehr so der Arbeitsmensch und Vatertyp." Wobei nicht zu vergleichen mit meinem Vater. "Ach ja!", beinah hätte ich ihn vergessen. "Und Manius. Den finde ich aber ziemlich... ich weiss auch nicht. Unsymphatisch." Ich hatte ganz vergessen, dass Severa zumindest ihn ja schon an ihrem ersten Abend kennengelernt hatte, an dem auch ich sie wiedergetroffen hatte.

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