Die Pein ein Sohn zu sein

  • Tagsüber war es hell, am Abend war es dunkel. Falsch.
    Tagsüber war es dunkel und die Nacht war hell. Warum? Weil ein Kind zum Manne wurde, ein Jäger zum Gejagten und das Versteckspiel begann...die Welt veränderte sich schlagartig. Seine Welt.


    Eine Flucht war nicht möglich, noch nicht. Und doch, er floh, jedoch nicht physisch. Er floh vor sich selbst. Er floh vor seinem Namen. Floh vor seiner Vergangenheit sowie vor seiner Zukunft.
    Im Mut liegt die Kraft, hatte man ihm gelehrt. Und er hatte den Mut, doch wohin damit? Fliehen vor sich selbst, vor allem, was er kannte, setzte unweigerlich ein Scheitern voraus. Vorwürfe, die Frage des "Was wäre wenn..." und bloß eine fehlende Sesterze in der Tasche würde ihn nach Hause bringen.
    Ein elendes Leben, welches er führte, doch er führte es. Lustlos und leer. Eben so, wie man ein ungewolltes Leben führte.


    Und so floh er auch heute vor sich selbst, zuvor vor seinen Leibwächtern und noch einige Stunden zuvor vor seinem Vater, dessen Pläne ihm die Jugend rauben würden.
    So stürzte er sich in die Menge, welche doch so so viel versprach. Zuerst einmal, nicht aufzufallen.
    Und so ging er, von Stand zu Stand, desinteressiert und ziellos. Mal hier schauend, mal da. Es waren schon eigenartige Menschen, Menschen ohne Wahl. Doch war er anders? Hatte er das Privileg dazu? Gute Frage. Die Antwort wollte er jedoch nicht wissen.


    Vertieft in seine Gedanken, führten ihn seine Beine irgendwo hin. Bloß weg vom Alltag.


    Sim-Off:

    Herausforderung gefällig? Jeder, der mag...

  • Kühl war es heute und so hatte Ursus einen recht zügigen Schritt angeschlagen. Vielleicht wurde ihm so ja ein bißchen wärmer. Voll war es heute auf den Straßen und Märkten. Und so war es etwas schwierig, immer einen Blick auf die Auslagen der Händler zu erhaschen. Ein paar Geschenke für die Saturnalien fehlten ihm noch. Wenige, aber immerhin war es allerhöchste Zeit. Ideen hatte er durchaus, nur einfach noch nicht das richtige gefunden. Hin und wieder mußte er tatsächlich seinen Sklaven vorschicken, damit er ihm Platz verschaffte. Dabei mochte es Ursus gar nicht, sich so durchzudrängen und den Weg zu erkämpfen zu lassen.


    Ah, das war der Händler mit den feinen Stoffen, von dem ihm berichtet worden war. Den Blick schon fest auf die Auslaagen gerichtet, achtete er kaum auf den Weg. Und rempelte daher gegen einen jungen Mann. "Oh, Verzeihung", sagte Ursus musterte den gut aussehenden und modisch gekleideten Mann. Irgendwie hatte er das Gefühl, er müßte ihn kennen. Eine Ähnlichkeit mit irgendjemandem... Er konnte es nicht so ganz festmachen.

  • "Ich nehme an...", erwiderte er beiläufig, als ihn jemand anrempelte und sich zu entschuldigen versuchte. Es war ihm regelrecht egal. Bloß eine Floskel.


    "Das Leben rennt uns ja nicht davon."


    Welch Wahrheit! Das Leben rennt uns nicht davon, aber wir rennen recht gerne davon. Er, andere Erben, sowie die ganze Menschheit an sich. Kurz musterte er den jungen Mann neben sich, welcher wohl kaum älter als er selbst sein mochte. Vom Aufzug her edel, galant und doch so verantwortungsvoll sah er aus. Jemand, der sich dem Druck gebeugt hatte. Sogar erfolgreich, wie man sah. Schließlich schien er kein Mann zu sein, der die Anonymität suchte bei all dem Gefolge, welches ihn geradezu zu verfolgen schien. Vermutlich Sklaven, vermutlich auch Klienten. Es war irrelevant. Er war ein Mann mit einem Namen, welchen er stolz trug. Demzufolge alles Andere, was sein Gegenüber war, war er selbst. Ein schwarzes Spiegelbild.

  • Natürlich war es nur eine Floskel, was sollte es auch sonst sein, schließlich war ja nichts passiert. Doch Höflichkeit war nur selten ein Fehler und man brach sich schließlich keinen Zacken aus der Krone. Weder bei einer Entschuldigung, noch dabei, eine anzunehmen. Eigentlich hatte Ursus gar nicht unbedingt mit einer Antwort gerechnet. Doch dann kam überraschenderweise doch eine. Auch wenn sie irgendwie gleichgültig klang.


    "Manchmal hat man aber doch den Eindruck, daß es einem davonrennt", erwiderte er und wandte sich dem anderen, der nicht viel jünger als er selbst sein konnte, nun doch noch zu. "Wenn ich mich vorstellen darf: Titus Aurelius Ursus." Noch immer überlegte er, an wen sein Gegenüber ihn erinnerte.

  • "Und wenn schon...", sagte er impulsartig, ohne jeglichen Gedanken an seine Worte zu vierlieren, "...manche würden dem Leben auch nicht nachrennen."
    Womit er auch sich mit einschloss, was jedoch einer Ergänzung entbehrte, da der Gedanke an sich bloß seiner Anhängerschaft in den Sinn kommen konnte.
    Lucius war gewiss nicht lebensmüde, nur ein wenig lebensfaul. Zumindest, was dieses eine bestimmte Leben anbelangte. Ein anderes Leben, so dachte er, wäre sicherlich lebenswerter. Auch wenn dies bedeuten sollte unter Schweinen zu schlafen. Und wenn schon, besser als das hier war es alle mal.


    Der Nebel hüllte sich und was als bloße Aneinanderreihung von Gedanken angefangen hatte, entwickelte sich zu einer echten Konversation. Nun stellte sich der Fremde sogar vor, was Brutus schon beängstigend vorkam.
    Er müsste dem vorbeugen und nickte höflich, "Sehr erfreut, Titus Aurelius. Nenn´ mich einfach Lucius."
    Bloß nicht zu viel vagen, denn aufgrund der Gefolgschaft und des Namens war dieser Aurelier sicherlich kein Mann der Philosophie, sondern einer der Politik. Und von beidem, Politik und seinem Namen, wollte Brutus am liebsten gar nichts wissen.

  • Ursus hob eine Augenbraue. "Es ist klug, dem Leben nachzurennen, denn mehr als das eine ist uns nicht vergönnt. Und was uns danach erwartet, falls uns danach überhaupt etwas erwartet... das entscheiden die Götter." Er war zu lebensbejahend, um anders zu denken. Natürlich war er auch auf der Sonnenseite des Lebens geboren, das war ihm durchaus bewußt. Und auch, daß es Menschen gab, deren Leben nicht sehr erstrebenswert erschien. Doch dieser junge Mann hier schien doch auch aus eher besseren Verhältnissen zu stammen? Zumindest sah er so aus.


    Die Augenbraue hob sich ein weiteres mal, als der Mann sich mit seinem Praenomen vorstellte. Und mit nichts anderem als seinem Praenomen. Was hatte er zu verbergen? "Nun denn... sehr erfreut... Lucius." Was für ein eigenartiger Bursche. Eigentlich wollte Ursus sich schon abwenden und weitergehen. Doch dieser Mann hatte seine Neugierde geweckt. "Unsere Bekanntschaft scheint unter einem schlechten Stern zu stehen. Du machst einen ausgesprochen bedrückten Eindruck. Bitte verzeih, ich möchte mich keineswegs in Deine ureigensten Angelegenheiten mischen. Doch... Dort vorne gibt es heißen Gewürzwein. Was würdest Du von einem Becher davon halten?" Das würde ihn aufwärmen, genau das richtige an solch einem Tag.

  • "Wenn man dem Leben überdrüssig ist, ist alles andere, was uns erwartet, sicherlich nicht schlechter als der Überdruss.", hielt er trotzig dagegen und verteidigte den Pessimismus, als wäre er sein Lebensinhalt.


    Nun gut, man musste kein Meister der Zeichendeutung sein, nicht einmal Augur, um zu erkennen, wonach es Lucius derzeit war.
    Doch das Besondere daran war nicht dies, sondern die Tatsache, dass ein vielbeschäftigter Mann, ein scheinbarer Magistrat, seine Zeit bereitwillig opfern wollte. Und das für einen hoffnungslosen Jüngling?
    Brutus war sich unsicher, was er davon halten sollte. Vielleicht gefiel er dem Mann, auf irgend eine Weise, über die er nicht nachdenken wollte. Anders konnte er es sich nicht erklären.
    Aber letztendlich entschied er, dass es ihm egal sein konnte. Und durstig war er auch nach der Flucht vor seiner Eskapage voller Wächter.


    "Gerne, du musst mich jedoch einladen. Ich habe keine Sesterze bei mir."


    Schon eigenartig auf dem Forum zu sein ohne irgend ein Geldstück dabei zu haben. Aber es diente vielmehr der Zerstreuung, anstatt dem wahren Sinn und Zweck eines Handeslplatzes. Und Zerstreuung brauchte er heute wie ein Fisch das Wasser.


    "Du bist ein Mann von Namen und Würden, Aurelius. Du musst sicherlich sehr schnell im Nachrennen nicht nur deines Lebens, sondern auch deiner Zukunft sein.", merkte er an, als sie zusammen weiter schritten in Richtung des heißen Gewürzweines.

  • "Du bist jung, augenscheinlich gesund, augenscheinlich aus besten Verhältnissen stammend. Wie kann man des Lebens überdrüssig sein, wenn einem alle Türen offenstehen?" Es war nicht so, daß Ursus sich anmaßte, Lucius irgendwelche Vorwürfe zu machen. Er verstand es einfach nicht. Er war seines Lebens nie überdrüssig gewesen, obwohl er auch schon Zeiten der Verzweiflung gekannt hatte.


    Mit einer einladenden Geste deutete er auf den Stand mit dem Gewürzwein. "Komm, der Wein wird mich nicht arm machen. Ich lade Dich gern ein." Er ließ sich von dem Händler zwei Becher geben und reichte einen an Lucius weiter. "Wohl bekomm's, Lucius", wünschte er und nahm einen Schluck des heißen Gebräus. Ja, das wärmte wunderbar!


    Wenn ihn jemand gefragt hätte, warum er sich mit diesem Unbekannten abgab und seine wahrhaft kostbare Zeit für ihn opferte, er hätte es nicht einmal sagen können. Vielleicht faszinierte ihn einfach, daß er so anders war. So gegensätzlich zu ihm selbst. "An meinem Namen habe ich keinen Verdienst, Lucius, ich wurde in meine Familie hineingeboren. Und auch für mein erstes Amt hatte ich nichts geleistet, mein Name gab mir einen Vertrauensvorschuß, so daß ich trotzdem gewählt wurde. Ab da erst lag es bei mir. Wir haben schon große Vorteile, die wir in vornehme Familien geboren wurden. Gibt es nichts, was Dich begeistert? Keinen Weg, den Du gerne gehen würdest?" Hatte nicht jeder Freude an irgendetwas? "Was vergällt Dir das Leben so?"



    Sim-Off:

    Wi-Sim :)

  • Lucius blickte gen Boden und suchte nicht seinen Blick.


    "Und wie wäre es, wenn diese Türen die falschen sind? Ich meine, die Türen zu einem leidvollen Leben?", und das war es immerhin schon. Nicht auszudenken, wie es einmal sein sollte, wenn er Senator oder ein Mann von Ruf und Namen war.
    Es grauste ihm davor und er nahm den Becher schnell entgegen und trank einen kräftigen Schluck. Dabei vernachlässigte er den Trinkspruch des Aureliers.


    "Das Positive bei dir ist das Negative an mir. Ich sehe das völlig anders. Es ist eine Pflicht in so etwas hinein geboren zu werden, eine Pflicht zur Macht.
    Und durch die Macht hat man alles, Aurelius Ursus, nur keine sauberen Hände."


    Und er trank einen zweiten Schluck.

  • Die Türen waren die falschen? Alle? Ursus musterte Lucius neugierig. Dieses Gespräch entwickelte sich in eine unerwartete und erstaunliche Richtung. "Du siehst nur Türen zu einem leidvollen Leben? Jedes Leben kennt Leid, das ist wohl nicht zu ändern. Aber man darf doch nicht nur das Leid sehen. Im Gegenteil sollte man den Blick auf die positiven Dinge behalten und daraus seine Kraft ziehen." Das war zumindest seine Meinung.


    "Du hast die Pflicht zur Macht? Ja, in gewisser Weise magst Du recht haben, daß dies die Konsequenz aus den Pflichten ist, die man hat, wenn man in eine hohe Familie geboren wurde. Ich sehe meine Pflicht darin, den Weg in die Politik zu gehen. Als Patrizier gibt es wenig anderes, das man tun kann. Und ja, dieser Weg bringt mit der Zeit immer mehr Macht mit sich. Macht hat die Angewohnheit, zu korrumpieren. Doch liegt es am Ende nicht doch bei dem Menschen selbst, ob er dieser zugegebenermaßen sehr starken Versuchung widersteht oder nicht? Bist Du so sicher, ihr nicht widerstehen zu können?" Er wußte auch von sich selbst nicht, ob er es können würde. Noch hatte er nicht viel Macht, noch war die Versuchung nicht da, zumindest nicht spürbar da. Würde er ihr erliegen?

  • Brutus war nun ein wenig gereizt. Man verstand ihn nicht und er fühlte sich dabei nicht nur alleine gelassen, sondern geradezu hintergangen. Konnte man sich denn heutzutage nicht auf einen Pessimisten einlassen und dessen Handlungs- und Denkweise für eine gewisse Zeit nachvollziehen? Brutus schüttelte resigniert den Kopf.


    "Und was soll ich deiner Meinung nach für positive Dinge sehen? Es gibt nichts Positives aus reiner Verpflichtung und Bürde, welche man nicht bereit ist anzunehmen. Du könntest sagen, es sei die Erfahrung und die Stärke, welche man danach haben sollte. Aber was ist, wenn ich solcherlei Erfahrung verachte? Und vielleicht habe ich nicht die Stärke und gehe daran zugrunde?", er wusste selbst, dass er sehr sensibel war. Nicht kränklich, nicht physisch sensibel, doch sein Geist war ein schwacher und das spürte er schon von Kindesbeinen an. Er war immer der, welcher Mitleid bewies, wo Mitleid fehl am Platze war. Entweder musste sich die Welt ändern oder er selbst. Und wenn ihm dies nicht gelang, musste er aus dieser Welt scheiden, so, wie er hierhin gekommen war.


    "Ich sehe darin einen Gegensatz. Du sagst, es liege an dir, ob du für diese - nennen wir sie negative - Macht empfänglich bist, richtig? Aber was wäre, wenn sie unbedingt erforderlich wäre, um in der Politik voran zu kommen? Würdest du deine Prinzipien aufgeben? Ja, du müsstest sie, egal wie du dich entscheidest.
    Entweder du nimmst diese Macht an, korrumpierst oder du nimmst sie nicht an und verstößt gegen deine Pflicht als Sohn, welcher bestimmt ist politisch erfolgreich zu sein. Du siehst, ein Irrweg. Und das habe ich erkannt."
    , und ein tiefer Schluck beendete seine Rede.

  • Ursus runzelte die Stirn. Langsam verstand er, wo das Problem lag. "Du hast recht. Du wirst nichts Positives darin finden. Weil Du es vollständig ablehnst. Also kann da auch nichts Positives sein. Dein Vater will Dich also in die Politik zwingen und Du siehst diesen Weg für Dich als falsch an? Wenn Du diesen Weg nicht willst, wirst Du es auch nicht schaffen, soviel ist klar. Und das hat nichts mit den Folgen von zuviel Macht zu tun." So etwas kam ja ohnehin erst später. Viel später. War dem Vater nicht klar, daß sein Sohn nicht weit kommen würde, wenn er selbst die Politik verabscheute? Für einen Moment überlegte Ursus, was sein eigener Vater wohl sagen würde, wenn er noch leben würde. Wäre er wohl zufrieden mit ihm? Oder würde er ihn auch auf Wege zwingen, die er nicht gehen mochte? Ja, langsam verstand er, warum Lucius so pessimistisch war.


    "Und wenn Dein Vater nicht wäre. Wenn da niemand wäre, der Dich auf diesen Weg zwingen will. Was würdest Du tun wollen? Was mit Deinem Leben anfangen?" Eigentlich war das erst die wirklich interessante Frage. Was wünschte sich Lucius für sich selbst? Er mußte sich doch mal Gedanken gemacht haben. Jeder hatte doch seine Träume, egal ob sie erfüllbar waren oder nicht.

  • Brutus lächelte zum ersten Mal an diesem Tag.


    "Ja, du hast es erkannt. Er zwingt mich nicht direkt dazu, aber es ist seine Art mich zu maßregeln. Ich weiß um seinen Maßstab, es ist der eines künftigen Politikers, der ich nicht sein will, aber muss.", er stellte sogar die alles entscheidene Frage. Was wollte Brutus?


    "Weißt du, ich fühle mich wie ein leeres Glas, welches nicht befüllt werden kann. Ich weiß nichts, ich will nichts und meine Zukunft bedeutet mir nichts. Ich habe es versucht durch den Dienst an den Göttern zu befüllen, aber es war der falsche Inhalt. Die Politik wäre ebenfalls, auch wenn ich es nur versuchen würde, ein falscher Inhalt. Ich habe Angst falsch befüllt zu werden, verstehst du? Falsche Erfahrungen, die zu falschen Schlüssen führen. Falsche Wege, die zu falschen Türen führen, welche sich wieder irgendwann nicht mehr durch meinen Namen werden öffnen lassen können, sondern nur durch meine Taten und meinen Pathos - und das wird das Ende meines Weges sein."


    Tolle Zukunft, Brutus, dachte er sich und hatte die große Lust eine Klinge an seiner Brust zu spüren. Er hätte sich ihr bereitwillig hingegeben, wäre da nicht seine Mutter, welche er nicht alleine lassen wollte.

  • Ursus legte den Kopf schief und dachte angestrengt nach. So ganz konnte er sich nicht in Brutus hineinversetzen, da er seinen Weg immer gekannt und gewollt hatte. Doch er wollte wenigstens versuchen, es nachzuvollziehen. "Und wenn Du Dir von Deinem Vater Zeit erbittest? Du bist noch jung, die Politik läuft Dir nicht davon. Und glaube mir: Im Senat haben sie auch lieber Kandidaten, die schon ein wenig Lebenserfahrung haben." Weiterhin beobachtete er diesen Lucius, von dem er immer noch nicht wußte, welcher Familie er angehörte oder warum er das Gefühl hatte jemanden zu kennen, der ihm ähnlich sah. Daß er einen Verwandten vor sich hatte - immerhin war Ursus' Mutter eine Claudia gewesen - ahnte er nicht.


    "Warum lehnst Du Dich nicht zurück und nutzt Deine Zeit, um Dich weiterzubilden? Gerade wird ein neuer Kurs an der Schola angeboten. Bald wird es auch wieder einen weiterführenden Kurs geben. Zumindest den Cursus Res Vulgares brauchst Du ohnehin, wenn Du doch noch in die Politik gehen wollen würdest. Und auch der weiterführende Kurs ist für höhere Ämter vorgeschrieben. So ist Deinem Vater der Wind aus den Segeln genommen, da Du ja für Deine Zukunft lernst. Und Du erhältst Zeit, Dich zu orientieren und Dich vielleicht ein bißchen von ihm freizuschwimmen." Mischte er sich vielleicht zu sehr ein? Aber er meinte es nur gut und wollte ihm nur Möglichkeiten aufzeigen. "Rom bietet unendlich viele Möglichkeiten. Eigentlich für jeden." Aber wollen mußte man natürlich. Irgendwas wollen.


    "Bildung ist eine gute Grundlage für alles. Egal, welche Tür sich als die richtige für Dich herausstellen mag." Vielleicht war Lucius ja auch für die Landwirtschaft geboren? Eine ehrenvolle Tätigkeit war es allemal.

  • Ein leichtes Lächeln war auf seinen Zügen zu erkennen.
    "Du sprichst gerade so, als wäre mein Vater verständisvoll und einfach. Er ist vieles, aber das sicherlich nicht."


    Das mit dem Cursus Res Vulgares war interessant und er musste dem Aurelier für diese Idee eigentlich danken.
    "Weißt du, du hast vollkommen Recht. Wenn ich diesen Kurs nicht absolviere, darf ich auch nicht kandidieren. Also versäume ich ihn einfach, bis es gar nicht mehr geht. Damit gewinne ich Zeit.", und schon sah die Welt für ihn ein kleines Stück freundlicher aus. Etwas mehr Zeit war ein lang gehegter Wunsch, der in dieser Familie nicht gerade oft vergeben wurde.


    "Was ich mir wünschen würde, wäre allerdings einfach in Ruhe gelassen zu werden. Vielleicht werde ich eines Tages, wenn man Vater stirbt, Philosoph. Verfasse Schriften, wenn ich mag, genieße das Leben und verprasse das Geld meiner Ahnen. Schließlich leben wir nur einmal und was ist schon ein Eintrag in den Annalen der Geschichte wert, wenn man dafür sein Leben verschwenden muss? Ich lebe für mich, Aurelius Ursus, nicht für die Familie.
    Siehst du es genau so?"


    Natürlich sah er es anders, sonst wäre er nicht hier, nicht mit diesem Gefolge und nicht in diesem Amt.

  • Ursus zuckte die Schultern. "Du hast Dich mir nicht mit vollständigem Namen vorgestellt. Und selbst wenn Du es hättest, wäre es noch fraglich, ob ich Deinen Vater kennen würde. Also kann ich nicht ahnen, wie er ist." Wie sollte er einen Menschen beurteilen, von dem er nichts weiter wußte, als daß er ein Vater war und höchstwahrscheinlich der gehobenen Gesellschaft angehörte?


    Die nächsten Worte von Lucius waren für einen Mann wie Ursus so absurd, daß er am liebsten losgelacht hätte. Doch er wollte nicht unhöflich sein und verkniff sich das Lachen. Allein an dem Zucken seiner Mundwinkel konnte man erahnen, daß er das ziemlich lachhaft fand. Den Cursus Res Vulgares zu verweigern war so ziemlich das albernste, was er je gehört hatte. Niemand konnte einen zu einer Kandidatur zwingen. Aber den Cursus Res Vulgares nicht zu besuchen bedeuete mangelndes Wissen - und sich um die Möglichkeit der Wahlbeteiligung zu bringen. Er zweifelte nicht daran, daß Lucius dies wußte, deshalb sagte er nichts mehr dazu.


    Die Frage am Ende seiner Ausführungen konnte Ursus nur mit einem amüsierten Kopfschütteln beantworten. "Nein, ich sehe das vollkommen anders, für mich ist die Familie das Fundament, auf dem mein Leben steht. Also lebe ich sehr wohl auch für die Familie, damit das Fundament fest und sicher steht. Aber wäre das Leben nicht schrecklich langweilig, wenn wir nicht jeder unsere eigenen Ansichten und Lebensziele hätten? Nun, ich möchte nicht in Deiner Haut stecken, wenn Du Deinem Vater von Deinen Plänen berichtest. Doch wer wäre ich, darüber zu urteilen? Ich bin ja schließlich nicht Dein Vater." Für Ursus war es unvorstellbar, Müßiggang als Lebensziel zu betrachten. Für ihn war genau das Verschwendung des Lebens.

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