atrium | Eine frohe Botschaft

  • Während Leone den flavischen Sklaven mehr oder weniger sanft ins Atrium schob, fuhr er den Sklavenjungen an: "Nun lauf schon und melde es Dominus Corvinus. Beeil Dich! Das muß er sofort erfahren!" Der Junge flitzte los. "Warte Du hier. Ich bin sicher, er komm sofort." Natürlich lagen ihm allerlei Fragen auf der Zunge, aber die mußte er sich leider verkneifen. Doch als er zur Porta zurückging, stellte er sich so hin, daß er hören konnte, was im Atrium gesprochen wurde.

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    Damit hatte nun Cleomedes wirklich nicht mehr gerechnet, so schnell ins Innere der Villa zu gelangen, hatte der nubische Querkopf ihn doch erst abspeisen wollen. Als der Nubier einen Jungen losschickte, um den Hausherrn herbeizuholen und er selbst dann wieder an sein Tagewerk ging, sah sich der griechische Sklave erstaunt um. Dies geschah nicht ohne einen gewissen Hintergedanken. Bereits vor der Entführung der Flavia hatte es Gerüchte gegeben, die besagten, er gehöre zu denjenigen Sklaven, die die Flavia nach ihrer Hochzeit in die Villa Aurelia begleiten sollten. Ob er sich deshalb freuen sollte, war ihm nicht ganz klar. Als die Nachricht von Tode Celerinas die Villa erreicht hatte, war seine Trauer verhalten.
    Vor einigen Stunden war sie nun leibhaftig wiedergekehrt. Jetzt war alles wieder offen. Alles war möglich!

  • Der Junge erwischte mich, als ich gerade mit einer Schriftrolle auf dem Weg ins tablinum war. Eigentlich hatte ich mich gemütlich setzen und lesen wollen, doch ob des schlechten Scherzes war meine verhältnismäßig gute Laune gleich wieder dahin. Ich fuhr den Jungen an und drohte ihm damit, ein ganzes Jahr Latrinendienst zu haben, sollte er sich je wieder zu einer solch dreisten Lüge hinreißen lassen. Erschrockene, doch ehrliche Kinderaugen starrten mich an, als der Knabe mir versicherte, keinen Schabernack mit mir zu treiben. Es wartete wirklich ein Botschafter aus der villa Flavia auf mich, und er sollte angeblich tatsächlich eine Nachricht von Flavia Celerina haben. Skeptisch musterte ich ihn, drückte ihm dann die Schriftrolle in die Hand und ging nachsehen. Innerlich schwor ich mir, den Jungen deftig zu strafen, sollte er wahrhaftig gelogen haben.


    Doch es stand wahrhaftig ein fremder Sklave im atrium. Ich verschwendete keine Worte an einen Gruß, sondern ging wortlos auf den Sklaven zu. "Du hast eine Nachricht für mich?" fragte ich ihn unhöflich. Ich hatte es noch nie leiden können, wenn man Schabernack auf die niederträchtige Art mit mir trieb, und dies war hier wohl ganz offensichtlich der Fall.

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    Der Sklave zuckte erschrocken zusammen, als er hinter seinem Rücken eine nicht besonders freundlich klingende Stimme vernahm. Sofort sprang er herum, um den herannahenden Aurelier besser im Blickwinkel zu haben. Warum der Aurelier so zornig war konnte er sich nicht erklären. Vielleicht hatte er einfach einen schlechten Tag!
    "Salve dominus! Ja, das habe ich! Sie lebt! Die domina Celerina, sie lebt! Es ist wahr! Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen! Vor wenigen Stunden hat sie ein Centurio der Classis Misenensis zurück zur Villa Flavia gebracht. Die domina hat mich beauftragt, dir die frohe Botschaft zu überbringen!"
    Cleomedes überschlug sich fast, als er begann, dem Aurelier seine Nachricht zu überbringen. Er hoffte, ihn damit etwas freundlicher zu stimmen. Der Sklave war zwar, wie die meisten flavischen Sklaven, von Haus aus nicht besonders zart besaitet. Aber ein freundlicher Herr war allemal besser als ein zorniger.

  • Sie lebt. Ich blinzelte den Sklaven an. Der Junge war vergessen. Celerina lebte. Sie war nicht zu schwarzer Schlacke verbrannt. Wir waren noch immer verlobt. Ich sagte nichts. Keine Regung spiegelte sich auf meinem Gesicht wieder, von grenzenloser Überraschung einmal abgesehen. Glücklicherweise waren die clines gleich in der Nähe. Ich musste mich setzen. Dann sah ich den Sklaven an, der nun größer war als ich. "Wie...geht es ihr?" wollte ich wissen. Allmählich durchdrang mich die Logik wieder. Eine Menge Fragen stellten sich mir. "Wie ist das möglich? Und was hat die classis damit zu schaffen? Wo war sie die ganze Zeit über? Und was ist ihr überhaupt widerfahren?" Fragen an Fragen reihten sich in meinem Kopf aneinander. Von Missbilligung war nun keine Spur mehr. Vielmehr stellte diese Nachricht meine eben erst mühselig geordnete Welt wieder einmal auf den Kopf.

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    Freundlich hatte er ihn nicht gestimmt, eher verblüfft! Wenigstens war aber der Zorn aus seiner Stimme gewichen. Der Aurelier mußte sich erst einmal setzen, bis daß sich auch Cleomedes Nachricht bei ihm setzten konnte. Der Sklave indes blieb reglos mitten im Raum stehen. Dem Römer war es nicht zu verdenken, daß er so reagierte. Er selbst hatte auch erst geglaubt, einen Geist zu sehen, als Celerina vor ihm gestanden hatte.
    Was nun folgte und absolut seine Berechtigung hatte, waren Fragen über Fragen. Allerdings hatte der Sklave sie nicht alle zu beantworten gewußt, da er selbst nicht alles um die Befreiung der Flavia erfahren hatte. Gerüchteweise hatte er einiges gehört, wußte aber nicht, ob dies auch der Wahrheit entsprochen hatte. Deshalb wollte er nur von dem berichten, was er auch wirklich aus erster Hand wußte.
    "Sie hat sehr gefasst gewirkt, allerdings ist die Entführung nicht spurlos an ihr vorbei gegangen." Cleomedes überlegte, ob er das widergeben sollte, was er gesehen hatte. Er fand, die Flavia sah fürchterlich aus, überseht mit blauen Flecken und Platzwunden. Er wollte sich gar nicht erst vorstellen, was die Piraten alles mit ihr angestellt hatten. Er hatte da so seine Vermutungen. Allerdings hätte er es nie gewagt, damit herauszurücken.
    "Die beiden Leichen, die man gefunden hat, das waren nicht die domina und ihre Sklavin. Das waren zwei andere Frauen, die die Piraten auch getötet hatten, um wahrscheinlich die Spur von der domina zu verwischen. Das weiß man noch nicht. Die Classis hat sie durch Zufall befreien können, als sie die Piraten jagten. Wo die domia die ganze Zeit weilte, kann ich nicht genau sagen. Darüber weiß ich nichts. Ich weiß nur, sie wurde von den Piraten verschleppt. Den Anführer der Piraten haben sie gefangen genommen. Er sitzt im Carcer in Misenum."

  • "Piraten!" entfuhr es mir. Ich dachte an die Nordwind. Das musste Ironie des Schicksals sein, ausgerechnet vor ein paar Wochen das Schiff eingeweiht zu haben. Ich schüttelte den Kopf und hörte dem Sklaven zu, der erzählte und doch kaum Informationen verlor. Eines allerdings war doch interessant: Man hatte einen der Piraten gefangen und in den Kerker geworfen. "Kennst du den Namen des Offiziers, der für ihre Rettungverantwortlich zeichnet?" erkundigte ich mich bei dem flavischen Sklaven. Man musste sich revanchieren. Das gehörte zum guten Ton, und ich war nicht gewillt, davon abzusehen.


    Im Geiste versuchte ich mir auszumalen, wie meine Verlobte aussehen mochte. Wenn schon der Sklave - zwar loyal, aber immerhin - erwähnte, dass die Angelegenheit nicht spurlos vorübergegangen sein mochte an Celerina... Vielleicht war es gut, mit meinem Besuch noch ein paar Tage zu warten. Ich konnte ihn mit dem geplanten Besuch bei Gracchus verbinden, überlegte ich, und dann sehen, ob sie mich empfangen wollte. Frauen waren schließlich eigen, was das betraf. Das merkte ich stets an meinen Basen und Nichten - sie zeigten sich nur, wenn sie sich als gesellschaftsfähig erachteten. Da konnte Mann schon einmal in Verzweiflung geraten, weil man so lang warten musste.

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    "Ja, Piraten! Die domina ist in Ostia in einen Hinterhalt geraten," fügte Cleomedes noch hinzu. Über die näheren Umstände war ihm nichts bekannt. Die Flavia hatte über die Zeit ihrer Gefangenschaft so gut wie kein Wort verloren. Wohl war ihm aber der Name des Centurio bekannt, den er von fern aus im Atrium gesehen hatte.
    "Der Centurio hieß Decimus Verus, dominus!", entfuhr es ihm. Er sah in das Gesicht des Aureliers, der vor ihm auf der Kline saß und versuchte zu ergründen, was in ihm jetzt vorging. Böse Zungen in der flavische Sklavenschaft vermuteten, der Aurelier könne das Verlöbnis nun lösen, da die Flavia wohl nicht nur mit Schlägen malträtiert worden war.
    "Da ist noch etwas, dominus. Die domina würde es erfreuen, wenn sie dich in den nächsten Tagen empfangen könnte." Das hatte sie ihm zwar nicht direkt gesagt, aber sie hatte es einer Sklavin gegenüber erwähnt, die sich nach ihrer Heimkehr um sie gekümmert hatte.

  • In einen Hinterhalt war sie also geraten. Aber warum war sie überhaupt in Ostia gewesen? Ich würde mit ihr darüber reden müssen. Gewiss hielt sie es wie meine eigenen weiblichen Verwandten und nahm kaum Sklaven zu ihrem Schutz mit. Gerade Laevina und ich gerieten deswegen immer wieder aneinander. Tilla mochte zwar das kleine Obstmesser besitzen, das ich ihr im vergangenen Jahr zu den Saturnalien geschenkt hatte, doch wehren oder gar ihre Herrin verteidigen konnte sie damit nicht. Und Celerina mochte es genauso gehen. Ich sollte künftig darauf bestehen, dass mindestens zwei custodes sie eskortierten, sobald sie das Haus verließ, überlegte ich mir.


    "Decimus Verus." Der Name sagte mir nichts, doch seine Familie schon. Ich würde ihm eine kleine Aufmerksamkeit senden, wie es sich gehörte. "Gut." Ich erhob mich wieder. Welche Nachricht sollte ich ihr zukommen lassen? "Richte deiner domina aus, dass ich den Göttern ein Opfer angedeiehen lassen werden, nun, da sie noch unter den Lebenden weilt. Ich freue mich sehr und werde sie bald besuchen", diktierte ich beinahe. Dann nickte ich dem Sklaven zu. Falls das seinerseits alles war, würde er damit entlassen sein. Der Schriftrolle würde ich mich wohl nicht mehr zuwenden. Zu sehr in Aufruhr waren meine Gedanken nun.

  • Es schien alles gewesen zu sein, denn der Sklave verabschiedete sich, nachdem er versichert hatte, seiner domina alles auszurichten, was ich ihm aufgetragen hatte. Meine Schritte lenkte ich danach ins Peristyl, ich brauchte ein wenig kühle Frischluft, um zu verarbeiten, was ich da soeben vernommen hatte.


    ~ finis ~

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