• Von allen Ereignissen und jeglichem Geschehen unbeeindruckt hatte das Jahr seinen Anfang genommen, die Gleichmäßigkeit kehrte nach der Hektik und Ausgelassenheit der Saturnalien und dem bald darauf folgenden Jahreswechsel zurück in das römische Leben, und allmählich wurden auch die Tage wieder ein wenig länger, geringfügig zwar nur, doch unermüdlich. Ein kühler, winterlicher Hauch aus dem Norden her hatte Rom fest in seinem Griff, dass die Menschen auf der Straße schneller ausschritten, sich eilten zurück ins Warme zu gelangen, und auch jenen in weißfarbene Gewänder gehüllten Gestalten, welche sich am Opferstein vor der Regia am Forum hatten versammelt, war regelrecht anzusehen, dass das Warten in dieser Kälte nicht eben eine angenehme Angelegenheit war, selbst da um sie herum einige Feuerschalen waren aufgestellt. Nur den in sein dickes Winterfell gehüllten Widder, dessen Hörner und Hufe goldfarben waren überzogen, dessen Haupt mit rotfarbenen und weißfarbenen infulae war geziert, schien all dies nicht im geringsten zu tangieren, ebenso wie Marcus Menenius Lanatus - seit kurzer Zeit erst Rex Sacrorum des Imperium Romanum -, in dessen Sinne kaum Platz für Gedanken an Kälte zu sein schienen, verwandte er doch höchste Konzentration auf diese erste durch ihn in der Öffentlichkeit zelebrierte Handlung als Opferkönig. Andächtig zog eine Falte seiner Toga er über seinen Kopf, läutete damit den Beginn des Opfers ein, worauf auch die übrigen am Opfer partizipierenden Pontifices und Sacerdotes ihm dies gleich taten, und nahm hernach eine Hand voll körnigen Weihrauches, welchen er über die rotfarben glühenden Kohlen gab, dass feiner Rauch in dem Himmel sich empor hob, die Szenerie mit wohligem Duft umhüllte, gleich den sanften Klängen der Flöten, mit deren Spiel die tibicines hatten leise begonnen. Auf die rituelle Reinigung der Anwesenden folgte die Weihe des Opfertieres mit Wein und mola salsa an Ianus, den Gottes des Anfanges wie auch des Endes, Ein- und Ausgang, welchem bereits der Tag war geweiht. Sodann trat Gracchus hervor, welchem an diesem Feiertage die Ehre war zuteil geworden, das Opfergebet verlesen zu dürfen - nicht ohne, dass er zuvor den Text hatte auf unaussprechliche Buchstabenkombinationen begutachtet -, und er intonierte mit lauter, fester Stimme.
    "Ianus Geminus, doppelköpfiger Vater aller Dinge!
    Dir weihen wir unsere heiligen Riten,
    Unsere Gebete und Entsühnungen, erhabenster Ursprung,
    Für alle Anfänge, die du uns begonnen hast.
    Du bist der Ein- und Ausgang alles Lebens,
    Dein strahlendes Abbild ist unser Tor.
    Mannigfaltiger, nimm Du unsere Gabe,
    Glückverheißender, hör unser Gebet, gib uns schuldloses Heil,
    Mit Frieden, divus, und dem notwendigen Wohlstand."

    Noch während Gracchus die letzten Worte sprach, entkleidete Menenius bedächtig den Widder mit der secespita und entfernte den Opferschmuck von seinem Haupte, trat sodann von dem Tier zurück, um einen cultrarius heran zu lassen, welcher bereit das Opfermesser hatte gezückt und nicht lange auf das Agone? warten ließ. Der Rex Sacrorum bestätigte, und die kalte Klinge fand die Kehle des Widders, durchtrennte Fell und Haut, bis dass die Adern des Lebenssaftes sie fand und rotfarbenes Blut in einem quellenden Strahl aus der Wunde hervorschoss, die Augen des Tieres den Glanz des Lebens verloren und seine Beine unter ihm einbrachen, den Leib schlaff zu Boden fallen ließen. Es mochte verlockend sein, die kalten Hände im noch warmen Bauchraum des Tieres verharren zu lassen, doch der cultrarius trennte die Organe aus dem Inneren des Tieres routiniert wie stets, legte sie in eine bereit gehaltene Schale, dass dem Rex Sacrorum sie konnten vorgelegt werden. Feiner, weißer Dampf erhob sich aus der Schüssel, als Menenius Lenatur die vitalia prüfte, ausgiebig, doch nicht übermäßig intensiv.
    "Litatio!"
    sprach er schlussendlich, denn ohnehin konnte keinen Zweifel an der Annahme des Ianus es geben. In einer der Feuerschalen wurden die Opfergaben dem Gotte übergeben, dass der duftende Odeur nach Weihrauch überlagert wurde von beißendem Rauch des verbrennenden Fleisches. Als die Flammen die Gaben hatten verschlungen und nurmehr über den hölzernen Kohlestücken tanzten, schlug der Rex Sacrorum die Falte der Toga von seinem Kopfe zurück, beendete den Ritus und wies die Helfer des Opfers an, das restliche Fleisch des Tieres zu kochen, dass es am Tage konnte verkauft werden.

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    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

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