officium MAC | Im Auftrag des Consuls

  • Wieder einmal stand Ursus vor dem Officium seines Onkels. Er hoffte, daß dieser da war, denn seit einiger Zeit hatte er nicht viel Glück gehabt, wenn es darum ging, Corvinus anzutreffen. Nun ging es aber nicht um eine private Angelegenheit, sonst würde ihm das eher weniger ausmachen. Also klopfte er an, in der Hoffnung, daß er dieses Mal Glück haben möge.

  • Livius Pyrrus hatte mir vor einigen Minuten eine Abschrift vom Forum gebracht. Ich hielt sie gerade in den Händen und studierte sie aufmerksam. "Und, wirst du kandidieren?" fragte mich Pyrrus gerade. "Hmm. Der Beginn der Amtszeit liegt recht nahe an dem angesetzten Termin für die Hochzeit", erwiderte ich nachdenklich. Pyrrus runzelte die Stirn. "Ach. Die Flavia da? Aber die Feier findet doch vorher statt, da solltest du eigentlich genügend Vorbereitungszeit für ein paar Worte im Senat haben", gab er zu bedenken. Ich wiegte den Kopf. "Da hast du recht. Ich denke, ich sollte kandidieren. Man wird schließlich auch nicht jünger, nicht warh?" Ich grinste schief, als es plötzlich klopfte. "Stimmt", erwiderte Pyrrus feixend und stand auf, um die Tür zu öffnen. "Salve, Aurelius", grüßte er Ursus und schloss hinter ihm die Tür.

  • Dieses mal schien er Glück zu haben. Allerdings erklang kein "Herein", wie er es erwartet hatte, sondern die Tür öffnete sich. Es war der Scriba, der ihm öffnete. Pyrrus. Der hatte ihn auch schon so manches mal bei seiner Arbeit unterstützt. "Salvete", grüßte Ursus die beiden Anwesenden und trat ein. Er merkte noch, daß Pyrrus die Tür hinter ihm schloß, wandte sich aber gleich an Corvinus. Der schien recht beschäftigt zu sein. "Entschuldige, wenn ich Dich mitten in Deiner Arbeit störe, Marcus. Mein Anliegen wird allerdings nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, denke ich. Hast Du einen Augenblick für mich oder ist gerade sehr unpassend?"

  • "Ich habe Zeit", erwiderte ich und legte die Abschrift zur Seite, um auf der Tischplatte die Hände zu falten. "Was gibt es denn?" Pyrrus schmunzelte und angelte sich die Abschrift, um sie sich noch einmal durchzulesen, während ich mich mit Ursus unterhalten würde. Ich konnte beim besten Willen nicht erahnen, was Ursus für ein Anliegen hatte. Ob es um Avianus ging? Oder vielleicht sogar um eine potentielle Ehekandidatin, die er ausgemacht hatte? Nun, in beiden Fällen würde es wohl länger dauern als kurz. Ergo wartete ich ab, was er zu sagen hatte. Dass er sich setzen konnte, wenn er denn wollte, fügte ich nicht eigens hinzu. Es war schließlich selbstverständlich.

  • Auch für Ursus war es selbstverständlich, daß er sich setzen konnte, nachdem Corvinus bestätigt hatte, daß Zeit kein Problem war. Warum auch nicht? Und so nahm er erst einmal bequem Platz und richtete seine Toga, bevor er ohne weitere Umschweife auf sein Anliegen zu sprechen kam.


    "Nun, der Consul Aelius Quarto bat mich, Dir eine Einladung zu einer Cena zu überbringen. Und zwar für ANTE DIEM XIII KAL FEB [Di, 20.1.]. Außer Dir und mir ist zudem noch der neue Praetorianerpraefect Artorius Avitus eingeladen. Ob weitere Gäste vorgesehen sind, ist mir nicht bekannt. Wie sieht es aus? Hast Du an dem Abend Zeit?" Ursus erwartete, daß diese Cena durchaus interessant werden konnte. Er selbst würde auf jeden Fall der Einladung Folge leisten. Schon weil er auf Avitus sehr neugierig war. Die Macht, die dieser Mann innehatte, war schließlich nicht zu unterschätzen.

  • "Der consul Aelius? Das ist eine Überraschung. Aber ich nehme die Einladung gern an. Hm, ich wollte ohnehin noch meine Kandidatur zum aedilis bekanntgeben. Ich denke, ich werde persönlich vorsprechen und mich gleich für die Einladung bedanken", überlegte ich laut vor mich hin. Den neuen Präfekten kennenzulernen, wäre etwas Interessantes, nachdem man uns schon nicht wie andere auch mit einer Einladung bedacht hatte. Ich hatte der Amtseinführung daher nicht beigewohnt, immerhin zählten wir nicht zum schaulustigen Plebs, auch wenn die Einführung eines neuen Prätorianerpräfekten sicher ein denkwürdiges Ereignis war.
    "Wie geht es mit eurem Bauvorhaben voran? Die Amtszeit neigt sich ja nun bald wieder dem Ende zu. Meinst du, ihr schafft es?" erkundigte ich mich dann.

  • "In Ordnung. Schön, daß Du da auch Zeit hast. Du willst also kandidieren? Ich hatte ja schon so halb damit gerechnet." Es machte Sinn, daß Corvinus jetzt kandidierte. Und Ursus zweifelte auch nicht daran, daß der Senat ihn wählen würde.


    "Das Bauvorhaben geht immerhin endlich wieder voran. Aber es wird sicherlich nicht fertig werden bis zum Ende der Amtszeit. Da müßte schon ein Wunder geschehen, denn manche Wege sind einfach viel zu zeitaufwendig, ebenso wie manche Verhandlungen. Aber wenigstens ist alles wieder in Gang gebracht und die Fertigstellung wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Naja, das ist das Schicksal eines Quästor Consulum. Anerkennung wird die Arbeit, die ich leiste, kaum einbringen. Es ist zuwenig meßbar, was ich mache. Aber das macht mir nichts aus. Wenn das Ulpianum steht, werde ich wissen, welchen Anteil ich daran hatte. Und diese Tätigkeit hat mir wertvolle Kontakte eingebracht und die Einsicht in Geschehnisse, die den meisten anderen nie bekannt werden. Aber genug von mir. - Hast Du schon Pläne für Deine Zeit als Aedil?"

  • "Um genau zu sein, war ich mir darüber selbst noch nicht so ganz sicher, als du eben zur Tür herein kamst", erwiderte ich und Pyrrus grinste. "Deswegen habe ich auch noch keine Pläne. Ich müsste mir mal ansehen, wann die Thermen zuletzt inspiziert worden sind...und wenn ich es mir so recht überlege, sollte man diesem Taschenladen auch einen Besuch abstatten. Dieser Du... wie hieß der gleich?" "Dulcus et Gabbanus!" brachte sich Pyrrus ein, ohne aufzublicken. "Ja, richtig. Genau der." Denn ich hegte den Verdacht, dass die exquisiten Lederarten nicht von den Tieren stammten, die auf dem Etikett angepriesen wurden. Das hatte ich erst neulich bemerkt, als ich etwas für...nun, als ich etwas gekauft hatte. "Bezüglich der Spiele muss ich noch überlegen, was genau das wird... Ich habe gehört, dass Flavius Gracchus auch kandidiert. Eventuell ließe sich da etwas Gemeinsames draus machen, das muss ich aber erst noch abklären."


    Das Ulpianum betreffend hatte ich mir beinahe schon so etwas gedacht. So nickte ich also. "Ich bin schon länger nicht mehr daran vorbei gekommen... Steht denn die Innere Halle schon, in der ein Bildnis von Iulianus platziert werden soll?" Ich überlegte. Sicher hatte Ursus daran gedacht, die Betriebe einiger Klienten in die Verhandlungen miteinzubringen, wenn es um die Innenausstattung des Ulpianums ging.

  • Ursus lachte. "Na, dann bin ich wieder mal der erste, der eine Neuigkeit erfährt. Und Du hast also schon vorgearbeitet und die Händler bei Gelegenheit unter die Lupe genommen? Auch nicht schlecht. Ich werde mich nach der Amtszeit mehr in die Arbeit für die Schola hineinknien. Und auch selbst Kurse absolvieren. Ich dachte an den Cursus Iuris. Und ich dachte daran, meine Ausbildung an der Militärakademie weiterzuführen." Der Händler, den Pyrrus da nannte, sagte Ursus gar nichts. Aber er konnte auf den Namen ja mal achten.


    "Die Kuppel wird zur Zeit errichtet. Die Statuen werde ich in Auftrag geben, sobald ein Entwurf genehmigt ist. Sag mal, weißt Du noch einen zuverlässigen Steinmetz in Rom? Ich würde spontan dem "Bildhauer von Rom" den Vorzug geben, das ist der größte Betrieb hier. In Germanien freilich gäbe es Betriebe, deren Inhaber ich kenne. - Raetinus hat inzwischen auch einen solchen Betrieb." Die Statuen waren noch so ein Punkt, der Ursus schwer im Magen lag. Seiner Meinung nach hätten die schon viel früher bestellt werden müssen. Aber wie, wenn das Geld nicht zur Verfügung stand? Ein Wunder, daß der Bauunternehmer das so lange mitgemacht hatte.

  • "Der cursus iuris steht mir auch noch bevor", gab ich zurück und sah ein wenig zweifelnd drein. Das Recht war ein Gefilde, in dem ich mich bisher noch nicht so heimisch fühlte, sah man vom Erbrecht einmal ab. "Welche Militärkurse hast du denn schon absolviert?" Ich erinnerte mich noch gut an das dritte Examen an der Akademie. Dabei fiel mir etwas ein: "Titus, weißt du, was mir gerade einfällt? Ich habe mein drittes Examen gemeinsam mit Artorius Avitus gemacht. Interessant, wie schnell er danach zum Präfekten ernannt wurde. Ob das vorher schon feststand?" Das bedeutete auch, dass ich ihn bereits kannte. Herrje, damals war mir der Name des Mannes noch unbekannt gewesen, heute hatte er einen Namen. Wie sehr sich die Dinge wandelten... Ich wurde alt. Schrecklich.


    "Hm. Wenn du so fragst... Ich weiß leider keinen, nein. Einer meiner Klienten hat seinen Laden vor kurzem erst geschlossen, ihm fehlte der Nachwuchs. Er hat sich beklagt, dass gerade die Jüngeren nicht mehr gern handwerklich tätig sind." Ich runzelte die Stirn. "Artorius Reatinus? Hmh." Ich dachte an den Brief bezüglich des Patronats und sah kurz finster drein. "Nun ja, in Anbetracht der Transportzeiten, die sich durch den Schnee in den Alpen sicher vervielfachen, wäre das allerdings erst die letzte Möglichkeit, oder? Ich würde eher einem Steinmetz vor Ort den Auftrag erteilen. Da fallen auch Reklamationen einfacher, wenn etwas nicht so sein sollte, wie es bestellt wurde."

  • "Einfach wird er sicher nicht, der Cursus Iuris. Aber irgendwann kommt man ja doch nicht drum herum." Dieser Kurs stand auch noch vor ihm wie ein Berg. Doch fand er, daß er gerade deswegen bald in Angriff genommen werden sollte. "Ich habe die ersten beiden Militärkurse. Es fehlen mir also noch zwei. Das größte Problem wird wohl sein, daß mehrere Teilnehmer zusammenkommen müssen, damit er stattfinden kann." Corvinus hatte das dritte Examen also mit Artorius Avitus gemacht? Das war tatsächlich nicht uninteressant. "Ja, das nenne ich ebenfalls einen raschen Aufstieg. Er war doch auch noch gar nicht lange bei den Praetorianern, soweit ich weiß. Das klingt wirklich sehr danach, als hätte das schon vorher festgestanden." Es war schon erstaunlich, wie schnell manche auf der Karriereleiter weiterkletterten. Man mußte sich unwillkürlich fragen, welche Verbindungen da bestanden.


    "Ein Unternehmen mit so weit entferntem Sitz steht völlig außer Frage. Nicht nur, daß alles viel zu lange dauern würde, wäre der Transport viel zu teuer und zu riskant. Nein, bei aller Freundschaft. Es kommen nur ortsnahe Steinmetze in Frage, darüber waren der Consul und ich uns sofort einig. Wir werden schon den passenden finden. Bis zum Ende der Amtszeit möchte ich erreicht haben, daß alles veranlaßt ist, was für die Fertigstellung des Ulpianums nötig ist. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr das Projekt in den letzten Jahren vernachlässigt wurde." Es hätte schon vor Jahren fertiggestellt werden können, wenn sich jemand dahinter geklemmt hätte.

  • "Hast du dir die Abschriften der aktuellen Gesetzessammlung schon organisiert? Wenn nicht, solltest du in der Bibliothek nachsehen, ich hatte Pyrrus vor einiger Zeit bereits gebeten, welche zu organisieren und mögliche Änderungen nachzupflegen", sagte ich. "Und bezüglich des dritten Examens hast du recht, ich hatte mich frühzeitig angemeldet, aber eine gute Weile hat es trotzdem gebraucht, bis man genügend Teilnehmer beisammen hatte. Beim letzten Examen ist es dann wieder einfacher, soweit ich weiß, muss man da einen Vortrag ausarbeiten. Ich hatte überlegt, ob ich das machen sollte, allerdings strebe ich nicht nach einem Kommando, und ich habe gegenwärtig einfach andere Prioritäten als einen Militärkurs. Warum möchtest du das vierte Examen machen? Sag bloß, du willst einmal ein Kommando haben?" Erstaunt sah ich Ursus an. Ich konnte ihn mir nur schwerlich als Kommandeur einer Legion vorstellen.


    "Ja, er ist erst von der Ersten zu den Prätorianern versetzt worden, im Rang eines Tribuns. Kurz darauf wurde er dann Präfekt. Wenn du mich fragst, stand das schon fest, ehe man ihn nach Rom geholt hat. Vielleicht hat die Purgitia mit dem schnellen Abdanken des Caeciliers zu tun. Man munkelt, dass der Caecilier auf Brautschau sei und sich in sie verguckt hat. Ah - wie steht es denn mit dir eigentlich, Titus?" fragenden Blickes sah ich Ursus an. "Ich hatte erst kürzlich ein Gespräch mit unseren Damen darüber... Da fällt mir ein, du weißt nicht zufällig, was mit deiner Schwester los ist? Man sieht sie kaum noch, sie weicht jedem aus, den ich gefragt habe, und wenn du mich fragst, sieht sie eindeutig nicht gesund aus." Sorge stand nun auf meinem Gesicht. Ich hatte schon überlegt, einfach nach einem iatros schicken zu lassen, aber Minervina würde ihn wohl schlichtweg nicht einlassen, deswegen hatte ich bisher davon abgesehen.


    "Dann nimm doch diesen "Bildhauer von Rom"", erwiderte ich und zuckte mit den Schultern. Über den Bau des Ulpianums hatte ich bisher kaum etwas mitbekommen, sah man von den Debatten im Senat ab. Nicht, dass es mich nicht interessierte, nur machte der Bau bisher kaum Schlagzeilen, und gerade die Vorfälle der letzten paar Monate waren einfach schwerwiegender gewesen, wie ich fand.

  • "Ein paar fehlen mir noch. Doch habe ich mich bereits eingehend mit einem Großteil der Gesetze befaßt. Schon durch die Arbeit des Consuls. Zwar hat er mich nicht direkt an den Arbeiten zu den Änderungen beteiligt, doch natürlich gingen diese Dinge trotzdem nicht an mir vorbei. Dabei habe ich auch Einblick in Gesetze genommen, die nicht geändert wurden. Dennoch werde ich mich natürlich nochmal neu einarbeiten müssen für den Cursus. Und was das vierte Examen angeht: Es kann nicht schaden, es zu haben. Und warum nicht ein Kommando? Das Militär liegt mir. Merkwürdigerweise, denn damit hatte ich selbst nicht gerechnet, als ich das Tribunat antrat. Ich strebe ein Kommando auch nicht direkt an. Zumindest erst einmal nicht. Aber abgeneigt wäre ich auch nicht. Daher möchte die Vorraussetzungen auf jeden Fall schaffen." Es gab weitaus schlechtere Posten, die man bekleiden konnte, als ein Kommando.


    "Achja, davon habe ich auch munkeln hören, daß Crassus auf Brautschau sei und eine Purgitia dafür gehandelt wird. Und was mich angeht: Nein, bisher habe ich niemanden im Auge. Es ist nicht so leicht, überhaupt die richtigen Damen kennenzulernen. Wenn Du einen guten Rat für mich hast, immer her damit." Er fand ja, daß er noch Zeit hatte. Aber andererseit wußte er auch, daß es so langsam von ihm erwartet wurde. Er war bereits in dem Alter, in dem er eigentlich zur Ehe verpflichtet war. "Minervina. Ja. Sie schaut furchtbar aus. Glaube nicht, daß ich mehr an sie herankomme als Du, sie will ja niemanden sehen. Ich mache mir sehr große Sorgen um sie und hatte schon überlegt, sie zur Erholung ans Meer zu schicken. Aber das muß sie natürlich auch wollen."

  • Als Ursus von der Möglichkeit sprach, vielleicht einmal ein Kommando übernehmen zu wollen, hob ich eine Braue. Ich wusste nicht recht, ob es die Überraschung darüber war oder ich beeindruckt war, dass ihn das Militär so sehr gereizt hatte. Ich schürzte die Lippen und neigte den Kopf. "Das könntest du dir tatsächlich vorstellen? Interessant." Es wäre sicherlich nicht das Schlechteste, einen Feldherren in der Familie zu haben, dachte ich. In mir schlummerte diese Fähigkeit ganz sicher nicht. Ich war eher ein Mensch der Verwaltung, das Kommandieren lag mir nicht - zumindest nicht das militärische.


    "Einen Rat... In diesen Zeiten ist das nicht unbedingt einfach." Ich seufzte. "Aber wenn mir jemand ins Auge fällt, werde ich es dich wissen lassen. Die Feierlichkeiten zu Celerinas und meiner Hochzeit werden übrigens am siebenten Tag vor den Iden des Februar in Ostia auf der Nordwind stattfinden, zumindest zum Großteil. Manius übernimmt den Vollzug der Riten." Hatte ich Ursus von dem Schiff schon erzählt? Ich wusste es nicht mehr.


    "Hast du ihr das schon vorgeschlagen?" fragte ich Ursus. "Ich würde das unterstützen, wenn es ihr danach besser geht. Allerdings sollten wir darauf bestehen, dass sie unter Beobachtung steht, Titus. Seit der Sache mit Helena mache ich mich lieber mit zu großer Wachsamkeit unbeliebt als noch einmal jemanden so zu....gefährden."

  • Ob sein Onkel ihm das nicht zutraute? Ursus hätte es sich vor seinem Tribunat ebenfalls nicht zugetraut. Und er wußte auch, daß es ihm im Moment dafür noch an Erfahrung fehlte. Doch er traute es sich zu. "Ja, ich könnte es mir tatsächlich vorstellen. Noch nicht jetzt versteht sich." Er hatte sogar schon darüber nachgedacht, sich um ein weiteres Tribunat zu bemühen. Doch das war noch nicht mehr als eine Idee.


    "Ich wäre Dir sehr verbunden, wenn Du die Augen für mich ein wenig offenhalten würdest, Marcus", sagte Ursus dankbar. Dann kam das Thema auf die Hochzeit von Corvinus und Celerina. "So bald schon? Es freut mich, daß es ihr schon wieder so gut geht, daß sie mit diesem Termin einverstanden ist. Auf der Nordwind? Nicht hier?" Das fand er für einen Mann wie Corvinus, den er als sehr mit den Traditionen verwachsen zu kennen glaubte, ausgesprochen ungewöhnlich. Doch eine außergewöhnliche Hochzeit würde es so gewiß werden.


    "Nein, ich habe noch nicht mit Minervina darüber gesprochen. Ich hoffe, daß ich in den nächsten Tagen mal wieder Gelegenheit habe, mit ihr zu sprechen. Dann werde ich versuchen, sie für diese Idee zu begeistern. Ja, ich gebe Dir Recht, sie sollte keinesfalls allein sein. Zwar glaube ich nicht, daß sie zu einer derartig verzweifelten Tat greifen würde, doch ich finde, sie ißt zu wenig und kommt zu wenig an die frische Luft. Ich fürchte einfach, daß sie aus diesen Gründen ernsthaft erkrankt."

  • "Es wäre natürlich ein großer Schritt", bemerkte ich. Wer wusste schon, ob Ursus nicht eines Tages vielleicht sogar seinen eigenen Patron ablösen würde? Daran allerdings wollte ich nicht denken. Ich mochte die Familie beisammen haben. Ginge Ursus für ein Kommando nach Germanien, würden ihn vermutlich nicht nur Sklaven begleiten.


    "Das werde ich, aber mache dir keine allzu großen Hoffnungen, Titus", erwiderte ich auf die Heiratssache hin. Dieser Tage war es unglaublich schwer, eine passende Frau zu finden. "Allerdings... Da gibt es diese Tiberia, die ehemalige Verlobte von Flavius Furianus. Vielleicht wäre das ja etwas. Soweit ich weiß, hat Vitamalacus sich weitgehend aus der Politik zurückgezogen und backt mit seiner Legion nur noch kleine Brötchen. Da ist eine Festigung der Beziehung zur Tiberia durchaus wieder eine Option, zumal Durus Interesse an Laevina zeigt und Orestes sich in eine Tiberia verguckt hat." Ich wiegte den Kopf hin und her und zog dann eine Grimasse. "Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ein konventionelles Fest gereicht. Celerina wünscht sich allerdings etwas Besonderes, und da ihre Verwandten schon vom üblichen Schema abgewichen sind und in einem öffentlichen Garten gefeiert haben, muss das noch irgendwie getoppt werden. Nun ja. Mich überrascht es ehrlich gesagt, dass sie nach einer Entführung durch Piraten ausgerechnet mit einem Schiff einverstanden ist, aber wenn es sie glücklich macht, soll es so sein." Ich hob die Schultern.


    "Ja. Bei Helena hatte es auch niemand vermutet", sagte ich ernst und ohne ermahnenden Unterton. Wieder dachte ich daran, dass es wohl schlecht gewesen war, Helena an einen Senator im mittleren Alter im Süden Griechenlands zu verheiraten, doch ich schob den Gedanken fort. "Vielleicht wäre es das Beste, Titus, wenn du diese Sache an ihrer statt entscheidest. Es wird ihr vielleicht nicht gefallen, aber ein paar Wochen am Meer können Wunder wirken."

  • Ursus nickte nur. Ja, es wäre ein großer Schritt. Und keiner, den er als festen Plan ansah. Doch der Gedanke war durchaus nicht abschreckend. Und eines Tages mochte es sich anbieten. Immerhin war er noch jung und er wollte sich so viele Möglichkeiten eröffnen wie möglich. Corvinus schien ja in Richtung Militär keinerlei Ambitionen zu haben. So war eben jeder anders.


    "Einer Verbindung mit der Gens Tiberia würde ich auch durchaus positiv gegenüberstehen. Es ist eine wohltuend traditionsbewußte Gens und ich schätze Tiberius Durus sehr. Er hat Interesse an Laevina gezeigt? Sind die Verhandlungen schon fortgeschritten oder ist es erst eine vorsichtige Anfrage?" Das war ja mal eine gute Nachricht, daß Laevina eine solch gute Partie in Aussicht hatte. Ursus wäre froh, wenn er für seine Schwester ein ähnliches Angebot aufwarten könnte.


    "Deine Hochzeit wird damit gewiß allen lange im Gedächtnis bleiben. Ich bin sicher, sie wird unvergeßlich werden. Allerdings überrascht es mich ebenfalls, daß Deine Verlobte nach ihren Erlebnissen mit dem Schiff einverstanden ist. Da verstehe einer die Frauen. Aber Du hast Recht: Hauptsache es macht sie glücklich." Er war schon sehr gespannt auf diese Hochzeitsfeier. Hoffentlich war das Wetter gut so früh im Jahr.


    "Ich werde mit ihr sprechen. Lieber wäre es mir natürlich, wenn ihr die Idee gefallen würde. Ich möchte nicht, daß sie sich abgeschoben fühlt." So sehr sie sich zurückzog, sie schien aber doch die Nähe der Familie zu wünschen. Das war zumindest das Gefühl, das er hatte, wenn er mit ihr sprach. "Aber zur Not werde ich sie einfach hinbringen."

  • Ich blickte Ursus leicht zweifelnd an, als er so lobend über die Tiberia sprach. "Naja", bemerkte ich. "Das, was du sagst, trifft in erster Linie auf Durus und jene zu, für die er verantwortlich ist. Was die anderen Vertreter seiner Familie angeht, hat man schon so manches gehört, das nicht gerade wohltuend traditionsbewusst klingt. Aber Durus ist der rechte Ehemann für Laevina, dessen bin ich mir sicher. Er ist ein guter Mann, ich teile die meisten seiner Ansichten. Und sofern der Vater dieser Tiberia zustimmt, die Manius begehrt, sollte sich auch hier ein gutes Arrangement ergeben." Ich runzelte ein wenig die Stirn. "Weder noch. Er war vor ein paar Tagen hier, wir haben zusammen gegessen und einige Dinge besprochen. Die Anfrage war meinerseits, doch er zeigte sich durchaus interessiert. Festgemacht ist bisher nichts, natürlich will ein solcher Schritt gut überlegt sein. Aber ich bin optimistisch." Ein entsprechendes Nicken unterstrich diesen Optimismus.


    "Ich hoffe nur, dass Neptun uns gewogen ist und keiner der Gäste seekrank wird", dachte ich, denn freilich ahnte ich nichts von Gracchus' kleiner Schwäche. "Minervina wird sicher erkennen, dass es zu ihrem Besten ist." Das hoffte ich. Aber ihre Tristesse war kein Zustand für sie, und wenn sie tatsächlich auch zu wenig aß, wurde es höchste Zeit, dass man die Dinge in die Hand nahm und für Abhilfe sorgte.

  • Ursus sah zwar Corvinus' zweifelnden Blick, ließ sich davon allerdings nicht beirren. Die Tiberier, die er bisher kennengelernt hatte, waren alle sehr traditionsbewußt gewesen. Wie schon einmal fragte er sich, was wohl vorgefallen war zwischen Corvinus und den Tiberiern, von denen er eine so schlechte Meinung hatte. Immerhin hatte er selbst ja das Gefühl, daß Corivnus auch über ihn eine schlechte Meinung hatte. Von daher konnte es nicht verwundern, daß er dem Urteil nicht blind vertraute.


    "Dann sollte ich wohl besser mit niemandem über die Planungen sprechen, bis ihr überein gekommen sein", stellte Ursus sachlich fest. Das war keine Frage, sondern einfach eine Feststellung. Und es war für ihn selbstverständlich, sich daran zu halten. Über die Verlobung, die Corvinus ihm damals als ersten bekannt gegeben hatte, hatte er ja auch wie gewünscht Stillschweigen bewahrt.


    "Nun, ich werde mit ihr sprechen. Sobald wie möglich." Ursus erhob sich. "Und nun will ich Dich nicht länger von der Arbeit abhalten. Wir sehen uns ja sicher zum Essen."

  • Es war wohl eine unglückliche Fügung des Schicksals, dass Ursus sich nur stumm fragte, was vorgefallen war, statt seine Verwunderung offenzulegen, sonst hätte ich ihm erzählt, weshalb ich von bestimmten Tiberiern keine hohe Meinung hatte. "Das wäre mir lieb, ja", erwiderte ich demnach nur und nickte untermalend.


    "Lass mich wissen, was dabei herausgekommen ist, Titus", bat ich ihn anschließend noch. "Wir sehen uns später." Ein Nicken verabschiedete ihn bis dahin.


    ~ finis ~

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