• Also hierher war ihre Schwester zum Unterricht gegangen, fast jeden Tag. Albina spürte schon seit langem diesen Drang, die Orte zu besuchen, wo sich Severa mal aufgehalten hatte. Obwohl sie nicht daran denken oder glauben wollte, verband Albina mit ihrer Schwester ein unsichtbares Band, auch wenn Severa nicht mehr unter Lebenden war. Dieses Gefühl des Verlustes akzeptierte Albina nicht, auf ihre Art. Langsam bewegte sie ihre Schritte zum Tempel. Hat Severa auf dieser Bank gesessen? oder war das eine andere? Blieb sie hier vielleicht stehen? Albina blieb stehen und schloß kurz die Augen.

  • Verus saß bereits seit einigen Stunden auf einer Bank vor dem Tempel. Der Marmor war kalt, nicht unüblich für diese Jahreszeit. So benutzte Verus seinen Mantel als Sitzkissen.


    Er hatte sich von Misenum hierher begeben, um ein wenig zu beten. Er musste seine Seele von den Grausamkeiten des Krieges reinigen.


    Betrübt sah er in den Himmel. Die Erinnerungen kamen wieder. Verus sah Blut, abgetrennte Gliedmaßen und gefallene Soldaten Roms. Einige Tränen flossen unbewusst aus seinen Augen. Er legte seine Hände ins Gesicht, um sich die Tränen vorsichtig aus dem Angesicht zu streichen. Trauer, Zorn und Hoffnungslosigkeit mischten sich zu einem seltsamen Gefühl, das ihn seit Tagen nicht mehr schlafen ließ.


    Er schaute auf.


    "Salve," sprach er zu der wunderschönen Dame vor ihm. Warum blieb sie dort stehen? Wollte sie zu ihm?


    Nein, das konnte nicht sein. Verus schaute verlegen in seinen Schoß. Warum hatte er sie nur angesprochen?

  • Albina, versunken in ihren Gedanken und der Gefühlswelt, bemerkte nicht einmal diesen auf der Bank sitzenden Mann. Sie erzitterte vom Klang seiner Stimme und die grünen Augen blickten eher ängstlich und fragend zu ihm, als ob er sich nicht an Albina gewandt hat. Ihr Herz schlug höher sie drehte sich sogar um auf der Suche nach jemandem, den dieser Fremde noch angesprochen hätte können, doch zu dieser Zeit war der Platz fast leergefegt. Das Wetter trug dazu auch viel bei, die Sonne schien zwar, doch der Winter war zu merken. Albina wußte plötzlich nicht, sollte sie diesen Mann begrüßen? Ihre Augen funkelten zornig, denn sie empfand seine Anwesenheit mehr als störend, oder gar bedrohend, obwohl dieser Mann ihr nichts getan hat. Salve hörte er zurück und die langen schwarzen Wimpern verdeckten den zornigen Blick. Albina spürte selbst, dass Ihr Zorn grundlos ist, sie ärgerte anschließend mehr über sich als über den Fremden. Ihr Blick überflog den Ort auf der Suche nach ... Albina erkannte plötzlich, dass sie Sera unten gelassen und ihr verboten hat, ihrer Herrin zu folgen. Ich bin hier nicht allein Nun errötete sie richtig und biß ihre Unterlippe.

  • Verus schaute auf. Er deutete den Blick von Albina falsch und interpretierte ihn als Trauer.


    "Trauerst du auch um etwas?"


    Warum begann Verus jetzt ein Gespräch? - Würde er es wollen in Trauer angesprochen zu werden?


    Von der Dame ging für Verus eine interessante Aura aus, er musste sie näher kennenlernen. - Zumindest versuchte er es.
    "Jeder Mensch, der zu diesem Ort kommt, hat etwas verloren...," stellte Verus fest und unterstrich so seine Frage.


    Die Errötung im Gesicht der Dame erkannte er nicht, er sprach einfach zu selten mit Frauen.

  • Zuerst war ihre Reaktion eindeutig. dieses NEIN kam geschossen, endgültig und trotzig zugleich. Erst dann ein kleiner Seufzer und ein weiches Ja. Albina war auch nicht all zu sehr mit männlicher Gesellschaft vertraut. Warum sie gerade bei diesem Mann die Ausnahme fand und ihre zurückhaltende, gar abweisende Art änderte, wußte Albina zu diesem Zeitpunkt auch nicht. Mein großer Bruder Cato. Er war mir ein guter Bruder. Meine Zwillingsschwester Severa ist auch von uns gegagen und ist bestimmt... Sie brach ab. Die Konkurrenz, Albinas Freude über die Chance, die ihr durch den Tod geöffnet wurde, all das wurde ihr irgendwie unwichtig. Ich bin hier, um um Vergebung zu bitten. Sie war in allen Bereichen besser als ich. Irgendwie ist es mir wichtig, die Orte zu besuchen, wo sie sich aufhielt. Sie sprach nicht über ihre Eifersucht. Und welcher Verlust brachte Dich zu diesem Ort? Oder sind es eher die Gebete um den Sieg und die heile Rückkehr? Albina hüllte sich noch tiefer in ihren Mantel. Ich weiß nicht, was Severa hier so toll fand, was sie am Mars fand, was sie faszinierte. Verzeih, wenn meine Rede nicht logisch und nachvollziehbar klingt.

  • Verus war überrascht von Albinas Aggression . Er zuckte beim klaren "Nein" ein wenig zurück. Jedoch revidierte sie sich recht schnell, was Verus noch mehr verwunderte.


    Er hörte ihr gespannt zu als sie von ihrem Verlust erzählte. Merkwürdigerweise interessierte sich Verus sehr für Albina. - Irgendetwas zog ihn zu dieser Frau hin. Er atmete ruhig und nickte still.


    Schließlich beendete sie ihre Ausführung. Was sollte er nur sagen? - Er wollte es sich ja nicht mit ihr verscherzen, dies könnte er sich nie verzeihen. Er spürte eine gewisse Verbindung zu ihr und diese wollte er nicht verlieren, sie gab ihm Halt in seiner Trostlosigkeit. Sie war wie ein Engel aufgetaucht und er wollte sie auch entsprechend ehren.


    "Ich habe meine Seele verloren in einem Krieg, der nicht der Meinige war. Du musst wissen, ich bin Centurio der Classis und habe viel gesehen. Ich ersuche Mars mir meine Seele zurückzugeben, die auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben ist. Momentan betrauere ich den Verlust meiner Menschlichkeit, die man als Soldat allzu schnell verliert. Ich hoffe, dass Mars uns beiden helfen kann. - Schließlich ist Mars der Beschützer aller Soldaten und Krieger. Du scheinst ebenso tapfer zu sein, wie ein Soldat, somit wird er auch sicherlich dir helfen." - sprach Verus vorsichtig.


    "Was deine Schwester angeht... - Sie wird sich an einem besseren Ort wiederfinden. Die Welt ist grausam und der Tod ist eine Erlösung, sofern er von Fortuna gewollt eintritt. "


    Hörte Verus da etwa Neid aus ihren Worten? - Dem musste er auf den Grund gehen und sie vielleicht vom ihrem Irrweg abbringen. Er wusste, was Neid und Hass aus Menschen machte, nämlich schreckliche Unmenschen.

    "Neide deine Schwester nicht, sieh' sie vielmehr als Vorbild und als Wegbegleiter. Sicherlich konnte sie einige Dinge besser als du, jedoch wirst du auch eine Bestimmung haben. Fortuna hält für jeden von uns ein Schicksal bereit. Das Schicksal lässt sich jedoch doch unsere Entscheidungen beeinflussen, Neid hilft nicht.. Was wir aus unseren Spielkarten machen, die uns von Fortuna zugewiesen werden, ist das Entscheidende und danach werden wir am Ende gemessen werden. Nicht an dem, was du nach Außen hin ausstrahlst."


    Sein Blick zwang sich ein besänftigendes Lächeln ab, um Albina Hoffnung zu geben.

  • Wenn er nur wüßte, was diese Aggression auslöste! Es war, als ob die Dunkelheit und das Licht in ihr gegeneinander kämpften. Welches Gefühl gewinnt? Als Albina seine Worte hörte, blieb ihr nichts als nur Mitleid und eine gewisse Traurigkeit. Wie kleinerlich kamen ihr ihre eigenen Gefühle und ihre eigene Welt. Ihre Hand hob sich, fast war sie dabei, seine Schulter zu berühren, ohne sich dabei was zu denken. Als er über den Verlust seiner Menschlichkeit sprach, lächelte sie nur. Wie sanft kann sie sein, wenn diese Gedanken über ihre Schwester Albina nicht quälten. Sei versichert, auch, wenn ich nur ein junges Mädchen bin und vieles nicht verstehe, sei versichert, deine Menschlichkeit hast du nicht verloren. Cato hat mir ein Mal erzählt... dass das Leben ein Garten ist. Mit Regenzeiten, mit Frost und Trockenzeit. Es gibt fruchtbare Böden, Lehmböden, Wüste. Es ist die Mischung, die unser Leben und auch unseren Garten so lebenswürdig erscheinen lassen. Es kann nicht immer Sonne scheinen.Ich weiß zu wenig und kann meine Gedanken nur mit Mühe in die Worte umhüllen, aber laß mich dir sagen, ich stehe näher zum Punkt, meine Menschlichkeit zu verlieren als du. Ich habe es gerade jetzt verstanden. Sollte sie ihm, diesem unbekannten Mann erzählen, dass sie dabei ist, sich selbst für das Gefühl ihrer verstorbenen Schwester gegenüber zu hassen? Und tapfer? Ihr Lachen versank in der Traurigkeit des Momentes und doch klang es optimistisch in seiner jügendlichen Art. Albina kämpfte nicht mehr gegen das Gefühl, dass dieser Mann auf der Bank ihr unheimlich war. Aber gerade aus dieser Sicht, dass sie auch diese Verbundenheit spürte. Andererseits fragte sie sich im gleichen Zuge, was kann diesen Mann mit ihr verbinden? Gewiß nicht das Alter, gewiß nicht die Erfahrung und gewiß nicht der Bekanntenkreis. Tapfer sind wir alle, die das Leben dem Tod bevorzugen. Mein Vater würde mich für diese Worte mit dem Stock verdreschen, aber er ist auch weit. Casa Octavia ist momentan still und ruhig in ihrem Inneren. Und wenn erst die Stille da ist, kriechen die Gedanken in den Kopf. Gut, dass ich noch Hausarbeit zu erledigen habe. Dabei kräuselte ihr Näschen gerade zu süß, um diesem letzten Satz die nötige Glaubhaftigkeit zu verleihen.

  • Sie hatte noch viel zu lernen. Sie war noch recht unerfahren, was das Leben anging, so stellte Verus fest. Jedoch hatte sie den richtigen Ansatz und somit war es für Verus nicht schwer, sie von ihrem Irrweg fortzuführen.


    Zunächst musste er aber ihren Namen erfahren.


    "Wie heißt du, sofern ich fragen darf?"


    Er schob ebenso eine weitere Ausführung hinter der Frage ein, um das Gespräch am Laufen zu halten.


    "Das Leben ist ein Garten, da gebe ich dir recht. Jedoch bestellen wir diesen Garten selber mit den Mitteln, die uns gegeben sind. Lass' dir sagen, dass dieser Garten auch manchmal von einer langen Dürre durchzogen ist und man nur durch diese Dürre kommt, wenn man der passenden mentalen Doktrin folgt. Man muss eine gewisse Wärme für die Mitmenschen entwickeln und eine gewisse Toleranz. Respektiere die anderen, auch wenn sie dich nicht respektieren. Kämpfe nur dann, wenn es wahrlich notwendig ist und diese Notwendigkeit ist ebenso selten, wie eine wahre Niederlage im Leben. - Es kommt aber vor. Das Leben ist gleich mit dem Tod. Beides ist eins. Man muss keines vorziehen und keines vergessen."


    Verus unterbrach kurz, um einen weiteren Denkansatz einzubringen.


    "Das Leben ist nur eine Abfolge von Ereignissen, Momenten und Erlebnissen. Die Entscheidungen in diesen Situationen machen das Leben aus. Aus diesem Grund solltest du jede Entscheidung abwägen, da sie weitreichende Folgen haben kann. Merke: Eine Situation kehrt nie wieder zurück und Fortuna gewährt dir keinen Neustart für eine verpatzte Entscheidung. Das Leben ist zudem zu kurz, um es in Wut, Zorn und Hass zu verbringen. Wir brauchen alle Mitmenschen, wären wir denn alleine lebensfähig? - Du bist gezwungen dein Leben mit anderen Menschen zu teilen. Du musst sie nicht mögen aber akzeptieren solltest du sie. Jeder Mensch ist wie ein Zahn in einem Kiefer. - Wir müssen zusammenarbeiten, auch wenn wir uns gegenüberstehen. Hausarbeit ist ein probates Mittel nachzudenken, ich koche gerne. Sie sollte nicht zur Ablenkung dienen. Tue alles im Leben mit einer gewissen Konzentration, dann hast du mehr vom Moment, mehr vom Tag."


    Verus verzog leicht das Gesicht.


    "Ich fange schon wieder mit meinen Reden an. Verzeihung! Ich langweile dich sicher!"

  • Du verstehst mich nicht, keiner versteht mich, es geht nicht um den Tod und das Leben! Es geht.. es geht... ich hasse mich für dieses Gefühl, verstehst du? Ich hasse es, weil ich mich über ihren Tod gefreut hatte. Wie konnte ich es! wie konnte ich es! Gibt es für mich noch Rettung? Albina schrie nicht, doch diese Worte kamen aus der Tiefe ihres Herzens. Sie verteufelte sich dafür, wofür sie eigentlich nichts konnte. Ich bin ihr schuldig, ihren Weg zu gehen. doch gerade dieser Gedanke brachte ihr dieses Gefühl der Ohnmacht. Albina. Octavia Albina. Und wie ist dein Name? Du hast doch gesagt, dass du Centurio der Classis bist. Sag bloß, dein Name ist Verus. Die Wahrheit. Sie warf diese Vorahnung einfach so in den Raum, zu seinen Füssen, als ob es so einfach war, seinen Namen zu erfahren, oder kannte sie ihn? Nein, das war unmöglich. Warum gerade dieser Name Albina in den Sinn kam, konnte sie auch später nicht sagen, als beide darüber sprachen. und doch, was du sagst, ergibt den Sinn. Ich bin auf meine Schwester..ich WAR auf meine Schwester nicht neidisch, doch bis sie lebte, war ich immer die Zweite. Ist es meine Buße der Götter, ihr Leben weiter zu führen? Ich will nur verstehen. Du bist der erste, dem ich das erzähle. Wahrscheinlich, weil dich nie wiedersehen werde. Eine flüchtige Bewegung Irgendwie glaubte sie nicht ganz dem, was sie gerade erzählte

  • Verus lächelte immer noch sanft, wie ein Großvater zu seinem Enkelkind.


    "Du musst auch nicht verstehen, du musst nur wissen, dass das Leben immer weitergeht. Ebenso bist du nicht dazu verpflichtet das Leben deiner Schwester zu führen, Albina!"


    Er schwieg kurz und fuhr sich durch den Bart.


    "Für jeden Menschen gibt es eine Rettung, auch für dich. Dieses Gefühl ist keine Schande, du musst dir nur eingestehen, dass du deine Schwester beneidet hast. - Du wolltest die Erste sein. Dieser Ehrgeiz ist nicht gut. Er führt unweigerlich zu einem Konflikt mit deinen Mitmenschen und dir selbt. Du solltest ihn ablegen. Lebe einfach dein Leben, wie du es für richtig hälst."
    Verus deutete auf den Platz neben sich.


    "Setz' dich doch. Wenn ich wahrlich der Erste bin, dem du dies erzählst, ehrst du mich. Vielen Dank. - Ebenso sollte unser Gespräch nicht mehr flüchtig sein, ich bin bereit dir meine Zeit zu schenken."


    Er nickte unterstreichend freundschaftlich.


    "Ja, mein Name lautet Verus. Ich stamme aus dem Geschlecht der Decima. Die Götter scheinen über uns zu wachen...," deutete Verus an als sie seinen Namen erriet.

  • Das Leben geht weiter. Du sagst es so einfach, so.. so.. als ob es das einfachste auf der Welt wäre. Und selbst? Die Jugend stellte manchmal grausame Fragen. Sie hörte ihm aufmerksam zu, dieser kleine Kopfdreh nach links, die sanfte Linie ihres Kinns und des Halses alles schien in AAlbina verarbeitete sie nicht nur, sie nahm diese Worte und prüfte sofort, ob sie zu ihr passten. Mit kleinem kecken Lächeln nahm sie den Platz neben Verus und wartete erstmal mit der Antwort. Er spürte ihren leisen Atem. die grünen Augen zeigten in ihrer Unverdorbenheit eindeutig, was in ihr vorgeht. Du hast in einem Unrecht. Ich habe meine Schwester nciht beneidet. Ich wollte immer nur eins, Albina und nicht Severa sein. Das war mir nicht gegönnt. Es war kein Neid meinerseits. Doch vielleicht, vielleicht ist das mein Schicksal? Vielleicht wurde ich geboren, um diesen Verlust zu mindern? Ich habe viel darüber nachgedacht. Vielleicht liegen darin die Erwartnugen meiner Eltern? Ich weiß es nicht. Ich habe vor, meinen Dienst den Göttern anzubieten, wie es Severa tat. Ihr Oberarm berührte leicht seinen, so vertrauensvoll, als ob Albina diese Geste nie kannte. Es war ein Gefühl für Albina, scheu und voller Sicherheit zugleich. Ihre Wangen röten sich und die Augen glänzten mit ein paar Tränchen, die sie verbarg. Und doch war ihr anderrseits peinlich, einem wildfremden Mann derart auf den Geist zu gehen, auch, nachdem er sich dafür so direkt dargeboten hatte. Ist es so offensichtlich, dass du der erste bin, mit dem ich darüber rede?

  • Verus lächelte breit. "Du hast mir gerade gesagt, dass ich der Erste bin und ich vertraue dir da."


    Verus lehnte sich leicht nach hinten und stützte sich mit seinen Armen auf der Bank ab. Er deutete in den Himmel.


    "Ist er nicht wunderschön blau? - Diese Farbe hat er nur im Winter. Ich finde sie faszinierend. Dieses göttliche endlose Blau." - Sprach er zart.


    "Du bist, wie dieser Himmel, endlos und schön. Doch fehlen dir Akzente und Visionen. Du musst nicht in den Dienst der Götter treten, wenn du es nicht möchtest. Es bleibt bei deinen Entscheidungen, du musst niemanden gefallen. Du bist Albina und nicht Severa. Dein Leben ist völlig anders, sofern du es willst. Du musst auch keine Lücken füllen und die Erwartungen deiner Eltern sind Erwartungen, die du auch nicht erfüllen brauchst. Hör' auf dein Herz und sprich' mit ihm. Verstand und Herz werden gemeinsam einen Weg für ein ansprechendes Leben finden..." - er unterbrach kurz seine Rede.


    "Ich hätte öfters auf mein Herz hören sollen."

  • Sie hörte ihm zu, wie er über den Himmel sprach, über die Akzente und Visionen. Du meinst..ich habe den leichteren Weg gewählt? Du hast gut zu reden. Deine Erfahrung, dein Alter. Ich muß mir all das noch erarbeiten und ich Albina machte eine kleine Pause und Verus spürte die Reue und ein wenig Unbehagen dieses stolzen Mädchens. ... vielleicht dachte ich wirklich, es wird einfacher so, hinter dem Severas Schatten weiter zu leben. Sie schaute in seine Augen, suchte seinen Blick und es war wieder dieses Gefühl da, dass die Anwesenheit dieses Mannes alles andere in ihr verstummen läßt, außer diesem weichen Inneren ihres Geistes, welches die Dunkelkeit der Tiefe nach und nach verläßt und sich auf die Oberfläche wagt, um sich einem Fremden zu zeigen. Doch ich bin eine gehorsame Tochter, Versu. zumindest versuche ich es so zu sein. Ich will eine gewisse Unabhängigkeit und diese erreiche ich nur, indem ich was werde. Erst dann erfüllen sich deine Worte und keiner wird Albina verhindern, Albina zu sein. Da bin ich mir relativ sicher. Mit meiner Mutter darüber zu reden, hat keinen Sinn. Sie beweint ihre Kinder und ich bin nur eine lebende Erinnerung an Severa. Ich denke, das war der Grund, warum sie mich nach Rom schickte. Sie kann meinen Antlitz nicht ertragen. Albina seufzte und unterdrückte dieses seltsame Gefühl der Sehnsucht nach diesem Verständnis, welches Verus ihr entgegenbrachte. Dann sollte dir dein Herz sagen, dass du einem Mädchen heute sehr geholfen hat. Mit deinen Worten und deiner Zeit.

  • Verus wandte seinen Blick vom Himmel ab und schaute Albina direkt ins Gesicht. Ein kurzer Atemzug und er setzte wieder zu einem Satz an.
    "Albina, du hast immer die Wahl zwischen einem leichten Weg und einem schweren Weg, der Zweite verlangt aber wesentlich mehr Kraft und ist mit vielen Hindernissen verbunden. Wenn du Albina sein willst, sollltest du ihn gehen. Nur auf dem harten Weg kannst du wahrlich zu dir Selbst finden, wie einst Herakles am Scheideweg. Du musst nun entscheiden, wer du sein willst."


    Er lächelte sie wieder an, wie es ein Vater tun würde.


    "Ich sage dir, in einem Schatten zu leben ist nicht richtig, denn es fehlt das Licht der eigenen Erkenntnis. Zumal du niemanden etwas beweisen musst. Du kannst ein anständiger Mensch sein ohne deiner Familie zu dienen, wenn deine Familie dich in eine Rolle zwingt, die du nicht erfüllen kannst. Gehe deinen Weg, wie du es für richtig hälst. Auf diesem leider schweren Weg wirst du jedoch Liebe, Vertrauen und Hoffnung finden. In einem Schatten findest du nur Trostlosigkeit und ein sinnloses Leben. Unabhängigkeit entsteht im Geist, Albina. Befreie dich von Zwängen und du wirst frei sein."


    Verus nahm ihre Hand. Er hielt sie tröstend und nickte ihr verständnisvoll zu.

  • Wenn nur mein Vater so mit mir sprechen würde! entsprang ihr die Äußerung, die ihr mehr weh tat, als sie zugab. Ihre Hand lag in seiner, warm und ruhig, als ob sie dort die Zuflucht und Nähe suchte. Ohne groß nachzudenken schob sie ihre zweite Hand in seine, ihr Blick wandte sich zum Tempel. Sie verschwendete keinen Gedanken, ob es sich ziemt oder nicht, ob es anstandlos oder nicht sei. Sie genoß einfach diese Zuwendung, ohne Reue. Ihr Wesen beruhigte langsam. Verus spürte regelrecht, wie ihre Seele sich von der Qual befreite, oder zumindest ihr Gleichgewicht für eine Weile fand. Es war sein Verdienst. Ob er es wollte oder nicht. Ich werde versuchen, deinem Rat zu folgen. Ich bin nicht dumm und die roten Erdbeerlippen schmollen doch leicht. Du verstehst, ich kann es dir nicht versprechen, ich kann es nicht einmal mir versprechen, dass es ein Erfolg wird. Vielleicht schon aus diesem Grunde sollte ich mir doch überlegen, den Dienst im Tempel aufzunehmen. Vielleicht sehen wir uns irgendwann. Sie schielte zu Verus. Ich will nicht dich von deinen Gebeten zu sehr ablenken. Ich werde deinen Namen in meine Gebete schließen, wenn du mir das erlaubst. Als Dank für deine Hilfe. Ihre hände bewegten sich in seinen, prüfend, wie frei sie eigentlich waren.

  • Verus hielt ihre Hände sanft ohne Druck. Es war mehr väterliche Fürsorge und sein reifes Alter, das ihn dazu bewegten diesem Mädchen Trost zu spenden. Es waren väterliche Hände, die einem Kind Halt gaben.


    "Ich danke dir." - sprach Verus freundlich und zugleich ernst. "Du hast mich aus einer Trauer befreit, die mich hätte auffressen können. Unser Gespräch hat mir gezeigt, warum ich Rom als Soldat diene."


    Er schaute sie weiterhin mit den väterlichen Augen an. Augen, die ebenso Halt gaben, wie seine Hände.


    "Doch verzeih' mir. Ich muss nun aufbrechen. Sofern du weiterhin Probleme haben solltest, kannst du dich jederzeit an mich mit einem Brief wenden. Schreibe einfach an Centurio Decimus Verus, Misenum, Flottenstützpunkt."


    Verus umschloss Albinas Hände noch kurz, um sie zu wärmen, dann ließ er sie los.

  • Ich verspreche, Dir nicht jeden Tag zu schreiben, auch, wenn es mir schwer fällt ihr melodisches Lachen zeigte eindeutig, dass die schweren Gedanken schneller verschwanden, als Verus vielleicht dachte. Vielleicht war das sein väterlicher Ton, vielleicht seine Hände... Wer weiß das schon. Ich hoffe aber auch, dass du mir auch schreiben wirst. Casa Octavia. Bitte. Er sprach väterlich zu ihr und so nahm sie es auf. Es fehlte nur der väterliche Kuss auf die reine Stirn der Albina. Es ist schon spät und Sera, meine Sklavin, wartet auf mich bestimmt und wundert sich. Versprich mir noch etwas. Versprich mir, in deiner Menschlichkeit nicht mehr zu zweifeln. Und wenn dieses Gefühl doch in dein Herz einnistet, so denke an diese Begegnung und an eine junge Frau, die an deine Kraft glaubt. Ihre Hand zog sich weg und Albina stand auf. Mögen die Götter deinen Weg beschützen, Verus Sie lächelte ihm offen und doch traurig zugleich, wobei diese Traurigkeit mehr dem Abschied zuzuschreiben war. Mit schnellen Schritten entfernte Albina immer weiter von dieser Bank, der Hand und Verus...

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