Kandidatur zum Cursus Honorum [02/09] – Manius Aurelius Orestes

  • Die Curia Iulia war an diesem Sitzungstag besser besucht als gewöhnlich. Heute hatten sich unter ihrem Dach nämlich nicht nur die Senatoren versammelt, sondern auch Männer die (noch) keine Mitglieder des Senats waren, die sich aber bei den bevorstehenden Wahlen zum Cursus Honorum um ein öffentliches Amt bewarben. Jeder von ihnen würde vom Senat gehört und von den Senatoren befragt werden.


    Einer der beiden amtierenden Consuln, es war Lucius Aelius Quarto, rief sie jeweils auf:


    “Manius Aurelius Orestes, Sohn von Barrius Aurelius Scipio, kandidiert für das Vigintivirat.
    Manius Aurelius Orestes, wenn du anwesend bist, dann tritt vor und erkläre dich!“

  • Aurelius Orestes war anwesend und trat vor. In eine fast schon strahlend weiße toga candida gekleidet, hatte der junge Aurelier diesen Tag herbei gesehnt. Er war auf und ab gelaufen, hatte seine Rede geprobt, er war sogar einen Tag ans Meer gefahren, um die Rede gegen den Ansturm des Meeres zu üben. Und jetzt war es soweit, er sollte vortreten und tat dies. Die Augen vieler Senatoren waren auf ihn gerichtet, nicht von allen natürlich und es war auch keine besondere Atmosphäre zu spüren, jedenfalls objektiv nicht, subjektiv dagegen, wohnte diesem Anfang des ehrenvollen Weges ein Zauber inne.


    Manius Aurelius Orestes schaute nur kurz in das Rund der Senatoren und suchte sich dann einen Redepunkt etwa zwischen der dritten und vierten Reihe, atmete ruhig, aber tief ein (kontrollierte noch einmal die Schultern nicht zu sehr zu erheben) und sprach dann mit ruhiger, aber deutlicher (und deswegen tragender) Stimme:



    "Senatoren! Es ist für einen jungen Römer, wie ich es bin, ein ehrenvoller Moment, in diesen Hallen das erste Mal das Wort erheben zu dürfen. Dies kann ich an diesem Tag mit Dankbarkeit und voller Einsatzbereitschaft tun.


    Der hochverehrte Consul Aelius hat schon zum Zwecke meines Hierseins die nötigen Anmerkungen gegeben, so dass ich nur diese bestätigen kann, wenn ich sage: Ja, ich kandidiere für einen Platz unter den Zwanzigmännern. Wenn ich dies schon an dieser Stelle präzisieren darf - und um der Frage, die Ihr, ehrenwerte Senatoren Roms, gewiss zu stellen nicht lange warten würdet, vorzugreifen -, will ich innerhalb dieser Gruppe, so Eure Wahl auf mich fällt, als Decemvir litibus iudicandis den ersten Schritt auf dem cursus gehen.


    Doch warum, fragt Ihr Euch, sollen wir diesen jungen Aurelier wählen, und nicht einen Spross aus einem anderen wahrscheinlich ähnlich geehrten römischen Haus? Was hat er vorzuweisen? Senatoren, ich bin jung an Jahren und meine Erfahrungen sind nicht herausragend. Nach den Jahren der Ausbildung kam ich vor einiger Zeit in die urbs, um mich meiner Pflicht gemäß in den Dienst Roms zu stellen. Ein erster Schritt sollte dazu der Dienst an den Göttern sein, so dass ich in bescheidener und einfacher Weise meinen Dienst als sacerdos publicus und in den Reihen der palatinischen Salier aufnahm. Im Tempel des größten und besten Iuppiter auf dem Kapitol brachte ich die geschuldeten und freiwilligen Opfer der Römer dar, immer mit dem Blick auf das Wohl unserer Heimat. Ich wurde dabei - trotz meiner kurzen Dienstzeit - mit der Ausbildung eines Discipulus betreut, der inzwischen in den germanischen Weiten den römischen Göttern zu ihrem Recht verhilft.
    Doch, ist in mir der Wunsch entbrannt das, was Rom und die Götter mir geschenkt haben, in noch vollkommener Weise, zurückzugeben - auf dem cursus honorum.


    So stehe ich vor Euch, Spross einer edlen Familie, der durch seinen Großvater Aurelius Crassus, sich den senatorischen Ordo vererbt bekommen hat, der zwar den Göttern dient, aber ansonsten nicht viel vorzuweisen hat, außer seiner Leidenschaft für Rom und seiner Einsatzbereitschaft - und bitte Euch um Euer Vertrauen."


    Ihm waren nicht mehr alle Figuren, die er unterbringen wollte, in den Sinn gekommen, und doch hatte er das Gefühl mit seiner ersten Rede in der Curia Iulia zufrieden sein zu können, als er diese beendete und sich nun den Fragen der Senatoren stellen musste.

  • Tiberius Durus hatte bei seinem Gespräch mit Corvinus bereits von dieser Kandidatur erfahren. Außerdem hatte er ihn als Ehemann für seine Arvinia angeboten bekommen - und man hatte sich geeinigt, dass er der passende Gatte war. Aus diesem Grund verstand es sich von selbst, dass Durus seinen neuen Verwandten unterstützte und gab eine Wahlempfehlung ab, kaum dass Orestes geendet hatte.


    "In meiner Funktion als Pontifex kann ich bestätigen, was Aurelius Orestes sagte: Er erfüllte seinen Dienst gewissenhaft und angemessen! Daher bin ich überzeugt, dass er das Amt des Decemvir stlitibus iudicandis ebenfalls hervorragend ausfüllen wird!"


    Im Grunde war er noch nicht gewählt, doch Durus glaubte, dass Orestes sehr gute Chancen hatte - und natürlich nicht zuletzt wegen seiner Wahlempfehlung :D

  • Aelius Quarto hatte dem Kandidaten seine Unterstützung zugesagt und so ergriff er zeitig das Wort:


    “Ich kann mich meinem Vorredner, Senator Tiberius Durus, nur anschließen. Zwar kenne ich Manius Aurelius Orestes nicht so gut wie er und kann nicht beurteilen, wie gewissenhaft er seine Aufgaben im Dienst für die Götter wahrnimmt. Aber ich habe ihn im persönlichen Gespräch kennen gelernt und einen Mann erkannt, der sich der Ehre und Verantwortung bewusst ist, die ein öffentliches Amt mit sich bringt. Er wird seinen Ahnen keine Schande machen und er wird uns ebenfalls keine Schande machen, die wir ihm seine Stimme geben. Ich werde es tun.“

  • Kam es ganz dick: zwei Flavier, zwei Aurelier. Allesamt Patrizier und zwischen ihren Stühlen ein Stier. Avarus wiederholte sich nicht gern, aber eben dieser Kandidat sprach von Jugend und er wollte sehen, ob der Apfel reif genug war, gepflückt zu werden:


    "Wie steht es bei dir, Aurelius Orestes... hast du den Weg allein in die Politik gefunden und wie kannst du meine Bedenken zum Gleichgewicht zwischen den Ämtergruppen im Cursus Honorum ausräumen? Zwei Aurelier, zwei Flavier, vier Patrizier und ein Plebejer, das muß uns Plebejern doch übergewichtig vorkommen."

  • Die erste Frage kam von Germanicus Avarus, dieser war dem jungen Aurelier zwar nicht bekannt (sie hatten sich schließlich höchstens einmal gemeinsam in einem Raum aufgehalten), aber die Beschreibung seines Vetters traf auf den Senator genau zu, bis auf den Punkt, dass die Frage eigentlich nicht besonders kritisch war. Orestes überlegte einen wirklich kurzen Moment, ob es eine rhetorische Falle war, die der Germanicer ihm stellte.


    "Verehrter Senator, die Frage ist sehr berechtigt. Auch wenn ich sie einfach abtun könnte, dass es ja nicht unser Problem sei, wenn Eure jungen Männer nicht den Weg in den Cursus Honorum finden. Doch dies wäre nicht nur eine unnötige Polemik, sondern auch dem Kern der Frage unangemessen.


    Das römische Imperium ist seit Jahrhunderten auf einem zeitweise labilen und zeitweise stabilen Gleichgewicht zwischen den Plebejern und Patriziern gebaut. Dieses darf auf keinen Fall zerbrechen. In meiner - relativ unbedeutenden - Einschätzung ist das Übergewicht der patrizischen Kandidaten um ein Amt im Cursus Honorum in den letzten Jahren kein erschreckendes Signal, welches darauf hindeuten könnte, das dort etwas ins Wanken geraten sei, aber es könnte unter Umständen ein kleines Aufmerkzeichen sein, dass man darauf einmal genauer hinschauen sollte.


    Was die Frage zu meiner Person betrifft: Der Kandidat für das Amt des Aedilen, Senator und Pontifex Aurelius Corvinus hat über mich und meine Entscheidungen keinerlei potestas. Das heißt natürlich nicht, dass wir uns nicht besprochen haben oder dass ich nicht seinen Rat gesucht habe, wie und wann ich ein solch ehrenvolles Amt wie das eines der Zwanzigmänner erstreben sollte."


    Orestes musste sich schon bremsen, damit er nicht weiter ausholte. Er hatte versucht in einem bescheidenen aber bestimmten Ton zu reden, damit er ob seiner Jugend nicht als alt-klug erscheine.

  • Dieser Versuch gelang dem jungen Mann ganz gut und Avarus fühlte sich auch nicht dazu berufen zu denken, was der Aurelius vermeiden wollte.


    "Gut, gut... du sprachst in deiner Vorstellung davon den Posten des Decemvir litibus iudicandis ausfüllen zu wollen. Hat dies eine Bewandnis und wenn ja lass uns mehr davon hören!"

  • >Man hört, dass den Decemviri oft von Erben große Summen angeboten werden, damit sich deren Erbteil wie durch ein Wunder vergrößert. Hat das dein Interesse angeregt? Und wie würdest du auf ein solches Angebot reagieren? Oder wenn ein solches Angebot an deinen Kollegen geht?<


    fragte Modestus nun scharf nach. Eigentlich hatte er den Aurelier keineswegs in Verdacht, dafür hatte er noch zu wenig von ihm gehört, aber das war egal. Hier ging es darum die Kandidaten zu Prüfen. Nicht um irgendwelceh Schmeicheleien.

  • Orestes' Kandidatur verlief bisher gut. Er konterte ehrlich und - wie ich fand - zufriedenstellend. Dass auch bei der letzten Wahl zwei Männer aus meiner Familie kandidiert hatten, schien an Avarus vorüber gegangen zu sein. Als nun aber Modestus Orestes indirekt der Bestechung bezichtigte, sog ich scharf die Luft ein. Nicht von ihm hätte ich eine solche Frage erwartet! Eine solche Frage überhaupt zu stellen, war infam! Ich wandte langsam den Kopf und starrte Modestus an. Dies war Orestes' Befragung, deswegen hielt ich mich noch zurück, doch sollte der Annaeus wohl merken, was ich davon hielt. Und mit ihm war ich einmal befreundet gewesen - augenscheinlich zählte dieser Umstand nicht, oder aber, er hatte diese gute Bekanntschaft aufgekündigt.

  • Das entsetzte Gesicht von Corvinus sah Modestus mit Genugtuung. War es ihm doch nicht anders gegangen, als die Acta, die von Aurelius Corvinus als Auctor geleitet wurde, seinen Vetter als Mörder eines Angestellten des Cultus Deorum diffamiert hatte. Dennoch setzt er eine freundliche Miene auf und stand auf, um zu seinen Worten noch etwas hinzuzufügen.


    >Da ich mein alter Bekannter Aurelius Corvinus mich wohl sonst mit seinen Blicken erdolcht, will ich anmerken, dass ich Aurelius Orestes selbstverständlich nicht der verderbten Korruption beschuldige, sondern nach Bereitschft zum Kampf gegen ebendiese frage.<


    sagte er mit einr freundlichen Lächeln und etwas Witz in der Stimme und nickte Corvinus freundlich zu. Dann setzt er sich wieder.

  • Nachdem es zuerst recht ruhig zu gegangen war, in seiner Anhörung, begannen die Senatoren anscheinend langsam in Fahrt zu kommen. An den potentiellen Vorwurf des Annaers musste er sich langsam heranarbeiten, um nicht angegriffen zu reagieren, sondern gelassen, daher kam ihm die zweite Frage des Germanikers nur recht. Gerade als er ansetzte zu antworten, reagierte der Annaer auf irgendetwas, was Orestes entgangen war, was er also nicht einordnen konnte: "Erlaubt mir," sagte er deshalb, die letzten beiden Fragen, da sie sich auf die gleiche 'res', nämlich meine Präferenz zu den Decemviri litibus iudicandis zugeschlagen zu werden, solltet Ihr mich in ein Amt der Zwanzigmänner wählen.


    Ein erster Grund - ich will dies in aller Ehrlichkeit sagen, lag nicht so sehr in der Sache, sondern in Personen aus meiner gens begründet, die in den letzten Jahren dieses Amt zu ihrer und zu Eurer Zufriedenheit ausgeübt haben. Diesen Schatz an Erfahrungen möchte ich nicht einfach vergehen lassen, sondern ihn für meine eigene Amtsführung nutzen. Zumindest sollte mir die Einarbeitung dadurch nicht allzu schwer sein.


    Dann noch ein zweiter nicht sachlicher Grund, der Arbeitsbereich ist klar gefasst und in der Gruppe der Zehn, gleichzeitig nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Ergo: Ein guter Einstieg in die Arbeit eines Magistraten.


    Schließlich ein sachlicher: Erbschaftsangelegenheiten sind immer wieder ein Punkt, an dem Brüder sich verfeinden und über eine vorher ach so harmonische gens Zank und Streit fällt. Durch eine zuverlässige und unbestechliche Arbeit der Decemviri kann dort viel Unheil verhindert werden. Dies scheint mir nicht nur interessant zu sein, ebenso scheinen mir im Tempeldienst gemachte Erfahrungen dafür hilfreich zu sein.


    Wie für alle Ämter ist die unbedingte Treue gegenüber dem geleisteten Eid und die absolute Ehrlichkeit für ein Gelingen der Ausübung maßgeblich. Ich kann Euch daher versichern, dass ich jeden Versuch von Bestechung ablehnen und zur Anzeige bringen werde."

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