Aoide streifte zielsicher durch die Straßen Roms und erreichte schon bald den Tempel der Iuno. Kaum einer hätte geglaubt, dass eine umherziehende Sängerin, der großen Göttin ein kleines Opfer bringen würde. Nicht nur weil an diesem Tage ihr ein Festtag gewidmet war, sondern auch, weil Aoide den Glauben ihrer Mutter angenommen hatte und wusste, dass sie es der großen Göttin ihr Talent und ihre Sicherheit verdankte. Als Reisende wusste sie nur zu gut, wie sehr ihr Schicksal in den Händen der Götter lag. Das leben auf den Straßen der Welt war ein hartes leben, voller Entbehrungen und voller Gefahren, nur wenn die Götter auf einen lächelten, dann konnte man unbeschadet reisen.
Außerdem war sie davon überzeugt, dass die Göttin sie gesegnet hatte, wer sonst hätte ihr sonst solch eine Stimme geben können, eine Stimme mit der sie ihre Umwelt verzaubern konnte. Und mit Sicherheit hatte die Göttin gewollt, dass sie ihr Talent nicht für sich behielt und dass sie für die Leute sang. Dies tat sie gern und nun lag es an ihr, der großen Göttin einen bescheidenen Dank zukommen zu lassen.
Andächtig blieb sie vor dem marmornen Tempel stehen und betrachtete diesen verzückt. Selten hatte sie auf ihren Reisen einen schöneren Tempel gesehen, selten hatte ein Ort so viel Ruhe und Kraft ausgestrahlt. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihre Züge und sie begann ein leises Lied zu summen, welches die Göttin pries. Warum auch nicht, die Göttin gab ihr ihre Stimme und so sollte auch diese nur für sich ein Lied zu hören bekommen, welches ihre Großzügigkeit und ihre Schönheit beschrieb und ihr für alles dankte.
Gemessenen Schrittes erklomm sie die Stufen und trat in den kühlen Schatten des Tempels, Blumen und Räucherwerk erfüllten die Luft mit einem süßen Duft. Aoide drückte ein kleines Päckchen an ihre Brust und sah sich suchend um. Mit Sicherheit würde ein Priester sie in empfang nehmen und sie nach ihrem Begehr fragen.
Auch wenn es verwunderlich erscheinen mag, auch eine kleine diebische Elster wusste nur zu gut, dass ihr Glück und ihr Leben vom Wohlwollen der Götter abhing. Zwar machten sich einige ihrer Schwester und Brüder über ihren Glauben lustig, doch auch diese respektierten ihre Götter und dankten ihnen auf ihre Weise. Das fahrende Volk war ein abergläubischer Haufen von Menschen auch wenn sie es nciht so zeigten, wie Andere.
Bevor sie zum tempel aufgebrochen war, hatte sie sich gewaschen und in ein schlichtes Kleid aus ägyptischen Leinen gekleidet. Sie kam als Bittstellerin und es erschien ihr nur richtig, so Respeckt vor den Göttern und deren Dienern zu bekunden.