Officium Temporalis | Manius Tiberius Durus

  • Wieder einmal war ein Brief von Furianus gekommen, was Durus voller Freude aufgenommen hatte. Rasch las er ihn und war nicht schlecht überrascht, was sein Freund ihm so alles vorschlug. Den Kaiser aufhalten, ihn zu den Arvalbrüdern adlegieren, Solidarität der Patrizier - eine ganze Menge war das! Und ausgerechnet aus Aegyptus, der bestbewachten Provinz des römischen Reiches. Die Post eines Senators mit Sondergenehmigung wurde vermutlich besonders streng kontrolliert - vielleicht war es besser, etwas zurückhaltender über den Praefectus Urbi zu sprechen, solange dieser die Späher und Spione kommandierte...


    Nichtsdestotrotz machte er sich sogleich auf, das Schreiben zu beantworten. Lange blieb er vor dem leeren Papyrus-Bogen sitzen. Er hatte sich zum Kaiser seine eigenen Gedanken gemacht - und diese waren teilweise möglicherweise an Hochverrat grenzend! Wie sollte er seinen Freund davon in Kenntnis setzen, ohne die Spione auf sich aufmerksam zu machen? Eine Geheimtinte? Doch wie konnte er ihn darauf hinweisen? Gedankenverloren blickte er zu dem kleinen Fenster.


    "Wie könnte ich Furianus auf eine Geheimtinte hinweisen? Wie nur?"


    "Geheimtinte, Herr?"


    Sein Sekretär wurde sofort hellhörig. Zwar war er überaus neugierig, doch Durus hatte den Eindruck, dass er zumindest zuverlässig und verschwiegen war. Daher erklärte er


    "Korrekt. Ich muss ihm eine versteckte Botschaft zukommen lassen - aber wie? Er weiß nicht, dass ich eine solche versenden möchte!"


    Langsam nickte der Sekretär und begann, nachdenklich auf seinem Stylus herumzukauen. Eine ganze Weile herrschte Schweigen, während beide versuchten, eine Lösung für das Problem zu finden. Plötzlich hob er den Stylus in die Höhe.


    "Heureka! Kennst Du Ovidius Naso, Domine?"


    "Ovidius was? Wer soll das sein? Ein Bote?"


    "Nein, nein! Ein Dichter. Er hat Liebesgedichte geschrieben!"


    "Ich brauche keine Geheimschrift, weil ich meine Dichtkunst für zu schlecht halte, Lukios! Was soll mir dieser Dichter nützen?"


    "Ich glaube, er hat auch Tips zu Liebesbriefen gegeben. Und da sind auch Geheimschriften erwähnt! Und ich glaube, er ist nicht so bekannt - vielleicht kannst du Furianus auf sein Werk hinweisen - ein ungebildeter Spion wird da kaum etwas vermuten!"


    Ein ungebildeter Spion? Ein Hinweis auf einen Hinweis über Geheimtinte? Lukios war wirklich genial! Er war wirklich jedes As seines Preises wert gewesen!


    "Das könnte funktionieren...hast du dieses Gedicht? Oder kannst du es finden?"


    "Ich muss nachsehen - aber ich kann für nichts garantieren!"


    erwiderte Lukios und schien bereits nachzudenken, wo er dies gelesen hatte. Sicherlich würde er es finden!


    "Dann beschaffe dieses Gedicht und bring es mir! Dafür bekommst du ein bisschen was für dein Peculium! Du bist wirklich Gold wert!"


    freute sich Durus und lehnte sich zurück. Zwar musste er den Brief vertagen, aber sicherlich würden sie dafür eine umso bessere Lösung finden! Und solange konnte er sich ja anderweitig beschäftigen!


    "Hole solange den Scriba für die Cultus-Angelegenheiten! Ziehen wir die Nachfrage des Landtags von Gallia vor!"

  • "Es ist die Ars Amatoria, das dritte Buch!"


    Mit diesen Worten tauchte Lukios einige Stunden später wieder auf. Soeben diktierte Durus einen Brief an den Flamen Dialis, um sich nach dessen Gesundheitszustand zu erkundigen und blickte überrascht auf. Der andere Scriba schien etwas verwirrt, da er selbstverständlich nicht eingeweiht war.


    "Wir machen später weiter - du kannst gehen!"


    befahl er daher und wandte sich, als der Scriba den Raum verlassen hatte, Lukios zu. Dieser hatte eine Buchrolle auf den Schreibtisch gelegt und suchte bereits die Stelle heraus.


    "Ars Amatoria...das klingt ja fast ein wenig anstößig!"


    stellte Durus unterdessen fest und fragte sich, ob Furianus diesen Hinweis verstehen würde oder ihn für verrückt erklärte. Ob er auch seinen Namen nicht angeben sollte?


    "Ja, der Bursche ist auch von Divus Augustus verbannt worden, weil er so obszön gedichtet hat. Aber das ist das einzige, was mir zu Geheimschriften einfällt. Immerhin ist er nicht so übermäßig bekannt!"


    Endlich hatte Lukios die Passage gefunden und begann laut zu rezitieren:


    "Tuta quoque est fallitque oculos e lacte recenti
    Litera: carbonis pulvere tange; leges.*"


    Die Stelle war wirklich gut, allerdings sollte man sie vermutlich im gesamten Kontext lesen. Oder noch besser: Er verwies auf die entsprechende Textstelle - die Bibliothek von Alexandreia hatte diesen Ovidius mit Sicherheit!


    Schließlich hatte er sich überlegt, wie er es anstellen würde und begann, Lukios den Brief zu diktieren:


    Ad
    L Flavios Furianos
    Hygros Flavios pros Alexandreio
    Eparchia Aigyptos



    M' Furiano amico suo s.p.d.


    ich danke Dir für Deinen Brief und habe mich sehr darüber gefreut. Ich hoffe, Deine Gesundheit steigert sich weiterhin in dem Maße, den Du mir geschildert hast. Aegyptus ist eine herrliche Provinz - Du weißt, auch ich habe dort lange gelebt. Meine Mutter ist dort begraben und mein Vater diente bei einer der stationierten Legionen.


    Der Gesundheitszustand des Kaisers betrübt uns alle hier sehr und wir sind untröstlich über sein Verlassen Roms. Aber ich denke, es ist das Beste, denn auch hier kann er wenig am öffentlichen Leben teilnehmen, da seine Krankheit ihn schwächt.


    Ich hoffe, die Auflösung der Verlobung Leukas** hat Dich nicht zu sehr getroffen. Ich bin untröstlich, doch ihr Tutor verlor vermutlich die Geduld und hat sie sehr rasch anderweitig verheiratet, wie Du sicherlich bereits gehört hast. Ich bedaure dies sehr, doch er entschied ohne mein Wissen. Dies sollte unsere Freundschaft jedoch nicht weiter trüben.


    Aber nun zu Dir:


    Wie ich hörte, verehrst Du eine Dame, deren Vater Dir nicht wohlgeneigt ist. Ich empfehle Dir einen Brief. Auch habe ich ein Gedicht gefunden, das ihr zweifelsohne gefallen wird. Es stammt von Ovidius Naso, einem großen Lyriker. Besonders die Zeilen ab dem Vers DCXXXX sind gut gelungen - derartiges schätzt sie sehr. Möglicherweise kannst du sie erproben, damit Du endlich erfährst, was Du wissen willst.


    Nun möchte ich aber enden, denn mein Herr hat mir die lästigen Pflichten seines Ehrenamtes aufgetragen, während er dafür das Lob erhält.



    Vale bene,


    Manius

    Sim-Off:

    * = lat.: Durus
    ** = lat. Alba



    Der Brief wirkte ziemlich verwirrend, doch genau das war Durus' Absicht: Wenn er abgefangen wurde, dann würde er völlig unverfänglich klingen und dazu noch nicht auf ihn zurückführbar sein (zumindest wenn sein Plan funktionierte). Aber Furianus würde bestimmt zumindest nachsehen, was es mit diesen Literaturangaben auf sich hatte. Und dann blieb zu hoffen, dass er die Tips wirklich erprobte - und zwar mit dem Brief. Der Name Manius war zwar sehr verbreitet und möglicherweise pflegte Furianus auch noch mit anderen Manii Kontakte, doch die Inhalte des Briefes würden ihn hoffentlich identifizieren.


    Nun fehlte nur noch die Rückseite. Durus hatte sich Milch bringen lassen und begann nun, mit eigener Hand die Rückseite des Papyrus zu beschriften:


    Furianus!


    Verzeih mir dieses Versteckspiel, doch was ich Dir schreibe, könnte mir große Schwierigkeiten machen und ich muss sichergehen, dass man mich nicht damit in Verbindung bringt. Du hast sehr gute Ideen bezüglich Valerian, doch kann ich Deine Einschätzung nicht teilen: Ich halte ihn auch hier in Rom für zu schwach, um die unterschiedlichen Machthaber zu bändigen. Seit Ewigkeiten hat er sich dem Volk nicht mehr gezeigt und verkriecht sich in seinem Palast. Bei aller Krankheit: Dies ist schlecht für die Stabilität der Res Publica. Dennoch ist seine Abreise besonders gefährlich, denn eine so schlechter Zustand regt zu Spekulationen an. Und besonders diesem Salinator traue ich nicht. Er könnte tatsächlich noch eine große Gefahr werden. Möglicherweise müssen wir zu ungewöhnlichen Mitteln greifen, um der Res Publica ein starkes und vernünftiges Haupt zu geben.


    Du wirst vermutlich bald ein Beispiel aus dem Senat hören, der übrigens inzwischen nahezu alle Kompetenzen im Staate an sich gezogen hat. Nicht, dass dies schlecht wäre, doch es ist bezeichnend, dass der Kaiser von seinem Gesetzgebungsrecht keinerlei Gebrauch macht. Auch anderen ist es aufgefallen: Ich habe bereits mit verschiedenen Senatoren darüber gesprochen und alle sind sehr in Sorge.


    Bezüglich Deiner Idee möchte ich mich ebenfalls äußern: Es ist wahr, dass wir stärker aktiv werden müssen, doch bin ich inzwischen der Meinung, dass wir auch den Schulterschluss mit den traditionellen plebeischen Senatorenfamilien suchen sollten, um zu verhindern, dass wir einen Keil zwischen patrische und plebeische Senatoren zu treiben, die letztendlich das Gleiche wollen. Abgesehen davon bin ich unschlüssig, wen diese Societas unterstützen sollte: Wir einflussreichen Häuser pflegen ohnehin gute Kontakte und auch an Geld sollte es keinem von uns fehlen, um einen Sprössling oder Günstling für den Cursus Honorum auszustatten. Ich denke, dass kein Verein notwendig wäre, sondern vielmehr der persönliche Kontakt gesucht werden sollte.


    Nun habe ich nicht genügend Platz, um das Private aufzusetzen. Ich werde Dir beizeiten einen weiteren, unverfänglichen Brief zukommen lassen. Vale bene - M'


    Ungeduldig wartete er, dass die milchige Schrift in das Papyrus einsog und verschwand. Der Brief war tatsächlich sehr brisant und Durus nahm sich vor, Mercurius als Gott der Diebe zu opfern, dass sein Brief sich durch die Kontrollen stehlen würde.


    Oder sollte er den Brief persönlich zustellen lassen? Aber seine Sklaven würde man vermutlich ebenso kontrollieren. Da war es vielleicht in der Briefflut des Cursus Publicus noch unauffälliger. Also gab er den Brief Lukios, der ihn unauffällig abgeben sollte. Am besten über einen Mittelsmann!


    Sim-Off:

    * "Sicher auch sind und entgehen dem Blick Buchstaben mit frischer Milch; tu' Kohlenstaub drüber, so liest du sie leicht."

  • In diesen Tagen erhielt Durus einen Brief von Tiberiana Crista, einer Freigelassenen der Familie. Als er ihn las, staunte er nicht schlecht - der Brief war so persönlich gehalten, als wäre diese Crista eine enge Freundin. Dabei konnte Durus noch nicht einmal genau sagen, wer von den zahlreichen Sklavinnen sie gewesen war. Ein Weiterlesen klärte dies jedoch: Offensichtlich das Mädchen von diesem Cato. Aber es kamen noch weitere Fragen auf: Wer war diese Prudentia Callista...Moment - hatte er nicht vor kurzem deren Ernennung zur Discipula gesiegelt? - und wer waren Nanta und Laris? Vielleicht war der Brief auch falsch abgegeben worden? Aber der Umstand, dass sie eine Freigelassene der Familie war und der Brief deutlich an ihn adressiert war, wischte jeden Zweifel weg.


    Dennoch kamen neue Fragen auf, denn wie erwiderte man einen solchen Brief? Er kannte das Mädchen praktisch nicht, sie erzählte ihm allerlei Persönliches, was ihn wenig bis kaum interessierte...dennoch war es wohl nicht sinnvoll, sie unnötig vor den Kopf zu stoßen, denn immerhin war Cato bei ihr und möglicherweise konnte er über sie auch Einfluss auf den Freigelassenen von Quintus ausüben. Abgesehen davon konnte sie möglicherweise auch seine Interessen in der Provinz vertreten, immerhin lebte in der Hauptstadt! Also befahl er seinen Sekretär zu sich und begann das Diktat eines Antwortbriefs.


    Ad
    Tiberiana Crista
    Casa Prudentia
    Mogontiacum, Germania



    M' Tiberius Durus Senator Tiberianae Cristae s.p.d.


    Ich danke Dir für Deinen Brief. Es freut mich, dass es Dir im fernen Germania gut geht. Auch uns in Rom geht es gut. Tiberia Arvinia wird Aurelius Orestes, einen jungen Politiker ehelichen. Und ich gedenke, ebenfalls den Bund der Ehe einzugehen mit einer Tochter des Hauses Aurelia. Ich denke, dass damit eine enge Bande zwischen unseren Familien entstehen wird und die alten Streitigkeiten auch nach außen für alle Zeiten begraben sein werden.


    Auch Tiberia Albina hat geheiratet und zwar Spurius Purgitius Macer, einen weiteren Senator, der einst auch die Provinz, in der Du lebst, regiert hat. Wie Du siehst, geht es uns also gut und wir blicken einer positiven Zukunft entgegen.


    Ich hoffe, Deine Familie entwickelt sich gut. Vergiss nicht, den Göttern zu opfern, damit sie Deine Familie segnen. Ich werde meinerseits dafür Sorge tragen, dass auch die Manen von Tiberius Iuvenalis zufrieden gestellt werden.



    Vale bene
    [Blockierte Grafik: http://img157.imageshack.us/img157/6083/siegelmtdsenatorhc0.gif]


    Noch einmal ging er das Schreiben durch - es war höflich, aber nicht zu persönlich - genau richtig! So befahl er seinem Sekretär, es beim Cursus Publicus mitzuschicken.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!