Sklaven im Kaufrausch

  • Es war frueh. Phraates war gerade mit seinem Fruehstueck fertig geworden, da waren sie schon aufgebrochen.
    3 Sklaven waren sie insgesamt. Er selbst, wie auch Charis, sowie Diomedes.
    Der Dicke ging vorne. Er beherrschte die hohe Kunst, Leute elegant aus dem Weg zu bugsieren, ausgezeichnet. Phraates und Charis gingen hinter ihm her.
    "Wir gehen zu dort, wo man verkauft Kleider?", fragte Phraates. "Oder zu Gewurzverkauf?" Er hatte keine Ahnung, was naeher war. Er hatte ja kaum eine Ahnung, wo er war. Er sah die hohen Gebaeude rundherum aus dem Boden ragen, und er konnte den Palatin wahrnehmen, auf dem der kaiserliche Palast thronte.
    Wohin jetzt? Links doer rechts? Diomedes schien wenigstens ein bisschen eine Ahnung zu haben, ganz im Gegensatz zu Phraates. Ob Charis sich auskannte?
    Kurz ging er im Kopf nochmals kurz durch, was sie zu besorgen hatten. Parthische Gewaender. Und Gewuerze. Und sonst noch was? Hoffentlich hatte er nichts vergessen.
    Er fragte sich schon, ob man hierzulande auch gute Gewuerze und Gewaender hatte. Er hoffte es einmal.

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    Diomedes, der bereits vor Stunden schon aufgestanden war, spazierte gut gelaunt in dem Speisesaal hinein, um den neuen Sklaven abzuholen. Er fand, es war ein feiner Zug von der Herrin gewesen, ihn mitgehen zu lassen. Einer mußte sich ja um den Neuen kümmern und um die junge hübsche Makedonierin, die Ylvas Nachfolgerin geworden war.
    Er fand den Parther immer noch an einem Tisch sitzend, mit einigen anderen Sklaven im Gespräch.
    "Guten Morgen, Fa…äh Fra..äh nein.. Fati, mein Junge! Na, gut geschlafen?" Mit seinen Pranken klopfte er ihm heftig auf den Rücken.


    Charis wartete bereits im Vestibulum auf die beiden Sklaven. Die Herrin hatte ihr einen Beutel mit Münzen überlassen und ihr die letzten Instruktionen für den Einkauf gegeben. Neben den Gewürzen und dem parthischen Gewändern für den neuen Sklaven, sollten sie auch noch einige Kleinigkeiten für die Herrin besorgen.
    "Da seid ihr ja endlich!" entfuhr es Charis, als die Sklaven sich ihr näherten.
    Jetzt konnte es endlich losgehen. Diomedes schritt voran. Er sorgte dafür, daß sich ihnen niemand in den Weg stellte. Außerdem war er der einzige von den dreien, der sich in der Stadt ansatzweise auskannte.
    "Was sollen wir denn alles besorgen?" fragte Diomedes. "Aha, Gewürze und Klamotten. Sonst noch was? Hat sie noch was gesagt, Charis?" Er drehte sich zu der Sklavin um, die einfach hinreißend aussah. Diomedes war zwar nicht mehr der Jüngste, aber Chancen hatte er immer noch, bei den Frauen, und Charis war ja eine – eine Frau.

  • Für Charis war dies auch die erste große Einkaufstour in Rom. Von der Stadt hatte sie lediglich den Sklavenmarkt gesehen. Aber wo sich die Läden und Märkte befanden, mußte sie auch erst noch herausfinden. Von daher war es gar nicht schlecht, von einem ortskundigen Sklaven begleitet zu werden, der dazu noch jede Menge Eindruck schund, aufgrund seines Äußeren. Allerdings hatte es auch nicht lange gedauert, bis Charis auf die aufdringlichen Blicke des Sklaven aufmerksam geworden war. Nun ja, Diomedes war ein netter Kerl, aber das war es dann auch schon. Mehr als eine freundschaftliche Beziehung strebte sie nicht an.
    Phraates, der neue Sklave, kam ihr immer noch etwas verloren vor in der großen Stadt. Er konnte ihr richtig Leid tun. Für ihn mußte es wirklich schlimm sein, plötzlich mit der Tatsache konfrontiert zu werden, Sklave zu sein. Womöglich für immer. Umso mehr hatte es Charis gewundert, wie freigiebig sie ihm gegenüber war. Er war noch keinen Tag in der Villa und schon hatte Celerina ihm vertraut und ihm erlaubt, mit zum einkaufen zu gehen. Ob das nicht zu gefährlich war? Schließlich war doch erst einer ihrer Sklaven geflohen! Aber das sollte Charis nicht weiter kümmern.
    "Ja, richtig! Wir sollen diese parthischen Gewürze besorgen und Kleider für Phraates. Ach ja und die Herrin möchte, dass wir auch noch bei Janpau L’Gautis vorbeischauen, wegen ihrer Kosmetik." Damit durfte wohl Diomedes Frage beantwortet sein.
    Während sie neben dem Neuen herlief und ihn von der Seite musterte, kamen ihr doch Bedenken. Was hatte sich die Herrin nur dabei gedacht? Wollte sie Charis prüfen? Und Diomedes war nur dabei, damit er den Sklaven notfalls aufhalten konnte, wenn er fliehen wollte?
    Damit es nicht erst soweit kam, ging sie auf Nummer sicher. "Eins noch Phraates! Dies ist auch für mich mein erster Einkauf in Rom und ich möchte keinen Ärger mit der Herrin bekommen. Ich hoffe, du siehst das genau so. Also bitte, versuche nicht abzuhauen!" Sie bedachte ihn mit einem sehr ernsthaften Blick, der unmissverständlich war.

  • Hastig blickte Phraates herum, als ob er auf einem Schlachtfeld voller Feinde statt inmitten eines riesigen Marktplatzes waere. Jeder dieser Leute koennte ein potentieller Feind sein. War das da nicht ein Messer? Nein, nur ein Briefoeffner, den ein Roemer froehlich vor sich Hinschwenkte. Griffen diese Haende da nicht an Diomedes' Geldbeutel? Nein, es war nur eine Frau, die aus dem Gleichgewicht gekommen war. Kein Wunder bei diesem Menschengedraenge. Der markt erinnerte ihn an den Basar von Ktesiphon, nicht, dass er haeufig dort gewesen waere. Auch dieser war so riesig und unueberschaubar gewesen.
    Diomedes schien sich wenigstens einigermassen auszukennen. Es schien so, als ob ihm diese Kauftour richtig Spass machen wuerde. Phraates hingegen wurmte es, einkaufen gehen zu muessen wie ein Waschweib, doch was konnte er tun? Nichts. Er wuerde jetzt einfach einmal Befehle befolgen, danach wuerde man weiter sehen.
    Dankbar war Phraates Charis gegenueber, dass sie sich gemerkt hatte, wohin man gehen muss, vor allem, weil der Name so seltsam war. L'Gauwas? Wer hiess denn so? Gut, dass Charis es sich gemerkt hatte.
    Ploetzlich fuehlte er sich angesprochen. Es war sie, an die er gerade gedacht hatte. "Wohin ich soll gehen?", stellte Phraates seine Gegenfrage. "Ich weiss, dass kommen ich nicht weit werde." Er war pragmatisch genug, um das einzusehen.
    Gerueche umschwirrten seine Nase. Farben, Geraeusche und Stimmen von Menschen wirbelten um ihn herum. Wie sollte er da entkommen? Wie konnte er hoffen, ueberhaupt erst einmal aus dem Markt herauszukommen, geschweige denn bis nach Parthien zu gelangen, dessen Grenzen voll waren mit roemischen Soldaten?
    Er schuettelte kurz still den Kopf. Dann wandte er sich an Charis. Die Neugier trieb ihn an, er wollte mehr ueber seine Mitsklavin herausfinden. "Sag, ich nichts weiss von dich. Wo kommst du aus? Und wieso bist du Sklavin?"

  • Phraates hatte genau verstanden, was sie ihm sagen wollte. Das war auch gut so, denn sie hielt ihn für einen netten Kerl. Zwar hatte Charis noch nicht viel Zeit gehabt, ihn besser kennenzulernen. Aber was noch nicht war, konnte ja noch werden. "Gut, wenn du so denkst! Früher oder später würden sie dich sowieso wiedereinfangen." Charis war schon einige Male Zeugin dessen gewesen, wenn geflüchtete Sklaven wieder zu ihren Herrn zurückgebracht worden waren. Nicht immer hatten sie mir der Gnade ihrer Herren rechnen können. Einige hatten ihren Freiheitswillen mit ihrem Leben bezahlen müssen.
    Natürlich wollte auch Phraates sie näher kennenlernen. Deshalb verwunderte es sie gar nicht, als er begann, sie auszufragen. "Ich bin in Thessalien aufgewachsen. Meine Eltern waren beides Makedonen. Und sie waren beide auch schon Sklaven. Ich bin also schon immer Sklavin gewesen. Die Freiheit kenne ich nicht. Das macht aber auch nichts." Charis hatte nie ernsthaft darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, frei zu sein. Sie war bisher auch so gut zurechtgekommen. Niemals hatte sie sich um die grundlegenden Dinge wie Essen und Wohnen Sorgen machen müssen. Wenn sie gut arbeitete, dann hatte sie auch ein gutes Leben zu erwarten.
    Vor ihnen taten sich die ersten Gewürzstände auf. Der Duft von verschiedenen Kräutern und Gewürzen hing kraftvoll in der Luft. Jetzt war Phraates an der Reihe, die Gewürze seines Landes zu finden.

  • Charis schien sehr erleichtert zu sein, als ihr Phraates seine nicht vorhandenen Ausbruchsplaene schilderte. "Natuerlich sie werden das. ich bin nicht dumm. Flucht man muss lange vorbereiten. Wie die Sklaven von Celerina, die sind geflohen." Wo die jetzt wohl waeren? Vielleicht hatte der Parther unter ihnen bereits das Vaterland erreicht. Seine Heimat. Wie lange wuerde er sie wohl nicht mehr sehen koennen?
    Als sie von sich zu erzaehlen anfing, wurden seine Augen gross. "Makedonien!", rief er aus und schnappte nach Luft. "Das Land von Alexandros Megas!" Vor keiner historischen Figur, nicht einmal Kyros oder Darius dem Grossen, hatte er soviel Respekt wie vor Alexander dem Grossen, dem Eroberer Persiens, ohne dem sein Land nie das waere, was es jetzt war. Sie war tatsaechlich aus Makedonien. "Viele Leute ich kenne, die abstammen von makedonischen Siedlern, von Seleukiden.", meinte er. Bis vor 300 Jahren war sein Land unter der Herrschaft von Makedoniern, von Leuten wie den Koenigen Seleukos und Antiochos, gewesen, und man konnte den Einfluss jenes Volkes noch immer spueren. Niemand, der von so einen grossartigen Volke kam, konnte schlecht sein.
    Was Charis ueber sich selber erzaehlte, stimmte ihn traurig. Noch nie in Freiheit gelebt. Was fuer eine Schande. Nichts war auch nur annaehernd vergleichbar mit Freiheit. Ausser einer Sache, Gesundheit. Ein kranker Sklave musste das ungluecklichste Wesen der Welt sein.
    Ploetzlich kam ein Geruch in seine Nase. Er hatte diesen Geruch schon viele Male gerochen. "Da! Mir nach!", meinte er zu Charis und Diomedes und fing an, eine Richtung einzuschlagen, aus der er den Geruch kommen spuerte.

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    Diomedes war voraus gegangen. Gelegentlich warf er einen Blick zurück, zu den beiden und grinste. Das Jungelchen, so nannte der nicht mehr ganz so frische Leibwächter den Parther, hatte aber auch ein Glück! Kaum war er da, hatte ihn die holde Weiblichkeit schon entdeckt und wardrauf und dran sieauch zu erobern. Natürlich hätte ihm die kleine Makedonierin auch zugesagt. Aber sie hatte ihn ja nicht einmal richtig beachtet, als sie losgezogen waren. Wenn er es aber realistisch sah, mußte er zugeben, er war schon ein wenig zu alt für die junge Sklavin.


    Diomedes hatte dafür gesorgt, daß sie den richtigen Teil des Marktes erreichten, dort wo die verschiedensten Gewürze und Kräuter aus allen Herrn Ländern gehandelt wurden. Dementsprechend lag ein würziger Geruch in der Luft, weshalb der Grieche einmal kraftvoll niesen mußte. "Aatschuuu!" Er wischte seinen Handrücken durch sein Gesicht und sah sich noch einmal zu Phraates um. "So Kleiner! Du bist jetzt dran!" Er winkte ihn zu sich heran und deutete dann auf die unzähligen kleinen und größeren Gewürzständen. Der Parther konnte sich nun nach Herzenslust austoben. Hoffentlich fand er auch, wonach sie Ausschau halten sollten.

  • Viele Jahre spaeter wuerde man einen Sport erfinden, den man einen gallischen Namen geben wuerde, Parcour. Doch niemand wuerde sich daran erinnern koenne, dass dies schon einmal erfunden worden war, von einem Parther namens Phraates in Rom im fruehen 2. Jahrhundert.
    Phraates streckte die Nase heraus, da, er konnte es schon wieder riechen! Er winkte Charis und Diomedes heran, sie sollten ihm folgen.
    Dann rannte er los. Bloss nicht den Duft aus den Augen verlieren! Immer weiter. Nie schlapp machen. Vorsicht, ein Esel mit Gepaeck! Phraates eilte um ihn herum und schaffte es dabei, den Geruch nicht aus den Augen zu lassen.
    Vor ihm teilte sich die Menschenmenge, und ein Stand blockierte Phraates direkten Weg.
    Jener eilte auf den Stand zu. Der Verkaeufer dahinter, ein dicker Mann mit rotem Haar, grinste schon, dachte er doch, Kundschaft kaeme. Weit gefehlt. Phraates sprang auf den Stand hinauf, huepfte ueber das Gemuese, welches der entgeisterte Mann anbot, sprang zu Boden und eilte weiter. Nicht den Geruch verlieren! Nicht abhalten lassen vom wuetenden Aufschrei des Mannes hinter ihm. Immer weiter. Hoppla, er war in eine Frau gestolpert, die ihm ebenfalls irgendeiner Schweinerei zeihte.
    Doch hinter jener Frau, die er natuerlich ausser acht liess, kam ein Stand zum Vorschein. Er sah nicht so aus wie ein roemischer Stand, sondern wie ein parthischer. Intensiv konnte man den Geruch der Gewuerze vernehmen. Er war angekommen.

  • Natürlich hatte Charis von Alexander dem Großen gehört, ihrem berühmten Landsmann, der vor einigen Jahrhunderten ihrem Land großen Ruhm und Ehre gebracht hatte und ein riesiges Reich gegründet hatte. Ein bißschen war sie auch stolz darauf gewesen und es ehrte sie, wie bewundernd Phraates darüber sprach. Aber das alles konnte nicht davon hinwegtäuschen, zu welchem Stand sie gehörte. Noch ehe sie etwas darauf erwidern konnte, hörte sie Diomedes´ Rufen und sah sich nach dem Griechen um, der schon etwa voraus gegangen war.
    Sie konnte den würzigen Geruch nun auch wahrnehmen und sah erwartungsvoll zu dem Parther hinüber, in dem urplötzlich etwas Merkwürdiges vorging. Sein ganzes Auftreten erinnerte sie stark an einen Jagdhund, der die Witterung nach Beute aufgenommen hatte. Einem Jagdhund gleich pirschte er dann auch los. Charis sah ihm erst noch belustigt hinterher, begann aber dann zu schalten, als ihr bewußt wurde, der Parther könne ja auch die flucht ergreifen. Wie vom Blitz getroffen, rannte sie ihm hinterher, Diomedos noch zurufend, er solle ihr nachrennen.
    Der Parther rannte, was das Zeug hielt und hinterließ eine Spur von Chaos, schimpf und Schande. Etliche Passanten, der er angerempelt hatte, standen noch immer schimpfend da, ihm üble Schimpfworte hinterher brüllend, während Charis ebenfalls an ihnen vorbei musste.
    Diomedes, der nun beileibe nicht mehr der Jüngste war, ging irgendwann die Puste aus. Nach Luft schnappend blieb er irgendwo stehen, um sich auszuruhen. Charis hingegen war flinker gewesen. sie blieb dem Parther auf der Spur, denn sie konnte es sich lebhaft vorstellen, was geschah, wenn sie ohne Phraates zurückkehrte.
    Mit Entsetzten mußte sie miterleben, wie der Parther selbst vor einem Marktstand nicht Halt machte. Er sprang auf den Stand hinauf, lief über das Gemüse hinweg und hinterließ so ein Bild der Vernichtung. Charis wählte den indirekten Weg, um den Stand herum. Zwar verlor sie so kostbare Zeit, doch wider erwarten blieb der Parther bei einem Stand stehen. Charis war außer Atem. Es dauerte etwas, bis sie sprechen konnte. Derweil stieg die Zornesröte in ihrem Gesicht aus. "Was bei allen Göttern fällt dir ein? Bist du wahnsinnig geworden? Wie konntest du nur?" Vor lauter Zorn hatte sie nichts von dem intensiven Gewürzduft mitbekommen, der vom Stand vor ihr kam.

  • Phraates blieb vorm Stand stehen und blickte ihn mit einem vertraeumten Laecheln an. Es war, als ob er zu Hause waere. Endlich. Tief sog er den Duft der so vertrauten Gewuerze durch seine Nase ein. Es war wirklich so, es war kein Wunschtraum. Nun ja, in einem Wunschtraum wuerde er nicht nur einen Gewuerzstand vor sich sehen, sondern ganz Aspadana, und nicht die Wiesen von Mittelitalien, sondern die Steppen Oberpersiens. Es musste die Wirklichkeit sein. kaum zu glauben.
    Er wurde abrupt aus seinen Traeumen gerissen, als ihn Charis von hinten ansprach. Sie wirkte erbost und scholt ihn.
    Wie? Phraates blickte Charis an wie ein Dackel, der von seinem Herrn zu Unrecht ausgeschimpft wurde. Langsam realisierte er, was Charis dachte. Sie hatte wirklich gedacht, er wollte ausbuexen! Dabei ahtte er doch nur der Spur der gewuerze folgen wollen, er hatte sie nicht verlieren wollen.
    Er blickte Charis an. "Ich habe versprochen, dass ich nicht renne weg.", meinte er mit fester Stimme. "Und ich habe versprochen, dass ich finde Gewurzstand. Da.", meinte er und deutete mit einer ausserordentlich uebertriebenen und grossartigen Geste auf den Stand, fast so, als ob es die Residenz eines Satrapen oder gar des Grosskoenigs war.
    Er blickte erwartungsvoll auf Charis, da bemrkte er die unguten Blicke, die auf ihn lasteten. Der Rothaarige hatte die Absicht gehabt, ihm nachzurennen, doch hatte er es aufgegeben, als er realisierte, dass sich Diebe an seinem Gemuese zu schaffen machten. Er rannte zurueck und verscheuchte die Strolche, um sein verbliebenes, nicht von parthischen Fuessen zerdruecktes Gemuese zu beschuetzen.
    Phraates hatte er aber dadurch im Gewuehl verloren. Jener war in einer schnurgeraden Linie zum Gewuerzstand gelaufen. Er haette die Geruchsspur verloren, haette er Abkuerzungen genommen und es langsam angegangen. Wenn du etwas hast, dann halte es fest und lasse es nicht mehr los! Nicht einmal Geruchsspuren.
    Hinten sah er auch schon Diomedes heranzotteln. "Diomedes!", rief Phraates dem Dicken zu, in der Hoffnung, jener koennte es etwas jovialer sehen. "Ich habe gefunden das Stand!"
    Er konnte es kaum erwarten, in den Stand hineinzukommen. Er wollte wieder mit einem Landsmann oder einer Landsmaennin reden, er wollte wissen, wie es um seine Heimat stand, er wollte wieder in seiner Muttersprache reden.
    Wenn man ihn doch nur liess!


    EDIT: Feinheiten ausgebessert.

  • Da war es wieder, dieses Lächeln, mit dem er sie ansah! Charis platzte fast der Kragen, denn nach all dem Chaos, das dieser Irre hinterlassen hatte, war ein Lächeln das allerletzte, was sie sehen wollte. Sie schnaubte vor Wut. Selbst dann noch, als er beteuerte, nicht weglaufen zu wollen. Er faselte etwas von einem Versprechen und dann von dem Gewürzstand. Ganz unauffällig sah sie sich um. Endlich konnte sie es riechen. Der Duft von allerlei exotischen Gewürzen, deren Namen sie gar nicht kannte. "Aha, die Gewürze! Ja! Ähm, gut." Ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder. Eigentlich konnte man diesem Verrücken ja nicht lange böse sein. Besonders dann nicht, wenn er sie wie ein kleines Hündchen anschaute.
    Endlich kam auch Diomedes angelaufen. Er war völlig außer Atem und die Schweißperlen rannen an seinem Gesicht herunter. Er war definitiv an seine Grenzen angelangt. "Jungelchen, was machst du denn bloß?", japste er. "Du bist mir ja eine große Hilfe!"
    Charis hatte ein neues Opfer gefunden und herrschte zur Abwechslung Diomedes an. "Er hat die Gewürze gefunden." Sie deutete auf den Stand vor ihnen und war gespannt darauf, was nun geschehen würde.
    Hinter dem Stand trat ein Mann hervor, der in seltsame Gewänder gehüllt war. Er ähnelte jenen Menschen, die aus dem Osten des Imperiums kamen. Charis hatte solche Händler schon einmal in Griechenland gesehen. Der Händler begann mit seinem starken Akzent auf die Sklaven einzureden. "Salvete! Womit kann ich dienen?"

  • Oje, jetzt hatte er sie veraergert! Sein laecheln schwand und machte einem etwas ungluecklichen Gesichtsausdruck Platz. Doch auch der Zorn in ihren Augen schwand, und allfaellige Emotionen wurden auf den herannahenden Diomedes kanalisiert, welcher weniger sauer als besorgt zu sein schien.
    Phraates seufzte. Die beiden hatten ja recht. Er war kein Kundschafter in irgendeinem gottverlassenen Gebirge in Armenien. Er war Sklave, in Rom, am Markt, wo man sich leicht verlieren konnte. Er beschloss, solche Eskapaden nun zu unterlassen. Es brachte eh nichts. Und ausserdem machte er sich damit verdaechtig.
    Da! Eine Bewegung im Stand. Es war ein Mann. Phraates machte einen Schritt auf den alten Knaben zu und musterte ihn schnell. Die Gewaender des Mannes hatte er schon gesehen. Es war die medische Tracht, die Quasten an der Guertellinie deuteten darauf hin. Auch der Bart war nach der Art jenes Volkes, welches in Westparthien lebte, gestutzt.
    Phraates' Laecheln kam wieder ans Tageslicht. Es wurde immer breiter und liess sein Gesicht erstrahlen. Er schaute den mann an, als ob er eines der 7 Weltwunder waere.
    Ein Landsmann! Wenn auch aus einer anderen Provinz.
    Er atmete tief ein. Dann begann er zu sprechen, endlich wieder, auf parthisch.
    "Dorud.*", begruesste er den Mann. Er sprach langsam, weich, als ob das Sprechen alleine eine Erleichterung darstellte. "Du bist aus Parthien, sehe ich? Es ist... unbegreiflich schoen, endlich wieder jemanden aus der alten Heimat zu sehen." Er bemuehte sich, den Akzent der Oberpersis, mit welchem er normalerweise sprach, nicht allzu stark auftreten zu lassen und die allgemein verstaendliche Varietaet, welche vor allem in Ktesiphon gesprochen wurde, zu sprechen.


    Sim-Off:

    *Das persische Aequivalent von "Salve".

  • Was nun kam, bewies Charis einmal mehr, wie vielseitig der Parther doch war. Jetzt, da er den Händler als einen der seinen identifiziert hatte, begann er sofort in einem Kauderwelsch auf ihn einzureden, den außer den beiden niemand verstand. Auch Diomedes, der endlich wieder normal atmen konnte, sah Charis ganz verstört an. Die Makedonierin, die den Parther in den letzten Tagen, mehr als ihr lieb war, kennen gelernt hatte, war sehr gespannt darauf, was aus diesem Gespräch resultieren würde. Doch vorerst wurde, wie ihr schien, ein Widersehensfest gefeiert, was unter den gegebenen Umständen ja auch verständlich war. Nur sollte der Parther die Zeit nicht aus den Augen lassen. Celerina würde es keinesfalls dulden, wenn sich ihre Sklaven den ganzen Tag auf dem Markt herumtrieben und mit unverrichteten Dingen nach Hause kamen.


    Der Händler hatte unterdessen natürlich auch sofort gemerkt, dass es sich um einen Landsmann handelte, der ihn angesprochen hatte. So gab auch er sich mit seinem Dialekt Mühe, damit ihre Konversation nicht an so unwichtigen Dingen wie der Verständigung scheiterte.
    "Oh, mein Freund! Du bist auch Parther? Sag, bist du einer von den Kriegsgefangenen? Was führt dich her, Freund.", rief er erfreut in seiner Sprache aus und riß dabei beide Hände in die Luft, als hätte er einen alten Kumpel getroffen, den er seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte.
    Vorher jedoch hatte der Händler hatte sich vorsichtig umgesehen´und vergewissert, daß niemand ihn und seinen Landsmann beobachtete. Er wollte nicht so viel Aufheben um seine Person machen, denn die Römer waren noch immer schlecht auf die Parther zu sprechen. Schließlich hatte er ja auch noch seine Familie zu versorgen.

  • Fuer einen Moment schienen die verbluefft dreinschauenden Mitsklaven vergessen zu sein. Phraates war nun komplett vertieft in das lebhafte Gesparaech mit seinem Landsmann.
    Er lachte vor Freude auf und klopfte dem Mann mit beiden Armen auf die Schultern, als ob er ihn schon seit ewig kennen wuerde. Es gab doch auf der ganzen Welt nichts schoeneres als parthische Gastfreundlichkeit und das Zusammenhaltsgefuehl uner Exilanten wie ihn und Phraates. "Sag mir, was ist dein Name, mein Bruder? Woher stammst du? Lass mich raten, aus Medien, stimmt das? Ich bin Phraates. Aus der Oberpersis, aus der Naehe von Aspadana. Und das hast du richtig erkannt. Ich bin Kriegsgefangener. Ich war... bin!", betonte er, "Kataphrakt. Und Savaran. Weisst du, wie kurz ich davor gestanden bin, zu den Unsterblichen zu kommen? Und jetzt bin ich roemischer Sklave. Da siehst du, was aus mir geworden ist.", meinte er. Ein bisschen Verbitterung schwang in seiner Stimme mit, doch sie wurde von der Freude, jemanden aus der Heimat zu sehen, ueberlagert. "Ich bin hierher geschickt worden... von meiner Herrin, Ahura Mazda belege sie und ihre Nachkommen bis ins hundertste Glied mit einem ewigwaehrenden Fluch... um Gewuerze zu kaufen."
    Sein Redeschwall war nun fuers erste zu Ende. Er wartete darauf, dass der andere antwortete, und liess sich mehrere Gedanken durch den Kopf gehen. Der Mann schien Geld zu haben, und wuerde sicher bald nach Parthien zurueckgehen. Er koennte ihn doch heimschmuggeln. Mal schauen.

  • Von den Antworten seines Landsmannes so hingerissen, steigerte sich der Händler immer tiefer in das Gespräch und vergaß dabei völlig, wo er sich gerade aufhielt. Für die römischen Passanten musste ihr Gespräch wie der Austausch gutturaler Wortfetzen geklungen haben, die wenig Sinn machten. Den Händler jedoch freute es sehr, in der Diaspora jemanden getroffen zu haben, der nahezu die gleiche Sprache sprach, wie er selbst. "Ich bin Ahasver aus Medien. Ja, da hast du genau ins Schwarze getroffen, Bruder!" , entgegnete er grinsend, daß dabei sein lückenhaftes Gebiß zum Vorschein kam. Er freute sich wie ein kleines Kind, weil der andere so leicht seine Herkunft erraten hatte. Doch dann trübte sich sein Blick, als er erfuhr daß auch sein Landsmann das Schicksal so vieler junger parthischer Männer teilen mußte, das der Sklaverei. "Beim allmächtigen Simurgh, es ist ein Jammer und eine Schande, was dir widerfahren ist!" Ahasver schüttelte zornig seinen Kopf. Diese verdammten Römer! Verflucht sollten sie sein!
    Geschickt wurde er, von einer Römerin auch noch, verflucht sollte sie sein, um Gewürze zu kaufen.
    "Bei Ahura Mazda, möge er deinen Fluch erhören! Was suchst du genau ,mein Bruder? Und die da, gehören die zu dir?" Der medische Händler deutete auf Charis und Diomedes, die ganz fasziniert dem Treiben der beiden Parther zugesehen hatten.

  • "Ahasver, so hiess mein Vetter dritten Grades, bis er aus himmlischen Rat an der Cholera hinfortgerafft wurde!", rief Phraates aus. Endlcih wieder mit einem Mann reden, der aus Parthien war. Der einen vertrauten Namen trug. Endlich wieder seine geliebte, melodioese Sprache sprechen. Ein paar Worte auf Parthisch zu wechseln veranlasste Phraates dazu, komplett aufzubluehen. "In Medien war ich schon einmal, in Ecbatana! Ein wundervolles Land mit wunderbaren Menschen!" Und mit jener erfrischenden Absenz von Zahnpflege, die zum Beispiel in Ktesiphon gang und gaebe war. Doch Phraates wuerde nie einen Menschen nach seinen Zaehnen beurteilen, sondern eher an der Nationalitaet. "Fuerwahr, lieber waere ich in der Situation eines freien Mannes, oh Landsmann. Kannst du mir etwas verraten? Wann gehst du wieder nach Parthien? Und wenn... haettest du vielleicht in deinem Stauraum Platz fuer eine Kiste? Gerade gross genug, dass ein Mensch von meiner Groesse hineinpasst?", fragte er listig, grinste und zeigte somit Ahasver nun seine Zaehne, die relativ gut gepflegt waren, worin sich der Stand seiner Familie manifestierte.
    "Danke fuer deinen Wunsch... doch wie Zarathustra sagte, jeder ist seines eigenen Glueckes Schmied."
    In jenem Moment deutete Ahasver seine Mitsklaven heraus. "Ja, die gehoeren zu mir.", meinte Phraates. Widerwillig wechselte er wieder ins Lateinische. "Diomedes, Charis, das Ahasver von Medien ist. Ahasver, das Diomedes und Charis sind. Sklaven von Flavier.", sagte er. Dann redete er wieder auf Parthisch los. "Ich brauche Zimt, Anis, Koriander, Kuemmel, Ingwer, Muskatnuss, Kardamom. Und natuerlich Gewuerznelke, und Vanille! Viel Vanille! Und Dill. Und Paprikapulver, falls du so etwas hast.", zaehlte er auf, auf lateinisch haette er nie diese Namen gewusst.

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