• Phaeneas kam zu den offiziellen, von der Stadt organisierten Feierlichkeiten der Saturnalien. Wenn auch später am Tage, aber rechtzeitig für das, was er vorhatte. Er kam, auch wenn er jedes Jahr wieder gut ohne Saturnalien auskommen würde.
    Für ihn bedeuteten die Saturnalien, plötzlich nicht mehr das sein zu dürfen, was man das ganze restliche Jahr war; eine andere Rolle spielen zu müssen, sich anders verhalten zu müssen.
    Außerdem war es fraglich, warum es das ganze restliche Jahr egal war, wie es ihm ging, es genügte ihn zu ignorieren, nur um auf einmal seine Gesellschaft zu wollen, am Ende noch mit Freundlichkeit nur so um sich zu werfen. Phaeneas jedenfalls fand das doch recht suspekt - und ihm lag nichts daran, dieses Theater miterleben zu müssen.
    Außerdem feierten, tranken und lachten alle während den Saturnalien, waren fröhlich und ausgelassen und erwarteten, dass man es ihnen gleich tat, auch wenn einem rein gar nicht danach war.
    Eigentlich mochte er Feiern ja prinzipiell aus eben diesem Grund nicht. Aber an den Saturnalien war es besonders schlimm. Sonst konnte man einer Ansammlung von Sklaven, die beschlossen hatten ihren „Feierabend“ aus eigenen Mitteln ein wenig lockerer zu gestalten, oder Orten, an denen jeder feiern durfte, der das Geld dazu hatte, ausweichen und durfte bleiben, was man war, und dementsprechend eine neutrale, vornehm–distanzierte Sklaven-Miene zur Schau tragen. Wer aus der Masse der Sklaven stammte, die von den Herrschaften üblicherweise sowieso nicht wahrgenommen wurden, war nicht groß zu Begeisterung oder guter Laune verpflichtet. So war es Phaeneas zumindest bisher gegangen.
    Aber an den Saturnalien gab es kein Entrinnen, da hatte man für niemanden Verständnis, der nicht gerade mit freudestrahlendem Gesicht durch die Gegend lief.
    Darüber hinaus war er wenig begeistert von der Aussicht am Ende noch freundlich zu jemandem sein zu müssen.
    Außerdem schien für die meisten die Saturnalienfreiheit in einem einzigen großen Gelage zu bestehen; andere mochten Freude daran haben, wenn ein, zwei Becher Wein ihre Bedenken auflösten, sie unbefangen und geselliger machten und sie frei von der Seele wegreden ließen; möglicherweise auch ihre Probleme und Ärgernisse in Alkohol zu ertränken. Phaeneas jedenfalls war damit nicht zu locken, genauso wenig wie er Lust auf die Gesellschaft von hysterisch lachenden Leuten, geschweige denn von hoffnungslos Betrunkenen hatte – denn bisher hatte er die Saturnalien meistens nur als riesiges Besäufnis erlebt.


    Obwohl er also den Saturnalien generell nicht viel abgewinnen konnte, erschien er zur 7. Stunde außer Haus, und zwar bei den Thermen. Die an den Saturnalien offenstanden für jeden. Ein Bad, er durfte ein Bad nehmen, in den Thermen, einem Ort, der Phaeneas für seine Gegenwart fast zu heilig schien. Ein Bad, rein zu seinem Vergnügen und nicht nur, um vorerst sauber zu sein, ja noch nicht einmal, um jemanden dorthin zu begleiten. Schlicht nur er hatte sich bei dieser Angelegenheit zu amüsieren. Allein bei dem Gedanken, in ein Becken vollgefüllt mit Wasser zu steigen, frohlockte Phaeneas innerlich. Diesem verlockenden Angebot, baden zu können, hatte er schlicht nicht widerstehen können. Darüber ließen sich sogar die Saturnalien vergessen.
    Beschwingten Schrittes trat er ein. Trotzdem war es irgendwie auch ein feierlicher Augenblick. Strahlende Farben leuchteten ihm entgegen, bunte, figurenreiche Mosaike überall. Der Sklave legte seine Kleidung im Apodyterium in den dafür bestimmten Nischen ab.
    Im Tepidarium schließlich, als das Becken vor ihm lag, stockte ihm der Atem und sein Herz klopfte freudig. Im Anblick der leicht blau schimmernden Fläche vergaß Phaeneas alles andere um ihn herum, seine ganze Umgebung wurde unsichtbar, verlor vollkommen an Aufmerksamkeit. Etwas, worin Phaeneas sehr gut war und das er oft zur Anwendung brachte, überflüssiges, störendes oder unnötig kompliziertes einfach auszublenden. Der Grund, warum er manchmal ein wenig mit Blindheit geschlagen schien. Aber jetzt, vor diesem mit klarem, kristallenem Wasser gefüllten Becken, jetzt zählte für ihn nur das Wesentliche. Ehrfurchtsvoll näherte er sich. Er tippte, als er direkt davor stand, vorsichtig mit dem Fuß auf die Wasseroberfläche, als wäre es frevelhaft es allzu hastig zu berühren, tauchte ihn dann andächtig hinein und stieg ganz ins Becken. Warmes, weiches Wasser umfing ihn, wie flüssige Arme nahm es ihn auf, empfing ihn sanft. Phaeneas schloss die Augen, genoss den Augenblick und die damit einhergehenden Empfindungen. ‚Jetzt kann die Ewigkeit beginnen!‘, dachte er - und ärgerte sich im gleichen Moment über sich selbst. Dass er nichts anderes konnte als sich die Unendlichkeit für solche Augenblicke zu wünschen. Ein Eingeständnis der Ohnmacht gegenüber dem Lauf der Welt. Die fehlende eigene Kraft wurde durch den Wunsch ersetzt.
    Er öffnete die Augen wieder und prompt waren auch die erneut gefangen vom Schillern und Leuchten des köstlichen Nass. Beide Hände streckte er danach aus und hob sie mit Wasser gefüllt wieder heraus. Leise plätschernd tropfte es zwischen den Fingern hindurch. Immer deutlicher wurde die Erkenntnis: ‚Ich bin da – ich bin wirklich da.‘ An dem Ort, an dem eines Tages zu sein Phaeneas sich in tausend Jahren nicht hätte träumen lassen. Und die berauschende Freude darüber war im Moment das einzige, was er wahrnehmen konnte.


    Sim-Off:

    Wer mag, ist jederzeit gerne willkommen, vor allem natürlich, wenn Besucher des Stadtfestes hier noch weiterfeiern (oder sich ausruhen?) wollen.


    Das gilt übrigens prinzipiell für alles, was ich schreibe – ich habe kein Problem damit, wenn jemand spontan dazustößt.


    Sim-Off:

    Ach ja, um die Situation zu verstehen genügt es eigentlich den 2. Teil bzw. davon auch nur den 2. Absatz zu kennen ... Falls jemand von der Länge des Textes verschreckt wird. ;)

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