Da sich meine Nachforschungen im Miror-Fall meist bis tief in die Nacht erstreckten, war ich auch an diesem Abend lange unterwegs gewesen. Jetzt war ich auf dem Weg nach Hause, zur Casa Didia, und freute mich auf mein Heim. Die Straßen waren inzwischen nahezu menschenleer. Hier und da ein Betrunkener, der durch die Dunkelheit wankte.
Es war eine lauwarme Neumondnacht. Wegen der zu erwartenden Dunkelheit hatte ich vorsichtshalber eine Öllampe mitgenommen, bevor ich von zu Hause aufgebrochen war. Diese hatte ich inzwischen angezündet und leuchtete mir mit ihrer Hilfe meinen Weg durch die Nacht. Mit der anderen Hand umklammerte ich meine Sica, welche ich in meinem Mantel verborgen hielt. Ich kann es niemanden empfehlen, nachts allein durch Rom zu spazieren, ohne eine Waffe mit sich zu führen.
Während ich noch ein gutes Wegstück von meinem Heim entfernt war, hörte ich in der Ferne immer lauter werdendes Hufgetrappel. Da schien es jemand ziemlich eilig zu haben. Plötzlich bog etwa 30 Passus von mir entfernt ein Pferd samt dunkelgekleidetem Reiter um die Ecke. Obwohl mich der Reiter wegen des Lichtes meiner Öllampe erkennen mußte, behielt er sein halsbrecherisches Tempo bei und hielt direkt auf mich zu. Mir blieb nichts weiter übrig, als zur Seite zu springen und mich dicht an eine Hauswand zu pressen, um nicht niedergeritten zu werden.
Kurz bevor der Reiter mich passierte hielt ich meine Öllampe hoch, um zu erkennen, wer mich da fast umgebracht hätte. Zu meinem Erstaunen handelte es sich bei dem Reiter dem Augenschein nach um eine Frau. Sie war in einen schwarzen Reisemantel mit Kapuze gehüllt. Unter der Kapuze quollen dichte Strähnen langen, blonden Haares hervor. Ihr Gesicht sah ich nur einen winzigen Moment und es erschien mir voller Liebreiz. Ich kannte sie nicht.
Schon war sie auch an mir vorüber und verschwand in der Dunkelheit. Ich mit ihr, denn der Windzug des vorbeistürmenden Pferdes hatte das Licht meiner Lampe ausgelöscht.