officium MAC | Mission gescheitert! Oder doch nicht... ?

  • Es war punktgenau ein Tag nach dem Gespräch mit dem Patronen Macer vergangen, welches für Avianus natürlich fruchtbar in beider Beziehung war. Allerdings musste sich Avianus nun eingestehen, dass er der Bitte seines Onkels nur mäßig nachkommen konnte, Informationen zu sammeln. Denn es war unheimlich schwierig, etwas aus einem Patronen zu entlocken, der durch eine solch lange Laufbahn wusste, was er zu sagen hatte - und was er eben nicht preis gab. Nun mussten sich die Aurelier mit den wenigen Randinformationen zufrieden geben, die Avianus ihnen beschaffen konnte. Oder jemanden schicken, der das besser konnte. Es war beileibe nur wenig Wissenswertes... aber vielleicht reichte es, dass der Purgitier noch alleinstehend war und relativ offen schien.
    Avianus erschien frisch ausgeputzt vor dem Officium von Corvinus. Er nahm tief Luft, zupfte sich einige Fussel von der Toga, welche sein Gesamtbild störten. Die Mühe hatte sich der junge Aurelier nicht gemacht, die richtigen Worte zu finden, denn er wusste, dass dies ein ausgiebiges und wechselhaftes Gespräch werden würde. Er atmete aus. Er klopfte.



    *klopf, klopf, klopf*

  • Gedankenverloren strich ich über das Heft des schlanken Dolches mit dem rubinbesetzten Griff. Seit Jahren hatte er seinen Platz auf einem Ständer im Regal meines Arbeitszimmers. Kein Stäubchen lag auf ihm und kein Kratzer verunstaltete seine tödliche Schönheit. Ich nahm ihn aus seiner Verankerung und drehte ihn zwischen den Fingern. Plötzlich klopfte es unvermittelt. Ich erschrak und hätte den pugio um ein Haar fallen gelassen. In einem Reflex griff ich nach. Die Klinge war noch scharf, und deshalb schnitt ich mich in den rechten Zeigefinger. Es schmerzte augenblicklich und recht stark - eine Tatsache, die mich immer wieder verwunderte: Kleine Wunden schmerzten höllisch, große hingegen waren zumeist leicht zu ertragen. Ich steckte den Finger in den Mund und saugte daran, während ich mit der Linken den Dolch zurückstellte. Erst dann rief ich den Klopfenden herein.


    Als Avianus eintrat, setzte ich mich gerade hinter den Schreibtisch, den Finger hatte ich immer noch im Mund. Fragend sah ich ihn an, dann zog ich mit einem leisen Schmatzen den Zeigefinger zwischen den Lippen hervor. "Salve, Tiberius", sagte ich ruhig, und mit einem Blick auf den Schnitt stellte ich fest, dass er sofort wieder zu bluten begonnen hatte. Zwei Tropfen zierten bereits die schlichte tunica. Ärgerlich. Ich steckte den Finger zurück in den Mund.

  • Avianus ließ sich nicht ein zweites Mal hinein bitten und trat in den Raum, wo er seinen Onkel in recht abenteuerlichen Posen vorfand. Neben Corvinus lag sein Pugio mit dem rubinbesetzten Griff - ein Gegenstand mit tödlicher Schönheit und eine Art von Ding, vor denen der junge Aurelier größte Ehrfurcht verspürte. Welche Ironie des Schicksals war es doch, dass Corvinus so eben rausgefunden zu haben schien, weshalb man diesen Dingen mit Ehrfurcht begegnete.
    "Salve, Marcus.", grüßte Avianus seinen Onkel und stellte dabei fest, dass es außerordentlich gut klappte mit dem Abgewöhnen. Dem Abgewöhnen der für andere in der Familie recht unangenehmen Art von Avianus, mit dem Cognomen anzureden.
    "Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?", fragte er bescheiden nach. Normalerweise war Avianus ein glücklicher, positiver Mensch. Doch noch immer quälten ihn die Gedanken an jene Mörder seines Vaters. Er war Corvinus´ Bruder, und doch hatte sich der Neffe nicht den nötigen Ruck gegeben, mit ihm darüber zu reden. Wie sollte Corvinus reagieren? Es war zumindest allen in der Familie bekannt und bei jeder Begegnung ersichtlich, dass Avianus sich verändert hatte. Er tickte völlig anders und lächelte nur noch aus Höflichkeit oder dort, wo er denn wirklich musste.

  • Mit dem Daumen im Mund und den argwöhnisch zusammengezogenen Brauen musste ich ein seltsames Bild abgeben, allerdings konnte ich nicht anders als verwundert dreinschauen. Avianus erschien mir bei jedem Treffen reifer. Im Geiste hatte ich bereits meine Meinung revidiert - die Amtszeit tat ihm außerordentlich gut, wie ich fälschlicherweise als Grund für seine Ernsthaftigkeit annahm.


    "Nein nein, komm ruhig rein, Tiberius", erwiderte ich, als der Daumen kurz meinen Mund verlassen hatte. Ich beäugte ihn. Aus einem dünnen Spalt in der Haut wässerte es hellrot hervor. Ich verzog das Gesicht, lutschte noch einmal daran und erklärte mit einem Nicken hin zu dem Dolch auf seinem Ständer im Regal: "Ich hab mich eben geschnitten." Aufmerksam betrachtete ich dann meinen Neffen. Etwas bedrückte ihn doch, es stand beinahe greifbar im Raum. "Was liegt dir auf dem Herzen?"

  • Beinahre hätte sich Avianus bei seinem Onkel ausgeschüttet, über all jene Erfahrungen und seine Gefühle, welche sein Herz noch heißer ausbrannten, als der Schmiedeofen einer Schmiede. Er entsann sich noch, weshalb er gekommen war und beschloss, den richtigen Zeitpunkt nicht zu revidieren, ihn aber zu verschieben. Er war jetzt in nicht dem richtigen Zustand, über dieses Thema zu reden. "Soll ich nach einem Sklaven rufen?", fragte er versteinert, im Grunde jedoch der Höflichkeit halber.
    "Marcus.", erklärte er, "Ich habe meinem Patronen einen Besuch abgestattet, aber nur begrenzt etwas in Erfahrung bringen können. Es war wohl besser, als ein Glücksspiel zu starten, welches am Ende in die Toga geht.". Schuldbewusst senkte Avianus den Kopf und seufzte. Da war es wieder, das eigene Versagen. Seit dem Todestag schwor er sich, nicht wieder scheitern zu müssen. Er enttäuschte sich selbst.

  • Diese Miene. Ich hielt beim Lutschen inne und blickte Avianus fragend an. Allerdings schien er nicht unbedingt über sich reden zu wollen, was meine Brauen nochmals marginal hinaufrutschen ließ. "Nicht nötig", bemerkte ich letzten Endes und deutlich zeitverzögert. Mit dem Kinn deutete ich auf den gepolsterten Stuhl vor dem Schreibtisch. "Setz dich ruhig." Es wäre unklug, ihn dazu zu drängen, sich zu öffnen, was immer es auch war, das ihm den Ernst aufs Antlitz meißelte.


    Interessiert hörte ich zu, was er zu sagen hatte, nickte dann langsam und bedächtig. "Ah... Das ist bedauerlich, aber sicherlich war es auch nicht leicht, etwas aus Macer herauszukitzeln", bemerkte ich, angesichts der starren Miene Avianus' versöhnlich. Es war schließlich nur allzu offensichtlich, dass er sich deswegen grämte, und im Grunde trug ich selbst die Schuld daran, einen kaum erfahrenen jungen Mann zu einer solchen Aufgabe gedrängt zu haben. Ich blinzelte, betrachtete den Blutstropfen an meinem Daumen und seufzte. "Dann erzähl mir einfach, was du herausgefunden hast."

  • Avianus merkte nicht, dass er fragend und verwundert angeblickt wurde. Es wäre ihm sogar gleich gewesen, auch wenn er selbst merkte, dass sein Gemütszustand schon einmal bessere Tage gesehen hatte. "Danke.", setzte sich Avianus und versank mit dem Kinn in seiner Handfläche, welche vom Arm, seinerseits auf dem Knie, gestützt wurde. Anschließend blickte er Corvinus in dieser Haltung ernst an und rief sich die wichtigsten Details aus dem Patronatsgespräch ins Gedächtnis.


    "Nein, das war es nicht. Es kam mir vor, als würde er vieles mit sich machen lassen, nur um nichts aus seinem Privatleben zu erzählen. Nunja...", kommentierte der Neffe und quälte sich zu einem abgemühten Lächeln. Es war das Erste an diesem Tag, und es war Nachmittag. "Ich habe in Erfahrung gebracht, dass er unverheiratet ist und zudem auch unverliebt. Er scheint offen für eine Heirat zu sein, wäre sicherlich auch keiner Patrizierin abgeneigt. Wie er zu uns Aureliern speziell steht, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.".
    Naja. Immerhin etwas, aber es schien seiner Ansicht nach nicht zu reichen. Hilflos sah der junge Aurelier seinen Onkel an, wartend auf Antwort.

  • Avianus nahm Platz, tat das allerdings merkwürdig verkrampft, wie ich fand, da sein Ellbogen auf dem Knie gestützt war und der Kopf schwer auf der solchermaßen gestützten Hand gebettet lag. Das verursachte eine weit vorgekrümmte Haltung mit Rundrücken. Ich hob irritiert eine Braue, zog beide dann zusammen. Avianus wirkte nicht wie sonst, ganz und gar nicht. Ich hörte mir an, was er zu sagen hatte. Neuigkeiten waren es nicht, was ich insgeheim bedauerte, doch sollte ich meinem Neffen deswegen einen Vorwurf machen? Immerhin hatte ich bereits im Vorfeld Bedenken gehabt, ihn deswegen zu Macer zu schicken. Sicherlich hatte der Purgitier Avianus' Absicht durchschaut. Ich legte die Fingerspitzen aneinander und betrachtete meinen Neffen über die Tischplatte hinweg, nickte dann angedeutet. "In Ordnung. Ich werde bei nächster Gelegenheit unsere Damen ins Spiel bringen", sagte ich schließlich wertfrei. "Wir werden mehr herausfinden, wenn wir konkreter sind." Zumindest hoffte ich das, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass Macer ein Arrangement mit den Tiberiern getroffen haben würde, ehe ich eine Verbindung zu uns vorschlagen konnte.


    "Gibt es sonst noch etwas, Tiberius? Verzeih mir die Bemerkung, aber du siehst nicht gerade unbeschwert aus." Vielleicht war er in finanziellen Nöten? Oder gar unglücklich verliebt? Im ersten Fall würde ich aushelfen können, doch dafür musste er mit der Sprache herausrücken.

  • Er wusste, dass es sehr wenig war, was Avianus seinem geschätzten Patronen an Informationen entlocken konnte, und genauso bemerkte er, dass dies seinen Onkel in keinster Weise beeindruckte. Der Neffe erhob sich aus seiner gekrümmten Haltung, denn er wollte in diesem Moment und später nicht aussehen wie ein ausgelaugter Senator, an dessen Rücken sich schon ein runder Buckel bildete. Stattdessen senkte sich sein Haupt, dessen Augen die Muster des Edelholztisches betrachteten, vor dem Avianus saß. Für eine krumme Körperhaltung war er wohl mit seinen jungen Jahren doch noch nicht reif genug. "So?", fragte Avianus eher überstürzt scharf, als in böser Absicht, "Hätte ich zu etwas Konkreterem die Gelegenheit gehabt, hätte ich ebenfalls mehr in Erfahrung gebracht." Es war nicht seine Natur, doch auch die Ereignisse weniger Tage wussten an seinem Geiste zu Nagen, zu kleben wie ein Geschwür und ihm Schmerzen zu versetzen, die man nicht sah, aber empfand. Sie saßen an einem seiner wundesten Stellen. Die Achillesferse seines Geistes, der diesen Moment lang abgestumpft war."Entschuldige... Onkel. Ich wollte dich nicht angreifen", sprach er knapp, bevor eine passende Reaktion seitens von Corvinus kam.


    "Ach, Marcus", erklärte Avianus bekümmert, hob seinen Blick zu Corvinus und kämpfte gegen die eigenen Tränen an, welche seine Augen schon in einem traurigen Glanz erstrahlen ließen, "Es ist wegen Vater. Die Bilder von damals... sie kommen wieder herauf."

  • Das klang ganz danach, als hätte Macer kaum Zeit für ein Gespräch mit Avianus gefunden. Nun ja, es war nun einmal so, da konnte man nichts machen. Obgleich ich mir mehr erhofft hatte, war es dennoch unsinnig, Avianus nun zu schelten. Insofern seufzte ich noch einmal abschließend, betrachtete flüchtig meinen Daumen und ließ die Angelegenheit vorerst ruhen.


    Bei seiner scharfen Erwiderung hob ich allerdings irritiert die Braue. Ungewöhnlich mutete es nicht an - allerdings passte es diesmal ins Bild, dass Avianus abgab. Um ein Haar hätte ich ihn mit einem Häufchen Elend verglichen, wie er da saß und sich grämte. Nur weshalb? So sank die Braue schnell wieder, und die Stirn runzelte sich stattdessen. Stiegen da etwa Tränen in seine Augen? Ich konnte mich des aufsteigenden Gefühls der Hilflosigkeit nicht erwehren - wie meistens, wenn jemand in meiner Gegenwart zu weinen begann. Schlussendlich rückte mein Neffe mit dem Grund für seine Betrübnis heraus, und schlagartig verstand ich, was ihn plagte. Ich ließ den Daumen Daumen sein und setzte ganz von selbst eine verständnisvolle Miene auf. "Tiberius..." begann ich, wusste dann jedoch nicht, was ich weiters sagen sollte. In Ermangelung schlauer Worte schwieg ich kurz und ließ die Augen über die Dinge auf meinem Schreibtisch gleiten. Sie gaben mir allerdings auch keine Hilfestellung, und so sah ich Avianus wieder an. "Das alles ist lange her, auch für mich", versuchte ich es sicherlich nicht sonderlich erfolgreich.

  • Avianus´ Worte hatten eine milde, aber dennoch ins Bild passende Gegenreaktion abgegeben seitens Corvinus abgegeben, welcher erstaunt die Stirn runzelte. Gewundert hätte es ihn nicht, wenn Corvinus der Kragen geplatzt wäre, doch dieser hatte Verständnis für sein Problem. Avianus legte die Arme ineinander, eine Geste, die mehr eine unterbewusste Schutzhaltung war und Avianus´ Unsicherheit und Trauer wiederspiegelte. Sein Jähzorn auf die Mörder seines Vaters war groß - doch hatte Corvinus als sein Bruder nicht auch das Recht, jenes zu erfahren, was er nun auch wusste?


    "Ja, mein Onkel... doch es verfolgt mich, Tag und Nacht, im Schlaf und im Wachsein. Ich kann es nicht vergessen, weil ich ständig", Avianus legte eine Pause ein, "Neues... erfahren muss... es ist wie ein Fluch, den ich nicht bannen kann... eine Wunde, die nie heilt..."
    Avianus blickte auf den glanzvoll dekorierten Dolch, dessen Spitze leicht mit Corvinus´ Blut in Berührung kam. "Es fühlt sich an, wie Messerstiche ins Herz. Aber nicht einer, der dir den Gnadenstoß gibt. Nein, tausende kleine Sticheleien, die dich quälen, bevor du verendest. Ich weiß nicht weiter, Onkel. Mein Leben bleibt stehen."
    Verlegen sah er Corvinus an, ob der Hilflosigkeit, welcher er ihn aussetzte. Das war wohl der falsche Moment.


    "Vielleicht... sollte ich gehen, Marcus."

  • Täuschte ich mich, oder wurde die Qual in Avianus' Augen noch eine Spur unerträglicher? Was mochte ihn so drangsalieren? Und weshalb kamen gerade in diesen Tagen die Erinnerungen an seinen Vater, meinen Bruder wieder hoch? Mit leicht schräg geneigtem Kopf blickte ich ihn an, ratlos und zugegebenermaßen auch ein wenig irritiert. Der Blick, mit dem mich Avianus schlussendlich bedachte, ließ mich vollends die Stirn runzeln. Mit einer solchen Wendung des Gesprächs hatte ich nicht gerechnet. Dementsprechend plötzlich fehlten mir die Worte, weswegen ich meinen Neffen zunächst nur ansah. Erst sein Angebot, den Raum zu verlassen, rüttelte mich aus der Starre.


    "Nein, bleib. Bitte", gab ich zurück und lehnte mich im Sessel zurück, um zu seufzen und mir mit einer Hand über die Augen zu fahren. Regulus war nicht der mir liebste Bruder gewesen, doch hatte ich auch ihn geliebt. "Vielleicht schenkst du mir jetzt keinen Glauben, aber ich kann nachvollziehen, wie du dich fühlst, Tiberius. Selbst im Leben des stärksten Mannes gibt es verzweifelte Stunden. Die Kunst ist, sich daran zu erinnern, dass man sie nicht allein durchstehen muss." Ich dachte an so manchen Moment in meinem eigenen Leben zurück. Kurios dabei war, dass ich stets vergessen hatte, dass ich nicht allein war, und daher so oft meine Bürde allein getragen hatte. War es daher nun falsch, Avianus einen Rat zu geben, den ich selbst nicht befolgen konnte? Ich verbog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. "Dein Vater war... Er war ein großer Mann, und sein Tod war nicht gerecht", reihte ich ohne bestimmte Absicht an, einfach, um etwas Aufmunterndes zu sagen. "Du trittst in seine Fußstapfen, und es ist gewiss nicht übertrieben wenn ich dir sage, dass er stolz auf die Arbeit seines Sohnes gewesen wäre." Ich nickte, das glaubte ich wirklich. Ich selbst war schließlich ebenso überrascht gewesen, dass Avianus seine Sache so gut gemacht hatte. "Falls es etwas gibt, dass du wissen möchtest, frage nur", bot ich an, da ich davon ausging, dass Avianus solche Neuigkeiten aus dem Leben seines Vaters meinte, nicht jene, welche die Umstände seines Todes betrafen.

  • Vielleicht wollte Corvinus den Grund nicht wissen, warum es für Avianus unerträglich war. Und dieser entschied sich, zu schweigen. Es war schwer genug für Avianus, sich selbst in den Griff zu bekommen und es würde nur alles noch unerträglicher machen, wenn er hier ein Feuer entfachte. Denn was Avianus wusste, würde auch Corvinus bestürzen. Und nur die Götter wussten, wie dieser anschließend reagieren würde. Obwohl er gegangen wäre, setzte sich Avianus still hin und hörte seinem Onkel zu.
    "Die Kunst ist, sich daran zu erinnern, dass man sie nicht allein durchstehen muss."
    Avianus fragte sich, ob diese Worte ihre Richtigkeit hatten, auch wenn sie aus dem weisen Munde seines Onkels entsprangen. Denn irgendwie blieb ihm in diesem Moment nichts anderes übrig, als diese Sache allein durchzustehen. Die anderen konnten ihm helfen, doch sie wussten ja nicht, was ihn drangsalierte. Ein hässliches Gefühl, sich mit einer solchen Situation hinterm Berg zu halten. "Was, wenn man keine Wahl hat? Wenn man es alleine durchstehen muss und dazu verdammt ist, keine Stütze zu haben? Manchmal können die Götter sadistisch sein, jemanden das durchlaufen zu lassen." Hoffentlich hatte er den gläubigen Corvinus damit nicht angegriffen. Er war selbst gläubig, auch wenn er bei den blutigen Opfern nicht hinsehen konnte, weil der Anblick von Blut sein Gesicht kreidebleich färbte. Doch hier zweifelte er.
    "Nein, Onkel, das war nicht gerecht. Ob ich jung war, oder nicht. Ich konnte alles in meinem Lebensweg ablegen, jedes Kapitel schließen. Nur dies nicht", stimmte Avianus zu, "Danke, Marcus. Ich wünschte, er wäre noch da gewesen, mich bei meinen ersten Schritten in die Politik zu begleiten, wie er mir das Laufen beibrachte."


    Auf das Angebot nickte Avianus entschieden und schwieg. Er kannte seinen Vater damals in- und auswendig. Zumindest war er der felsenfesten Überzeugung.

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