Eine unfreiwillige Ankunft

  • Nein, Berenike hatte wahrlich schon bessere Zeiten erlebt. Auch nachdem sie den undefinierbaren, nach nichts schmeckendem Brei gierig aus der viel zu kleinen Schüssel gegessen hatte, knurrte ihr Magen noch. Immerhin gab es hier ausreichend Wasser, so dass ihre Kehle lange nicht mehr so ausgedorrt war, wie an Bord des Schiffes, das sie hierher gebracht hatte. Dafür lauerte aber überall der Duft von Schweiß und Exkrementen, schien sich doch bisher niemand darum zu scheren, diese zu beseitigen. Und so saß sie hier apathisch an einen der Pfosten gelehnt, die den engen Verschlag begrenzten, in den man sie mit acht weiteren Frauen und Mädchen gesperrt hatte, bekleidet nur mit einer viel zu kurzen Tunika, wie sie sonst nur Huren trugen.


    Aber war sie nicht längst selbst eine Hure geworden? Die Götter schienen einen feinen Sinn für Ironie zu besitzen, wenn dies ihre Strafe dafür war, dass sie ihren Gatten getötet hatte. Schließlich war er es gewesen, der sie auf diesen Pfad geführt hatte. Sie wollte doch nur eine gute Ehefrau und Mutter sein und so hatte sie vieles ertragen, was er ihr angetan hatte. Seine Trunkenheit und die Schläge die sie dann erhielt, seine Spielsucht und die daraus erwachsenden Schulden, die sie dann begleichen mußte. All dies hatte sie ertragen und nach außen die Fassade der glücklichen Händlerfamilie aufrecht erhalten. Doch eines konnte sie ihm nicht verzeihen. Als seine Schulden immer größer und sein Umgang immer schlechter wurde, hatte er es getan, hatte das einzige, an dem sie sich wirklich erfreuen konnte einfach verkauft. Ohne jede Emotion hatte er als sie selbst auf dem Markt einkaufen war seine eigene Tochter für ein paar Silbermünzen an den nächstbesten Sklavenhändler verschachert.


    Eine einsame Träne rann über Berenikes Gesicht, wie so häufig, wenn sie an Arsinoë, ihre kleine Tochter dachte.


    Völlig emotionslos hatte er Berenike verzweifelt nach dem Kind suchen lassen und rückte erst mit der Wahrheit heraus, als der Sklavenhändler mit Arsinoë schon über alle Berge verschwunden war. Und genauso emotionslos hatte sie ihm am nächsten Tag seine letzte Mahlzeit serviert.


    Sie packte das nötigste zusammen und reiste dem Sklavenhändler hinterher solange die Spur noch heiß war, einzig getrieben von der Sorge um ihr Kind. Sie ignorierte die Gefahr, die es bedeutete allein als Frau durch die Welt zu ziehen. Wie dumm sie doch war. Schon nach wenigen Tagen war sie in die Fänge von Räubern geraten und wer weiß was diese mit ihr angestellt hätten, hätte nicht ihr Anführer sie unter seinen Schutz gestellt. Er tat ihr keinerlei Gewalt an, sondern war im Gegenteil tausend mal zärtlicher zu ihr, als ihr Mann es je gewesen war. Dennoch versuchte sie zu fliehen, noch immer getrieben von der Sorge um ihr Kind. Sie kam nicht weit und in ihrer Verzweiflung offenbarte sie ihm das Schicksal ihrer Tochter und versprach bei ihm zu bleiben, sollte er ihr Arsinoë zurück bringen.


    Sofort machte er sich auf die Suche, doch die Spur war erkaltet und verlor sich auf dem großen Sklavenmarkt von Delos. Resignation machte sich in ihr breit. Was sollte sie denn nun tun? Wie sollte sie ihre Tochter jemals wieder finden? Da sie keine Antwort auf diese Fragen fand und er ihr versprach auch weiter nach Arsinoë zu suchen, blieb sie bei ihm und begann langsam damit seine Zuneigung zu erwiedern.


    Doch dann brach erneut das Schicksal mit aller Macht über sie herein. Die Römer hatten das Lager der Räuber ausfindig gemacht und griffen an. Beherzt wollte auch sie sich den Angreifern entgegenstellen. Doch er wollte dies nicht zulassen, wußte er doch, dass sie keine Chance hatten gegen die Römer zu bestehen. Er rang sie nieder und fesselte sie. Liebevoll gab er ihr einen letzten Kuß und flüsterte ihr zu, dass sie leben müße um ihre Tochter schließlich eines Tages wieder zu finden. Danach sah sie ihn nie wieder.


    Mit Tränen in den Augen hörte sie dazu verdammt tatenlos herumzusitzen den Kampfeslärm. Schließlich wurde es ruhig. Ein Legionär kam in die kleine Hütte, in der sie war und nahm sie mit in das Lager der Römer. Sie sagte dem Centurio ihren Namen und dass sie entführt worden sei. Doch dieser lachte nur und erklärte ihr, sie solle froh sein als Sklavin verkauft und nicht als Räuberin hingerichtet zu werden. Und so geschah es dann auch. Sie wurde nach Delos gebracht und an einen Sklavenhändler verkauft, der sie schließlich nach Alexandria brachte.


    Was würde nun mit ihr geschehen? Es lag im Moment auf alle Fälle nicht in ihrer Hand. Vielleicht war es ja die Ironie der Götter, dass sie mit ihrer Tochter als Sklavin wieder vereint werden würde und würde es soweit kommen, wäre sie den Göttern trotz ihres Schicksales dankbar. Aber sie gab sich keinen Illusionen hin, war es doch etwa genauso wahrscheinlich Arsinoë so wieder zu finden, wie auch Kaiserin in Rom zu werden.


    Ein plötzliches Geräusch in dem Sklavenverschlg riß Berenike aus ihren Gedanken. Sie sah wie eine recht kräftige Germanin einem nubischen Mädchen eine Ohrfeige verpaßte und ihr die Schüssel mit dem Brei weg nahm. Berenike konnte noch nie mit ansehen, wenn sich jemand so an Schwächeren vergriff. Sofort sprang sie auf und entriß der sichtlich überraschten Germanin die Schüssel wieder. Gerade noch rechtzeitig konnte sie diese dem Mädchen zurück geben, bevor die Germanin zuschlug. Es entbrannte eine Schlägerei zwischen der Blonden und ihr. Doch noch bevor viel passiert war, kamen die Aufseher herein und nahmen die beiden mit nach draussen.


    "Gib den beiden ein Dutzend Hiebe, das wird die Furien schon wieder abkühlen.", hörte sie den Oberaufseher sagen und schon wurde sie an einen Pfahl gebunden und brutal die Tunika auf dem Rücken zerissen. "Eins" hörte sie und ein stechender Schmerz durchzuckte sie. "Zwei", Berenike biß sich auf die Lippen um einen Schmerzenschrei zu vermeiden. "Drei", ihren Kopf zur Seite gedreht sah sie in ihren Verschlag. "Vier", sie sah in die dankbaren Augen des nubischen Mädchens, dass hungrig den Brei aß. "Fünf", sie wußte, dass sie das richtige getan hatte und nahm die Schmerzen dafür billigend in Kauf. "Sechs", schmerzverzerrt lächelte sie ihr kurz zu. "Sieben", doch nun konnte sie den Schmerz nicht länger zurückhalten und schrie. "Acht", ...


    Sim-Off:

    Auch wenn Berenike im Moment an sich eine Sklavin ist, so ist dies nur Teil ihrer abgesprochenen Einführung und wird sich schnell ändern. (Insbesondere steht sie nicht öffentlich zum Verkauf.) Ich hoffe, das ist soweit in Ordnung.

  • Seit ihrer Ankunft in Alexandria war eine Woche vergangen und Emi hatte sich schnell an ihr neues zu hause gewöhnt, die zwei Brüder, die anwesend waren, hatte sie direkt ins Herz geschlossen und Penelope sowieso. Es war schön noch eine andere Frau da zu haben und sie hoffte darauf, dass die beiden sich noch anfreunden würden, aber sowas konnte man schlecht überstürzen. Sie war auch deren Großvater begegnet und hatte sich artig vorgestellt, aber seitdem war sie ihm aus dem Weg gegangen. Er war wirklich ein garstiger Mensch, ganz so wie Ánthi sie ja vorgewarnt hatte. Und so war es der jungen Griechin nur allzu recht nicht zu viel mit ihm zu tun zu haben. Stattdessen unternahm sie viel mit ihren Cousins, wenn diese die Zeit dafür aufbringen konnte und heute hatten sie und der große Athlet der Familie sich vorgenommen, einmal eine Runde über den Markt zu gehen. Ánthimos war schließlich Agoranomos hab und es gehörte somit zu seinem Beruf und er war froh, wenn er aus seinen Räumen herauskonnte und an die frische Luft kam. Das hatte er ihr mehrmals beteuert und nachdem sich - Emi - wie er ihr es bereits an ihrem ersten Abend vorgeschlagen hatte - also in der Agora umgesehen hatte, ließen sie Ànthis andere Scriba zurück und gingen hinein in das bunte und quirlige Treiben am Hafenviertel. Die Schreibstuben waren wirklich nicht allzu aufregend, das gab Emi gerne zu, dennoch verstand sie die Wichtigkeit dahinter. Die anderen Scriba waren nett, aber sie wirkten alle etwas träge und unscheinbar. Emilía konnte bereits erkennen, warum sie so angeworben worden war, er brauchte tatsächlich Unterstützung.


    Auch wenn Emi am Tag ihrer Ankunft bereits am Hafen gewesen war, hatte sie die vielen Eindrücke nicht wirklich aufnehmen können, es waren einfach zu viele gewesen. Doch nun, an der Seite ihres Cousin und ohne lästiges Gepäck, auf dass sie Acht geben musste, wurden ihre unterschiedlichen Augen riesengroß und sie sah sich neugierig um. Natürlich hatte sie auch in Syrien Märkte besucht, viele sogar und häufig, aber allein die Menge und Qualität der Waren hier in Alexandria war auf einer ganz anderen Stufe. Dazu die vielen, unterschiedlichen Menschen, die teilweise in fremden Sprachen redeten und sich anschrien, die Fuhrwerke und beladenen Esel, die Gerüche und Düfte - es war kaum auszuhalten. Immer wieder zeigte Emi dorthin und hierhin, um Ánthi auf etwas hinzuweisen, was er wahrscheinlich schon zig tausend Mal gesehen hatte, doch für Emi war das alles unglaublich abenteuerlich. Sie strahlte bis über beide Ohren und man konnte ihr ansehen, wie sehr es ihr gefiel sich in das Gewimmel zu stürzen.


    "Also, großer starker Ánthi, dann erzähl doch mal was du immer machst, wenn du auf dem Markt bist. Gehst du nur rum und guckst oder sprichst du auch mit den Händlern und kontrollierst sie?" Neugierig blickte sie ihn an und wich einigen Sklaven aus, die gemeinsam eine große Statur schleppten, reich verziert und bemalt. Der Schweiß rannte ihnen von der Stirn und sie ächzten ganz schön. Sehr zu ihrer eigenen Freude hatten die Sklaven bis auf eine rockähnliche Hose nichts an und ihre traditionelle Schminke und Haarpracht ließ darauf schließen, dass sie Ägypter waren. Vielleicht waren es ja auch keine Sklaven, sondern Arbeiter!? Und wie sollte man da bitte einen Unterschied erkennen?

  • Die Luft des Xenai Agorai roch anders als die Luft auf anderen Märkten. Es lag immer ein hauch von Exotik in der Luft. Waren aus allen römischen Provinzen und aus noch ferneren ländern wurden hier angeboten und alleine die verschiedenen Gewürze sorgten für ein unglaubliches Geruchsbouquet, dass wohl einmalig auf der Welt war. Aber auch das Angebot an Früchten und Speisen war beinahe unendlich und Anthi hatte hier schon so viele verschiedene Nahrungsmittel gekostet, dass er von den meisten die Namen schon wieder vergessen hatte. Jeder Tag war eine Abwechslung und genau deswegen mochte Anthi das Amt des Agoranomos so gerne.


    Und so war ihm auch die Abwechslung willkommen, dass ihn heute Emi bei seiner Inspektion begleitete. Sie war in die Agora gekommen und dort hatte er sie mit einer Wachstafel und einem Griffel ausgestattet und sie hatte ihn begleitet. Sein hauptscriba hatte ganz schon doof geschaut, als der Agoranomos mit dem hübschen lockenkopf abgerauscht war. natürlich hatte er seine Schreiber nicht darüber aufgeklärt wer sie war und nur knapp gesagt, dass er heute ohne sie auf den Markt gehen würde. Doch Bedauern darüber hatte er in deren Augen nicht sehen können. Faules Pack!


    Nun lief er also mit seiner Kousine über den Markt und erfreute sich über ihr Staunen über das reichhaltige Angebot. Dass da keine Frau wiederstehen konnte, hatte er sich ja fast gedacht, und Emilia blühte noch einmal richtig auf. Auch die Masse an Menschen war natürlich beeindruckend. Nubier, Numidier und andere dunkelhäutige Barbaren aus dem Süden, Nomaden aus dem Osten, Parther, Syrier, Skythen, Dardaner, Daker, Illyrer, Perser, Thraker, Ägypter, natürlich Griechen und Römer, aber selbst hellhäutige Händler die wohl aus Germanien oder Gallien stammten, waren zu sehen. Normalerweise hätte Anthi die vielen Völker niemals auseinanderhalten können, aber da er die meisten Händler kannte, wusste er auch wo sie herkamen.


    Nachdem er sie sich hatte umschauen und sich ein wenig an den Troubel hatte gewöhnen lassen, wurde er aber wieder geschäftiger.


    "Nun ich bin dafür da, die Märkte zu überwachen. Also schaue ich zum einen, ob die Waren der Händler die richtige Qualität haben und ob die Waagen der Händler auch stimmen. Zudem ist es meine Aufgabe zu schauen, dass niemand Waren verkauft der das nicht darf. Es dürfen nämlich nur Händler verkaufen, die eine entsprechende Erlaubnis dazu haben. Eigentlich wird das immer wieder versucht, aber die Meisten werden von uns entdeckt und dürfen dann ihren Obulus an die Stadtkasse entrichten. Und wenn sie das nicht machen, dann dürfen sie die Stadtwache kennen lernen."

  • Interessiert hörte sie zu als Ánthi seine normale Vorgehensweise erklärte und nickte hin und wieder. Bei der Erwähnung der Stadtwache musste sie allerdings grinsen, denn sie dachte an Timos, der ja der Oberbefehlshaber war. Ganz schön praktisch, so konnten sich die Brüder immer schnell über auffällige Händler austauschen und mussten nicht erst den Umweg über Briefe und Notizen machen.


    "Kommt es denn oft vor? Also, dass ein Händler keine Erlaubnis hat oder seine Waagen fälscht? Man müsste doch meinen, dass sich die Kontrollen rumsprechen. Und wie viele erwischt ihr so? Also die meisten ist ja nicht grade sehr deutlich, sagen wir mal von zehn, die es versuchen, wie viele findet man. Und bist du der einzige, der kontrolliert? Wie sollst du denn allein einen sooo riesigen Markt überwachen??" fragte sie ungläubig. Nein, es musste einfach noch andere Personen geben, sie nahm an die Stadtwache. Da ihr Cousin ihr schon gesagt hatte, dass sie so viel fragen sollte, wie sie wollte, ließ sie sich das nicht zweimal sagen und sah sich noch einmal um, bevor ein neuer Redeschwall auf den Athleten einprasselte. "Bei der Qualität schaust du also, dass Lebensmittel frisch sind und die Verarbeitung der anderen Produkte akzeptabel ist, richtig? Vergibst du dann auch neue Erlaubnisse an neue Händler? Und wie entzieht man einem Händler seine Erlaubnis? Und, nehmen wir mal an, einer verkauft ohne sie und Timos fängt ihn ein, was für eine Strafe erwartet ihn dann?"


    Sie war stehen geblieben und drückte sich etwas näher an Ánthi, der wie ein Fels in der (Menschen-)Brandung war und durch seine Größe und Statur die anderen dazu verleitete an ihnen vorbei zu gehen. So konnte auch Emi alles beobachten und wurde nicht herum geschubst oder stand jemandem im Weg. Was an und für sich auch mal sehr angenehm war.


    "Ich sehe, dass hier generell viel mit Lebensmittel und Gewürzen und exotischen Dingen gehandelt wird. Überwachst du auch die Getreidelieferungen nach Rom? Und dann sehe ich Dinge zum Leben, Kleidung, Geschirr, Möbel und sowas. Gibt es auch Sklavenhändler hier? Überwachst du die auch?"

  • Ànthimos freute sich über ihren Wissensdurst. Endlich mal jemand, den die Arbeit wirklich interessierte und der nicht nur stupide notierte.



    "Nein, das kann ich natürlich nicht alleine machen. Wir haben noch einige andere Kontrolleure, die ich dann koordiniere. Bei mir laufen also alle Fäden zusammen. Aber ich gehe so oft wie möglich selbst nach draußen und mache auch so viel wie möglich selbst. Ich finde als Agoranomos muss man ein Gefühl für den Markt haben und um das zu bekommen, muss man so oft wie möglich dort sein. Mein Vorgänger hat mir da viel beigebracht, aber es gab auch schon Agoranomoi die ihre Schreibstube nie verlassen haben."


    Seut seinem ersten Tag als Scriba war er über jede Minute froh, die er nicht in seiner Stege verbringen musste.



    "Die Qualität der Lebensmittel ist ganz wichtig. Wie du vielleicht weißt, hängen vile Krankheiten auch damit zusammen was wir essen. Und wenn dann fauliges Obst und dergleichen mit Farbe wieder frisch gemacht wird, muss das unterbunden werden. Jeder neue händler muss zu mir kommen und dort eine Betriebserlaubnis beantragen. Normal wird ihm diese auch erteilt, wenn er nicht schon negativ aufgefallen ist. Und wenn er dann die Standarts nicht erfüllt, nehme ich ihm die Betriebserlaubnis wieder weg, wenn es sein muss mit Gewalt. Die Strafen für vergehen hängen natürlich stark davon ab, was begangen wurde. Aber für die schweren Strafen ist dann die Stadtwache zuständig. Die wird dann eingeschaltet, wenn sich die Händler weigern zu bezahlen, oder die Vergehen größer als üblich sind, aber das kommt selten vor. Lieber bringen wir Drachmen in die Kassen der Stadt als körperliche Strafen zu vollziehen."


    Zum Glück hatte er noch keine wirklich schlimmen Strafen aussprechen müssen. Ob das daran lag, dass er ein guter Agoranomos war, oder gerade eben nicht, das sollte sein Nachfolger eines Tages entscheiden.



    "Bei den Sklaven gibt es selten Probleme. Außer vielleicht dass verletzungen vertuscht werden. Aber seltsamerweise achten die Leute besser auf die Sklaven die sie kaufen, als auf die Lebensmittel die sie essen. Bisher ist noch nie jemand zu mir gekommen, der sich über minderwertige Sklaven beschwert hat. Aber für die Getreidelieferungen nach Rom ist der Euthenarchios zuständig. Deswegen muss ich das Getreide nicht kontrollieren, weil wir da eng zusammen arbeiten und er mich auf winderwertige Ware hinweisen würde."

  • So schnell wie er sprach wäre sie nie dazu gekommen sich Notizen zu allem zu machen und deswegen schrieb sie nur noch die wichtigstens Stichwörter auf und lauschte stattdessen lieber. Es war wichtiger, es direkt beim zuhören zu verstehen, als sich hinterher zu fragen, was man da überhaupt in den Wachs gekritzelt hatte. Zumal ihre Handschrift nur dann wirklich schön war, wenn sie sich Zeit nahm zum schreiben. Einen Moment ließ sie sich seine Antworten noch durch den Kopf nehmen und überlegte, dann nickte sie. Sie hatte sogar alles verstanden! Ánthi erklärte es und sie lächelte ihn an.


    "Was war denn das schlimmste Vergehen, dass du mal aufgedeckt hast? Und für wie lange bist du eigentlich gewählt?" Die Idee, Essen anzumalen wäre ihr gar nicht gekommen, aber das zeigte wie gewitzt die Händler waren um ihre Ware doch noch zu verkaufen. Wahrscheinlich musste man ihnen immer irgendwie einen Schritt voraus sein. Da fiel ihr etwas ein, was ihr Vater ihr mal gezeigt hatte. "Wusstest du, dass man Obst zum glänzen kriegt, wenn man es mit einem Tuch abreibt, dass man mit Öl befeuchtet hat. Obwohl, ich glaub das ist nicht wirklich schädlich, oder? Aber dann sieht alles super frisch aus, auch wenn es das nicht ist."


    Zufrieden, dass ihr das noch eingefallen war, blickte sie zu Ánthi.


    "Wollen wir weitergehen? Oder vielleicht jemanden kontrollieren?" Au ja, das wäre doch mal ein Spaß. er hatte schließlich die Macht dazu und so würde sie einmal aus erster Hand erleben, wie so eine Kontrolle von statten ging.

  • "Die Prytanen werden immer für ein Jahr von der Volksversammlung gewählt. Und schlimme vergehen? Nun wir haben einmal eine manipulierte Goldwaage gefunden und da sie offenbar schon eine Weile so war und wir einige Beschwerden hatten konnte ihn nur sein voller Geldbeutel davor retten eine Hand zu verlieren. Er hat die Leute entschädigt, dann hat er eine große Strafe bezahlt und seit dem habe ich ihn hier nicht mehr gesehen. Ich bin sicher, dass ich da auch von der guten Arbeit meiner Vorgänger profitiere. Die meisten schwarzen Schafe machen einen großen Bogen um Alexandria oder verkaufen ihre Waren nicht auf dem Markt. Vor gar nicht allzu langer Zeit hat der früherer Strategos Cleonymus einen Schwarzmarkt ausgehoben aber gerade in Rhakotis oder dem Delta ist das nicht so einfach."


    Rhakotis lag Anthi noch deutlich mehr am Herzen als das Delta. In keinem Stadtteil war er bisher seltener gewesen.


    "Ach ich glaube wir gehen erstmal noch auf den Sklavenmarkt und anschließend fangen wir mit ein paar Kontrollen an. Bisher habe ich noch keine neuen Händler gesehen, die ich nicht schon kenne. Ich schaffe mir immer erst gerne einen kleinen Überblick, damit mir nicht ein dicker Fisch durchs Netz geht. Da hinten ist der Sklavenmarkt."


    Zielsicher steuerte er sich und seine Kousine in die richtige Richtung.

  • Ein Jahr, das war eigentlich keine besonders lange Zeit. Je nachdem wie ordentlich der Vorgänger sein Amt ausgeübt hatte und vor allem den dazugehörenden Schreibkram konnte es lange dauern sich einzuarbeiten. Und dann, wenn man alles begriffen hatte und endlich loslegte, war es schon fast wieder vorbei. Emi schüttelte den Kopf, sie konnte die Zeitspanne verstehen, aber irgendwie hätten ihr zwei Jahre sinnvoller erschienen. Nun denn, es lag nicht an ihr sowas zu ändern und sie hörte lieber zu, was er ihr über die Goldwaage erzählte. Eine Hand abhacken, nein, auf sowas konnte man wirklich gut verzichten. Im Grunde gut, dass der Händler soviel Gold besessen hatte, denn so wurden auch die entschädigt, denen er vorher das Geld aus der Tasche gezogen hatte. Und es kamen auch noch Drachmen in die Staatskasse, woher ja schlussendlich auch Ánthi seinen Lohn bezog. Obwohl es eher als Aufwandsentschädigung zu sehen war, weil man der Polis einen Dienst erwies. Und dann sogar einen Schwarzmarkt! Emi blickte auf und staunte nicht schlecht, dieser frühere Strategos hatte sich da anscheinend echt gut angestellt. Was für ein Erfolg!


    "Wäre es eigentlich auch für mich möglich Agoranomos zu werden? Dazu brauch ich dann erst die Ephebia, richtig? Wir dürfen nicht vergessen mich dazu anzumelden. Ich habe schon wirkliche Lust darauf auch eine Aufgabe zu kriegen. Stell dir mal vor, was das für einen Eindruck macht, wenn ich dann auch eine Prytane bin. Dann hätten wir drei Stück in der Familie!"


    Sie grinste ihn an und freute sich wie etwas, dass man später als Schneekönig bezeichnen würde und was wahrscheinlich in Alexandria auf ewig unbekannt war. In ihrer manchmal recht stürmischen Fantasie sah sie sich bereits zusammen mit Ánthi und Timos durch die Stadt gehen und die Leute grüßten sie, weil sie die drei wiedererkannten. Ein Strategos, ein Agoranomos und sie … ja, welcher Posten bliebe denn dann für sie!? Ach, etwas gab es immer und wenn die zwei ein höheres Amt annahmen, konnte sie ihnen folgen.


    Emilía nickte, als er meinte, dass sie zuerst zu dem Sklavenmarkt gehen wollten. Generell hielt sie nicht wirklich große Stücke auf die Sklaverei, aber sie auch den Nutzen darin und verstand, dass das römische Reich ohne die Sklaven niemals funktionieren würde. Man musste sicherlich keine drei Sklaven haben, deren einzige Aufgabe darin bestand immer frische Weintrauben in Reichweite zu bringen, aber wenn man ein Geschäft führte konnte ein treuer Sklave Gold wert sein. Oder sogar mehr. Daher ging sie mit ebenso neugierigem Blick zu dem Bereich, den Ánthi ihr wies und besah sich den kleinen Schauplatz. Es gab auch ein Podest hier und dann, in langen Reihen, unzählige Käfige. Teils waren sie fest verankert und groß, teils waren sie aus Holz und kleiner, so dass man sie transportieren konnte. Der Geruch von Kot und Urin wehte nicht in ihre Richtung, so dass die beiden Bantotaken davon nun verschont blieben, doch etwas anderes erregte die Aufmerksamkeit der jungen Griechin. Zwei Aufseher standen um zwei Sklavinnen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Eine große, stabil gebaute und etwas rundlich wirkende Germanin, mit blondem Haar und einem wilden Aussehen und neben ihr eine Griechin, ganz eindeutig. Die dunklere Haut, die braunen Locken und ihre Grazilität machten es für Emi ganz selbstverständlich, dass dort eine Landsmännin versklavt worden war. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, als sie sah, dass die Griechin bitterlich aufschrie, wenn die Peitsche auf sie niederfuhr, während der Germanin diese Prozedur noch bevorstand. Unweigerlich hatte Emi angehalten und stupste Ánthi nun mit ihrem Ellenbogen an, bevor sie mit einem Nicken in die Richtung wies.


    "Sieh mal." Sagte sie leise und es klang gar nicht fröhlich, was bei ihrer sonst immer so ausgelassenen Art beinahe seltsam wirkte. Irgendwie hatte sie Mitleid mit den Sklavinnen, reichte denn die Hitze nicht aus, dazu das stundenlange Warten in der Sonne und im Dreck der Anderen? Musste man sie noch auspeitschen? Der Aufseher mit der Peitsche kam grade bei "zehn" an, als sich Emi an Ánthi wandte. "Kann man da denn nichts machen?"

  • ..."Acht", wieder durchzuckte Berenike der stechende Schmerz und wieder schrie sie auf. Die großen Augen des nubischen Mädchen sahen sie mitleidsvoll an.


    "Neun", Nike versuchte dem Mädchen ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, aber es wirkte wohl eher gequält. So langsam fühlte sie, wie ihre Kräfte schwanden.


    "Zehn", ...

  • Auch Anthis Miene verdunkelte sich. Er hasste sowas, doch in diesem Fall ging es ihm nicht anders als den Sklaven: Ihm waren die Hände gebunden! Die Sklaven waren der Besitz der Sklavenhändler und die konnten mit ihrem Eigentum tun und machen was sie wollten. Ob das nun Anthi und Emi gefiel oder nicht. Und bei einem da war sich der Grieche auch im Klaren, nämlich dass er nicht jeden Sklaven aus Mitleid würde kaufen können. Das hatte er bei Eilean getan, aber das war eine Ausnahme gewesen.


    "Leider nicht. Vor dem Gesetz zählen die Sklaven nicht als Menschen, sondern als Gegenstände. Und mit denen kann numal jeder tun und lassen was er will, solange er damit niemanden sonst schadet. Und ich könnte nur was machen, wenn er ihre Wunden nachher versucht zu vertuschen. Ob uns das jetzt gefällt, spielt da leider keine Rolle. Als ich Eilean damal gekauft habe, sah sie auch ganz schlecht aus. Das war mit der Hauptgrund, warum ich sie mitgenommen habe, auch wenn sie kein Koiné spricht."

  • Traurig schüttelte Emi mit dem Kopf. ihr Cousin hatte leider Recht und das wußte sie auch. Keiner von beiden konnte etwas machen und es schien auch sonst kaum jemanden zu interessieren. Wäre die junge Griechin kein so lebensbejahender Mensch gewesen, hätte sie jetzt vielleicht mit den Schultern gezuckt und wäre davon gegangen. So wie viele Andere, die einfach ihrer Wege gingen. Resigniert liess sie ihre Schultern hängen und blickte zu Ánthi, der ebenso traurig aussah. Ihr Blick glitt wieder zu dem Aufseher und sie sah, wie er zum elften Schlag ausholte. Die lange, ledernde Peitsche sauste durch die Luft und ließ sogar auf die Entfernung einen zischenden Laut erklingen. Die Spitze der Peitsche traf die Griechin und ein Ruck ging durch ihren Körper und ihre langen, braunen Locken hüpften auf und ab. Locken genau wie sie, etwas ordentlicher vielleicht, wenn man sie nur waschen und kämmen würde. Aber daran hatte der Sklavenhändler kein Interesse, was eigentlich seltsam war, denn eine saubere Sklavin würde doch sicherlich mehr Geld einbringen. Als auch der letzte Schlag die Griechin getroffen hatte, brachte man sie in ihren Käfig zurück und beschäftigte sich stattdessen mit der Blondine.


    Noch bevor es Emilía richtig begriff, lenkten ihre Füße sie auch schon näher heran und mit einer morbiden Faszination beobachtete sie die Frau in ihrem erbärmlichen Zustand. Sie war kein Mensch, sondern ein Gegenstand. Vorm Gesetz und in den Augen vieler - doch Emi hatte Mitleid. Sie drehte sich um und sah, dass Ánthi ihr folgte, so dass sie auch die letzten Schritte zum Verschlag zurücklegte. Sie wußte nicht recht, ob sie etwas sagen sollte, weil ihr schlicht und ergreifend die Worte fehlten. Was sollte man auch sagen, dass es ihr leid tat? Sie hatte ja nichts schlimmes gemacht, sondern die dummen Aufseher, die ihr im Moment noch keine Beachtung schenkten. Wahrscheinlich hielten sie sie für eine potentielle Käuferin.


    Dann plötzlich stand ein älterer Herr neben ihr und grinste sie an, wobei Emilía den Eindruck nicht los werden konnte, dass dieses Grinsen einen frivolen Unterton hatte. Ihre Miene blieb steinern und sie blickte wieder auf den Käfig, so dass der Händler sich direkt an den Marktaufseher wandte.


    "Chaire Ánthimos Bantotakis, wie schön dich erneut hier begrüßen zu können. Hast du Interesse an meiner Ware gefunden?"

  • ..."Zehn", langsam wurde es dunkel um Berenike herum. Außer dem Schmerz nahm sie kaum noch etwas von dem wahr, was um sie herum geschah.


    "Elf", sie schloß die Augen, gleich hatte sie es überstanden. Ihre Gedanken wanderten zu Arsinoë, ihrer kleinen Tochter. Ja, sie würde sie wieder finden und dann wäre alles wieder gut.


    "Zwölf", es war vorbei. Schlaff hing ihr Körper, nur gehalten von den Fesseln an dem Pfahl, sie selbst zu keiner Bewegung mehr fähig.


    Die Aufseher kamen und lösten mit geübten Händen ihre Fesseln. Sie wurde grob aufgefangen und auf den Boden gelegt. Ein Eimer Wasser wurde über ihrem meltretierten Rücken geleert. Für einen Moment brannte es in den Wunden, die die Peitsche gerissen hatte, aber das kühle Nass schaffte auch ein wenig Linderung ihrer Schmerzen.


    Sie wurde zurück in ihren Verschlag geschleppt und einige der anderen Frauen darin, legten sie vorsichtig auf den Lehmboden und versorgten ihre Wunden so gut es die Umstände erlaubten. Da lag sie nun, fast bewußtlos, erschöpft, geschunden, mehr nackt als angezogen. Sie sah die dankbaren Augen des Mädchens und lächelte sanft.

  • Der Sklavenhändler sprach ihn von der Seite er an. Er kannte diesen eklhaften Wurm. Er hieß Menas und war ein Dakischer Sklavenhänder. Und zwar einer von der üblen Sorte, die ihre Sklaven nicht einmal wie Tiere behandelten. Aber er hatte sich bisher hier auf dem Markt nichts, aber auch gar nichts zu schulden kommen lassen, und so waren dem Agoranomos leider die Hände gebunden. Nur allzu gerne hätte er ihm die Betriebserlaubnus entzogen und ihn anschließend für eine Runde Pankration mit ins Museion genommen.


    "Menas. Ob ich Interesse an deinen Sklaven habe? Wenn ich geprügelte und geschunde Kreaturen möchte, hole ich mir einen Hund aus Rhakohis" ätzte der Agoranomos. "Ich bin mal wieder hier um mir deine Praktiken anzuschauen und deine Sklaven zu überprüfen. Die letzte Prüfung ist schon eine Weile her und ich will doch mal schauen, ob deine Sklaven das sind, was sie scheinen. Aber wenn es so wie sonst auch ist, hast du ja nichts zu befürchten. Darf ich vorstellen, dass ist Emilia Bantotakis, meine neue Scriba, sie wird mir helfen." Seiner Stimme war anzuhören, dass er nur zu gerne etwas finden würde um diesen Menschenschinder von seinem Markt zu bekommen.


    "Emilia, schau nach der Griechin. Achte darauf, ob sie noch andere, überschminkte Wunden oder sonstige Verschönerungen hat. Ich schau mir die Germanin genau an."


    Er nickte dem Sklavenhändler ernst zu und öffnete dann den Käfig mit der Germanin. Sie sah alles andere als gut aus und sofort bereute Ànthimos nicht seine Arzttasche dabei zu haben um ihre helfen zu können.

  • Huch dachte Emi nur, als ihr Cousin dem Händler sehr unmissverständlich antwortete und dabei auch kein Blatt vor den Mund nahm. Seine Stimme war kalt und seine Haltung steif und sie hätte ihn fast nicht wieder erkennt, er wirkte so viel härter und herrischer. Dabei war er ja eigentlich ihr Cousin, mit dem sie lachte und Wein trank und Witze riss. Aber das hier war etwas ganz anderes und sie beobachtete die beiden Männer interessiert. Irgendwann würde sie sich vielleicht auch mal so durchsetzen müssen, wenn sie dann wirklich Scriba war oder sogar ein Amt inne hatte. Ánthi stellte sie bereits als Scriba vor und auch wenn Emi eigentlich noch gar nicht ja gesagt hatte, war ihr das nur allzu recht. Sie nickte dem Händler kurz zu, für eine persönlichere Begrüßung fehlte die Zeit und Emi war froh darum.


    Als ihr dann aufgetragen wurde nachd er Griechin zu sehen nickte sie nur kurz und öffnete und betrat dann den Verschlag. Der Geruch hier drin war um einiges intensiver als draußen und Emi sah sich erstmal einen Moment um, es gab hier mehrere Frauen - unterschiedlich alt und von vielen unterschiedlichen Völkern - und alle waren in einem mehr oder weniger erbärmlichen Zustand. Sie sahen müde und hungrig aus und vielleicht waren auch einige krank und selbst bei dem jungen Mädchen konnte Emi schon aus dieser Entfernung blaue Flecken sehen. Weder der Händler noch seine Schergen schienen allzu vorsichtig mit ihrer Ware umzugehen und mit einem traurigen Kopfschütteln ging Emi zu der Griechin, die am Boden lag und das Mädchen anlächelte. Sie besah sich den Rücken und sah die aufgeplatzte Haut und wie das Blut langsam daraus sickerte, ihr wurde fast übel. Sie war keine Ärztin und kannte sich höchstens mit aufgeschlagenen Knien aus, aber das hier war gleich etwas ganz anderes. Wenn sich keinerdarum kümmerte würde sie Narben zurückbehalten. Emis Blick streifte sie nackten Beine und sie konnte immer mal wieder Kratzer und blaue Flecken sehen, aber keine Vertuschungsversuche von Seiten des Händlers.


    Emi beugte sich zu ihr runter und sah ihr dann ins Gesicht, es wunderte sie etwas, dass sie lächelte. Sie war wunderschön und kam Emi plötzlich sehr bekannt vor. Sie nahm zwei Finger und hob den Kopf langsam an, damit sie sie besser ansehen konnte. "Du siehst aus wie meine Schwester." sagte sie sanft und lächelte der Griechin liebevoll zu.

  • Berenike glitt in einen unruhigen Schlaf, das Geschehen um sie herum veränderte sich und sie fand sich auf einmal in einem Traum aus glücklicheren Tagen wieder. Das Gesicht des nubischen Mädchen hatte sich verändert. Sie sah deutlich die Augen ihrer kleinen Schwester vor sich, die sie besorgt ansahen. Hatte die Kleine mal wieder etwas angestellt? Sie würde es schon herausfinden. Aber so, wie sie sie gerade ansah, konnte sie ihr zumindest im Moment nicht böse sein. Leise flüsterte sie ihr beruhigende Worte zu: "Ach Emi, Du mußt keine Angst haben. Ich bin ja da und passe auf Dich auf."

  • Es war nur allzu deutlich, dass der geschundene Körper nach Ruhe verlangte, denn die Augen der Griechin wurden schwer und dann schloß sie sie. Doch als sich ihre Lippen bewegten, erschrack sich Emi bei der Wortwahl so sehr, dass sie ihre Hand wegzog als hätte sie einen heißen Topf angefasst. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie auf die Sklavin vor ihr, deren Kopf unsanft auf dem Boden landete. Sofort griff sie wieder hin, nahm den Kopf diesmal sogar noch sanfter in ihre Hände und schaute in das Gesicht. Sie hatte sie beim Namen genannt, bei ihrem Kosenamen sogar und auch die Wortwahl war ihr nur allzu vertraut. So hatte ihre ältere Schwester sie immer zu beruhigen versucht, wenn irgendwas vorgefallen war oder Emi auch einfach nur mal wieder zu stürmisch gewesen war. Berenike, ihre ältere Schwester von der sie sechs Jahre nichts gehört hatte. Die eigentlich mit Mann und Kind in Rhodos leben müsste!


    Tränen traten dem wilden Lockenkopf in die Augen und sie sah sich das Gesicht noch einmal ganz genau an, nein, es gab keinen Zweifel, sie hatte Nike gefunden. Die anderen Sklavinnen schauten sich das Beispiel interessiert an und verstohlen wischte sich Emi die Tränen weg. "Nike?" fragte sie sanft und leise und versuchte, sie aufzuwecken.

  • Auch der leichte Schlag, als ihr Kopf kurz auf dem Lehmboden aufschlug konnte den Dämmerzustand in dem sich Nike befand nicht beenden. Der Traum, so belanglos er auch sein mochte war einfach zu schön, um wieder in die leidvolle Realität zurückzukehren.


    Mit glasigen Augen sah sie ihre kleine Schwester an. Mühevoll hob sie einen Arm und strich ihr sanft über die Wange. Leise sprach sie zu ihr: "Ja Emi, ich bin ja da. So schlimm wird es schon nicht sein. Erzähl mir einfach, was Dich bedrückt."

  • Bei den Göttern! Es war tasächlich Nike! Den letzten Zweifel vertrieb Nike selbst, in dem sie Emi noch einmal beim Namen nannte und sie sogar trösten wollte. Ihre berührung war schwach, aber zärtlich und wieder traten Tränen in die Augen der Jüngeren. Die letzte Hoffnung, dass dieses arme Geschöpf da vor ihr nicht ihre Schwester war, waren damit ebenso vertrieben und sie blickte sich hektisch um, bis sie Ánthi sehen konnte. Er war noch mit der Germanin zu gange und Emi öffnete ihren Mund um ihn zu rufen, wobei ihr jetzt erst bewußt wurde, wie belegt ihre Stimme war. Sie stand auf, auch wenn sie ihre Schwester viel lieber auf den Arm und am besten direkt nach Hause getragen hätte. Doch der Sklavenhändler war in der Nähe und beobachtete sie, wenn er wüßte, dass es sich hier um ihre Schwester handelte würde es alels nur verkomplizieren. Emi atmete tief durch, räusperte sich und versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als sie den Verschlag verließ und zu ihrem Cousin herüber ging.


    Für einen Augenblick beobachtete sie ihn noch, doch dann hielt sie es nicht mehr aus und trat zu ihm. "Ánthimos?" fragte sie ernst und wartete, bis sie seine Aufmerksamkeit hatte. Dann beugte sie sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr. "Die Griechin ist meine Schwester, Berenike."

  • Ànthimos meinte zuerst er hätte sich verhört. Er schnellte nach oben, ohne sich Gedanken zu machen, wo er gerade war und haute sich seinen Kopf gleich an einem Holzbalken des Käfigs an.


    "Verdammt" zischte er ärgerlich. Das würde wohl eine Beule geben. Konnte man solche Käfige nicht in agoranomosgerechter Höhe bauen? Kurz überlegte er ob er Menas daraus einen Strick drehen konnte, verwarf das aber dann doch wieder schnell.


    "Wie deine Schwester? Bist du dir da ganz sicher?" flüsterte er ihr ebenfalls zu. Das wäre ja ungeheuerlich! Aber was war dann zu tun? Er wollte ja nicht, dass seine Cousine, denn genau das war sie ja dann, weiterhin eine Sklavin blieb oder auch nur als Sklavin behandelt wurde.


    Er setzte eine ernste Miene auf, als hätte ihm Emilia gerde etwas gesagt, was es zu beanstanden gab. "Ich verstehe, zeig mir das mal genauer" sagte er dann laut und deutlich. Menas und zwei seiner Gehilfen wollten sogleich herbeieilen um zu sehen welches Problem die Scriba da offenbar gefunden hatte, doch eine herrische Handbewegung von Anthi ließ sie in ihrer Bewegung erstarren. Dann folgte er seiner Cousine zu ihrer Schwester.

  • Schade, nun war es doch geschehen und der süße Traum war vorrüber. Ein leises Seufzen, das mehr wie ein Stöhnen klang, entfleuchte ihr. Erschöpft schloß sie die Augen und suchte den Weg in Hypnos' Reich.

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