Eine unfreiwillige Ankunft

  • In einer anderen Situation hätte sie wahrscheinlich lachen müssen, dass er sich den Kopf stieß, doch dazu war ihr jetz gar nicht zumute. Auch er flüsterte und sie nickte ihm nur zu, denn er wandte sich bereits zum gehen. Auch machte ihr kleines Schauspiel mit und so taten beide, als gäbe es etwas zum beanstanden. Menas, der Sklavenhändler, beäugte sie kritisch, aber nicht argwöhnisch. Als sie dann bei Nike angekommen waren, hockte sich Emi wieder hin. Es schien nicht so, als wenn sie bei Bewußtsein war.


    "Ich bin mir ganz sicher, dass sie es ist. Ich habe sie zwar ungefähr sieben Jahre nicht mehr gesehen, aber sie sieht wirklich aus wie Berenike. Außerdem hat sie mich Emi genannt. Ich bin nur nicht sicher, ob sie das bei vollem Bewußtsein gemacht hat, sie ist eingeschlafen."


    Sie zeigte einmal auf den Rücken und blickte Ánthi nur an, ihr schauspielerisches Talent reichte einfach nicht aus, um sich jetzt noch eine überschminkte, alte oder vertuschte Verletzung auszudenken.

  • Ànthimos nickte. Er überlegte kurz was nun zu tun war. Es durfte auf keinen Fall zu einer Versteigerung kommen. Griechische Frauen waren wegen ihrer Bildung meist sehr teuer und gegen die zahlungskräftige römische Kundschaft würden sie keine Chance haben. Sie verdienten zwar gut, aber die hohen römischen Ämter waren da doch noch eine ganz andere Klasse.


    Zuerst beugte er sich einmal runter zu der Sklavin die seine Cousine sein solllte. Ihr Rücken sah schlimm aus. Er war von blutigen Striemen gezeichnet, die teilweise noch relativ stark bluteten. Wahrscheinlich würde sie ohne eine Behandlung soger sterben. Nun gut, dann würde sie ihn den nächsten Tagen wohl sowieso keiner kaufen. Und da Anthi wusste, dass Menas für gewöhnlich immer nur einige Tage blieb, war das seine Chance Nike zu bekommen. In Gedanken strich er seiner Cousine sanft über den Kopf, doch dann erhob er sich.


    "Menas! Diese Sklavin kannst du in den nächsten fünf Tagen nicht verkaufen! Ihr habt sie halb tot geprügelt! Wahrscheinlich wird sie hier langsam und elendig krepieren. Aber das wird sich erst in drei, vielleicht vier Tagen entscheiden, so lange darf sie nicht verkauft werden! Diese Mähre wirst du hier nicht verkaufen!"


    Hier bog er seine Kompetenzen aber schon ganz schön weit, allerdings war das durchaus noch im Bereich des Möglichen. Er gab dem Sklavenhändler ein Zeichen, dass er zu ihm kommen sollte, was dieser auch gleich machte.
    Dann begann er leise zu sprechen, so dann nur Emilia und Menas ihn hören konnten.


    "Also Menas, ich mach dir ein Angebot, aber nur weil ich dich als Agoranomos für deinen vorbildlichen Kundenumgang schätze und weil es eine Griechin ist. Du musst verstehen, dass ich dich so eine Sklavin nicht einfach verkaufen lassen kann. Ich aber bin Iatros und daher hat sie bei mir eine Chance zu überleben. Sie ist nicht besonders gut, aber immerhin. Nun ich biete dir 250 Drachmen für sie. Dir würde sie unter den Händen wegsterben und bei mir hätte sie eine Chance. Suchs dir aus. Das ist zwar deutlich weniger als eine gesunde Sklavin einbringen würde, aber es ist besser als nichts."


    Ànthimos sagte das als wäre es ihm mehr oder weniger egal ob Nike sterben würde oder nicht. Aber nur so hatte er eine Chance...

  • Emi erhob sich und verschränkte die Arme vor der Brust, während ihr Blick langsam über die anderen Sklavinnen glitt. Sie konnte sich den Rücken ihrer Schwester einfach nicht mehr ansehen ohne in Tränen auszubrechen und innerlich malte sie sich die schlimmsten Bilder aus, was mit ihrer Schwester passiert sein konnte. Ihre Eltern hatten sie verheiratet, mit einem Händler, das war vor sieben Jahren gewesen und somit hatten sich die Schwestern trennen müssen. Wie es nun mal üblich war, wurde Berenike in die Familie ihres Ehemannes aufgenommen und lebte von da an mit ihm in Rhodos. Leider zu weit von ihrem Elternhaus entfernt, als dass man sich ohne weiteres besuchen konnte. Das letzte Mal, dass die beiden richtigen Kontakt hatten war, als Berenike von der Geburt ihrer Tochter berichtete, Arsinoë. Und dann irgendwann brach der Kontakt einfach ab und die Briefe, die ihre Familie ihr geschrieben hatten, verschwanden einfach, höchstwahrscheinlich ungelesen. Wie war sie in Gefangenschaft geraten, wie zur Sklavin geworden? Ob ein dummer Rhomäer sie einfach dazu gezwungen hatte? Und wo, bei allen Göttern, war Arsinoë?


    Alles Fragen auf die sie nun noch keine Antwort kriegen würde und daher schaute sie nur mit möglichst ausdruckslosem Gesicht auf Menas, der sich gerade bei ihnen im Verschlag einfand. Er schaute noch immer sehr skeptisch und seine Laune verbesserte sich kein Stück, als Ánthimos ihn so anfuhr. Er schaute auf die Sklavin, natürlich keinerlei Ahnung habend, dass sie eine Bantotake war und ging näher an sie heran, um sie mit der Sandalenspitze in die Rippen zu treten. Nicht fest, um sie zu verletzen, aber fest genug um eine Reaktion zu bewirken. Anscheinend war das seine Art zu überprüfen, in welchem Zustand sie sich befand. Er seufzte einmal laut und theatralisch und für einen kurzen Augenblick dachte Emi daran ihn wie eine Furie anzuspringen und ihm die Augen auszukratzen. Doch der Gedanke verflog und sie beobachtete schweigend, wie Menas auf das Angebot ihres Cousins einging.


    "Ánthimos, was du mir anbietest ist nichts weiter als ein schlechter Handel. Es ist mir völlig egal, Chancen interessieren mich nicht, aber ich hatte nicht vor noch fünf Tage hierzubleiben. 250 Drachmen kann ich so oder so für sie kriegen - auch mit gepeitschtem Rücken. Die Rhomäer mögen etwas Feuer bei ihren Sklavinnen, gerade bei den griechischen." Er lachte etwas dreckig und schaute nochmal zu Emi, was sie mit aggressivem Blick erwiderte. "350 und meine Männer tragen sie dir nach Hause." Bot er an und blickte den Agoranomos schief grinsend an. Es widerte Emi an, dass man hier um das Leben ihrer Schwester feilschte und sie war froh, dass sie beiden Männer sich dann bei 300 einigten. Es fiel ihr ebenso schwer, still zu sein und die Fassung zu bewahren. Ihr Blick schlich immer wieder zu Nike und sie konnte es nicht abwarten, bis die zwei Aufseher endlich mit einer Trage kamen. Jetzt brauchte man sie nur noch verladen und zu ihnen nach Hause tragen, ihr Haus war ja im selben Stadtviertel, was Emi erleichtert feststellte. Tyche würde ein großes Geschenk erwarten können, soviel war Emi klar -sie war so unheimlich dankbar. Und Nike würde es auch sein, wenn sie erst mal in Sicherheit war und Ánthi sie versorgt hatte und sie aus ihrem Delirium aufwachte und feststellen konnte, dass es kein Traum war. Dass Emi wirklich hier war und sich um sie kümmerte.


    Die beiden großen, muskelbepackten Aufseher gingen nicht grade zimperlich vor, als sie Nike an Schultern und Fußgelenken packte und auf die Liege legten und Emi warf ihnen einen anschuldigenden Blick zu. Welcher natürlich ignoriert wurde, aber wenigstens waren sie jetzt alle aus dem Verschlag heraus und der Heimweg konnte angetreten werden.

  • Von all dem bekam Berenike nichts mehr mit. Obwohl sie hart im Nehmen war und eine Menge einstecken konnte, war die Erschöpfung gepaart mit dem Blutverlust im Moment einfach zuviel für sie. Vielleicht hätte sie mit einer Anstrengung ihres Willens verhindern können in die Bewußtlosigkeit zu fallen, doch im Moment sehnte sie sich eher nach der Ruhe, die diese ihr versprach.

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