• Timos hatte Pasiphaë ins Triclinium geführt und Isokrates direkt zu Penelope geschickt, um sie über den Gast zu informieren. Sie würde es sicherlich begrüßen, wenn sie über die Anwesenheit einer neuen Person im Haushalt bescheid wüsste und sich darauf einstellen konnte. Timos ließ außerdem stark verdünnten Wein bringen und ein Tablett mit etwas Obst - Trauben, Granatäpfel und Datteln. Er ließ sich auf einer Cline nieder und wusch sich in einer Schüssel mit Duftwasser die Hände.
    "Bitte, nimm doch Platz. Du wirst dich sicherlich etwas ausruhen wollen nach deiner Reise hierher. Und eine Erfrischung wird dir sicherlich auch gut tun."
    Es wurden zwei Gläser gefüllt und den beiden gereicht, woraufhin Timos sein Glas erhob und Pasiphaë lächelnd zuprostete.
    "Auf deine gute Ankunft!"
    Nachdem er einen Tropfen für Dionysos zu Boden hatte fallen lassen, trank er selbst einen guten Schluck um seine vom Straßenstaub und von der Hitze trockene Kehle zu verwöhnen. Er nahm sich ein paar Trauben und bot Pasiphaë ebenfalls etwas zu essen an.
    "Bitte bedien dich. Penelope wird mir sonst noch böse, wenn ich die Gäste unseres Hauses nicht angemessen verpflege."
    Er grinste breit und ergänzte dann: "Penelope ist meine Schwägerin, also Ánthimos Gattin. Ich habe dir glaube ich von der Hochzeit geschrieben."

  • Als wir das triclinium erreichten, glaubte ich, schon mehr über Alexandria zu wissen, als ich es über meine Heimatstadt jemals getan hatte. Es war nicht so, dass ich das Haus nicht gern verließ, aber im Laufe der Jahre hatte ich gewisse Routen entwickelt, die ich auf meinen alltäglichen Besorgungen nur ungern verließ, denn hätte ich es getan, hätte mir im Anschluss die Zeit gefehlt, um all die häuslichen Pflichten zu verrichten, die Tag für Tag meiner Aufmerksamkeit bedurften.


    Im Lichte dieser Erinnerungen tat es gut, mich in einem fremden Haus zu befinden, das funktionierte, ohne dass ich einen Finger rührte, obgleich dieser Genuss nicht ganz ohne schlechtes Gewissen blieb, denn Nichtstun lag mir nicht und andere für mich arbeiten zu lassen schon gar nicht. Dennoch ließ ich mir den Moment nicht durch diesen Teil meiner Persönlichkeit verderben, sondern vertrieb mir die Zeit damit, die hübsche Ausstattung des Raumes zu bewundern, während Timos einem Mann, den ich noch nicht kannte, einige Anweisungen gab.


    „Auf meine Ankunft. Ich danke dir.“ sagte ich wenig später. „Und auf unser Wiedersehen.“ Ich lächelte freundlich und nahm einen Schluck des soeben servierten Weines. Er schmeckte fantastisch und benetzte meine trockene Kehle in der wohltuendsten aller Weisen. Insgeheim wusste ich jedoch, dass der Wein nicht nur der Art des Weines wegen so wunderbar schmeckte, sondern dass es vor allem an dem Mann lag, mit dem ich den Geschmack zu teilen die Ehre hatte.
    Selbiges galt für die Datteln, die ich mir einige Augenblicke später genussvoll in den Mund schob. „Ich glaube, ich muss mich bei Penelope bedanken.“ sagte ich zufrieden. „Sie muss sehr gastfreundlich sein, wenn du mir aus." Ich grinste schelmisch. „Furcht“ vor ihr solch prächtige Früchte kommen lässt.“ Verschmitzt sah ich in seine Augen, um zu schauen, wie er reagierte und griff einige Sekunden später, als das Thema wieder wechselte, nach einer Traube.
    Während ich kaute, begann Thimótheos von der Hochzeit seines Bruders zu erzählen.
    „Davon hast du mir erzählt.“ erwiderte ich mit einem Leuchten in den Augen. Ich mochte den Gedanken an Hochzeiten, hatte aber selbst noch nie eine erlebt. „Den Brief las ich mit großem Interesse und freute mich sogleich für Ánthimos und Penelope, auch wenn ich die beiden bisher nur aus deinen Erzählungen kenne.“

  • "Naja, "Furcht" würde ich es nicht nennen. Eher...Respekt. Sie ist eine gute Ehefrau und eine ebenso gute Haushälterin. Ich bin froh, dass sie so pflichtbewusst ist."
    Er grinste leicht, denn er wusste, dass Pasiphaë's Worte nicht ganz ernst gemeint gewesen waren und so fügte er hinzu:
    "Aber dir serviere ich selbstverständlich solch prächtigen Früchte hauptsächlich deshalb, weil ich mich so sehr freue dich nach so langer Zeit endlich wiederzusehen. Einem so wunderbaren Gast sollte man das Beste anbieten, das man auf Lager hat."
    Er warf Pasiphaë einen schelmischen Blick zu und trank noch einen Schluck. Ja, er freute sich wirklich sie hier zu haben. Die Zeit mit ihr in Memphis war doch zu schön gewesen!
    "Nun, du wirst nicht lange warten müssen um sie auch persönlich kennen zu lernen. Penelope arbeitet am Museion als Lehrerin der Kithara und Ánthimos als Agoranomos. Sie werden wohl im Laufe des Nachmittags oder Abends hier aufkreuzen. Bis dahin werden wir uns einen angenehmen Tag machen. Wenn du möchtest, kannst du dich gleich erst einmal im Bad entspannen oder dich eine Weile auf dem Zimmer ausruhen, ganz wie dir beliebt."
    Er lächelte sie aufrichtig an, denn er wollte in diesem Moment wirklich nur das Beste für sie. Womöglich war Timos' höfliche und noch etwas distanzierte, gar sittsame Art etwas merkwürdig für seine Jugendliebe, die ihn doch ganz anders in Erinnerung hatte. Damals war er noch wesentlich unbesonnener, unbesorgter und weniger achtsam gewesen. Aber nach den Geschehnissen damals auf dem Hof seiner Eltern, nach der Versklavung, dem Schiffsunglück und dem Neuanfang in Alexandria hatte Timos sich zum Teil merklich verändert. Er war jetzt ein richtiger Mann geworden, der Verantwortung für seine Familie und für die Stadtwache trug und der nicht alles dem Zufall überließ. Timos schaute Pasiphaë noch einmal durchdringend an, war doch kurz eine unangenehme Stille entstanden. Irgendwie wurde Timos ganz flau im Magen, jetzt wo er doch endlich realisierte, dass sie hier vor ihm auf der Cline saß. Hoffentlich zwickte ihn gleich niemand und er wachte auf.

  • Zufrieden quittierte ich die Worte meines Freundes. “Na, solch schmeichelhafte Worte bin ich von dir gar nicht gewöhnt.” Ich lächelte und ließ ihn wissen, dass seine mit Komplimenten verwobene Art mich durchaus erfreute und positiv überraschte. Natürlich war Timos schon in der Vergangenheit ein netter junger Mann, aber eben etwas wild, so wie es bei den meisten jungen Männern der Fall war.


    Ich nahm noch einen Schluck Wein und lauschte weiterhin seinen Worten. “Penelope spielt die Kithara?” fragte ich. “Dann könnt ihr euch glücklich schätzen. Eine Musikerin im Haus ist sicher sehr angenehm.” Ich überlegte eine Weile und fuhr fort. “Du weißt vielleicht noch, dass ich ganz ohne Musik aufgewachsen bin und nur manchmal das Vergnügen hatte, wenn ein keltischer Barde oder sonstwer unserem Marktplatz die Ehre erwies.” Manchmal hasste ich meinen Vater ob seiner spartanischen Ansichten. Musik und Kunst hatten in seinem Leben keinen hohen Stellenwert genossen und diese Ansichten spiegelten sich nicht nur in seinen verächtlichen Worten wieder, sondern ebenso in der Inneneinrichtung unserer Wohnung und meiner eigenen Erziehung. Manchmal hatte ich versucht, mich dagegen aufzulehnen und einen Streit provoziert. Doch da Vater nun sowieso längst tot war, hielt ich mich an den Grundsatz “Über die Toten nichts, wenn nichts Gutes” und hegte nicht länger meinen sowieso nur mittelstarken Groll gegen ihn.


    Während ich noch meinen Gedanken nachhing und mein Gesicht ein wenig in die einfallende Sonne hielt, hatte Timos schon weitergesprochen, doch glücklicherweise besaß ich die Gabe, gleichzeitig zu denken und zuzuhören und so hatte ich natürlich all seine äußerst zuvorkommenden Vorschläge vernommen.
    “Etwas Entspannung ist immer gut.” antwortete ich, erneut überrascht. - Seit wann ist er so dermaßen höflich? - “Doch momentan bin ich glücklich hier, in deiner Nähe und würde dieses Privileg nur ungern gleich aufgeben.” Ich lächelte. “Erzähl mir lieber noch ein bisschen von deinen Erlebnissen hier. Du hast zwar einige Male geschrieben, aber die Briefe waren doch recht kurz und ich glaube, ich habe immer nur die Rahmenhandlungen mitbekommen. Ich weiß zum Beispiel gar nicht, wie du hierher und zu deinem ersten Amt gekommen bist.” Ich hielt einen Moment inne und sah mich im Raum um. “Außerdem muss schon einiges passiert sein.” grinste ich und fügte hinzu: “Solch ein Haus fällt einer Familie in den meisten Fällen ja doch nicht einfach vor die Füße.”

  • Natürlich war sie solch schmeichelhafte Worte nicht gewöhnt, denn diese Seite zeigte der junge Grieche erst seit einiger Zeit, warum auch immer. Und besonders ihr gegenüber wollte er nun doch ausdrücken, wie wichtig sie ihm eigentlich war.


    "Jawohl, die Kithara. Wir haben hier ein Zimmer, alleinig zum musizieren. Vielleicht kann sie dir ja etwas beibringen, wäre das nicht fabelhaft?"
    Timos wusste sehr wohl, wie gern Pasiphaë den Klängen von Instrumenten lauschte und erinnerte sich mit einer Mischung aus Freude und Schwermut an die einen Tag, der schon lange zurück lag. Er hatte sie damals zu einer Vorführung im Theatron in Memphis eingeladen. Dort gab es weit weniger Sitzplätze, als hier in Alexandria und es war auch nicht annähernd so prunkvoll wie das Theatron Alexandrias es einst war, doch die Vorführung war wundervoll gewesen. An die Vorstellung selbst konnte er sich nicht mehr so genau erinnern, aber die Nähe zu Pasiphaë, ihr helles Lachen, ihr Duft und ihre Freude, als sie das Theatron wieder verließen waren ihm immer im Gedächtnis geblieben. Der Rest des Tages verlief irgendwie in schwammigen Erinnerungen an eine Cena im Haus eines Freundes, doch mehr wollte Timos auf Anhieb nicht mehr einfallen.


    Und dann riss Pasiphaës Frage nach seinen Erlebnissen ihn aus seinem Tagtraum. "Öhm..."
    Er setzte sich aufrecht auf die Cline und kratzte sich am Hinterkopf. Als er seine Gedanken gesammelt hatte, begann er ein bisschen aus seiner jüngsten Vergangenheit zu erzählen.
    "Nun, du weißt von den Geschehnissen damals auf unserem Hof...wir, also Ilías, Ánthimos und ich waren von Tyche begünstigt worden und überlebten. Aber das weißt du ja. Nachdem wir also am Strand angespült worden waren, haben wir hier in Alexandria einen Neuanfang versucht. Und wie du siehst, waren wir durchaus erfolgreich." Verschmitzt lächelte er und deutete um sich. "Das alles hier haben wir erst seit kurzer Zeit. Früher mussten wir mit einer Mietwohnung in einem nicht halb so guten Viertel wie diesem hier auskommen, teilten uns das Haus mit einer lärmenden, ägyptischen Großfamilie und einem mürrischen Vermieter. Wir drei begannen als Schreiber bei Prytanen und traten bald nach Erlangung der Ephebia selbst zu Ämtern an.
    So wurde ich Strategos und Ánthimos Agoranomos. Ilías ist da noch ein Spezialfall, der kommt nicht so zurecht wie ich es mir wünschte."

    Resignation schwankte in Timos' Stimme mit, als er von seinem jüngsten Bruder sprach. Der Kleine hatte Mist gebaut und das würde Konsequenzen haben. Doch darüber wollte er jetzt lieber nicht reden, denn das musste er ohnehin noch genauer mit dem Jungen klären. Timos schaute Pasiphaë durchdringend an, als er fortfuhr.
    "Aber nach all dem Leid, der Verzweiflung nach dem Desaster, der Trauer um unsere Eltern und verlassenen Freunde und dem überstandenen Neuanfang..." Er lächelte leicht und fuhr sich mit der Hand durch's Haar, während er eine kleine Pause machte.
    "...muss ich sagen, dass ich mich verdammt nochmal freue, dich hier wohlbehalten vor mir sitzen zu haben! Du sollst wissen, dass ich oft mit Freude an unsere gemeinsame Zeit zurückdenke und diese nicht missen möchte."
    Jetzt grinste er verlegen und nestelte an seinem Weinglas herum, bevor er einen großen Schluck nahm und Pasiphaë einfach nur fröhlich anlächelte.

  • “Das klingt fabelhaft.” stimmte ich zu. “Aber überrolle sie bitte nicht gleich zu Beginn mit diesem Vorschlag. Vielleicht liegt ihr auch wenig daran, sich mit einer musikalisch Unwissenden auseinandersetzen zu müssen.” Wenn ich von mir im Schlechten sprach, dann tat ich dies meist mit einem ironisch-grinsenden Unterton und doch wissend, dass immer ein Teil Wahrheit in diesen Aussagen lag. “Ich denke, es würde mir schon viel Vergnügen bereiten, ihrem Können bei Gelegenheit zu lauschen.” 'Abseits des Staubes einer Straße, ohne den Schweiß der vielen Menschen, die sich um mich sammeln.' dachte ich.


    Ich schwieg für einen Moment und gab mich den kulinarischen Kostbarkeiten hin, die jenseits meiner Kline bereitlagen und darauf warteten, verspeist zu werden. Die Verpflegung auf dem Schiff, welches mich in diesen Teil der Welt gebracht hatte, war spärlich und so war ich doppelt dankbar für das Angebot, das hier dirket vor mir lag.


    Timos, derweil, berichtete und als er zu dem Teil kam, der mir in der Vergangenheit am meisten Sorgen bereitet hatte, verharrte ich für einen Augenblick.
    Ob ich es wusste, fragte er. Es wusste. Natürlich wusste ich es. Noch wochenlang, nachdem ich erfahren hatte, dass Timos und seine Brüder entgegen meiner Erwartungen am Leben waren, verspürte ich dieses Glücksgefühl. Ich glaubte, sie wären alle tot und plötzlich kehrten sie in der Gestalt einiger weniger Zeilen aus dem Toten- in das Reich der Lebenden zurück. Ich sann ein wenig der Zeit nach und plötzlich erinnerte ich mich an die vielen Blumenkränze, die ich damals geflochten und in meinem Zimmer gesammelt hatte. Einen für Ánthimos, einen für Ilías und zwanzig für Thimótheos. Ich lächelte bei dem Gedanken. Ja, er war mir schon damals mehr als wichtig. Nachdem ich jedoch den ersten Brief aus Alexandria erhielt, hatte ich meine Werke verbrannt, aus Sorge, Hades herauszufordern, wenn ich sie entgegen der irdischen Existenz der verloren geglaubten Seelen weiterhin in meinem Zimmer behielt.


    Es klang interessant, was er erzählte und ich freute mich schon jetzt auf die Zukunft. Als er jedoch zu seinem jüngsten Bruder Ilías kam, traf mich sein durchdringender Blick und ich wusste, dass weitere Fragen zu stellen im Lichte der Gegenwart ein Unding gewesen wäre.
    So blieb mir nur, zu überlegen, was geschehen sein konnte und bei allem Grübeln, ich kam nicht darauf. Ich wusste, dass Ilías beim cursus publicus arbeitete, denn das hatte Timos in einem seiner Briefe in einer Nebenzeile erwähnt, aber so wie seine Worte klangen, schien dies nicht mehr dem aktuellen Stand der Dinge zu enstprechen.


    Ich nahm noch einen Schluck Wein und bedankte mich, innerlich, dafür, dass er in verdünnter Form gereicht wurde, denn unverdünnter - wie ich zu einigen speziellen Anlässen festgestellt hatte - stieg mir doch zu schnell zu Kopf und außerdem bekam er mir nie gut.


    "Ich habe auch sehr oft an unsere gemeinsame Zeit zurückgedacht." sagte ich mit einem Lächeln, das in seiner Glückseligkeit ebenso intensiv war wie das, welches Timos mir soeben schenkte. Es entging mir jedoch nicht, dass er verlegen an seinem Weinglas herumfingerte. 'Das ist ja wirklich süß.' dachte ich und wollte erst gar nichts weiter sagen, entschied mich jedoch dazu, das Schweigen zu brechen, denn nachdem mein Freund soviel von sich und seiner Familie geredet hatte, fühlte ich mich dazu verpflichtet, ihn ebenfalls wissen zu lassen, was sich in Memphis zugetragen hatte.
    "Timos." sagte ich. "Ich glaube, ich habe dir das meiste geschrieben, aber alles sicher nicht." Ich überlegte kurz und ging in Gedanken die Ereignisse durch, von denen ich bereits berichtet hatte. "Einer der wichtigsten Geschäftspartner meines Vaters hatte es kurz nach eurem Verschwinden geschafft, sich mit dem Stadtpatron zu verstreiten, weshalb mein Vater die Verbindungen zu ihm löste und wir ein halbes Jahr lang ziemlich zu kämpfen hatten. Ich habe es dir nie erzählt, aber mein Vater hatte noch in den Wochen davor immer wieder angedeutet, welch eine Wohltat es wäre, wenn seine einzige Tochter mit dem einzigen Sohn seines Kameraden den Bund der Ehe beträte. Es war noch nichts abgesprochen und mein Vater erzählte immer nur davon, dass er seinem Partner den Vorschlag unterbreiten wollte und dann entzweiten sie sich. Das war ein Glück, für mich, denn gegen meinen Willen wäre es geschehen und so sehr ich meinen Vater auch abzuhalten versuchte, er hatte kein Erbarmen. Nun ja, es hat sich dann alles gegeben und obwohl wir finanziell eine zeitlang in der Luft hingen, fühlte ich mich glücklich und frei, denn in Gedanken war ich auch damals bei dir." Ich war sehr ernst geworden, als ich dies erzählte und obwohl das alles nun ein wenig zurücklag, war ich noch immer ernst, als ich fortfuhr. "Mein Vater starb bald darauf und meine Mutter wurde sehr unglücklich - Davon schrieb ich dir. - weshalb ich sie von dem Tage an umsorgen musste bis zu ihrem Tod, der ja erst kürzlich eingetreten ist. Ein Jahr vor ihrem Tod jedoch bekam sie ein neues Heiratsangebot und ich konnte den Mann verstehen, denn meine Mutter war trotz aller Zurückgezogenheit und Verbitterung noch eine ansehnliche Frau. Aber er war ein ungemütlicher Mann und ich bin nun sehr froh, dass meine Mutter sein Angebot ausschlug. Ich glaube, sie wollte sich nie wieder binden. Zudem besaßen wir durch das Geld, das mein Vater uns hinterlassen hatte, finanzielle Unabhängigkeit." Ich schaute ihn an. "Hätte sie ihn geheiratet, würde ich jetzt diesem Mann unterstehen und wäre sicher nicht hier. Im Nachhinein empfinde ich das alles sehr faszinierend. Ich meine den Umstand, der sein Pech zu meinem Glück gemacht hat."

  • "Das IST fabelhaft!" lachte Timos und winkte dann wie schon zuvor am Hafen ab, als Pasiphaë ihre Bedenken äußerte. "Keine Sorge, ich habe nicht vor, ihr während ihrer Schwangerschaft noch mehr Verpflichtungen aufzuhalsen. Denn ihre Arbeit nimmt sie momentan wirklich sehr in Anspruch und ich hoffe, dass sie bald erkennt, dass sie eine Auszeit nehmen muss um sich und das Kind zu schonen." Hatte er ihr eigentlich von der Schwangerschaft erzählt? Timos konnte sich nicht mehr so recht erinnern, denn seine Gedanken sprangen in diesem Gespräch so schnell von einem Thema zum nächsten, dass er sich ohnehin nur das Wichtigste merken konnte, nämlich die Dinge die seine lange vermisste Freundin über sich und ihn sagte. "Aber nach der Geburt wird Penelope sicherlich bald wieder in ihren Beruf einsteigen, der ihr so am Herzen liegt.
    Und ja, für's Zuhören haben wir dann sicherlich auch ausreichend Zeit. Wir beherbergen seit neuestem außerdem noch zwei Cousinen aus Syrien hier, die denke ich auch ein Instrument beherrschen. Das habe ich die beiden noch gar nicht gefragt wie mir gerade auffällt, sollte ich auch mal tun."
    Er schmunzelte leicht und schnappte sich noch ein paar Trauben, die er der Reihe nach verspeiste.


    Während Pasiphaë von den Heiratsplänen ihres Vaters erzählte, merkte Timos wie sein Herz ganz langsam in die Hose rutschte. Zum Glück konnte er verhindern, dass seine Gesichtszüge entgleisten, denn wenig später ergriff ihn die Erleichterung über den Streit der alten Freunde und gleichzeitige Freude über Pasiphaës anschließende Worte, dass sie immer an ihn gedacht hatte. Hätte er von den Blumenkränzen gewusst, er hätte es nicht für möglich gehalten. Als sie geendet hatte und so ernst dreinschauend auf der Cline saß, lächelte Timos aufmunternd.
    "Tyche ist uns hold und dafür werde ich ihr danken. Du kannst nicht glauben wie glücklich es mich macht, dich bei mir haben zu können. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du jetzt hier bist." Er hatte sein Glas abgestellt, um nicht mehr an ihm herumknibbeln zu können. "Genug von den alten Zeiten. Das ist alles viel zu ernst und ich möchte dich lieber lächeln sehen, das macht dich weitaus schöner. Was hast du nun vor, jetzt da du in Alexandria bist?" Der junge Strategos grinste leicht und bewegte mit seinen Zeigefingern seine Mundwinkel nach oben, was zwar albern war, aber bisher noch jede Frau zum lächeln gebracht hatte. (:D)

  • "Ach, deine Schwägerin ist schwanger?" lachte ich. "Das hast du mir noch gar nicht erzählt." Die Neuigkeit überraschte mich und obwohl ich beide noch nicht kannte, freute ich mich für sie und war zugleich gespannt, denn ich mochte Kinder und nun fragte ich mich, ob das Anwesen der Bantotaken bald einen kleinen Jungen oder ein Mädchen beherbergen mochte.
    "Wie spannend wäre es." dachte ich - oder sollte ich es laut aussprechen? Vielleicht interessierten Timos meine Gedanken. Ich schaute ihn an und sein Blick sagte mir, dass er sich durchaus über ein paar Worte meinerseits freuen würde. Na gut. "Wie spannend wäre es." sagte ich in hörbarem Ton. "Meinst du, wenn man das Geschlecht des Kindes vorher wüsste?" Natürlich dachte ich in diesem Moment strikt weiblich. Denn wie schön wäre es, schon vor der Geburt Pläne zu schmieden, was aus dem Kind einmal würde, zu entscheiden wie man es am Besten erziehen sollte - das ginge viel besser, wüsste man vorher Bescheid. "Freilich." dachte ich. "Wäre es für Männer wohl am Wichtigsten, zu erfahren, ob sie einen Erben bekämen." Doch diesen Gedanken behielt ich für mich. "Aber das wird wohl niemals jemand schaffen." fuhr ich fort. "Es gibt eben Geheimnisse, die wir erst zu lösen vermögen, wenn deren Antwort sich uns direkt offenbart."


    Ich aß noch eine Dattel und während ich kaute und anschließend meinen wiederkehrenden Durst mit einigen Schlucken Wein löschte, erzählte mir Timos von seinen Cousinen. "Ich wusste nicht, dass du Cousinen hast." sagte ich und fuhr in lachendem, aber nicht ganz ernst gemeintem Ton fort: "Hast du es denn gewusst?" Er hatte mir nie etwas von ihnen erzählt und das empfand ich als untypisch, denn von seinen Brüder hatte er damals doch einige Male gesprochen.


    Wir schwiegen eine Weile und schauten uns nur an, doch schon nach kurzer Zeit entschied ich, etwas aus meiner jüngsten Vergangenheit zu erzählen. Etwas, von dem ich wusste, dass es nicht zu den erheiternden Dingen in meinem Leben gehörte. Gern hätte ich gesehen wie Timos auf jedes meiner Worte reagierte, doch ich sann während meiner eigenen Erzählung so stark in diesen vergangen Zeiten und war so ernst und gedanklich weit weg, dass ich nur zwei Mal kurz mitbekam wie ihm mulmig zu werden schien.
    "Tyche ist uns hold ...." begann er plötzlich und holte mich wieder in die Gegenwart und die weitaus gemütlichere Umgebung zurück. Ich pflichtete ihm bei und als er plötzlich diese seltsame Geste mit seinen Zeigefingern vollführte, musste ich tatsächlich herzhaft lachen. Er sah so seltsam ulkig aus, als er das tat, aber "Dein Gesicht Timos." dachte ich. "Könnte aussehen wie es wöllte, ich würde dich trotzdem lieben wie eh und je."


    Als wir nun beide wieder besserer Laune waren und den kurzen Schock hinter uns gelassen hatten, fragte er mich wie ich mir meinen Zukunft vorstellte und urplötzlich wurde mir klar, dass ich wirklich das in die Tat umsetzen würde, was ich mir bereits auf dem Schiff gedanklich zurechtgelegt hatte. "Ich werde mich in Alexandria niederlassen." sagte ich sicher. "Nach Memphis möchte ich nicht mehr zurück, dort habe ich lange genug gelebt und das einzige, was mir bliebe, wären die seltsamen geschäftlichen Beziehungen und Bekanntschaften, die mein Vater zu unterhalten pflegte." Ich überlegte kurz und fügte dann hinzu: "Ich werde meine ephebia ablegen, um ein vollwertiger Teil der Stadt zu werden."

  • Eigentlich wollte sich Penelope nur kurz hinlegen, um den schwerer werdenden Körper auszuruhen. Sie war es nicht gewohnt, soviel Gewicht mit sich herumzutragen. Jetzt war es nicht mehr lange hin bis zur Geburt. Inhapy schätzte, es wären noch sechs bis acht Wochen. Und Penelope fühlte sich langsam wie ein aufgehender Hefeteig. Also hatte sie sich mittags nur kurz hingelegt, denn immerhin hatte Timos Besuch angekündigt. Doch dann war sie richtig eingeschlafen, so dass sie nicht mitbekommen hatte, wie der frischgebackene Hausherr seine Bekannte bereits ins Triclinum geführt hatte.
    Als sie aufgewacht war, hatte sie den Stand der Sonne gesehen. Gerne wäre sie aufgesprungen, allerdings ging auch das nicht mehr ganz so schnell. Sie war zwar nicht fett, dazu war ihre gesamte Gestalt doch zu schmal, aber der Schwangerenbauch behinderte allzu akrobatische Bewegungen doch gekonnt.


    So betrat sie mit einiger Verspätung, dafür leise und gefasst wie immer, das Triclinum. Sie bekam noch die Aussagen des Gastes mit und musste leicht lächeln. Veträumte Vorstellungen, als ob es etwas ändern würde an der Schwangerschaft. Es brachte Unglück, sich zu viele Gedanken darum zu machen, dem ungeborenen Kind gar einen Namen zu geben. Was einen Namen hatte, konnte Opfer von bösen Zaubern werden. Solange es keinen Namen und keine fassbare Gestalt hatte, war es sicherer für das ungeborene Leben. Es gab so vieles, was passieren konnte. Viele Frauen verloren ein Drittel ihrer Kinder vor oder bei der Geburt, und von denen, die lebendig geboren wurden, überlebte auch nur jedes zweite bis ins Erwachsenenalter. Die Götter liebten die Kinder, deshalb holten sie so viele davon zu sich. Daher dachte Penelope lieber nicht zu sehr daran und steigerte sich nicht in die Freude, um nicht die Götter eifersüchtig zu machen oder die Dämonen zu wecken, ihr das Kind zu nehmen.
    “Nun, die Ägypter haben eine Methode. Meine Hebamme meint, das Kind wird ein Mädchen.“
    Penelope betrat den Raum richtig, um den gast zu begrüßen. Automatisch wanderte eine Hand leicht schützend auf ihren Bauch, auch wenn von der Frau keine Gefahr ausgehen zu schien. Aber Penelope war bei fremden Menschen ja immer etwas vorsichtig. Ihre Zeit in Rhakotis hatte sie da einfach zu sehr geprägt, als dass sie das wohl jemals wieder würde vollständig ablegen können.
    “Chaire. Wie ich sehe, hat dich Timótheos schon begrüßt. Ich bin Penelope. Verzeih bitte, dass ich dich nicht gleich richtig empfangen habe. Die Schwangerschaft macht mich sehr schläfrig in letzter Zeit.“
    Inhapy hatte es ihr erklärt, dass ihr Körper schon Kräfte tankte für die bevorstehende Geburt. Demnach würde das die nächsten Wochen noch schlimmer werden. Penelope hoffte, dass sie dennoch am Wettkampf im Gymnasion teilnehmen würde können. Sie wollte gern ihr Talent mit der Kithara aller Welt beweisen, auch wenn es ein delphischer Loorber sein würde, den es zu gewinnen gab.
    “Timótheos meinte, du wirst für einige Zeit unser Gast sein. Ich habe dir ein Zimmer herrichten lassen.“
    Sie stockte kurz in der Rede, als das Kind in ihrem Bauch sich bewegte. Kurz lächelte sie entschuldigend. “Es tritt.“

  • "Jap, sie ist schwanger und sie steht kurz vor der Geburt. Also...es dauert noch höchstens ein paar Wochen, das weiß ich nicht so genau." Timos lächelte verschmitzt und versuchte seine Ahnungslosigkeit halbwegs zu überspielen.
    "Das Geschlecht vorher wissen? Hm...wo wäre dann die Spannung? Wo wäre das Bangen darum, ob das erste Kind auch ein erstgeborener Erbe sein würde?" Natürlich dachte Thimótheos in diesem Fall strikt männlich. So würde er immerhin schon vor der Geburt wissen, ob ihn in den nächsten Wochen ein ruhiger Schlaf oder eher das Gegenteil erwartete. Aber über solche Dinge machte er sich im Grunde genommen noch keine konkreten Gedanken, denn er hatte ja noch nicht einmal die richtige Frau dafür gefunden...oder doch?


    "Oh ja, meine Cousinen kenne ich schon seit längerem. Ich habe wohl nur versäumt, dir von ihnen zu erzählen. Emilía ist von ihrem Vater hierher geschickt worden, um eine angemessene Ausbildung genießen zu können und Berenike...nun..." Kurz musste er schlucken. Sein Mund war plötzlich spürbar trocken geworden und etwas verdünnter Wein half. "Naja, sie hat einiges durchgemacht und ist jetzt zum Glück zu uns gestoßen. Die beiden Schwestern werden auf jeden Fall wohl etwas länger bei uns bleiben."


    "Und aus deinen Worten schließe ich, dass du ebenso vor hast, noch eine lange Zeit hier zu verweilen, ja?" Timos grinste schelmisch, doch noch bevor er weiter auf die Pläne seiner Freundin antworten konnte, erschien Penelope im Triclinium. Er schenkte ihr ein Lächeln und ließ ihr die Zeit sich vorzustellen und Pasiphaë in der Megaro willkommen zu heißen. Was seine Schwägerin da von dieser Ägypterin und ihren Erkenntnissen erzählte, wollte Timos nicht so recht wahrhaben, doch machte er sich darüber keine allzu ausschweifenden Gedanken, immerhin würde er bei der Geburt mitbekommen, ob es ein männlicher oder weiblicher Bantotakensäugling sein würde, der das Licht der Welt erblickte.

  • Innerlich lachte ich, ließ mir jedoch nichts anmerken. Ich wusste, dass er um einen Erben bangen würde, doch wunderte mich das keineswegs, denn ich hatte im Laufe meines kurzen Lebens nichts anderes kennengelernt. "So sind die Männer." dachte ich und fügte in Gedanken hinzu, dass ich mich ebenso über ein Mädchen freuen würde.
    Weitere Gedanken machte ich mir darum aber nicht, denn ich war mir sicher, dass noch einige Zeit verstreichen würde, bis es für mich einmal soweit wäre.


    Während Timos wieder das Wort ergriff und ich zufällig nach links schaute, sah ich wie ein mir fremde Frau das Triclinium betrat. Ich zweifelte nicht lange, dass es sich bei ihr um Penelope handeln musste, denn ihr gewölbter Bauch sprach für die Neuigkeit, die Thimótheos mir soeben übermittelt hatte. Sie begrüßte mich sehr freundlich, legte dabei dennoch eine Hand auf ihren Bauch. "Zum Schutz." kam es mir in den Sinn. "Vor mir?" Ich zählte nun wirklich nicht zu den gefährlichen Exemplaren, aber ich war fremd und das war mir auch bewusst. Kurz erinnerte ich mich an einige schäbige Gassen in Memphis und daran, dass Timos mir gesagt hatte, dass er und seine Brüder in einer ähnlichen Gegend gelebt hatten, als sie Alexandria erreichten. "Vermutlich auch Penelope." dachte ich und verstand somit vollends, warum sie jedem Unbekannten gegenüber vorsichtig sein wollte.


    "Chaire, ich bin Pasiphaë." stellte ich mich freundlich lächelnd vor. Ich wollte, dass sie ihre Unruhe mir gegenüber verliert. "Eine alte Jugendfreundin von Timos aus Memphis." Ich schwieg einige Sekunden und dann fügte ich hinzu: "Es macht nichts, dass du mich nicht augenblicklich empfangen hast. Wie ich sehe ...." Ich blickte auf ihren Bauch. " brauchst du zur Zeit viel Ruhe. Timos sagte mir, dass die Geburt des Kindes bald bevorsteht." Ich richtete mich noch etwas auf, um nicht weiter so lax auf der Kline zu ruhen. Von dem Geschlecht des Kindes redete ich nicht weiter, denn Penelope schien, so dachte ich, nicht allzusehr darüber reden zu wollen, solange das Baby noch in ihr weilte. Wir würden ja bald sehen, ob die Ägypter recht behielten und dann, das nahm ich mir vor, würde ich sie fragen wie ihre Hebamme diese Einsicht erlangt hatte.


    Als ich Penelope wieder zu Wort kommen ließ, stellte ich überrascht fest, dass der gesamte Haushalt besser über meine Ankunft unterrichtet war, als ich meinem alten Freund zugetraut hätte. Augenblicklich dachte ich noch einmal an die Vergangenheit - ja, sie kam wieder hoch, jetzt wo ich der intensivsten meiner Erinnerungen direkt gegenübersaß. Ich würde rückwirkend schwören, dass Timos Familie, hätte ich sie jemals besucht, nicht einmal von meiner Ankunft erfahren hätte, wenn ich mich drei Monate vorher über ihn hätte anmelden lassen.
    "Ja." sagte ich, immer noch etwas verdutzt. "Das stimmt, ich habe vor, zu bleiben." - und fügte extra für Timos hinzu "noch eine lange Zeit."
    Dann wurde mir bewusst, was Penelope noch gesagt hatte. "Du hast mir ein Zimmer herrichten lassen?" fragte ich überrascht. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, denn ursprünglich kam ich mit dem Willen, meinen alten Freund zu besuchen und mir dann eine Wohnung in irgendeiner insula zu mieten. Nun verschlug es mir glatt die Sprache. Ich hatte schon so lange auf eigenen Beinen gestanden und mich um meine kranke Mutter sorgen müssen, dass ich es gar nicht mehr gewöhnt war, dass jemand mir spontan einfach etwas Gutes tat. Inständig hoffte ich, dass mein erstarrtes Schweigen nicht als Unfreundlichkeit gewertet wurde.


    Irgendwie schaffte ich es dann aber doch, mich wieder in die Welt der Konversation zurückzuhebeln. "Vielen Dank Penelope. Das ist wirklich sehr freundlich von dir." Ich sagte das mit einer ehrlichen Freude in der Stimme und sah sie dabei an, kaum hatte ich jedoch geendet, schaute ich fragend zu Thimótheos. Was hatte er ihnen denn schon alles erzählt?

  • "...noch eine lange Zeit."
    Pasiphaës Worte ließen Timos' Herz höher schlagen und er schenkte ihr ein breites Lächeln. "Natürlich hat sie dir ein Zimmer herrichten lassen. Du glaubst doch nicht, ich hätte deine entzückende Anwesenheit vor der Herrin des Hauses geheim zu halten gewagt?" Er zwinkerte seiner Freundin zu und schenkte dann seiner Schwägerin ein Lächeln, während er auf eine der Clinen deutete und milde, aber bestimmt um ihre Gesellschaft bat.
    "Bitte, leiste uns doch ein wenig Gesellschaft." Als Penelope es sich dann auf einer der Clinen bequem gemacht hatte, plauderte der junge Strategos ein wenig. "Ich habe Penelope bereits ein bisschen von dir erzählt, Pasiphaë. Von deinen Beweggründen hierher zu kommen und, dass wir uns schon aus Memphis kennen. Ich denke ihr beiden werdet euch sicherlich prächtig verstehen und es wird für dich ein Leichtes sein, dich in dieser gewaltigen Stadt zurechtzufinden. Du darfst immer auf die Unterstützung der Bantotaken zählen." Er warf Penelope einen fragenden und zugleich vielsagenden Blick zu, um dann seiner Freundin aufmunternd zuzulächeln. Ein leises Knurren ließ Timos' Blick an sich herunterwandern und auf Bauchnabelhöhe verharren.
    "Nun...es ist bereits recht spät, wir sollten vielleicht bald die Cena abhalten. Pasiphaë, du kannst doch sicherlich auch etwas Warmes zu essen vertragen, nicht?"
    Gastfreundschaft war Timos ein hohes Gut und ebenso die Höflichkeit, die er gerade an den Tag legte. An Penelope gerichtet fuhr er fort: "Wenn du erlaubst, werde ich bescheid geben, dass die Mahlzeit vorbereitet wird. Ánthimos wird sicherlich auch bald von der Agora heim kommen und hungrig sein. Ich werde dir außerdem etwas Saft aus der Küche holen lassen, ihr Frauen könnt euch ja schon einmal kennen lernen. Entschuldigt mich einen Moment."
    Ohne Widerrede zuzulassen stand der älteste der Bantotaken auf verließ dann das Triclinium, um die wenigen Schritte bis hin zur Couzina (Küche) zurückzulegen. Während die beiden Damen also einen kurzen Moment allein miteinander waren, schritt Timos schnurstracks in den hinteren Bereich des Hauses, wo er bald Eilean antraf, der er auftrug Saft zu bringen und das Kochen der Cena bereits zu beginnen. Hoffentlich würde Penelope ihm nicht übel nehmen, dass er sie diese Dinge nicht erledigen ließ, doch eine Hochschwangere sollte wirklich nicht mehr so viel arbeiten. Solange sie also nicht genügend Sklaven besaßen, musste auch gelegentlich der Hausherr mit Botenfunktion durch das Haus spurten.
    So kam er dann auch bald wieder zurück ins Atrium, gefolgt von Eilean mit einer Karaffe voll dunklem Traubensaft. Penelope wurde ein Becher bereitet und Timos ließ sich wieder auf seiner Cline nieder. "Da wäre ich dann schon wieder."

  • Penelope musste innerlich den Kopf schütteln, auch wenn sie nach Außen hin lächelte. Warum nur alle hier im Haus ihr andauernd sagten, sie brauche Ruhe und solle sich schonen. Sie war weder krank noch gebrechlich. Auf dem Markt oder den Feldern arbeiteten die Frauen ja auch bis direkt zur Geburt, nicht erst ein Kind war nicht zuhause zur Welt gekommen. Nungut, es war ihr erstes Kind, sie hatte immer noch schmale Hüften und würde es da schwer haben, außerdem hatte sie Bildung und ihr Mann war nicht arm, so dass sie nicht so arbeiten musste. Aber nichts desto trotz war sie weder schwächlich noch sonst eingeschränkt. Dass die Männer da nicht mit sich reden ließen, damit hatte sie sich ja schon so halb abgefunden, aber dass nun Timos’ Freundin aus Memphis so anfing, war schon beinahe lustig.
    Und dann ging alles sehr schnell, plötzlich wurde Timos ganz rigoros und wirbelte los, um das Abendessen zu organisieren. Und für sie einen Saft? Nungut, wenn es ihn glücklich machte, warum nicht. Manchmal glaubte Penelope, ihr wachsender Bauch machte den Männern Angst. Es war etwas, was sie nicht beeinflussen konnten, ein kleines Wunder. Die Macht der Göttinnen Hera, Isis und Artemis, die sie nicht beeinflussen und nicht kontrollieren konnten. Daher suchten sie sich kleine Dinge, um ihr zu helfen, um ihr gutes zu tun. Denn die konnten sie kontrollieren und das nahm ihnen die Unsicherheit. So zumindest ihre Theorie.
    Während Timos also losging, Saft zu holen und das Essen anrichten zu lassen – was eigentlich Penelope machen wollte, aber vor dem Gast wollte sie Timos nicht widersprechen und reinreden – wandte sich die junge Griechin an die Frau aus Memphis.
    “Dafür musst du mir nicht danken. Timótheos sagte zwar nicht, dass du so lange zu bleiben gedenkst, aber wir können eine Freundin der Familie ja nicht in einem Gasthaus wohnen lassen. Noch dazu eine unverheiratete Frau. Die Gasthäuser hier sind zwar sehr gut, hab ich mir sagen lassen, aber es ist doch immer besser, wenn man bei Freunden unterkommt. Bis du eine eigene Wohnung gefunden hast, die dir ansprechend erscheint, bist du uns selbstverständlich gerne willkommen.“
    Penelope setzte sich etwas anders auf der Kline hin. Ihr waren richtige Stühle, an denen man sich anlehnen konnte, eigentlich lieber, das entlastete mehr den Rücken. Und sie wollte nicht wie ein Mann auf einer Kline liegen. Das gehörte sich einfach nicht, und sie hatte es anders gelernt. Eine Frau hatte Bescheidenheit und Würde zu zeigen, nicht Dekadenz.
    Timos kam wieder und brachte wie versprochen den Saft. “Danke, Thimótheos.“ Vor Gästen wollte sie die Abkürzung nicht verwenden, wusste sie doch nicht, wie vertraut die beiden miteinander waren oder welche Pläne Timos noch hatte. Lieber etwas zu förmlichals zu lasch.

  • Heute war das Training wieder besonders anstrengend gewesen. Cleonymus verstand es aber auch meisterlich seine Athleten herum zu scheuchen. Das hatte er wahrscheinlich bei der Stadtwache gelernt, die sollten da ja Folterkammern haben. Aber eigentlich war er dem Kosmetes dankbar, denn sich immer nur selbst du motivieren fiel selbst Anthi auf die Dauer wirklich schwer, und er war sich nicht sicher, ob er das noch viel länger ausgehalten hätte. So kam er aber nun müde, aber zufrieden nach Hause. Was ein schönes heißes bad und eine Massage im Gymnasion nicht alles bewirken konnte.


    So kam er dann auch im Triclinium an und staunte nicht schlecht, als er dort eine halbe Familienversammlung vorfand. Neben Penelope und Timos war noch eine junge Frau anwesend. Normal hätte er ja gedacht es würde sich um eine Freundin seines Bruders handeln, aber nach den letzten Ereignissen tippte er mal eher auf eine Cousine. Wahrscheinlich war es eine der Schwestern von Emi und Nike und das Megaro Bantotakia würde demnächst als die größte Hochzeitsbörse der gutbürgerlichen griechischen Bevölkerung in die Geschichte der Stadt eingehen. Andererseits war das auch nicht schecht, denn Männer sah er den ganzen Tag und im Training mehr als genug, da entspannte es einfach die Augen daheim hübsche Frauen anschauen zu können, selbst wenn sie mit einem verwandt waren.


    So schaute er ein wenig überrascht in die Runde.


    "Entschuldigt, störe ich bei etwas?"


    Wäre Penelope jetzt nicht da gewesen, hätte er gleich gefragt von welchem Onkel denn die junge Dame stammte, aber seiner Frau wäre das wohl wieder nur peinlich gewesen und so hielt er sich zurück, konnte dann aber ein schelmisches Grinsen nicht unterdrücken.

  • Ich schaute gerade zu Timos, als ich sah wie er aufsprang und mich kurz mit Penelope allein ließ. Mir war etwas mulmig zu Mute, denn ich legte stets einen hohen Wert auf einen guten ersten Eindruck und war mir nie sicher, ob ich diesen auch erreichen konnte.
    'Du machst dir zuviel Sorgen, mein Kind.' hatte meiner Mutter immer gesagt. 'Du siehst doch wie reizend die Freunde deines Vaters dich finden.'
    "Ja." dachte ich dann immer. "Ja, Mutter. Aber was sollten die Freunde meines Vaters auch anderes sagen?" Er hätte sie rausgeschmissen, hätten sie etwas anderes über sein einziges Kind gesagt. Ich grinste leicht bei dem Gedanken. Auch wenn mein Vater recht spartanisch war, über seine Tochter kam ihm nichts.


    Es waren nur einige Sekunden vergangen, ehe ich mich wieder aus meiner Gedankenwelt hinausriss. In der Ferne hörte ich noch Timos Schritte und direkt vor mir saß ja nun Penelope. Sehr aufrecht und elegant, wie ich bemerkte. Unauffällig setzte ich mich ebenfalls ein wenig gerader. Es war nicht so, dass ich bisher auf der Kline gelegen hätte, aber ich saß doch ein wenig ungerader, als üblich und das wirkte, so dachte ich mir, vielleicht nicht gut für einen neuen Gast.


    Jetzt richtete sie ihr Wort an mich und ich gab ihr recht. Was die Gasthäuser betraf, teilte ich ihre Meinung. Natürlich wusste ich nicht wie die Standards in dieser Stadt gesetzt waren, aber allein die Geräusche, die ich in meiner Heimatstadt aus jenen Gebäuden vernahm, reichten mir, um eine mittelhohe Abneigung gegenüber diesen zu erlangen.
    So war ich auch froh über die Gastfreundschaft der Bewohner dieses Hauses und über die Bereitschaft, mich, die ich allen, außer Timos, fremd war, aufzunehmen.


    Nach einigen Minuten kehrte mein Freund zurück. Er hatte etwas Essbares in der Hand und den Saft, den er Penelope versprochen hatte.


    Nun, dachte ich, kehrte wieder etwas Ruhe ein, doch schon kurz darauf, betrat ein weiteres, mir fremdes Gesicht, den Raum. Es war ein junger Mann und bei seinem Anblick drängte sich mir der Verdacht auf, dass es einer der beiden anderen Brüder sein musste. "Ilías oder Ánthimos." dachte ich "Sicher Ánthimos." Ich erinnerte mich daran, dass Timos an diesem Nachmittag erwähnt hatte, dass sein Bruder sehr athletisch war. Ich schaute noch einmal und war mir nun recht sicher, dass es sich um Ánthimos handeln musste. Geduldig wartete ich ab.

  • Ànthimos hatte wohl doch Recht gehabt. Also entweder war sie eine Verwandte und sie kannten sich aus Kindertagen und da er vorher schon auf ersteres spekuliert hatte, fühlte er sich nun bestätigt. Und da sie sich nicht vorstellte, mussten sie sich also schon kennen. Er schaute sie nochmal genau an, aber es wollte einfach kein passender Name in seinem Geiste aufblitzen.


    "Ich bin Ànthimos. Und du bist...du bist sicher...die Schwester von Emi und Nike, also eine der Töchter von unsrem Onkel Hikates, oder? Entschuldige bitte, aber irgendwie scheint mir grad dein Name entfallen zu sein."


    Hilfesuchend schaute er auch noch zu Pelo und Timos, aber irgendwie schienen ihn alle ganz gerne mal auf den sprichwörtlichen glühenden Kohlen zu sehen.

  • Anscheinend konnte der junge Mann meine Gedanken lesen. Denn noch bevor ich meine Vermutungen laut aussprach, bestätigte er meinen Verdacht.


    Eigentlich wollte ich abwarten und Timos oder Penelope das erste Wort überlassen, doch da Ánthimos, wie ich nun ganz sicher wusste, mich direkt ansprach, wollte ich ihn nicht warten lassen.
    "Chaire Ánthimos. Es freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Pasiphaë, eine Freundin deines Bruders." - Hier zeigte ich auf Timos. - "aus Jugendzeiten." Grinsend fügte ich hinzu: "Ich hab schon gehört, dass eure Cousinen vor Kurzem ebenfalls das Haus gestürmt haben, aber ich muss dich enttäuschen. Ich gehöre nicht dazu."


    Ich schwieg und schaute wie er reagieren würde. Vermutlich etwas überrascht, denn er schien fest damit gerechnet zu haben, dass ich ebenfalls zur Familie gehörte.

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