Das Lupanar am Ende der Straße

  • Wieder auf den Beinen ging es Sextus immernoch gut. Es tat immernoch alles weh und er hielt sich ganz leicht die Seite, wo Vala einen gekonnten Körpertreffer gelandet hatte, und er hatte den Geschmack von Blut auf der Zunge, aber es ging ihm gut.
    “Drei ältere Brüder, da lernt man ein bisschen was.“ Wobei er sich mit denen weitaus seltener geprügelt hatte als mit den Brüdern anderer Leute.
    Auf die Nachfrage, ob er denn Römer sei, lachte Sextus ganz leicht, was er aber schnell wieder einstellte. Irgendwas zwickte dabei in seine Seite. So beließ er es bei einem selbstgerechten Grinsen und lehnte sich nun seinerseits mit den Schultern leicht gegen die Vala gegenüberliegende Häuserwand. In dieser kleinen Gasse machte das ohnehin kaum Unterschiede.
    “Sextus Aurelius Lupus“, stellte er sich selbst vor. Nachdem sie einander die Köpfe eingeschlagen hatten und sich wohl gleich noch betrinken würden, konnte man sich schon mal vorstellen. “Und du, woher kommst du, dass du so viel über die Standfestigkeit der Durchschnittsrömer weißt?“ Sextus schloss einfach, dass der Kerl ihm gegenüber ein Peregriner war. Sonst wäre seine Wortwahl wohl anders ausgefallen.

  • Drei Brüder. Das war schon ein Ding, Vala zollte der Mutter des Kerls innerlich respekt, vier gesunde Kerle durchgebracht zu haben. Er selbst war Einzelkind gewesen. Immer wieder hatte sich dieser Zustand geändert, aber nie für lange. In Germania waren die Frauen quasi ständig schwanger... doch die Zahl der Kinder, die das zehnte Lebensjahr erreichten war bezeichnend gering. Vala hatte nie gefragt, wie viele seiner Geschwister gestorben waren. Es war einfach so alltäglich...


    Als der Mann sich vorstellte nahm der Germane das nur mit einem Nicken hin. Aurelii gab es wie Sand am Meer. Plebeische mehr als patrizische, und so war der Name der Goldenen nichts wirklich besonderes. Ob der Gegend in der sie hier aufeinander trafen machte Vala sich keine großen Gedanken mehr darüber und ordnete den Typ als Plebeier ein.


    "Ich? Ich kam gerade aus der Gasse da drüben..", murrte Vala, der wie immer äußerst geizig mit Informationen über sich selbst war, "Und das ist alles, was du wissen musst."


    Er stieß sich mit einem vor Schmerz verzogenen Gesicht von der Mauer ab, und wankte ein paar Schritte in Richtung des Gassenendes, das in eine der belebteren Straßen endete. Er wies seinem Kontrahenten mit einem Kopfnicken ihm zu folgen, und gemeinsam traten sie auf die Straße... Vala bog nach links, in Richtung einer Taberna die er wenige Minuten vorher gesehen hatten. Ohne den Aurelier zu fragen betrat er den Laden und suchte sich einen Tisch mit zwei Stühlen. Erneut verzog er die Mundwinkel vor Schmerz...


    "BIER!!!", beorderte er eine Bedienung herbei, "Er zahlt..."

  • So ein Arsch. Sextus musste wieder grinsen, als sein Gegenüber nur so knapp die unausgesprochene Frage nach dem Namen und die ausgesprochene nach seiner Herkunft abhandelte. Kein 'Salve, ich bin Caius Mannulus, lass uns Freunde sein'. Irgendwie war es richtig erfrischend, und Sextus beschloss, den Kerl zu mögen. Zumindest vorläufig, während er ihm grinsend und den Kopf schüttelnd in die nächste Taberna folgte.


    Der Kerl setzte sich an einen Tisch, Sextus setzte sich ächzend dazu. Nachdem das Adrenalin verbrannt und die Euphorie verklungen war, tat ihm seine Seite doch ganz schön weh. “Bier, ich zahle“, meinte Sextus, die Bedienung angrinsend. Wär albern, Bier und Wein zu bestellen. Die nickte nur und eilte dann auch schon davon.
    Er sah der Bedienung nach und blieb mit seinem Blick dabei einen Moment auf den Hüften des Mädchens hängen. Wär noch ein schöner Abschluss für den heutigen Abend. Wenn seine Seite aufhörte, zu pochen, und er sich nach dem Bier an diese Idee erinnerte.

  • Vala schloss die Untersuchung der Gegend indessen ab, und kehrte just in dem Moment zum lädierten Gesicht des Römers zurück, als dessen Blick abschweifte, was Vala demselben folgen ließ. Ahja... die Bedienung. Entweder war der Römer nicht halb so schnell wie Vala was das Erfassen von weiblicher Attraktivität anging, oder er hatte da einfach andere Maßstäbe.
    Wie dem auch sei, Vala taxierte die Frau noch einmal um sicher zu gehen, dass er nichts übersehen hatte, und runzelte dann die Stirn. Definitiv kein Patrizier, wenn er sich mit dem zufrieden gab.


    "Also...", sprach Vala mit hochgezogener Braue, der auf einmal Blut schmeckte und bemerkte, dass seine Lippe aufgeplatzt war, "..entweder hat man dir heute Abend die Schenkel einer schöneren Frau verwehrt.. oder du musst dich tatsächlich an so etwas halten... beides würde deine schlechte Laune erklären. Oder gibt es tatsächlich noch einen dritten Grund, weshalb du Fremde einfach beim pinkeln störst?"


    Vala nahm seinen Ärmel um das Blut von seiner Unterlippe zu tupfen, betrachtete es einen Moment kritisch und blickte dann wieder sein Gegenüber an, um ihn mitten im Ansatz zu unterbrechen.
    "Ach, weißt du was? Behalt es für dich... ich will garnicht wissen ob dein kleiner Schwanz für deinen Ärger verantwortlich ist oder dein schlechter Frauengeschmack."

  • Sextus wollte bei den ersten Worten seines neuen, barbarischen Freundes nur mit einem Grinsen antworten. Da seine Lippe aber ein wenig geschwollen war und sich an einigen Stellen schon Schorf gebildet hatte, der dabei unangenehm spannte, ließ er es bleiben.
    Tz, da gelingt ihm ein guter Schlag, und schon wird er frech, dachte Sextus nur mit verhohlenem Ärger. Er hätte sich wohl doch nicht umwerfen lassen sollen und anfänglich härter zuschlagen sollen. Oder ihn nochmal zu verprügeln, allerdings nicht jetzt. Seine Rippen hielten das für keine gute Idee. Für den Moment.
    Und auch, wenn Vala Recht hatte, dass es eine Frau war, die ihm so die Laune verhagelt hatte, Sextus würde das sicher nicht jedem dahergelaufenen Typen auf die Nase binden und sein Leid von der ach so ungerechten Welt klagen, die ihm, oh Graus, ein wundervolles Weib zur Verwandten gemacht hatte. Da konnte er ja gleich Wattebällchen rausholen und damit im Frust um sich schmeißen.
    “Und was treibt dich dazu, dich von Fremden erstmal verprügeln zu lassen, bevor dir einfällt, dass du dich ja eigentlich wehren kannst? Stehst du da drauf, oder musst du etwas kompensieren?“ Seine Worte klangen nicht unfreundlicher als Valas, und auch sonst wirkte Sextus durchaus ruhig.


    Die Bedienung kam und stellte zwei Becher und einen großen Krug mit Bier auf den Tisch, füllte noch die Becher und hielt auch schon die Hand auf. Auf Rechnung soffen hier nur die Stammgäste, der Rest zahlte gleich. “Bitte, Schönheit“, drückte Sextus ihr eine Münze in die Hand und sah ihr zu, wie sie höflich lächelte und dann schleunigst wieder verschwand. Offensichtlich war sie von seinem momentanen Aussehen mit der blutigen Lippe nicht sehr angetan, aber das würde ihn nicht weiter stören. Im Gegenteil war ein wenig offen zur Schau gestellte Abneigung mitunter interessanter als geheuchelte Bewunderung. Wobei letztere auch nicht zu verachten war.
    Nun, über beides nachzudenken war müßig, also nahm er stattdessen den Krug zur Hand und trank einen kräftigen Schluck von dem Bier. Gräßliches Gesöff, kein Vergleich zu Wein. Wobei hier in dieser Spelunke wohl auch kaum etwas serviert werden würde, was dem Begriff gerecht werden würde.

  • Oh, der Kerl war beleidigt. War es anscheinend nicht gewohnt zu verlieren. Vala schmunzelte amüsiert, riss dadurch wieder die geplatzte Lippe auf und spuckte mit einem derben germanischen Fluch auf den Boden, auf dem eine halbe Sekunde später die Bedienung trat und ihn mit einem vernichtenden Blick bedachte, den Vala mit einem blutigen Grinsen quittierte.


    Er hob den Becher in Richtung des Römers, und zog ihn dann mit einem Zug leer. Kampf machte durstig, und Vala hatte sich recht lange mit dem Kerl gebalgt.


    "Nun..", begann er schließlich mit einer Miene, als könne ihn kein Wässerlein trüben, "..du hast darauf gesetzt, dass ich ein besoffener Depp sei, der nicht mehr wusste wie man sich vernünftig verteidigte.", der nächste Becher voll Bier landete in seinem Hals, "..und ich habe darauf gesetzt, dass du ein besoffener Depp bist, der mich für einen noch besoffeneren Depp hält. Man muss sich nur einmal kurz ansehen wer von uns beiden Staub in der Visage hat um festzustellen, wer von uns beiden Recht hatte."


    Zufrieden lehnte er sich im Sitz zurück und hob seinen Becher: "Und jetzt, werter Feind, jetzt werde ich mich in einen besoffenen Depp trinken.. auf dich und die Ergiebigkeit deiner Börse!"

  • Sextus taxierte sein Gegenüber ganz leicht. War nicht so, als wäre er der einzige, der Dreck im Gesicht hatte. Oder eine blutige Lippe und schmerzende Glieder. Die Taktik des Namenlosen hier schien ihm nicht wirklich durchdacht, und eher zufällig von Erfolg gekrönt. Was zugegebenermaßen auch daran liegen mochte, dass Sextus kein besonders guter Verlierer war.
    Mit ebenso leichtem wie unehrlichen Lächeln hob auch er seinen Becher. “Auf besoffene Deppen“, komplettierte er den Trinkspruch, kippte Bacchus' Anteil brav auf den Boden – wenngleich der Weingott von Bier vielleicht nicht so angetan war – und nahm einen kräftigen Schluck.
    Werter Feind... Sextus trank nur langsam und sinnierte über die Worte nach. Wollte er diesen Kerl hier wirklich zum Feind? Angst hatte er nicht, weswegen auch. Aber warum sollte er sich wegen einer Prügelei, selbst einer verlorenen, die Mühe machen, jemanden zu befeinden? Es gab drei einfache Regeln, wie man recht unbehelligt durchs Leben kam, so man denn wollte. Finde deine eigene Wahrheit. Lass ab von Drachen (wobei hier nicht die feuerspeienden Flatterviecher gemeint waren, sondern jegliche Person, die schlicht so weit in ihrer Macht über einem selbst stand, dass man selbst dann noch auf der Hut sein musste, wenn sie freundlich zu einem waren. Oder gerade dann). Und zu guter Letzt: Wähl deine Feinde mit Bedacht.
    Gut, einige davon konnte man nicht immer befolgen, vor allem nicht, wenn man vorhatte, auf der Erfolgsleiter mal ein paar Sprossen zu überspringen. Dennoch blieb die Frage: War dieser unbekannte Niemand hier eine Feindschaft wert? Im Grunde nicht, entschied Sextus. Was hatte er davon, den Kerl tot im Tiber treiben zu lassen? Gar nichts, außer das zweifelhafte Vergnügen, einmal laut 'Ha Ha' sagen zu können.
    So also beließ er es vorerst einmal dabei. Die Option, seine Meinung zu ändern, blieb ja bestehen.

  • Konversation war etwas, das geübt sein wollte. Für Vala war es immer wieder eine hehre Herausforderung, gerade wenn es um Nichtig- und Kleinigkeiten ging. Das politische Leben bestand zu 90% aus unwichtigem Geschnatter. War eine Frau dabei, waren es 99%. Und es fiel Vala schwer, mehr als die ein Prozent sinnigem Gelaber zu konstruieren, was ihn nicht unbedingt zu einem redseligen Gesellen machte. Um genau zu sein: Vala hasste es. Er kam damit einfach nicht klar, und wenn ihn etwas aufregte, dann war es ein Kampf auf unbekanntem Terrain, und Smalltalk war für ihn nichts anderes. Unbekanntes Terrain. Mit Schlingen, Wurzeln, Sumpflöchern, morschem Holz und Windgruben in denen sich manigfalte Fallen befinden konnten.
    Vala ließ sich auf Auseinandersetzungen nur ein, wenn man zumindest gleichrangige Voraussetzungen hatte. Das hatte nichts mit Feigheit zu tun, ganz und garnicht. Vala hatte nur ein Faible für gut geplante Siege. Und sich auf etwas einzulassen, von dem er nicht wusste, ja nicht einmal ahnte wohin es ihn führen würde, das machte ihn SEHR vorsichtig.


    All dies führte dazu, dass Vala den Kerl eine Weile lang anschwieg. Und der Kerl schwieg zurück. Sowas konnte man wohl eine echte Männerrunde nennen: Typen, die sich erst verprügeln um sich dann beim Saufen gegenseitig anzuschweigen. Ein Bier folgte dem anderen, und die Schmerzen wichen langsam dem willkommen tauben Gefühl des Rauschs. Auch wenn Vala ein Auge darauf hatte, wie berauscht er war. Wie bei allem war ihm Kontrollverlust ein Ärgernis, und er machte da bei Alkohol keine Ausnahme. Eine Tugend, die er nicht erst entwickelt hatte seit er Linus kannte. Ein Gelage, mit einem sehr betrunkenen Vala, hatte einmal ein sehr blutiges Ende genommen, und seitdem hielt er es für besser, sich nicht mehr zur Besinnungslosigkeit zu saufen.
    Was diese... nun, Konversation kann man das nicht nennen... Konfrontation nicht einfacher machte. Der Alkohol löste die Zunge nicht, und so schwieg man sich weiter gegenseitig an. Ohne ein Wort. Still, nur durch den Lärm der Taberna mit Klang bereichert.

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