Ein neues Selbstvertrauen

  • Piso schlurfte eher ueber ueber den Markt, als dass er ging. Er war in Gedanken. Weder nach rechts noch nach links blickte er. Es entgingen ihm die farbenfrohen Federn, welche ein Nubier im Stand rechts von ihm anpries. Nicht in sein Blickfeld gerieten das schmackhafte Gemuese, welches die haendlerin links von ihm an den Mann zu bringen versuchte.
    Sein blick war nach vorne gerichtet. Dies hatte einen Grund - er visierte eine Bank an, welche dort stand, und auf die er sich niederzulassen beabsichtigte.
    Gedankenverloren passierte er einen Zeitungsjungen, welcher die neueste Ausgabe der Acta Diurna verkaufte. Er steckte mechanisch eine Hand in seinen Geldbeutel, schnippte dem Burschen ein paar Sesterzen zu und war nun der neueste Besitzer einer Ansammlung von Zetteln, auf der das Neueste vom Neuesten stand.
    Er erreichte die bank und blickte in den Himmel kurz hinauf. Wieso war er so... deprimiert? Er hatte doch alles. Eine Familie. Eine Arbeit. Was sollte er sonst noch wollen?
    Dass man ihn nicht immer als nutzlos bezeichnete. Ja, das waere ein guter Anfang.
    Er hatte immer geglaubt, er waere ein guter Musiker, und er wuerde dafuer Anerkennung bekommen. Doch seit den juengsten Ereignissen war er sich nicht mehr so sicher, ob das so stimmte. Vielleicht war er doch nicht gut? Vielleicht war die Reaktion des Publikum damals gerechtfertigt? Er rieb sich die Stelle am Bauch, wo ihn damals die Aepfel getroffen hatten, und die Stelle am Kopf, welche Bekanntschaft mit diesem Holzbalken gemacht hatte. Und dies, obwohl es gar nicht mehr schmerzte.
    Er schloss kurz die Augen. Gab es da etwas, was er nicht wahrhaben wollte? Was seine Sturheit ihm verbat, einzusehen? Er schuettelte kurz und leicht den Kopf.
    Er musste die Gedanken vertreiben. Er schlug also die Acta auf.
    Sorgfaeltig las er den Artikel ueber die juengsten Wahlen durch... man schrieb allerlei Loebliches ueber Aristides und Gracchus, die ja die Wahlen gewonnen hatten.
    Dann blaetterte er um. Automatisch schweiften seine Augen zur Rubrik "Kultur und Leben"... und was er da sah, raubte ihn den Atem.
    Er sah diesen Artikel.
    Er durchflog ihn, sog jedes Wort auf. Er hatte etwas atemberaubend Neues erschaffend... avantgardistisch... ungestuem und brilliant...
    Als er den Artikel fertig gelesen hatte, wagte er endlich wieder zu atmen.
    Die Acta fiel auf den Boden.
    Und Piso konnte sich nicht mehr beherrschen. Ihm rann eine Traene der Freude aus dem linken Augenwinkel. Er wischte sie gerade noch schnell weg. Seine Lippen waren leicht geoeffnet und bebten leise.
    Endlich. Anerkennung. Endlich.
    "Danke, ihr Goetter.", murmelte Piso. Dann konnte er sich nicht mehr halten. Mit einem Lachen sprang er auf und haette dabei fast jemanden getroffen.


    Sim-Off:

    Wer will? ;)

  • An jenem lauwarmen Frühlingstag schlenderte Sabinus gemütlich und durchaus gut gelaunt über die faszinienerenden Märkte der ewigen Stadt. Beeindruckt betrachtete er all die exotischen Waren, die von exotischen Händlern vertrieben wurde. Luchse aus Germania Magna, Pfaue aus dem fernen Osten, erlesener Bernstein ebenfalls aus Germania Magna. Der Vinicier seufzte leicht, schade, dass er nicht genug Geld hatte um eine dieser exotischen Waren zu kaufen, naja, wenigstens würde es für einen Schlauch Wein reichen. Er kaufte sich einen solchen, glücklicherweise sehr billigen Schlauch, nahm einen Schluck und schlenderte weiter, bis er schließlich an einer Bank vorbeikam auf der ein junger Mann, etwa in seinem Alter, so schätzte der Vinicier ihn zumindest ein saß und die Acta las. Nichts ungewöhnliches, also. Allerdings sprang der Mann wie aus dem Nichts plötzlich auf und hätte den vorbeigehenden Sabinus beinahe umgestoßen. Zuerst blickte er den Mann etwas verstört an. "Na, was bei allen Göttern hat dich denn gestochen, dass du durch die Gegend springst wie ein Irrer?", fuhr der Vinicier ihn dann an.

  • Als Piso aufsprang, waere er fast mit den Kopf an den Mann gestossen. "Hihihihehehehe, tut mir Leid.", lachte Piso. "Alles in Ordnung, mein Freund? Juheirassa!", machte er und machte schwungvoll eine schnelle Pirouette um seine rechte Ferse herum. "Ich habe gute Laune, kann man dagegen was sagen? Ich bin... bestaetigt worden, juhe!" Er war nicht mehr einzukriegen, am liebsten waere er quer ueber den ganzen Markt getanzt und haette dabei simultan Saltos geschlagen und Schuhplattler getanzt. Er beugte sich rasch nach unten und las die Acta auf. Er schlug mit einem begeisterten Grinsen die Seite auf und hielt sie dem Vinicier unter die Nase, wie einem Zollbeamten einen nur mit Geduld, Spucke, Einflussnahme und Bestechungsgeld errungenen Passierschein oder einem akademischen Kommittee ein muehevoll erarbeitetes Zeugnis. "Endlich... endlich weiss die Welt, was fuer ein Kuenstler ich bin.", freute er sich, ohne zu wissen, wieso er jetzt eigentlich einem komplett fremden Mann seine Gefuehle ausbreitete - es musste wohl jenes Gefuehl sein, welches alle Menschen einmal ueberkommt, dass sie jedem sagen wollen, was der Grund dazu ist, dass sie gut aufgelegt sind, wenn sie das sind. Er wedelte den Bericht vor der Nase des Mannes herum, sodass dieser unmoeglich lesen konnte, was dort drinnen stand.

  • Sabinus blickte den herumtanzenden und kichernden Mann einige Momente entgeistert an. Wollte man ihn hier verarschen? Stand da im Hintergrund etwa einer, der sich genau aufschrieb, wie er reagierte, und würde das in der nächsten Ausgabe der Acta Diurna landen? "Ähm, ja, alles in Ordnung", erwiderte der Vinicier verwirrt. "Mit dir auch?" Zu mehr kam Sabinus auch schon nicht mehr, denn im nächsten Augenblick wurde ihm eine Schriftrolle so direkt vor die Augen gehalten, dass er instinktiv zurückwich. Dann nahm er die Schriftrolle, schlug sie auf und las sie sich sorgfältig durch. Es war ein Artikel aus der Acta, in dem es sich um einen gewissen Flavius Piso drehte, und den Worten des unbekannten Mannes nach zu urteilen war er dieser Flavius Piso. "Und du bist also dieser Flavius Piso?", fragte Sabinus skeptisch. Wenn man es sich recht betrachtete wirkten das begeisterte Grinsen und die restlichen Gesten des junges Mannes sehr ehrlich, überraschend war nur, dass der man ein Patrizier sein sollte, die waren doch sonst so auf ihre Würde bedacht und so unnahbar für das "einfache" Volk... "Na, dann meinen Glückwunsch", entgegnete Sabinus, der sich beruhigt hatte und grinste freundlich.

  • "Mir? Mir? Mir geht es bestens, danke!", rief Piso aus, als der Fremde ihm nach seinem Wohlbefinden fragte. "So gut habe ich mich selten gefuehlt." Dass die Geschwindigkeit, mit der er den Artikel dem Mann unter die Nase gehalten hatte, von jenem bald schon als Tätlichkeit interpretiert wurde, fiel ihm nicht auf.
    Bereitwillig liess er sich den Artikel aus der Hand nehmen und blickte wohlwollend auf den Mann, als jener die Schriftrolle durchlas. Als er geendet hatte, stellte er ihm die unvermeidliche Frage nach seiner Identitaet. "Dieser bin ich. Hoechstselbst, in Person.", machte er stolz und liess seine Brust anschwellen, waehrend er sich moegliche zukuenftige Titel durch den Kopf gehen liess. Aulus Flavius Piso, Koryphäe der zeitgenoessischen Musik, ästhetischer Trendsetter und kuenstlerisches Vorbild. Ja, das klang gut.
    Den Glueckwunsch des Plebejers, der vermutlich nichts anderes wollte, als ungeschoren weiterzukommen, nahm Piso als ehrliche Bewunderung auf. Er war begeistert darueber, jetzt schon einen (unfreiwilligen) "Fan" gefunden zu haben.
    "Sag, mein Freund, mit wem habe ich die Ehre? Du scheinst dich mit wahrer Kunst auszukennen. Was wuerdest du von einem Gespraech ueber die wahre Natur der Aesthetik ueber einem Glas Wein halten? Ich wuerde dich einladen!", meinte Piso ueberschwaenglich.

  • Bei allen Göttern, was war denn mit dem los? Ob sich Patrizier immer so aufführten? Und wenn ja, lag das daran, dass Patrizier immer (oder meistens) nur unter sich heirateten? Fast hätte Sabinus den Flavier gefragt, wo man das, was er wohl vorher zu sich genommen hatte, denn herbekomme, ließ es dann aber bleiben. Piso wirkte im Grunde ja sympathisch auf den Vinicier, nur dessen überschwängliche Freude über diesen kleinen Zeitungsartikel fand er etwas merkwürdig. "Ähm ja", sagte Sabinus verwirrt, als sein Gegenüber behauptete, er würde sich mit wahrer Kunst auskennen. "Galeo Vinicius Sabinus ist mein Name", stellte er sich nicht ohne Stolz auf seine Gens vor. Das mit dem Gespräch und vor allem das mit dem Wein klang allerdings ganz gut, nur hoffentlich würde sich der Flavier ein wenig beruhigen. "Warum nicht", meinte Sabinus achselzuckend, schließlich hatte er ohnehin nichts vor. Fast hätte er noch "Wein ist immer gut" hinzugesetzt, aber das hätte wohl weniger gut auf den Flavier gewirkt... "Kennst du eine gute Taverne in der Gegend?", fragte der Vinicier freundlich.

  • Piso beruhigte sich schoen langsam. Sein Koerper wurde zwar noch immer regelmaessig von Kicherkraempfen geschuettelt, aber insgesamt schien der Ueberraschungsmoment verflogen zu sein. Er fuehlte sich gut. Oh ja. So gut hatte er sich seltenst gefuehlt. Es war, als ob er fliegen wuerde, oder auf Wolke 7 schwebte. Es war ein gutes Gefuehl. Endlich trugen seine jahrelangen Bemuehungen Fruechte.
    "Ach! ich habe sofort gewusst, ein Geniesser! Dies musst du ja auch sein,w enn du der Gens Vinicia angehoerst.", meinte er. "Freut mich sehr dich kennen zu lernen. Und ja... es gibt eine gute Taverne hier... die beste in ganz Rom."
    Er machte eine fuerwahr theatralische Geste und deutete schwungvoll in der Richtung der Taverna Apicia, deren kraeftig weiss angekieselte Waende durch das Gewuehl der Leute und der Staende zu scheinen schien.
    "Es ist eine ausgezeichnete Staette, um einen guten Tropfen auf den Erfolg zu trinken, Vinicius Sabinus." Noch einmal ein unkontrolliertes Kichern, es sollte das letzte sein. piso hatte sich nun wieder im griff, nur ein warmes Laecheln auf seinen Lippen zeugte noch vom Stolz auf seine Leistung. "Findest du nicht auch?"

  • Sabinus grinste leicht, der Ruf seiner beiden Onkel, Vinicius Hungaricus und Vinicius Lucianus eilte ihm schon wieder einmal vorraus, später einmal, wenn er vielleicht schon selbst im Senat sitzen würde, würde es ihn bestimmt ziemlich aufregen, immer auf die beiden angesprochen zu werden, aber noch freute es ihn so bekannte und einflussreiche Verwandte zu haben. "Die Freude ist ganz meinerseits, Piso", erwiderte der Vinicier. Anschließend folgten seine Augen der einladenden Geste des Flaviers. Er musterte die Taverne kurz und nickte da. Schien gemütlich zu sein. "Sicher", meinte er freundlich lächelnd. "Sicher, sieht recht nett aus, die Taverne. Dann lass uns auf deinen Erfolg trinken..." Ob Piso wohl zahlen würde?

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!