Atrium | Kleine Leute haben große Probleme

  • Ein wenig nervös zupfte ich an dem Kragen meiner Tunika herum, während ich durch das Atrium lief. Hoffentlich würde ich niemandem in den Weg laufen und noch viel mehr hoffte ich, dass Crista den Weg hier herfand. Wobei finden tat sie den Weg (hoffentlich) bestimmt, aber ob sie das gerade heute tun würde, das war wieder eine andere Sache. Bei Voltumna, da konnte sie vielleicht ja auch schon längst die Villa Tiberia verlassen haben, ohne dass ich es mitbekommen hätte. Möglich wäre es, hatte ich doch in den letzten Wochen immer einen ziemlich tiefen schlaf gehabt.


    Nun da mochte Aplu vor sein, dass sie schon weg war, bevor ich noch mal mit ihr reden konnte und das war es weshalb ich ja auch hier wartete, Löcher in meine Sandalen lief und mich der Gefahr aussetzte, von irgendso einem Dienstboten angemeckert zu werden. Schließlich war Crista immer unglaublich nett gewesen... ein wenig anstrengend vielleicht, aber wirklich sehr nett. Die würde bestimmt nicht einfach abreisen ohne vorher "Auf Wiedersehen" zu sagen. Aber wann hatte ich sie das letzte Mal gesehen? Das musste schon Ewigkeiten her sein, also vorgestern oder sogar davor!


    Mittlerweile schmeckte meine Unterlippe auch schon etwas komisch, vermutlich hatte ich mal wieder zu lange darauf herumgekaut. War wohl besser ich wechselte wieder zu Fingernägeln, auch wenn die ziemlich schmutzig waren. Na hoffentlich würde sie heute hier noch vorbeikommen.


    Sim-Off:

    Alle Plätze reserviert!

  • Sie wollte nach ihrem Unfall koste was es wolle das Atrium meiden, weil dort nämlich das Wasserbecken war, in welches sie gefallen und sich den Kopfangeschlagen hatte. Seit diesem Unfall war sie blind, konnte nur Licht und Schatten sehen. Nun.. hoffentlich hatte dieses Becken ein Gitter bekommen, welches verhinderte, dass man oder frau erneut hineinfallen konnte. Sie blieb an einer Wand stehen.. und versuchte sich auf den vor ihr liegenden Raum zu konzentrieren. Wenn frau zu einem anderen Raum wollte musste frau beinahe immer das Atrium queren. Normalerweise hätte ihre Assistentin Nanta ihr sicher diesen Gang ersparen wollen, doch die gebürtige Sizilianerin hatte den Nachmittag und den Abend frei bekommen.


    Crista tat einen vorsichtigen Schritt geradeaus, liess eine Hand an der frisch gekalkten Wand entlang gleiten. Mit tastenden Schritten und gesenktem Kopf ging sie langsam weiter. Da war jemand in ihrer Nähe.. Abrupt blieb sie stehen, lauschte mit den Ohren in die Richtung? Zerkaute der jemand etwa die eigenen Fingernägel? Wer von den Bewohnern dieser Villa würde dies machen? Sie beschloß noch ein paar Schritte weiterzugehen.. vielleicht würde sie den Schatten zum Geräusch finden. "Huhu..." kündigte sie sich mit leiser Stimme an. Hoffentlich war das Becken weit weg!

  • Beinahe hätte ich es ja schon aufgegeben auf ein mögliches Erscheinen von Crista zu warten, vielelicht wäre es ja doch besser gewesen durch die villa tiberia zu laufen und sie aktiv zu suchen? Aber bei meinem Glück hätte ich sie da bestimmt immer verfehlt oder mir eine Tracht Prügel eingfangen, weil ich irgendwo aufgetaucht wäre, wo ich nicht hätte sein sollen. Zumindest wurden langsam die kaubaren Fingernägel an meinen Händen knapp, als ich langsame, schlurfende Schritte in einem Gang hörte. Das hörte sich nicht wenig gruselig an, noch dazu wo es nicht mehr sonderlich hell im Atrium war und die umliegenden Gänge erst recht im Schatten lagen. Als ich dann auch noch ein leises Flüstern wie von den manen hörte, zuckte ich doch tatsächlich so zusammen, dass ich mir vor Schreck auf den Zeigefinger biss.


    "Autsch..."


    Schnell schlug ich mir die Hand vor den Mund, aber vermutlich hätte den Wehlaut selbst ein hunderzehnjähriger Methusalem gehört, dann sicherlich auch ein Geist aus der Unterwelt. Hatte ich vielleicht irgendwie meine Eltern oder meine Geschwister verägert? Da mochte Voltumna vor sein... im nächsten Moment patschte ich mir ob dieses Gedankens wegen an die Stirn. Manchmal war ich auch einfach viel zu ängstlich, denn die Gestalt die da langsam näherschlurfte war jetzt ziemlich deutlich zu erkennen und es war... Crista. Auf sie hatte ich doch schon stundelang gewartet und jetzt wäre ich beinahe vor ihr weggelaufen, weil ich sie für einen Geist hielt. Mitunter konnte ich wirklich so ein Idiot sein, dass mir apa bestimmt eine nicht sonderlich liebevolle Kopfnuss verpasst hätte.


    Schnell trat ich jetzt näher zu der großen freundlichen Frau und blieb dann vor ihr stehen.


    "Hahallo, Cirsta..."

  • Ein Schmerzenslaut.. der Crista irritierte.. dann aber kam die Erklärung. Die Stimme des kleinen Jungen, den sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte und von dem sie gedacht hatte, dass er schon längst weg oder gar fortgegeben worden war. "Laris?" fragte sie leise, streckte ihre Hände nach dem Jungen aus. Behutsam landeten ihre Hände auf Laris Schultern und zogen ihn sanft aber nachdrücklich näher zu sich heran. "Laris! Wie gehts dir? Bist du wohlauf??"


    Sie wusste nicht genaueres über den verheerenden Brand in der Villa. Also wie er entstanden war und ob es Verluste gegeben hatte. Als erblindete junge Frau roch sie lediglich Kalk, Holz und Farbe. "Laris? Führst du uns zu einer Sitzgelegenheit? Dort lässt es sich bequem sitzen. Erzähle mir alles. Sind deine Knie verheilt? Passen dir deine Tuniken nicht mehr? Du bist bestimmt gewachsen..." plapperte sie aufgeregt drauflos und schickte ein Lächeln in die hoffentlich richtige Richtung zum Jungen hinunter.

  • "Hier!" Als Crista meinen Namen rief winkte ich mit der Hand und sah etwas ratlos drein, so dunkel war es doch gar nicht im Atrium, dass sie mich übersehen konnte. Auch wenn ich mich über das Verhalten wunderte, ließ ich es doch gerne zu, dass sie mir dann ihre Hände auf die Schultern legte und näher zu sich ran zog. Schon so lange seit dem Tod meiner ati war Crista auch damals als ich sie kennengelernt hatte die einzige gewesen, die sowas ähnliches wie eine Streicheleinheit für mich hatte, sodass ich leicht rote Wangen bekam; der dämliche Gärtner brachte die ja nur mit seinen täglichen Schlägen, wenn ich mal wieder zu tief oder zu flach oder überhaupt gegraben oder zuviel oder zuwenig oder auch überhaupt die Pflanzen gegossen habe, also eigentlich immer, zum Erröten und mich zum Weinen. "Danke Crista... jetzt... geht es mir gut." Was für einen Schund brabbelte ich da schon wieder, bestimmt würde ich gleich noch flennend auf die Knie fallen, weil sich jemand für mich interessierte. Aber deshalb durfte ich, bei Aplu. ja nicht die Erziehung meines apa vergessen. "Und bei didir, sieht auch all... alles gut aus?"


    Als mich dann Crista fragte, ob ich sie zu einem Sitzplatz führen könnte, nickte ich natürlich, blinzelte dabei aber doch verwirrt. Konnte sie da nicht selber hingehen? Und warum blickte sie, während sie mit mir sprach, beständig über mich hinweg auf den Boden hinter mir? Nachdem ich mich zweimal zum Nachsehen umgedreht hatte, war ich mir fast sicher, dass es da nichts zu sehen gabt. Moment zu sehen? War da nicht was...? Oh bei Unis Ti..., äh Töpfen... dann stimmten die Gerüchte also leider doch, die ein paar Sklaven über Crista erzählt hatten. Und ich Trottel frage auch noch, wie es bei ihr aussieht... Plötzlich ein wenig beklommen nahm ich ihre Hand und führte sie zu einer Sitzbank neben dem impluvium. Mit einer Blinden hatte ich es noch nie zu tun gehabt! Wie das wohl sein musste, nichts mehr sehen zu können? Das tat bestimmt weh... dafür musste sie wohl auch keine Möhren mehr essen, oder? Bei der steinernen Sitzgelegenheit angekommen wusste ich erst nicht so recht, wie ich Crista darauf hinweisen sollte, entschloss mich dann aber es ihr einfach zu sagen, außerdem musste ich ja auch noch ihren Haufen Fragen beantworten und das am besten ohne ständig zu stottern, wofür ich zu Hause eh schon längst den Hintern hätte versohlt bekommen.


    "Du kannst dich je... tzt setzen, Christa." Ich versuchte dabei ihr Lächeln zu erwidern, aber sehen konnte sie es natürlich nicht und es war auch ein wenig verschämt meinerseits, aber vielleicht hörte sie es ja aus der Stimme raus, das ich nicht gerade unglücklich war sie zu sehen. "Meinen Knien gehts wunderbar," auch wenn die Arbeit beim Gärtner anstrengend war, hatte jung zu sein wenigstens den Vorteil, alle Anstrengung noch ohne Probleme wegstecken zu können. "Ach gewachsen bin ich leider kaum, nur eine Handbreit... Wenn ich mal groß bin werde ich bestimmt als Zwerg arbeiten können. Passen tun mir meine Tuniken auch noch, a... aber die sehen aus, als wär schonmal jemand dadrin beerdigt worden. Was bei meiner Arbeit für den Gärtner weder verwunderlich noch störend war und vermutlich Christa überhaupt nicht interessierte, weil sie sowas wohl nur noch peripher tangierte.


    Aber wenn ich einmal anfing zu reden, dann laberte ich meistens so einen Schund wie mein apa, der dafür auch oft genug einen auf den Deckel bekommen hatte. "Kannst du eigentlich immer noch neue Kleidung nähen?" Tja, mir konnte leider gerade keiner einen Klaps auf den Hinterkopf geben, um nicht blöde Fragen zu stellen, war schließlich niemand sonst da außer Crista und die war ja nett. Und was war doch tatsächlich die erste Frage die mir in dem Moment einfiel, wusste Tinia warum.

  • Wenn Crista gewusst hätte, was dem kleinen Jungen in den wenigen Sekunden die sie vor ihm stand und auf seine Antworten wartete, durch den Kopf ging.. sie hätte sich alles mit einem amüsierten Schmunzeln angehört. "Ja... es sieht alles gut aus." Er fasste nach ihrer Hand und führte sie weiter zu der Sitzgelegenheit nach der sie gefragt hatte. "Ich danke dir." Sie tastete die steinerne Sitzfläche ab, setzte sich langsam nieder. "Wunderbra, das es deinen Knien gutgeht, sie sahen richtig schlimm aus. Hm.. eine Handbreit ist in meinen Augen für dein Alter schon recht viel Wachstum."


    Sie musste bei seinen Worten über die Tuniken lachen und streichelte den Rücken des Jungen mit einer liebevollen Handbewegung. "Das klingt so, als müssten deine Kleider in der Länge verlängert werden, damit dir alles wieder passt. Es ist schön dir zuzuhören, Laris." Sie schwieg für einen Moment. "Es geht, Laris.. es muss irgendwie weitergehen. Ich bin erblindet. Ich musste die Säulen um das Becken putzen. Plötzlich war ein Kater da und sauste unter meinem Schemel durch. Wegen seinem Auftauchen habe ich mich sehr erschreckt und bin ins Wasser gefallen. Ab da weiss ich nicht mehr, was dann passiert ist. Die anderen sagen, ich habe den Kopf am Becken angeschlagen und lag lange Zeit in einem tiefem Schlaf. Tiberia Arvinia und Cato haben sich große Sorgen um mich gemacht. Hast du den Brand mit bekommen? Cato hat mich herausgeholt und von den Flammen fortgebracht. Irgendwann wachte ich in Catos Armen auf und musste feststellen, dass ich nichts mehr sehen kann."


    Crista legte ihre Hand auf seine Schulter. "Als wir gemeinsam wieder hierher zurückkehrten, begann ich hell und dunkel zu unterscheiden, ich kann Licht und Schatten erkennen. Das ist bis heute so geblieben." Wieder bewegte sie ihre Hand über Laris Rücken runter und liess sie hinter ihm liegen. "Kurz vor dem Brand ist Tiberius Iuvenalis verstorben, erzählte Cato. Iuve war mein Herr und hat mich mit einem kleinen Vermögen und der Freiheit bedacht. Und deshalb.. weil ich frei bin, werde ich fortgehen." Crista versuchte zu lächeln. "Träumst du nicht auch davon fortzugehen?? Ich würde dich nach Germanien mitnehmen. Allerhöchstens kann ich versuchen dich freizukaufen und zu adoptieren."

  • Mit einem breiten Lächeln zeigte ich alle meine Zähne, samt einer Zahnlücke wo mein vorletzter Milchzahn rausgefallen war, aber das konnte Crista natürlich nicht sehn, trotzdem freute es mich das es ihr gut ging und sie sie sich noch sorgen um meine Knie machte. Mit Schwung setzte ich mich neben sie, wobei ich mittlerweile zumindest schon mit den Zehenspitzen den Boden berühren konnte. Aber was das Wachstum anging... da konnte ich ihr nicht recht geben. “Ach, alle anderen sind doch immer noch viel größ...er als ich. Und mein apa war auch immer kleiner als meine ati.“ Dafür würde ich wohl in Zukunft nicht soviel für meine Tuniken ausgeben müssen, die mussten dann ja auch nicht viel größer sein als jetzt!


    Das Lachen von Crista war kurz darauf richtig schön anzuhören, aber als sie dann erzählte, wie sie ihr Augenlicht verloren hatte, was für ein dummer Spruch eigentlich, ihre Augen leuchteten doch manchmal immer noch hübsch, bekam ich doch auch große Augen. “Didie Säulen um das Becken hier neben uns?“ Etwas beklommen rückte ich auf der Sitzbank weiter nach vorne, dann lauschte ich wieder gebannt Cristas Worten. Zum Glück saßen wir nicht an einem flackernden Kaminfeuer im Dunkeln, sonst wäre mir bestimmt ein Schauer über den Rücken gelaufen. Als sie dann bei der Stelle ankam, wo sie sich den Kopf angestoßen hatte, fuhr ich zusammen und drückte ihre Hand. “Oh...“ In Zukunft würde ich mich vor bösen Katern in acht nehmen und nur noch Katzen streicheln! Bei ihrer Zwischenfrage nach dem Brand, nickte ich heftig mit dem Kopf, murmelte aber dann doch ein: “Naja, nicht so richtig...“, um Crista nicht zu unterbrechen. Damals war der Gärtner mit mir Dünger kaufen gegangen, der war dann aber in einer schmuddeligen Taverne steckengeblieben, vor der ich mir stundenlang die Beine in den Bauch gestanden hatte, als wir zurückkamen, war der Brand nur noch so eindrucksvoll, wie früher, wenn die Stoppeln auf den Feldern abgebrannt wurden.


    Die Hand von Crista auf meiner Schulter brachte mich dann aber wieder dazu ihr aufmerksam zuzuhören. Ein wenig biss ich mir auf die Lippen, weil ich es doch ziemlich ungerecht fand, dass gerade Crista nichts mehr sehen konnte und nicht so ein Widerling, wie der Typ der mir mein Elternhaus weggenommen hatte. “Hoffentlich lässt Voltumna dir dein ganzes Augenlicht zurückkehren!“ Mit den Namen von den Herrschaften konnte ich nichts anfangen, ich hatte nur einmal mit einer domina zu tun gehabt, und den Rest höchstens mal gesehen. “Das ist doch schön, dass du frei bist...“ Das Lächeln darob erstarb aber rasch auf meinen Lippen, als Crista meinte sie wollte vorgehen. “Oh!“ Da gab es endlich mal jemand auf der ganzen Welt die ich mögen konnte und dann wollte Crista weggehen. Mochte Vanth wissen warum. Als sie dann jedoch vorschlug mitzukommen, blieb mir einen Augenblick lang der Mund offen stehen. Meinte sie das wirklich ernst? Wollte sie mich wirklich mitnehmen? Warum? Ich war doch unnütz wie ein Kropf, sagte zumindest der Gärtner jeden Tag... aber eigentlich war es doch total egal, warum sie mich mitnehmen wollte, alles, wirklich alles war besser als hier zu bleiben! “So...fort wiwill ich mit dir mitgehen!“ Da gab es nichts zu überlegen, auch wenn sich Germanien nicht nett anhörte, war alles besser als hier. “Freikaufen brauchst du mich nicht, ich bin kein... Sklave.“ Zumindest soweit ich das bisher immer verstanden hatte. Und so eine komische Plakette hatte ich auch nicht. “Ich... ich weiß gar nicht, was ich jetzt sagen muss, Crista.“ Mit ziemlich großen und wie ich zu meiner Schande gestehen muss auch ziemlich feuchten Augen sah ich die nette Freigelassene an und wusste tatsächlich nicht, wie es jetzt nun weitergehen würde.

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