Ein Frühlingshauch schwebte durch den flavischen Garten. Braunes Geäst war überzogen mit dem ersten, grünlich schimmernden Flaum, Blüten hatten sich geöffnet über dem Erdboden. Der Winter schien Reißaus genommen zu haben. Und mit dem Winter war die Zeit der Ruhe vorbei, die Agrippina sich gegönnt hatte. Seit ihrer Ankunft waren nun mehrere Wochen vergangen, Tage, die sie genutzt hatte zu ruhen, sich einzuleben, sich einzugewöhnen. Als sie beschlossen hatte, zum ersten Mal seit langem wieder einmal nach Rom zu reisen und die Villa Flavia zu besuchen, hatte sie die Entscheidung über die Dauer ihres Aufenthalts vertagt. In weiser Voraussicht, denn, wie ihr bereits in jenem Moment sonnenklar war, sie konnte kaum in Baiae beurteilen, wie lange ihre Anwesenheit in Rom vonnöten war. Dass sie gebraucht werden würde, war ihr ebenso sonnenklar, jedoch gab es hiervon verschiedene Abstufungen. Nun, inzwischen in der Villa heimisch geworden, wusste sie, dass ihre Anwesenheit in der Tat für einen längeren Zeitraum nötig war. Vielleicht lag es daran, dass Felix nun schon so lange fern von Rom in seiner Villa verweilte, und dass ihr eigener Sohn während des Feldzuges ebenfalls lange nicht hier gewesen war. Sie fand jedenfalls, es könne allen hier nur gut tun, wenn sie blieb. Momente der Muße hatte sie in Baiae genug gehabt, nun war es so weit, etwas zu tun, für die Familie, namentlich für ihren Sohn und ihren Enkel. Wenn sie eines gelernt hatte in ihrem Leben, dann dies: Man musste stets den richtigen Zeitpunkt erkennen für die Dinge, die darauf warteten getan zu werden.
Und die Villa in Baiae lief ihr nicht davon.
So kam es, dass Agrippina an diesem Morgen durch den Garten flanierte, aufmerksam ihre Umgebung in sich aufnahm, während sie darüber sinnierte, was für sie anstand in den nächsten Tagen. Die Spiele zu Ehren der Kybele standen in diesen Tagen an, vielleicht war es sinnvoll, sich bei einer der zahlreichen Feiern im Zuge dieser Zeremonien sehen zu lassen. Den Göttern sei Dank gab es nicht nur ein Wagenrennen, sondern auch andere Festivitäten, denen man beiwohnen konnte und die ihrem Geschmack mehr zusagten. Und es konnte nie schaden, sich in der Öffentlichkeit sehen zu lassen. Präsenz zu zeigen. Man konnte nie wissen, welche Kontakte man im Verlauf derartiger öffentlicher Veranstaltungen knüpfen konnte.
Wer mag?