Hortus | Flanieren im Grünen

  • Ein Frühlingshauch schwebte durch den flavischen Garten. Braunes Geäst war überzogen mit dem ersten, grünlich schimmernden Flaum, Blüten hatten sich geöffnet über dem Erdboden. Der Winter schien Reißaus genommen zu haben. Und mit dem Winter war die Zeit der Ruhe vorbei, die Agrippina sich gegönnt hatte. Seit ihrer Ankunft waren nun mehrere Wochen vergangen, Tage, die sie genutzt hatte zu ruhen, sich einzuleben, sich einzugewöhnen. Als sie beschlossen hatte, zum ersten Mal seit langem wieder einmal nach Rom zu reisen und die Villa Flavia zu besuchen, hatte sie die Entscheidung über die Dauer ihres Aufenthalts vertagt. In weiser Voraussicht, denn, wie ihr bereits in jenem Moment sonnenklar war, sie konnte kaum in Baiae beurteilen, wie lange ihre Anwesenheit in Rom vonnöten war. Dass sie gebraucht werden würde, war ihr ebenso sonnenklar, jedoch gab es hiervon verschiedene Abstufungen. Nun, inzwischen in der Villa heimisch geworden, wusste sie, dass ihre Anwesenheit in der Tat für einen längeren Zeitraum nötig war. Vielleicht lag es daran, dass Felix nun schon so lange fern von Rom in seiner Villa verweilte, und dass ihr eigener Sohn während des Feldzuges ebenfalls lange nicht hier gewesen war. Sie fand jedenfalls, es könne allen hier nur gut tun, wenn sie blieb. Momente der Muße hatte sie in Baiae genug gehabt, nun war es so weit, etwas zu tun, für die Familie, namentlich für ihren Sohn und ihren Enkel. Wenn sie eines gelernt hatte in ihrem Leben, dann dies: Man musste stets den richtigen Zeitpunkt erkennen für die Dinge, die darauf warteten getan zu werden.


    Und die Villa in Baiae lief ihr nicht davon.


    So kam es, dass Agrippina an diesem Morgen durch den Garten flanierte, aufmerksam ihre Umgebung in sich aufnahm, während sie darüber sinnierte, was für sie anstand in den nächsten Tagen. Die Spiele zu Ehren der Kybele standen in diesen Tagen an, vielleicht war es sinnvoll, sich bei einer der zahlreichen Feiern im Zuge dieser Zeremonien sehen zu lassen. Den Göttern sei Dank gab es nicht nur ein Wagenrennen, sondern auch andere Festivitäten, denen man beiwohnen konnte und die ihrem Geschmack mehr zusagten. Und es konnte nie schaden, sich in der Öffentlichkeit sehen zu lassen. Präsenz zu zeigen. Man konnte nie wissen, welche Kontakte man im Verlauf derartiger öffentlicher Veranstaltungen knüpfen konnte.


    Sim-Off:

    Wer mag?

  • Sim-Off:

    Ich würde gerne! :)


    Es ging doch nichts über einen Spaziergang am frühen Morgen. Dies diente nicht nur der Körperertüchtigung, sondern auch dem Aufnehmen frischer Luft, was bekanntlich dazu führte, die Kreativität und den Ideenreichtum zu stärken. Strammen Schrittes bewegte ich mich dem Garten zu. Es war einfach herrlich! Der Duft der blühenden Bäume und Sträucher, die bunten Frühlingsboten, die in ihren Beeten am Wegesrand blühten, das Vogelgezwitscher allerorten. Was gab es schöneres, als auf diese Weise den Tag zu beginnen?
    Begleitet wurde ich von einem kleinen Rattenschwanz an Sklaven, angeführt von meiner Charis, die etwas Mühe hatte, mit mir Schritt zu halten. Des Weiteren war da noch ein namenloser Sklave, der ein Tuch mit sich führte, mit dem man mich abtupfte, falls ich einmal zu stark transpirieren sollte. Ein Sklavenjunge eilte mit einem Becher und einem Krug Wasser hinterher. Auch dem Parther hatte ich mitteilen lassen, er solle sich noch im hortus blicken lassen. Meine neueste Errungenschaft hatte mich zwar schon einige Nerven gekostet, jedoch machte ihn seine Andersartigkeit und seine latente Tollpatschigkeit zu einem amüsanten Zeitvertreib.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, noch jemand anderen zu dieser Stunde im hortus zu erwarten. Mir war auch nicht bekannt, daß noch andere Mitglieder der Familie Frischluftfanatiker oder gar Frühaufsteher waren. Außer einigen Sklaven, die den Garten nach der langen Winterperiode wieder auf Vordermann brachten, erwartete ich hier niemanden anzutreffen. Und doch sollte ich eines Besseren belehrt werden. Direkt vor mir auf dem Weg zeichnete sich der Umriß einer edlen Dame ab, die keine Geringere als Agrippina war, Marcus´ hochgeschätzte Mutter aus Baiae.
    Ich wußte, seit einiger Zeit weilte sie in Rom. Leider war es mir bislang versagt geblieben, sie etwas näher kennen zu lernen.
    "Ja ist es denn die Möglichkeit, Agrippina! Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich dir! Was führt dich denn zu so früher Stunde in unseren wunderschönen Garten?" , rief ich verzückt aus. Vielleicht hatte ich ja eine Gleichgesinnte gefunden, die die friedvollen Stunden des Morgens mit mir genießen wollte.

  • Es war Frühling! Endlich Frühling! Mica stand bei einer der Statuen im Garten und beobachtete die anderen, die sich zu den Beeten nieder gebeugt hatten, um hier und dort etwas hervor zu zupfen. Er fühlte sich fehl am Platze. Die Geschichten über Kybele war in seinen Gedanken, die ihm Athanaos, der junge griechische Lehrer erzählt hatte, denn nun war bald das Fest. Er sah ihn vor sich, wie er lachte und seine Ausführungen letztlich in wahre Lügenmärchen abdriften ließ, nur um zu testen, ob seine Schülerschaft auch aufmerksam genug gewesen war, um den Schwindel zu bemerken. Manchmal hatte Mica es nicht bemerkt, der er war in Gedanken schon wieder ganz woanders gewesen, auch wenn es für ihn ein Leichtes war, fehlerhaftes in Aussagen zu finden, da er sich recht viel merken konnte. Trotzdem hieß das nicht, dass er immer aufmerksam war.
    Es bedurfte nur einer Fliege an der Wand oder das Rascheln einer Maus, irgendwo in der Wand, um ihn abzulenken.
    Außerdem tat er sich schwer mit griechischen Wörtern und der Schrift. Sicher konnte er inzwischen viele Geschichten erzählen und Gedichte aufsagen, genauso wie man es von ihm gewollt hatte, auch wenn er sich mehr für Menschen, Tiere, Pflanzen und die Behandlung derselben interessierte. Kurzum war er zu einem guten Gesellschafter geworden, doch gerade hier schien dies niemand zu benötigen und im Grunde war es ihm ganz angenehm, auch wenn er sich halb zu Tode langweilte und das tat, was er selber für sich als seine Bestimmung empfand. Er hatte eine räudige Katze gefunden, die halb verhungert herum gestreunt war. Nun kam sie immer öfters und er steckte ihr meistens heimlich etwas vom eigenen Essen zu. Das hatte er auch an diesem Morgen vor gehabt, wenn er nicht verschlafen hätte. Nur sah er sie jetzt nicht. Sicherlich war sie hinter irgend einer Ecke verschwunden und wartete ihrerseits darauf, dass es ein wenig stiller wurde. Vielleicht genauso still, wie er es in letzter Zeit selber war.


    Die neue Umgebung war für ihn gewöhnungsbedürftig. Dabei störte ihn eigentlich nichts. Es war einfach nur anders. Sonderbar anders. Vielleicht konnte er deshalb nicht schlafen. Oder es lag an der Luft, die ihm ebenfalls nicht so erschien wie in Baiae. Dort stand sein Baum, auf den er immer geklettert war, um allein zu sein und seine Ruhe zu haben und mit Sicherheit würde er gerade kleine grüne Triebe tragen, aus den alsbald die Blätter hervor sprießen, in einem sachten, hellen Grün. Er versuchte sich vorzustellen, dass der Baum an diesem Ort wäre, doch so recht wollte es dann doch nicht ins Bild passen. Eigentlich war es ein Zufall, dass er in Rom war. Ein Moment der Unachtsamkeit und schon war im ungünstigen Augenblick die Weisung ergangen, er könnte doch ein Gepäckstück tragen. Sicher war es die Herrin höchst persönlich gewesen und er hatte nicht gewagt, in ihre Aufbruchstimmung hinein ein Wort des Widerspruchs zu setzen. Dabei war das immer das Ziel seiner Träume gewesen. Einmal reisen. Es war schon sonderbar, sich sein ganzes Leben etwas zu wünschen und in dem Moment, in dem man feststellte, dass es tatsächlich in Erfüllung gegangen war damit zu hadern, dass man nichts mehr hatte, was einem absolut vertraut war. Sollte er sich eingestehen, dass er Heimweh hatte? Sicher nicht! So etwas war kindisch und passte einfach nicht zu jemandem, der bald vierzehn Jahre alt wurde, worauf Mica unumwunden stolz war. Seine Stimme veränderte sich bereits. Darauf hatte er schon seit einem Jahr gewartet und war nun, da das Ereignis endlich eintrat, ein Grund um doch lieber zu schweigen. Er rümpfte kurz die Nase und wischte sich über das Gesicht.


    Er war gewiss kein Weichling, sondern fast ein Mann! Athanaos meinte, ein Mann erträgt alles in Würde und so stoisch es eben ging. Zumindest sagte er das bis er sich in Lea, eine junge Sklavin verliebte und fürchterlich theatralisch wochenlang gelitten hatte. Bestimmt tat der Grieche das gerade wieder, denn die Jahreszeit war dazu angetan. Nur Lea würde es nicht wieder sein, denn griechische Stimmungen schienen so wechselhaft wie das Wetter im April. Wer es wohl dieses Mal war, für den den sein junger Lehrer sich zum Gespött machte? Mica dachte flüchtig an seine Mutter Lydia, die meinte, es hätte sicher etwas mit der Philosophie zu tun, dass Athanaos sich in irgendetwas hinein steigerte, ehe sie meinte, dass es eben an den Jahreszeiten läge, dass mal die holden Frauen wie Lea ein großes Thema der Aufmerksamkeit waren. Wenn sie so etwas sagte, dann lachte sie immer. Unwillkürlich musste der Junge grinsen und seine Gedanken kreisten weiter. Sicher war es keine Philosophie. Es war dumm, denn Mädchen generell waren ja auch dumm und kein Grund lang anhaltende Seufzer von sich zu geben und großäugig drein zu schauen, ohne jemals den Kopf in eine bestimmte Richtung zu wenden. Obwohl er inzwischen schon so manches Mal dachte, dass vielleicht ein Quentchen Wahrheit in der stummen Bewunderung stecken konnte. Ada war nett. Sie war so alt wie er selber, doch auch sie war in Baiae geblieben.


    Mica seufzte schwer und blinzelte gegen die Sonnenstrahlen an, die über die Mauer gleißten und alles in ein warmes, freundliches Licht tauchten. Zu Hause wäre er nun bei Athanaos, oder bei Ada oder bei einem der anderen und sie würden lachen. Seine Mutter wäre da und alles wäre weniger...anders. Mit einem heftigen Kopfschütteln versuchte er, alles von sich zu schieben und zu vergessen, dass sogar die Saturnalien in diesem Jahr weniger freudvoll für ihn ausgefallen waren. Er hatte nichts geschenkt und auch nichts bekommen, doch das war auch ganz zweitrangig, wie er verzweifelt versuchte es sich selber einzureden. Die Herrin Agrippina hatte ihn bisher nicht einmal bemerkt und wie er diesen Umstand für sich selber einschätzte, war es gut so.


    Schon wurden seine Gedanken gestört. Es raschelte in einem Busch und eine rot getigerte Katze streckte ihren Kopf hervor und schaute zu ihm hinüber. Mica spannte sich an, warf noch einen flüchtigen Blick auf die anderen im Garten, ehe er sich daran machte, langsam auf das kleine Tier zu zu gehen, als wäre diese Bewegung nichts mehr als ein einziger Zufall.
    Aus dem Augenwinkel heraus sah er die Herrin Agrippina, die durch den Garten schlenderte. Er hatte sie gar nicht bemerkt. Schnell war er von dem Weg herunter, um sie vorbei schreiten zu lassen als auch schon eine weitere Person, mit einem kleinen Tross im Garten erschien. Es war die Herrin Celerina.


    Mica hielt kurz den Atem an und linste zu der Katze hinüber, die sich wieder zurück gezogen hatte und die Ankömmlinge misstrauisch beäugte, ehe sie den Blick auf ihn selber setzte. In der Stimme von Herrin Celerina schwang Verzückung und die hektischen Bewegungen der anderen Sklaven trieb die kleine Katze zurück. Es war gewiss besser, wenn sie nun nicht hervor kam, denn dass sie schwächlich und räudig war, konnte wohl ein Blinder sehen. Gerne hätte er sie weggeschafft, doch so unauffällig wie er es vorgehabt hatte, würde sich das wohl nun nicht mehr realisieren lassen. Mit wenigen, unauffälligen Seitwärtsschritten bewegte er sich dennoch auf den Busch zu. Es war zu dumm, doch er mochte sich auch nicht ausmalen, was man mit der Katze anstellen würde, wenn irgendjemand außer ihm sie entdeckte. Dem leisen Fauchen, das dem Tier entwich, missbilligte er mit einem schnellen Kopfschütteln und er legte den Zeigefinger auf seine Lippen. Das musste nun nicht auch noch sein.

  • Stille und Eintracht herrschten. Friede und Ruhe. Die Voeglein zwitscherten, die Bienen summten, die Baeume wogen sich im Wind. Die Blaetter rauschten friedlich vor sich hin. Der Duft von Marillenblueten beherrschte die Luft. Im Gras bluehten die Narzissen, die Krokusse, die Veilchen. Ruhe und Frieden. Niemand haette sich wirklich gedacht, dass dieser Zustand unterbrochen werden koennte.
    Doch es war moeglich. Natuerlich nicht von jedem, sondern nur von speziellen Personen. Personen wie Phraates.
    Vom Tor, welches zum Atrium fuehrte, her, erklang ein Schrei. Am besten wird er reproduziert durch "HUAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!", obwohl dies die Dramatik des Augenblickes nur unzulaenglich einfaengt. Wer war dies? Ein einfallendes Heer?
    Nein, nur ein Parther, der eine Stufe zu viel genommen hatte.
    Phraates wurde mitgeteilt, dass die Herrin ihn brauchte, und so war er losgetrabt, schneller als gewoehnlich, da er sich denken konnte, dass Charis dabei war. Und so war er durchs Atrium gestuermt, gewandet in einem besonders guten seiner parthischen Gewaender - das Tuerkise hier in der Mitte, aber statt der Kopfgugel ein einfaches Kopftuch.
    Doch vor lauter Geschaeftigkeit hatte er nun eine Stufe genommen. Er verlor sein Gleichgewicht und unter obig aufgefuehrtem Schrei fiel er seitlich in einen Busch.
    Er war der Busch, welcher der sehr junge Sklave, den Phraates nicht kannte, untersuchte. Keine Frage, dass die Katze sofort hinwegsprang, andernfalls waere sie vom Parther plattgewalzt worden. Phraates fiel mitten in den Busch hinein und kam sehr hart mit dem Hintern am Boden auf, direkt vorm Blickfeld des Sklaven.
    Er sass also vorm Burschen und sah sehr belaemmert aus der Waesche. Nach ein paar Sekunden brachte er wieder etwas heraus. "Nae... an, an, an...", fluchte er in seiner Muttersprache, bevor er sich aufrappelte und sein Gewand abklopfte.
    Dann blickte er nach unten. Unglaubilich eigentlich, dass sein gewand noch intakt und nicht in viele kleine Fetzen zerstueckelt war, und unglaublich, dass er sich nicht viel mehr weh getan hatte. Dann blickte er auf den Jungen, der vor ihm stand. "Alles in Ordnung ist?", fragte er, wieder auf latein und blickte dabei saeuerlicher drein, als er es eigentlich beabsichtigt hatte.

  • Ein kurzes Hinüberspähen zur Herrin zeigte ihm deutlich, dass sie noch immer keine Notiz von ihm genommen hatte, doch es zeigte sich auch schon im nächsten Moment, dass die eigene stille Heimlichkeit eine Vorsichtsmaßnahme war, die der völligen Sinnlosigkeit anheim fiel. Markerschütternd ertönte ein Schrei und schon polterte jemand aus dem Haus hervor, als wäre er von Furien getrieben, nur um seitlich in den Busch zu stürzen,. Erschrocken riss der Junge die Augen auf und sprang seinerseits unter einem Schrei unwillkürlich zurück. Aus dem Augenwinkel heraus sah er noch die Katze, die schleunigst Reißaus nahm und er selber spielte während eines Sekundenbruchteils mit einem ähnlichen Gedanken. Stieren Blickes und heftig atmend besah er sich den reichlich gewandeten Mann, der fremdländischer nicht hätte wirken können. Dieser stieß Flüche in einer gänzlich sonderbaren Sprache aus, wie er nun so in dem platt gedrückten Astwerk hing. Es war ein Schock und Mica konnte ein hastiges, unsicheres Kichern nicht mehr unterdrücken, dass wohl dem Schrecken entsprang.
    Hatte er soeben das Leben im Haus als langweilig empfunden, so war die so provozierte Aufmerksamkeit nun eine Sache, die ihm einen grausigen Schauer über den Rücken jagte und ihn wieder zu den Herrinnen blicken ließ. Ihre Gegenwart in diesem Moment behagte ihm gar nicht. Die Frage des wüst aussehenden Sklaven drang zu ihm vor. Ob mit ihm alles in Ordnung war?Noch immer starr und steif dastehend nickte er nur, um in das sauer drein blickende Gesicht zu sehen. Es war ein fassungsloses Nicken, aus der Lähmung heraus. Immer wieder zuckte sein Blick zu den beiden Damen und dem Rest der Sklavenschaft, nicht sicher, ob er dem Gestrauchelten aufhelfen sollte. “Ja...ist es!“ hauchte er dann und streckte ein wenig unsicher die Hand hervor in der Annahme, dem Mann tatsächlich auf diese Weise wieder auf die Beine bringen zu können, sofern dieser denn wollte und das Ganze so ungeschehen zu machen. An mehr konnte er nicht denken.

  • Agrippina begutachtete gerade den Zustand der Rosen, der annehmbar zu sein schien. In ihren Augen jedenfalls, aber zumindest in dieser Hinsicht, was diese Pflanzen betraf, mochte sie sich dann doch nicht anmaßen, Felix’ Urteilsgabe zu besitzen. Andererseits hatte sie nie verstanden, warum dieser Mann eine derartige Passion für Rosen entwickelt hatte. Der Garten würde im Sommer ein einziges weiß-, rosé- und rotfarbenes Blütenmeer sein, befürchtete sie. Für das Auge sicherlich angenehm, wer diesbezüglich Geschmack entwickelt hatte, sie selbst allerdings bevorzugte etwas mehr Abwechslung. Darüber hinaus war sie doch, nun, wenigstens gespannt auf den Geruch, der sich vom Garten ausgehend ausbreiten würde. Sie hoffte, nein, erwartete im Grunde, dass bei Anschaffung der Rosensträucher darauf geachtet worden war, solche auszuwählen, die nicht allzu stark dufteten. Ansonsten würde sie eine Auswahl treffen müssen, zu Felix’ Missfallen, wie sie wohl wusste, aber darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Gelinde erstaunt war sie allerdings, als sich der Geräuschpegel im Garten, der bis zu jenem Zeitpunkt lediglich von Vögeln und kaum hörbaren Lauten aus der Villa bestanden hatte, doch merklich anhob. Eine Gruppe von Menschen war dafür verantwortlich, die sich ihren Weg durch den Garten suchten und langsam, aber sicher auf sie zukamen, einige Sklaven waren es, die eine Dame umringten, wie Agrippina erkennen konnte, als sie sich näherten. Natürlich wusste sie, wer die Dame war. Sie hatte sich erkundigt, wer zur Zeit Wohnrecht in der Villa in Rom in Anspruch nahm. Dies war Flavia Celerina, Urenkelin des Flavius Atticus, der ein Bruder ihres verstorbenen Mannes gewesen war. Sie wusste auch um die etwas seltsamen Wendungen, die das Leben der jungen Frau genommen hatte, auch wenn sie nicht nachvollziehen konnte, wie ein Flavier sein Kind fortgeben konnte, auch wenn es eine Tochter war, kein Sohn. Immerhin, von dem, was sie bisher in Erfahrung hatte bringen können, war sich Celerina trotz ihrer Kindheit in einer anderen Familie ihres Standes durchaus bewusst, nicht nur als Patrizierin, sondern auch was es hieß, eine Flavierin zu sein.


    Ein durchaus freundlich zu nennendes Lächeln bog ihre Mundwinkel nach oben, jenes Lächeln, das für Familienmitglieder reserviert war, die sie nicht allzu gut kannte, die aber auch nichts falsch gemacht hatten in ihren Augen. Noch, hieß das, und das galt für beides, sowohl die Bekanntschaft als auch mögliche Fehltritte. "Celerina. Möglichkeiten gibt es viele, möchte ich meinen. Auch dir einen guten Morgen." Sie wartete, bis die jüngere Frau, einschließlich ihres Gefolges, welches Agrippina selbstverständlich ignorierte, zu ihr aufgeschlossen hatte. "Oh, ich genieße es, von Zeit zu Zeit ein wenig durch das Grüne zu streifen. Zu dieser frühen Stunde ist die Wahrscheinlichkeit doch recht hoch, weitestgehend ungestört zu sein." Das Lächeln implizierte deutlich, dass mit dieser Bemerkung nicht etwa das jetzige Zusammentreffen mit Celerina gemeint war. "Zudem ist die Morgenluft doch die angenehmste. Gerade in Rom trifft das zu, wie mir scheint." In diesem Augenblick ertönte ein Schrei, und irgendetwas, nein, irgendjemand polterte durch den Garten und landete in einem Busch. Genauer, vor den Füßen eines Sklavenjungen, der mit ihr zusammen und auf ihr Geheiß hin aus Baiae mit hierher gekommen war. Agrippinas linke Augenbraue wanderte langsam nach oben, als sie des fremdländischen Aufzuges gewahr wurde, der besagten Jemand, nein Etwas, eindeutig als Sklaven offenbarte. "Die Rosen mögen unter Felix’ Abwesenheit nicht leiden, die Sitten tun es offenbar." Vorerst noch beinahe interessiert betrachtete sie die kleine Szene, die sich vor ihren Füßen zwischen dem fremden Sklaven und dem ihren abspielte. Die Katze, die Reißaus genommen hatte, war ihr hingegen keine Aufmerksamkeit wert gewesen. "Oder wurde die Dauer der Saturnalien dieses Jahr etwa verlängert?"

  • Man musste ja Ahura Mazda auf den Knien danken, dass nichts schlimmeres passiert war. Phraates haette nach vorne fliegen koennen, die Stufen hinunter. Er haette sich absolut grauenhaft weh tun koennen. Doch der Busch hatte seinen Sturz irgendwie noch gefedert. Jene Reflektionen ueber hypotetische Moeglichkeiten und Risiken taten aber nicht das mindeste, um den gewaltigen Schmerz in Pharaates' Hinterteil - beim Barte des Zarathustra, wieso immer nur das Hinterteil? - abzumindern. Im Gegenteil, der Gedanke an noch mehr Schmerz liess die Pein anschwellen. Phraates' Versuch, sich aufzurichten, scheiterte erbaermlich. Allerdings wurde ihm eine Hand hingehalten. Es war die Hand des Sklavenjungen, vor welchem er hingefallen war. Dankbar ergriff er sie und liess sich hochziehen. "Danke.", meinte er und klopfte sich den Staub abermals vom Gewand.
    Der Bursche schien verwundert zu sein ueber die frage des Parthers, doch sie kam ihm legitim vor, da er sich nicht sicher gewesen war, ob er ihn nicht getroffen hatte mit irgendeiner Extremitaet, als er so unkontrolliert heruntergefallen war.
    Haette Phraates gewusst, was Mica dachte, so haette er ihm sicher wuetend widersprochen. Er war doch nicht wuest. Vielleicht war er kein Adonis, aber so haesslich, dass er als wuest bezeichnet werden konnte, war er nicht.
    "Danke.", wiederholte er abermals. "Ich bin Phraates... Herrin!", rief er, warf dem Jungen einen entschuldigenden Blick zu und eilte zu Celerina. "Rufen du lassen hast.", meinte er zu ihr und schaute sie treuherzig an.

  • Noch war die Größe der Villa zum Vorteil derer gereicht welche in ihrem eigenen kleinen Staat leben wollten. Als Einzelgänger dieser Familie gehörte ich zu diesen Flaviern. Zwar trieb es mich öfters in die große Stadt Rom und damit auch in die Hände der Flavier, aber ich verstand es mein Leben ohne Verstrickung in andere Vitas zu meistern. Ein gutes Auskommen legte dafür den Grundstein. Die übliche Entfernung zu Rom verfestigte diesen Stein und ein gewisses Maß an Schüchternheit legte den Zementputz darüber.


    Als ich nach einer Waschung und dem Wechseln der Tunika im Garten erschien, blieb mir im Sinne der Regeln nichts anderes übrig, als zwei Damen aus diesem Hause zu grüßen. Nur eine von ihnen kannte ich sichtlich, Flavia Celerina wenn ich mich nicht täuschte. Bei der Anderen kam ich nichtmal schemenhaft auf den Gedanken eines Namens. Aber unser Familie war auch nicht klein. Eine logische und immerwieder gern genommene Erklärung dafür.


    Den sich anbiedernden Sklaven ignorierend, rief ich ein lockeres: "Salve die Damen wirklich prachtvoll der Frühling." Hinüber und schritt über die ungeschliffenen Steine des Weges tiefer ins aufblühende Geschehen ein. Die Luft war gut. Besser als unten in der Stadt auf jeden Fall und noch dazu durch die üppige Bepflanzung gefiltert. Es trieb mich zum Luft einsaugen und so mochte meine spitze Nase, gekrümmt nach oben etwas albern ausgesehen haben.


    Wenig später erreichte ich die Beiden und stellte mich zumindest mal der Unbekannten vor. 8)


    "Ich bin Flavius Lucullus, Bruder des Gracchus und Du?"

  • War ich da etwa auf eine Gleichgesinnte gestoßen? Oh ja, das war ich! Aus den gleichen Gründen, die Ageippina nannte, liebte auch ich die frühen Morgenstunden, die geradezu für einen Morgenspaziergang geschaffen waren.
    "Oh, wie recht du doch hast, meine Liebe! Fürwahr, es geht doch nichts über den ungestörten Ge…" Der Schrei, der auch meinen Ohren nicht verborgen geblieben war, ließ mich schlagartig verstummen. Irgendetwas sagte mir, daß ich die Stimme kannte, die den Schrei verursacht hatte. Umso mehr schwand meine Besorgnis. Stattdessen stieg mein Bedürfnis, einem gewissen parthischen Subjekt den Garaus zu machen.
    Natürlich, meine Sinne hatten mich nicht getäuscht. Wieder einmal war es der Parther, der mich in eine unmögliche Situation brachte. Nicht genug, daß seine tollpatschigen Anwandlungen mir meine letzten Nerven raubten, nun tat er dies auch unverblümt vor den Augen meiner Verwandten.
    Der Blick in Agrippinas Gesicht verriet mir, was sie gerade dachte. Alleine schon das Anheben der flavischen Augenbraue sagte mehr als tausend Worte. Doch alleine bei der Gestik blieb es nicht. Ihre Bemerkung tat ihr Übriges. Natürlich kam alles, was dieser Sklave anrichtete, auf meine Person zurück. Sollte ich ihn verleugnen? Dieses Individuum sehe ich heute zum ersten Mal. Nein, Agrippina würde es in Erfahrung bringen daß dies nicht stimmte. Ich beschloß, mich den Tatsachen zu stellen und verrollte erst einmal demonstrativ die Augen. "Oh ihr Götter! Dieser Parther bringt mich noch ins Grab! Eine absolute Fehlinvestition! Parther – ein schreckliches Volk! Wenn ich dir einen Rat geben darf, laß die Finger von parthischen Sklaven! Die bringen nichts als Ärger!"
    So, das mußte vorerst als Entschuldigung ausreichen. Glücklicherweise erschien im gleichen Moment Lucullus, der diese Situation mehr als rettete. Offenbar hatte der Frühling und die frische Morgenluft noch auf andere Mitglieder der Fanmilie eine ähnliche Wirkung, was aber durchaus nicht störend war. So nickte ich ihm freundlich zu und versuchte den Parther, so gut es ging, zu ignorieren.

  • Unter der Bemerkung der Herrin, dass die Rosen zwar nicht litten, jedoch durchaus die Sitten, musste Mica schlucken, während er noch immer dem Gestrauchelten die hilfreiche Hand hin hielt. Diese wurde auch schon dankbar ergriffen und er musste sich dem Druck entgegen stemmen, mit dem der fremde Sklave sich wieder auf die Beine wuchtete. Auf seinen Dank hin nickte Mica, doch waren seine Ohren eher bei Flavia Agrippina, welche betont vorwurfsvoll die Vermutung anstellte, dass eventuell die Saturnalien in diesem Jahr verlängert wurden. Die Katze war inzwischen längst verschwunden, doch das stieß in jenem Moment bei Mica auf wenig Interesse. Auch der Römer, der sich der Gruppe hinzu gesellt hatte war für den Jungen nicht mehr als ein Schatten, der die Nase zuvor witternd in die Lüfte gereckt hatte, wohl den Geruch der Blumen und der Jahreszeit zu genießen. Und nun war es geschehen, doch schien es den stürmischen Sklaven wenig zu stören, dass er die Aufmerksamkeit mit seinem Missgeschick auf sich zentriert hatte. Eine Tatsache für die Mica dankbar war. Nicht auszudenken, wenn die Herrin...aber nein, das würde sie schon nicht. Hektisch rang der Sklave nach Atem und versuchte weiterhin unauffällig auszusehen, während der andere schon weiter eilte, und seinen Namen Preis gab. Phraates. Mica verzog rasch den Mund und blickte hinüber zu dem Ziel des Parthers.


    Athanaos hatte gesagt, dass Parther ein nahezu unbezwingbares Volk wären und angriffsfreudig obendrein. Mica zweifelte nicht einen Moment daran. Der Mann hatte Schneid, oder war er einfach nur verwirrt? Diese und ähnliche Gedanken kreisten in seinem Kopf herum, während die These im Garten schwebte, dass Parther ein schreckliches Volk wären, von denen man die Finger lassen sollte. Verstohlen wischte sich der Junge die feuchte Handfläche an seiner Tunkia ab und überlegte, ob es der rechte Moment wäre, den Ort zu verlassen. Vielleicht rückwärts und vorsichtig. Dann könnte er nach der Katze sehen, oder ein wenig lesen. Trotzdem bewegte er sich nicht einen einzigen Schritt. Mica mochte Menschen, die forscher waren als er selber. Eine Faszination, die unheilversprechend war, jedoch nicht minder reizvoll. Statt also zu gehen, beäugte er kritisch den Sklaven im weiten Gewand, die Herrin und die andere Herrin und den Ankömmling, der sich als Flavius Lucullus vorstellte, wobei er versuchte die Anspannung zu verdrängen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!