Ein Geburtstagsspaziergang

  • Die Sonne wurde langsam wieder wärmer. Sofern man das in diesen Gefilden überhaupt irgendwie spürbar ausmachen konnte, denn warm war es immer, und selbst in der Regenzeit schien immermal wieder die Sonne. Doch heute war es mal wieder besonders schön und besonders warm. Zumindest erschien Axilla dieser Tag so. Der Himmel war von einem unendlichen blau und es sah nicht so aus, als würde es die nächste Stunde zu regnen anfangen. Perfektes Wetter für einen Geburtstagsspaziergang also.


    Axilla schlenderte gedankenverloren einfach durch Basileia. Sie überlegte noch, hinaus zu gehen, zum Markt vielleicht, aber das ließ sie lieber bleiben. Wie immer hatte sie niemanden dabei, und zur Zeit war es wohl nicht so sicher für einzelne Römer, herumzustromern und dabei verträumt in der Gegend rumzuschauen. Da blieb sie besser in den schützenden Mauern des Königsviertels, bevor sie noch mehr Ärger bekam, weil sie überfallen wurde. Bestimmt bekäme sie dann noch viel mehr Ärger, als sie ohnehin schon gehabt hatte.
    So schlenderte sie über die hellen Pflastersteine ohne Ziel einfach dahin und vertrat sich ein wenig die Beine an der warmen Luft.

  • Ragin war schon wieder auf der Straße unterwegs. Er mochte zwar dagmar und ihre zwei Kinder, aber die waren nunmal alle nicht so umtriebig, wie der junge Stationarius. Rumsitzen war ihm ein Graus und daher hatte er immer etwas zu tun.


    Heute wollte er mal wieder auf den Markt gehen und eine Kleinigkeit für Sontje kaufen um es ihr nach Mogontiacum zu schicken. Sie war die Einzige, die ihm bisher einen Brief geschickt hatte und nun wollte er ihr etwas mitschicken. Natürlich hatte er die geschorene Amala dabei, denn er wollte dieses Mal ungeschoren davonkommen. Aber so ganz würde auch da nicht mehr klappen, denn der Duccier trug jetzt seine Haare auch etwas kürzer. Zum einen war es nochmal deutlich wärmer geworden und der Kopfverband, den er ein paar Tage hatte tragen müssen, hatte das bedingt.


    So schlenderte er noch durch die Basileia und machte ein paar kleine Übungen mit Amala, die ihm mittlerweile noch deutlich besser gehorchte. Natürlich machte er das in der Sprache seiner Väter, was ihm ein paar schiefe Blicke einbrachte, aber das war ihm momentan beinahe egal. Als er dann um eine Ecke bog, sah er Axilla, die ein parr Schritte vor ihm lief. Seitdem er aus der Casa Iunia herausgeschmissen wurde, so ganz stimmte das nicht aber so hatte es sich angefühlt, hatte er sie nicht mehr gesehen.
    Er lief ein wenig schneller und war dann kurz hinter ihr.


    "Hallo Axilla, ganz allein unterwegs? Hast du wegen mir Ärger bekommen?"

  • Ganz plötzlich riss sie eine vertraute Stimme aus ihren Gedanken. Nicht, dass sie an irgendwas wirklich gedacht hätte, es war eher ein aktives Nicht-denken gewesen, aber dennoch schreckte sie hoch, als Rufus sie so unvermittelt von hinten ansprach. Ihr Herz hämmerte vor Schreck wie wild, aber eigentlich war es ein schönes Gefühl, Axilla fühlte sich gern ganz aufgeregt. Trotzdem war sie wohl deutlich zusammengezuckt und sah Rufus erst einen Moment mit erschreckten Augen an, ehe sie leicht und entschuldigend lächelte.
    “Oh, Rufus, Chai… ähm, salve. Ärger? Ähm…” Axillas Blick wandte sich zum Boden. Sie wollte ihm jetzt nicht so auf die Nase binden, was sie an Ärger bekommen hatte und was Urgulania ihr alles gesagt hatte. Nicht, dass er deswegen noch ein schlechtes gewissen bekommen würde. Immerhin war das ja ganz allein ihre Schuld und nicht seine. Aber anlügen wollte sie ihn auch nicht direkt, also besah sie sich den Boden.
    Zum Glück wuschelte da Amala durch ihr Blickfeld und lenkte sie von dieser schwierigen Entscheidung ganz gekonnt ab.
    “Oh, du hast Amala rasiert? Die sieht ja jetzt lustig aus! Chaire, Amala.“
    Axilla beugte sich leicht zu dem Hund, immer darauf achtend, ihm nicht direkt in die Augen zu schauen. Axilla mochte Tiere, sie kam mit den meisten Tieren besser klar als mit den meisten Menschen und wusste meist instinktiv, was sie machen musste, um nicht angefeindet zu werden. Und so streichelte sie schnell Amala, und hatte über diese Begrüßung die Frage nach dem Ärger ganz verdrängt.

  • "Ja, die Arme wäre mir sonst wohl eingegangen. Es ist aber auch heiß geworden in den letzten Tagen! So warm ist es bei uns nur im Sommer und hier ist gerade mal eben so ser der Winter vorbei. Aber ich bin froh, dass du keinen großen Ärger bekommen hast. Bei mir wars auch nicht so schlimm. Man hat sich zwar Sorgen gemacht, aber es ging schon. Trotzdem bin ich heute wieder ohne Leibwächter abgehauen. Ich nehm lieber Amala mit, die kann das viel besser und die kann wenigstens nicht petzen" fügte er noch vergnügt hinzu.


    "Ich will ja nicht neugierig sein, aber wo gehst du hin? Ich hatte vor auf den Markt zu gehen und meiner Cousine ein kleines Geschenk zu kaufen, dass ich ihr nach Mogontiacum schicken kann. Magst du mir vielleicht beim Aussuchen helfen?"


    Er war zwar immernoch wütend, wie er aus der Casa Iunia hinauskomplementiert wurde, allerdings war diese Wut nur auf Iunia Urgulania gerichtet. Axilla hingegen war er noch sehr sehr dankbar, für das was sie für ihn alles getan hatte.

  • “Also, mir war schon fast wieder kalt, und ich bin froh, dass es wieder wärmer wird. Aber ich bin jetzt auch schon ein ganzes Jahr hier, da gewöhnt man sich wohl an das Wetter.“
    Axilla zuckte nur leicht mit den Schultern und war froh, dass Rufus aus ihrem Zögern geschlossen hatte, sie hätte keinen Ärger bekommen. Sie hätte ihm zwar die Wahrheit nun auch sagen können, denn von Urgulania angedroht zu bekommen, zu Silanus geschickt zu werden oder gleich zu den Vestalinnen gesteckt zu werden fiel bestimmt unter mindestens mittelschweren Ärger. Aber sie wollte das Rufus auch gar nicht erzählen, dann hätte sie ihm womöglich noch die ganze Wahrheit erzählen müssen, und das wollte sie noch viel weniger. So ließ sie ihn einfach in seiner wenn auch falschen Annahme und ging nicht weiter darauf ein.
    “Ich wollt nur ein wenig spazieren gehen. Einfach so, ich hab kein Ziel. Ein bisschen aus dem Haus raus. Heute wollt ich da nicht den ganzen tag nur rumsitzen und Löcher in die Luft schauen.
    Ich hatte überlegt, zum Markt zu gehen, aber… naja, du hast sicher von der Sache am Tor schon gehört. Und allein wollt ich deshalb lieber nicht gehen, wo du auch erst überfallen worden bist. Nicht, dass ich noch überfallen werde und Ärger kriege.“

    Die anderen Konsequenzen eines Überfalls waren für Axilla nicht einmal annähernd so abschreckend wie die vage Möglichkeit, Urgulania könnte deswegen wütend sein. Ob sie niedergeschlagen oder verletzt werden würde, die Idee kam ihr noch nicht einmal.
    “Aber zusammen können wir wohl hingehen. Vielleicht finden wir ja was schönes. Was mag deine Cousine denn so?“
    Axilla hatte noch nie für jemanden wirklich selber ein Geschenk ausgesucht. Noch gar nicht für jemand unbekannten.

  • Ragin war froh, dass Axilla offenbar keine negativen Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen hatte, und noch Ragins Freundin sein wollte. Aber warum sollte sie auch nicht, schließlich wusste sie ja das nichts passiert war und Ragin daran schon gar keine Schuld trug.


    "Na dann gehen wir doch zum Markt. Wir sind ja jetzt zu zweit und Amala ist auch da und wird uns beschützen. Es kann höchgstens sein, dass du ärger bekommst, weil du ich schon wieder mit dem Duccier rumtreibst."


    Langsam glaubte er nämlich, dass Urgulania ihn deswegen so schlecht behandelt hatte, weil er ein Duccier, also eigentlich ein Germane, war. bei Axilla hingegen hatte er das Gefühl ihr bei dieser Sache damals Unrecht getan zu haben.

    "Ich weis nicht genau was es sein soll. Es soll nicht so groß sein, aber auch nicht zerbrechlich. Außerdem soll es halt ägyptisch aussehen. Aber so genau weis ich eigentlich gar nicht, was ich da will. Vielleicht weist du das etwas besser, auch wenn meine Cousine ein paar Jahre älter ist als wir."

  • Als Rufus erwähnte, dass sie ja auch Ärger kriegen könnte, weil sie wieder mit ihm unterwegs war, kratzte sie sich ganz verlegen am Arm.
    “Ich denke, für heute hab ich eine Entschuldigung, wenn ich erwischt werde…“, meinte sie etwas vage. Sie war sich nicht sicher, ob sie es sagen sollte oder lieber doch nicht, denn sie wollte keinesfalls, dass Rufus sie deswegen heute anders behandelte als sonst. Aber andererseits wollte sie ja doch, dass wenigstens irgendwer es wusste, und er war ja auch ihr Freund. Der einzige Freund, den sie eigentlich hatte. Da sollte er es ja eigentlich schon wissen.
    “Heut ist mein siebzehnter Geburtstag“, setzte sie also ganz hastig dazu, um dann gleich, als wäre nichts weiter, auf die Bemerkung mit dem Schenken einzugehen. “Nun, willst du ihr denn was typisch Ägyptisches schenken? Am Markt gibt es einen Händler, der zahme Katzen verkauft.“ Und da waren die Ägypter so ziemlich die einzigen, die solche Tiere hielten, um sie zu streicheln, soweit Axilla wusste. Aber sie hatten auch die einzigen Katzen, die sich anfassen und streicheln ließen. Sie hatte keine Ahnung, was diese Katzen anders als die wilden Katzen von Hispania machte, aber sie hatte so eine graue Katze auch schon einmal in den Händen gehabt und sich über das Schnurren sehr gefreut, als sie sie hinter den Ohren wie einen Hund gekrault hatte.
    “Wobei, die kann man wohl eher weniger mit der Post verschicken. Hmmm… würde sie denn einen Chiton anziehen? Ich würd immer gern mal einen tragen, aber ich trau mich nicht. Weißt ja, so von wegen und Römer und Griechen und den Spannungen und so. Aber die sehen wirklich sehr schön aus, finde ich, und sind nicht so schwitzig wie eine Tunika, viel luftiger. Oh, oder… naja, wir könnten auch zu meiner Farbmischerei gehen, und ich schenk dir ein paar Kosmetika für sie. Die ist wirklich gut. Guuuut, das sagt wohl jeder von seinen eigenen Waren, aber meine ist wirklich nicht schlecht. Viele Griechen kaufen bei mir immer mal wieder ein, und mein Verwalter schwört, dass er immer wieder mal ein Päckchen nach Rom schickt. Aber das glaub ich ihm nicht so ganz.“

  • "Ach du hast Geburtstag? Dann herzlichen Glückwunsch! Dann suchen wir für dich auch gleich noch ein Geschenk aus. Aber das mit der Kosmetik ist wirklich eine sehr gute Idee. Da wird sie sich sicher freuen. Sie ist ja auch noch unverheiratet, vielleicht findet sie ja damit den richtigen Mann. Dann wird deine Kosmetik sogar bis nach Mogontiacum verschickt."


    Natürlich musste er Axilla dann auch etwas schönes kaufen. Hoffentlich hatte er überhaupt genug Geld dabei. Aber wenn er die kosmetik von ihr nehmen würde, konnte er ihr das Geld sicher auch später geben.



    "Was magst du denn so für Sachen? Oder magst du dir selbst etwas aussuchen? Ich habe ja auch was zu feiern, denn ich bin jetzt Stationarius beim Cursus Publicus"
    fügte er stolz noch hinzu.

  • Ach, verdammt, das hatte ja aber auch gar nicht geklappt. Jetzt wollte er ihr auch noch was schenken! Da fühlte sich Axilla gleich ganz schuldig. Als er dann auch noch erwähnte, dass mit ihrer Kosmetik seine Cousine dann vielleicht verheiratet werden würde, fühlte sie sich noch viel schlechter. Sie war ja auch noch unverheiratet, und das war ja auch ein Punkt in Urgulanias Liste der Vorhaltungen gewesen. Sie hätte vielleicht doch besser den Mund gehalten.
    “Nein, bitte, ich will gar nichts. Bitte, Rufus, ich will kein Geschenk. Ich hab heut nur meinem Genius geopfert, mit Kerze und Kuchen und so, und mehr will ich auch gar nicht feiern. Ich hab… ach, weißt du, meine Cousine hat schon recht, wenn sie böse auf mich ist. Ich hab wirklich kein Geschenk verdient. Ich mach andauernd nur Blödsinn, so dass ich manchmal am liebsten weglaufen würde…
    Axilla schüttelte leicht den Kopf. Eigentlich wollte sie ja nicht, dass jemand sie so erlebte, wie sie im Moment war. Sie gab sich ja viel lieber fröhlich, als könne sie nichts bekümmern. Aber die Idee, jetzt etwas geschenkt zu bekommen, obwohl sie so furchtbar war, die fand sie ganz fürchterlich. Da erlaubte sie sich sogar, kurzzeitig ihre Maske fallen zu lassen und Rufus ganz flehentlich und bettelnd anzusehen, so dass er auch sehen konnte, dass sie nicht wirklich glücklich im Moment war. Aber sie hatte wirklich kein Geschenk verdient.
    Doch dieser Einblick in Axillas Seele währte nicht lange, denn schnell hatte sie sich auch wieder gefangen und wechselte – wie immer, wenn sie über etwas nicht weiter sprechen wollte – einfach das Thema.
    “Beim Cursus Publicus hast du dann sicher viel zu tun. Ist bestimmt spannend dort. Arbeitest du dann mit Aelius Archias zusammen? Ich hab dir ja schon erzählt, dass ich ihn auch kenne. Wenn ich dann demnächst mal Post haben sollte, dann treff ich dich ja sogar auf der Agora. Dann komm ich vielleicht selber vorbei und schick nicht nur Leander, dann können wir ein wenig plaudern. Wenn du das auf Arbeit darfst und Zeit hast.“

  • Ragin blieb stehen und schaute Axilla an. Er konnte gar nicht glauben, was er da gehört hatte. Es konnte ja nicht sein, dass sie es als böse ansah ihm geholfen zu haben. Ganz sicher würde er ihr was schenken, schließlich war sie seine Freundin und er stand in ihrer Schuld.


    "Deine Cousine hat Unrecht! Du hast mir zweimal geholfen, als ich in Not war und hast dabei nicht an dich gedacht. So etwas ist edel und gut, egal was deine Cousine sagt." Das Wort Cousine betonte er besonders...


    "Wenn du weglaufen möchtest, dann nehme ich dich mit nach mogontiacum. Meine familie wird dir Unterschlupf gewähren, wenn sie erfahren wie du mir geholfen hast" sagte er ernst. Nie würde er einen Freund mit einem solchen Problem einfach alleine lassen.

    "Oder sollen wie vielleicht mal ein bisschen abhauen, damit sie merkt wie sie dich vermisst? Ich würde Venusia dann sagen, dass ich im Museion übernachte!"

  • Von der plötzlichen Heftigkeit in Rufus’ Worten war Axilla ehrlich überrascht. Sie blieb stehen und sah ihn einen Moment in ganz neuem Licht an. Er wirkte so bestimmt und sicher mit einem Mal, als könne ihn davon nichts abbringen, wenn sie ihm sagen würde, dass es das wäre, was sie will. Und er schien da nicht ein bisschen Angst zu haben oder sich Gedanken darum zu machen.
    Einen Moment stand Axilla einfach da und sah zu ihm hoch. Sie wusste gar nicht, was sie da jetzt sagen sollte. Sie wusste ja noch nicht einmal, was sie denken geschweige denn fühlen sollte. Das war so… merkwürdig.
    “Ich….äh… ich meine… abhauen, ich meine….“
    Einen Moment war sie mehr als nur versucht, einfach ja zu sagen. Einfach weg von hier, weg von allem, einfach raus und nicht darüber nachdenken. Weg von der ganzen Verantwortung, die so erdrückend war, weg von dem stolzen Namen ihrer Familie, der sie zu so vielem Zwang, was ihr gar nicht entsprach. Einfach raus und frei sein, wie ein Eichhörnchen, ein Geschöpf des Pan, ohne darüber lange nachzudenken.
    Aber es ging nicht. Sie konnte das Rufus nicht antun. Er war doch jetzt Stationarius, und überhaupt würde das seine Karriere wohl kaputt machen, wenn er sie einfach so mit sich nahm, was würden die Leute dann über ihn reden? Da würde doch niemand glauben, dass sie nur Freunde waren. Da würden doch alle denken, sie sie seine Geliebte, egal, was sie sagten? Und Beweisen konnte Axilla das Gegenteil ja nicht.
    Und ihre Familie wäre dann wohl wirklich sehr böse auf sie. Vielleicht würden sie sie sogar verstoßen. Und was war dann mit Vaters Andenken? Da gab es ja außer ihr niemanden, der das ehren würde, und wenn die Gens sie verstieß, was war dann?
    “Ich glaube, dann würde es nur noch mehr Ärger geben. Ich meine, wenn du weg bist und ich weg bin, da würde Urgulania dann am Ende noch falsche Schlüsse ziehen. Ich meine, nicht dass sie noch sagt, dass wir… also, ich meine… also… das könnte ja geredet werden, ich meine…. Und wo du doch eben erst die Stelle beim Cursus Publicus hast, und du hast doch sicher noch eine Karriere vor dir… und… also…“
    Axilla fühlte sich gerade sehr verunsichert. Was ihr Kopf sagte und was ihr Herz sagte waren mal wieder völlig verschiedene Sachen und sie wusste einfach nicht, was richtig war. Sie wusste, was sie tun sollte, aber das machte sie nicht glücklich. Das einzige mal, dass sie in den letzten Jahren glücklich gewesen war, war in kurzen Momenten gewesen, wenn sie nicht darüber nachgedacht hatte, welche Konsequenzen ihr Handeln haben würde und einfach nur sich von jemandem halten ließ, der scheinbar wusste, was er zu tun hatte. Auch wenn es im Nachhinein dumm gewesen war, aber bei Silanus im Balneum und auch bei Timos war sie kurzzeitig wirklich glücklich gewesen.
    Aber sie durfte nicht nur an ihr Glück denken, sie musste an alle Konsequenzen denken, auch an die für Rufus.
    “Das geht nicht. Ich will nicht, dass du Ärger kriegst. Also… ich würde gerne ein wenig… ich meine… nein, das mein ich gar nicht… also…“
    Jetzt stammelte sie sogar nur noch, weil sie wirklich nicht wusste, was sie sagen sollte. Bei Rufus hörte sich das so einfach an! Und sie konnte nicht einmal sagen, was sie eigentlich wollte. Beschämt sah sie zu Boden.

  • Jetzt hatte sie schon wieder nur Angst um ihn und nicht um sich. Aber das es so schlimm um sie war, hatte er nicht gedacht. Die Arme schien wirklich hier weg zu wollen. Das man sich bei seiner Familie nicht wohl fühlte, musste furchtbar sein. So etwas kannte er gar nicht.


    "Nein, ich werde dann noch nicht mit dir gehen. Ich kann hier nicht weg, bis ich meinen Kurs beendet habe, das habe ich meinem Cousin versprochen. Aber wegen mir sollst du auf gar keinen Fall hier bleiben, wenn du unglücklich bist. Du könntest ja schon vorreisen, oder du reist gleich bis nach Mogontiacum. Ich bin dann noch hier, keiner weis wo du bist und keiner hat mich im Verdacht. Ich bin dein Freund und ich werde dir helfen, wenn du mich brauchst. Und dass du wieder nur an mich denkst, zeigt dass du auch eine richtige Freundin bist. Es tut mir leid, dass ich vor ein paar Tagen so grob zu dir war und an deiner Freundschaft gezweifelt habe."


    Ragin sprach voller jugendlichem Ernst. Anders war er es von seiner Familie nicht gewohnt. sie standen füreinander ein, und Freunde waren nunmal sowas wie Familienmitglieder.

  • Oh, Rufus verstand aber auch wirklich alles falsch! Das hatte sie doch gar nicht gemeint! Und jetzt meinte er, sie könne einfach zu seiner Familie. Zu seiner Familie! Die würden sich doch sicher bedanken, wenn sie da ankam und sagte, dass sie von daheim abgehauen war. Die würden sie wahrscheinlich gleich zurückschicken, und hinterher hätte Rufus doppeltes Donnerwetter zu erwarten!
    “Nein, nein, du verstehst nicht. Ich meine… das ist… süß. Ähm, ich meine, das geht nicht. Ja, genau, das geht nicht. Und ich kann hier ja auch nicht weg. Ich meine, ich hab ja auch Arbeit, und die Farbmischerei, und irgendwann soll ich ja auch dann standesgemäß heiraten, und das geht ja alles nicht, wenn ich weg gehe, und die ganzen Sachen, die hier sind, und ich bin ja auch gar nicht so unglücklich. Also, manchmal bin ich schon sehr glücklich, und du bist ja auch hier, und alle die ich kenne, und….“
    Axilla hatte sogar angefangen, zu gestikulieren, weil die Worte allein ihr nicht das auszudrücken schienen, was sie meinte. Sie wusste ja selber nicht so genau, was sie meinte. Sie hatte schon so lange nicht mehr darüber nachgedacht, ob sie glücklich war. Es war ja auch absolut nicht wichtig, dass sie glücklich war. Und jetzt sagte Rufus einfach so etwas, stellte ihr so etwas in Aussicht, dass sie einfach weglaufen konnte vor ihren Problemen. Axilla lief gerne vor Problemen davon. Und diese Möglichkeit war da natürlich sehr verlockend, und es war so schön, sich unterstützt zu fühlen und auch ein wenig sicher. Aber es ging gleichzeitig nicht. Sie durfte nicht darüber nachdenken.
    “Deine Cousine mag doch sicher auch so schwarzen Kohlestift für die Augen, oder? Der ist hier ganz modern, weil die Ägypterinnen den auch immer nehmen“, versuchte sie also verzweifelt das Thema zu wechseln.

  • Süß? Ein wenig wurde er jetzt doch verlegen. Wenn er nicht schon wegen der Temperaturen rot gewesen wäre, wäre er es jetzt wohl geworden.
    "Denk einfach darüber nach. Wenn du Hilfe brauchst werde ich dir helfen, und da du meine Freundin bist, wird dir auch meine Familie helfen, das weis ich. Aber du hast recht, wir sollten jetzt nicht darüber reden. Das alles musst du dir natürlich erst überlegen. Aber jetzt gehen wir einkaufen, und ganz sicher wirst du ein Geburtstagsgeschenk von mir bekommen. Wenn du mir nicht beim Aussuchen hilfst, dann wird es ja vielleicht etwas, was dir nicht gefällt, und dann hast du auch genau das verdient!" neckte er sie noch ein wenig. "Aber vielleicht hast du auch Lust nochmal nen Ausflug zu machen? So als kleines Geschenk, wenn du wirklich gar nichts magst. Ich würde gerne nochmal zum Nil reiten." Der riesige Strom hatte den jungen Duccier tief beeindruckt. Außerdem wollte er doch noch das Hippodingens sehen...
    "Bei der Kosmetik verlasse ich mich ganz auf deinen Rat. Aber das mit den Ägypterinnen klingt gut, schließlich soll es ja was alexandrinisches sein, was man bei uns nicht bekommen kann. Sicher wird Sontje damit ihren Bruder um den Verstand bringen, weil sie sich dann vor Verehrern nicht mehr retten können wird. Hach, ich vermisse meine Familie schon ganz schön."

  • Zum Glück bohrte Rufus nicht noch weiter, sondern beließ es dabei und begann wie selbstverständlich, mit ihr zu scherzen und über den Einkauf zu sprechen. Axilla fand die Maske der Fröhlichkeit, die sie so lange trainiert hatte, wieder, und lächelte ihn leicht spaßig an, auch wenn an ihren Augen wohl zu sehen war, dass sie sich noch verunsichert fühlte.
    “Ich will wirklich nichts haben. Ganz ehrlich. Aber bevor du mir doch noch was schenkst, gehen wir lieber auf den Ausflug.“
    Frech grinste sie ihn an. Die Idee fand sie sogar gar nicht schlecht. Das war auch wie weglaufen, nur eben überschaubarer, und weniger mit Ärger behaftet. Das war nur ein paar Stunden alles zurücklassen, was sie so bedrückte. Wobei…?
    “Aber wir kommen ganz sicher vor der cena wieder heim?“ setzte sie doch wieder etwas nervöser hinzu und schaute Rufus einen Moment unsicher an. Sie wollte wirklich nicht noch mehr Ärger bekommen.
    “Ähm, also für die Kosmetik können wir auch direkt zu meiner Farbmischerei gehen. Da müssen wir nicht ins Getümmel auf den Markt. Also, wenn du magst. Außer, du magst auf den Markt, weil da gibt es ja auch vieles zu sehen und vielleicht willst du ja doch noch was anderes kaufen oder dazukaufen.“

  • Offenbar schien sie denken er wollte jetzt gleich den Ausflug machen. Aber warum eigentlich nicht? Die Kosmetik würde ihm nicht weglaufen, er saß ja quasi an der Quelle, und sonst hatte er heute nichts vor.


    "Sehr schön. Dann können wir gleich Helios holen und dann noch schnell auf den Markt und dann kann es losgehen. Ich denke das mit der Kosmetik dürfte schnell gehen, und da können wir uns dann noch ein wenig Reiseproviant kaufen. Wenn wir uns beeilen, sollten wir das bis zur cena schon nach Hause schaffen."


    Das klang nach einem guten Spontanplan. Wenn er überlegte, dass er eigentlich nur ein kleines Geschenk für Sontje kaufen wollte...

  • Wie, was? Er wollte mit seinem Pferd auf den Markt gehen? Axilla, deren geistige Voraussicht meistens nur für die nächsten fünf Minuten reichte, war fast schon unheimlich logisch, als sie ihn verwirrt anschaute.
    “Du kannst dein Pferd doch nicht mit auf den Markt nehmen?“
    Plötzlich musste sie lachen, aber es war nicht wirklich ein auslachen, es war mehr ein Lachen über die lustige Erkenntnis. Wenn sie sich vorstellte, ein großes Pferd bei den vielen Ständen, die teilweise auch durcheinander standen und die einzelnen Händler dazwischen, die ihre Waren einfach auf einem Tuch auf dem Boden feilboten. Da ein Pferd dazwischen, das würde ja ein heilloses Durcheinander geben. Zumindest wenn sie zu dem stand wollten, wo ihre Kosmetik verkauft wurden, denn der war weitab von dem, was man am Fremdenmarkt wohl als Hauptstraße bezeichnen konnte.
    “Nein, den holen wir lieber auf dem Rückweg ab. Sonst lynchen uns noch die Händler, wenn Helios was aus Versehen umschmeißt. Dann kannst du die Kosmetik schon einpacken, dann geht sie nicht verloren. Und so weit ist es ja auch nicht zum Markt, das geht zu Fuß glaub ich sogar schneller.“
    Aufmunternd sah Axilla zu Rufus, immer noch über die Vorstellung von dem großen Pferd zwischen den vielen Ständen schmunzelnd, und machte ein paar zögerliche Schritte in Richtung des Tores, das nach Westen und damit am nächsten zum Xenai Agorai lag.

  • Irgendwie hatte ihre Argumentation auch etwas für sich. Allerdings widerstrebte es Ragin irgendwie erst zum markt zu hegen und dann wieder zurück zu laufen. Aber es war wohl wirklich die bessere Möglichkeit, da hatte Axilla wohl recht.


    "Dann müssen wir ja erst hinlaufen und dann wieder zurück. Aber ich glaub du hast recht. Na dann sollten wir uns aber beeilen, wenn du bis zur cena wieder hier sein möchtest. Ich folge dir, sonst verlauf ich mich nur wieder.", meinte er grinsend und folgte Axilla in Richtung Markt.


    " Was ich immernoch nicht verstehe: Warum schminken sich bei den Griechen die Männer? Weißt du warum das so ist? Nikolaos mag ich da nicht fragen, sonst ist er mir noch böse."

  • Rufus erklärte sich einverstanden und so machten sich die beiden Seite an Seite auf in Richtung Fremdenmarkt.
    “Ich weiß es auch nicht so genau. Die ägyptischen Könige..ähm… Pharaos… Pharaoi? Also, die Herrscher halt, die haben sich wohl auch immer angemalt. Und Als Alexander dann nach Ägypten gekommen ist, fand er das wohl lustig. Er bekam das sogar von seinen Feldherren vorgeworfen, dass er sich auch anmalen würde und damit weibisch aussähe. Naja, seit damals hat sich wohl einiges geändert, und die Griechen jetzt machen das fast alle. Wobei ich das schon immer lustig finde, wenn sich Nikolaos ganz weiß anmalt. Ich meine, ich kenn auch einige Römerinnen, die gerne mal auch viel Schminke nehmen, aber so viel ist dann schon sehr lustig, vor allem bei einem Mann.
    Aber eigentlich darf ich mich gar nicht beklagen, so verkauf ich ja schon viel mehr, als wenn nur die Frauen kaufen würden. Ich mein, ich brauch das ja eigentlich nicht machen, ich würd wohl von meiner Familie genug Geld kriegen. Aber irgendwie ist es schon ein tolles Gefühl, wenn man selber was macht und damit auch Geld verdient und so.“

    Fast, als wär ich auch ein Mann und nicht nur eine Frau, die lieber einer wäre, setzte sie in Gedanken noch dazu.
    Jetzt hatte sie ihre perfekte Maskerade auch wiedergefunden und die Unsicherheit war aus ihren Augen verschwunden. So war ihr nichts mehr anzumerken von ihrer Verwirrung, als sie am Tor ankamen und zum Markt gingen.

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