Die Insula des Asellus

  • Erst als Marcus vor Arsellus trat, der von all seinen Männern der Einzige war, der die wahre Identität des Senatorensohns kannte, schlug er die Kapuze nach hinten und bedachte den Gauner noch in der Türe stehend mit einem strengen Blick.


    "Er ist vielleicht eine Mistkröte Asellus, aber er zahlt gut."


    Dann trat er in das Arbeitszimmer, das mehr einem unaufgeräumten Weinkeller glich.


    "Wie viel bekommst du für die erste Lieferung?"

  • Asellus räkelte sich in seinem Stuhl, bevor er Wein in zwei einfache tönerne Becher goss und einen davon zu Flavus hinschob. Gleichgültig zuckte er mit den Achseln:


    "Ich kenne ihn ja nicht persönlich, aber ich schätze ihn eben so ein. Deshalb ist mir sein Geld dennoch jedes Ass wert. Pecunia non olet*, wie man so sagt." Genüsslich ließ er einen Großteil des Inhalts seines Bechers den Gaumen hinabgleiten. Es war kein Falerner, aber auch nicht der billigste Fusel. Asellus war ein wenig ungehalten, hatte sein neuer Geschäftspartner sich doch ein wenig Zeit gelassen um seine Schuld zu begleichen. 8) Da er aber von selbst darauf zu sprechen kam verflog diese Launerecht schnell wieder. Asellus war nicht nachtragend.


    "Für die Erste Lieferung stehen noch 1000 als Anteil für mich und meine Jungens aus."


    Mehr war dazu nicht zu sagen und wenn der Teil geregelt war konnte sie endlich die nächste Phase einläuten. Asellus brauchte dringend die Mittel um Catubodus zu bezahlen. Ein anderer hätte ihm womöglich schon den Dolch an die Brust gesetzt.




    *lat.: Geld stinkt nicht

  • Marcus hatte bereits damit gerechnet, dass es bei diesem Besuch auch um die Bezahlung der Waren ging und hatte vorgesorgt. Unter seinem Umhang holte er einen prallgefüllten Lederbeutel hervor und warf ihn Asellus auf den Tisch.


    "Hier ist dein erster Anteil. Und nun lass mich die Ware sehen. Und nenne keine Namen."


    Vermutlich musste Marcus das nicht sagen, da er Asellus als professionellen Gauner einschätzte, der sich in solchen Situationen richtig verhielt. Doch er wollte auf Nummer sicher gehen und setzte sich seine Kapuze wieder auf.

  • "Die Asellustruppe dankt." Mit geübtem Schwung strich Asellus das Geld ein und verstaute es. Zum nachzählen war später noch Zeit. Er leerte im Aufstehen seinen Becher und nickte. Wer in seinem Geschäft nicht schweigen konnte wie ein Grab fand sich selbst bald in einem solchen.


    "Dann folge mir." Eilig schritt Asellus voran und schon bald standen sie vor der Tür der Zelle, wo Catu, Murcus und Titus bereits auf sie warteten. Ein unauffälliges und schnelles Kopfnicken verständigte die drei über das Wesentliche. "Dann zeigen wir unserem Gast mal was wir so haben." Das war das Kommando für Murcus, den schweren Riegel zu öffnen und selbiges auch mit der Tür zu tun. "Komm raus, mach schon, oder muss ich dich holen?" rief der Schläger ins Dunkel.


    Catu hatte sich neben der Tür postiert und war äußerst wachsam. Er rechnete fast schon sicher mit irgendwelchen Faxen und der Mittelsmann sollte ja nicht beschädigt werden.

  • Irgendwann hatte ich das Schreien und gegen die Tür klopfen aufgegeben. Die dreckigen Mistkröten ignorierten mich ja sowieso. Ich konnte echt nicht mehr. Wie benommen lag ich in der Ecke. Die Tränen rannen an meinen Wangen runter und vermischten sich mit dem Dreck, den ich an mich geschmiert hatte. Ich musste echt zum fürchten aussehen. Das war mir aber egal. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was mir noch bevor stand. In einem Lupanar zu enden, war nicht wirklich das, was ich mir für mein Leben gewünscht hatte. Ob Ursus und Louan mich jemals finden würden in dieser riesigen Stadt? Die Chancen dafür standen sehr gering. Die wussten ja gar nicht, wo sie nach mir suchen sollten.
    Wäre ich doch nur in der Villa geblieben! Scheiß auf die Freiheit, wenn der Weg dann direkt ins Lupanar führte!
    Ich fasste mir an den Hals, um nach meinem Pferdchen zu greifen. Das war ein kleiner bronzener Anhänger, der auf einem Lederbändchen aufgefädelt war, den mir Ursus einmal geschenkt hatte. Das Band mit dem Anhänger trug ich jeden Tag. Aber oh Mist! Das Bändchen samt Anhänger war weg! Ich hatte ihn bestimmt verloren, als diese Dreckskerle mich überwältigt hatten.
    Das gab mir den Rest. Ich rollte mich zusammen und blieb wimmernd liegen.
    Keine Ahnung, wie lange ich so liegen blieb. Irgendwann hörte ich vor der Tür wieder Stimmen und dann wurde auch noch ganz unerwartet die Tür aufgerissen. Einer der Drecksäcke forderte mich auf, heraus zukommen.
    Ich war ja schon erschrocken, als die Tür aufgerissen worden war, aber jetzt hatte ich noch mehr Angst. Mir blieb nichts anderes übrig, als heraus zu kommen.
    Das Licht, das in mein Gefängnis drang, blendete mich. Ich sah erst nichts, als ich durch die Tür ging. Dann, als sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, erkannte ich einige Männer. Dieser Drecksgrieche, der mich so reingelegt hatte, war nicht dabei. Allerdings stand da noch dieser Schösel im Raum, der anscheinend auf mich wartete. Irgendwie wollte der nicht so zu diesem Pack passen. Ob das der Kerl vom Lupanar war, der nun kam, um mich zu holen?
    Ängstlich sah ich um mich und sah in die Gesichter dieser Kerle. Von denen hatte ich keine Gnade zu erwarten. Aber vielleicht hatte dieser andere Kerl ja Mitleid.
    "Bitte… bitte! Lass mich gehen! Ich werde euch auch nicht verraten. Bitte!" wimmerte ich und die Tränen begannen, wieder zu kullern.

  • Es dauerte ein Wenig, bis die Gefangene im trüben Licht der Öllampen erschien. Doch ehe Murcus seine Drohung wahr machen konnte, kam sie dann doch hervor. Er war allerdings der erste der auf ihre Bitte reagierte: "Halt die Klappe. Das wird hier keiner tun."
    "Titus, hol eine Schüssel Wasser und ein paar saubere Tücher. Das sie so aussieht geht ja nicht." Zwar hatte Asellus die Beute selbst noch nicht in Augenschein genommen, doch mit Kennerblick erkannte er das, sie gute Ware war, wenn man sie entsprechend herrichtete. Was sie an Kleidung am Leib trug war zwar etwas zerknittert, aber doch dazu angetan ihre Reize zu betonen.
    "Was meinst du?" Das Flavus sparte er sich selbstredend. "Wenn wir sie sich ein Wenig aufbrezeln lassen sollte sie einen guten Preis bringen, oder?"
    Murcus ergriff die eingeschüchterte junge Frau am Arm und drehte sie einmal im Kreis, damit Flavus sie auch komplett betrachten konnte.


    Catubodus stand währenddessen dabei und war hauptsächlich damit beschäftigt dieses unwürdige Spektakel zu ignorieren. Erpressung und Körperverletzung war eine Sache. Die Handlangerdienste für einen abgehalfterten Bordellbetreiber waren absolut nicht nach seinem Geschmack. Wenn diese Sache über die Bühne war würde er mal ein ernstes Wörtchen mit Asellus wechseln müssen. Für derlei unwürdige Arbeit würde er nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit zunehmendem Alter schien sich verstärkt sein Gewissen zu melden. Vielleicht war es aber auch diese andere Keltin mit ihren kleinen Sohn, die ihm im Kopf herumsspukte und die Sehnsucht nach einem ehrlichen Leben verstärkte. Catubodus konnte es nicht genau sagen und das war nicht der Augenblick um sich darüber weitere Gedanken zu machen.

  • Der Kerl, der mich raus gelassen hatte, fauchte mich gleich an. Daraufhin wich ich einen Schritt zurück. Aber das nützte mir nichts. Der Kerl, den ich eigentlich angesprochen hatte, hüllte sich in Schweigen. Stattdessen begann nun diese andere Schleimkröte zu sprechen. Wenn ich mich nicht irrte, war das der Anführer von den anderen. Der laberte etwas von aufbrezeln und einen guten Preis bringen. Die Drecksäcke wollten mich doch tatsächlich an dieses Lupanar verhökern!
    Plötzlich griff mich einer von denen am Arm und drehte mich im Kreis, damit man auch ja alles von mir sehen konnte. Ich kam mir vor, wie damals auf den verdammten Sklavenmarkt. Nur war das hier noch schlimmer. Damals hatte ich nicht gewusst, was auf mich zukommen würde. Hier war es traurige Gewissheit. Ich wollte hier nur noch weg und hoffte, dass bald alles vorbei war.


    Die Hoffnung auf Befreiung hatte ich mittlerweile abgeschrieben. Das war es wohl. So sollte mein beschissenes Leben also weiter gehen. Als Hure in einem heruntergekommenen Puff. Wenn einer für seinen Laden Frauen von der Staße klauen musste, dann war das bestimmt ein ganz schön verkommener Laden.
    Früher hätte ich mich wahrscheinlich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Aber jetzt konnte ich nicht mehr. Die Kerle waren sowieso viel stärker als ich und es gab keinen Ausweg.
    Ich vermied es, keinen dieser Typen mehr anzusehen. Ihr hämisches Lachen und die dämlichen Kommentare, die sie von sich gaben, wollte ich auch nicht mehr hören.

  • Marcus betrachtete das Mädchen von allen Seiten. So gut dies eben ging im Halbdunkeln und mit verdecktem Gesicht. Sie war tatsächlich eine Schönheit, die man nur selten auf Roms Straßen finden konnte. Ein guter Fang wie er meinte und für einen kurzen Moment kamen sogar bei ihm Überlegungen auf, die Sklavin für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Fast hätte er seine Hand ausgestreckt und ihr Gesicht berührt. Nur einen kurzen Moment ihre zarte Haut spüren. Dieses unstillbare Verlangen kam wieder in ihm hoch. Ein solch wunderschönes Gesicht, eine graziöse Figur und dieser flehende Blick. Vieles würde ihm einfallen, dass er mit dieser Sklavin anstellen konnte.


    Für ihr Bitten und Flehen hatte er jedoch kein Ohr. Es ließ ihm kalt und riss ihm stattdessen wieder aus seinen Gedanken. Nein! Dieses Mädchen war für den Kunden bestimmt, auch wenn es Marcus bestimmt viel Freude bereitet hätte. Auf Asellus Frage nickte er nur zwei Mal und trat dann wieder einen Schritt zurück. Ein weiteres Nicken gab dem Gauner zu verstehen, dass er Marcus folgen sollte. Der junge Decimer schritt voran zurück in das so genannte Arbeitszimmer und schob wieder seine Kapuze in den Nacken.


    "Sie wird einen guten Preis bringen. Lasse sie noch heute ausliefern. Ich werde mich dann um das Geschäftliche kümmern. Eure Restzahlung erhaltet ihr in wenigen Tagen. Mal sehen ob der Kunde dann noch mehr Nachschub benötigt.


    Und eines noch Asellus. Wir werden in Zukunft noch vorsichtiger sein müssen als bisher. Ich trete in wenigen Tagen mein Tribunat bei der Cohortes Urbanae an. Du weißt was das bedeutet. Ich kann von dort aus viel mehr für dich und deinen Männer tun, aber es darf nicht der geringste Verdacht aufkommen."

  • Schweigend folgte Asellus dem Decimer in sein Arbeitszimmer. Dort angekommen setzten sie sich wieder auf die Stühle wie zuvor und Asellus goß sich einen weiteren Becher Wein ein. "Was meinst du? Die sollte doch ordentlich was wert sein, oder?" Er rückte seinen Hintern in eine angenehmere Position und blickte seinen Gegenüber erwartungsvoll an. Auf dessen Gesicht lies sich einfach nicht lesen ob er gleicher oder anderer Meinung war.


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    Kaum war Asellus mit dem Gast wieder verschwunden, als Titus mit den Reinigungsutensilien zurückkam. Man überließ es der jungen Frau sich zu säubern, wozu man ihr in der Zelle unabeobachtet Gelegenheit bot. Nach einer reichlich bemessenen Zeit zerrte Murcus sie wieder hervor, fesselte und knebelte sie und zu Dritt schlichen sie schon bald darauf durch die Straßen Roms zu Zielort der Unglücklichen.

  • Die Fleischbeschau war wieder zu Ende. Zwei der Kerle verdünnisierten sich und einer von den Kerlen, die auf mich aufpassen sollten, kam mit einer Schüssel Wasser und einem Lappen zurück. Das sollte für mich sein, damit ich mir damit den Dreck aus dem Gesicht wischen konnte. Dazu hatte ich überhaupt keine Lust. Diesen Dreckskerlen auch noch zu helfen, damit sie für mich ordentlich Kohle absahnen konnten. Viel lieber hatte ich mir mein eigenes Gesicht zerkratzt. Aber dann würden die wahrscheinlich keine Minute zögern, mich kalt zu machen. Wie ich es also machte, war es Kacke!
    Ach Mist, dann wusch ich mich eben!
    Die Typen ließen mich wieder zurück in meine Zelle und schlossen wieder die Tür. Seltsamerweise war keiner von denen scharf drauf, mir dabei zuzugucken.
    Als ich fertig war, knebelten und fesselten sie mich wieder und brachten mich fort.
    So beschissen wie es mir in diesem Augenblick ging, ging´s mir noch nie. Nicht mal damals in Augustodunum, als sie mich beim Klauen erwischt hatten.

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