Der neue LAPP auf der Reise

  • Der kleine Zug des designierten Legatus Augusti pro Praetore fiel ein wenig auf. Nur ein wenig, denn Hungi hatte seine Frau davon abhalten können, das gesamte Mobiliar der Villa Vinicia einzupacken, mit dem dezenten Hinweis, daß sein Bruder dann in die Villa samt Frau einziehen würde. Zumindest solange er sich keine eigene Stadtvilla leisten wollte. Und außerdem würde man in Germania sicher nicht auf dem nackten Boden schlafen, beteuerte er. Licinia hatte ihn dann sehr skeptisch angesehen und gemeint, daß sie dann ja sehr viel Geld ausgeben müsse, damit sie das dortige Heim wohnlich einrichten konnte. Mit vielen Stoffen und Polstern und ähnlichem. Er würde es überleben, hatte er gemeint. Seine Frau hatte dann sowas wie "Männer." gemurmelt und "Kein Sinn für anständiges Wohnen." Er hatte nicht mehr so genau zugehört. Am Ende war der Zug auf jeden Fall nicht ganz so groß, es reichten tatsächlich die Reisekutsche und zwei große Wagen, einer für das Gepäck und einer für Geschenke, Proviant (für Mensch und Viech) und sonstigem Kramuri. Licinia war nämlich der Meinung, sie sollten soviel wie möglich mitnehmen, weil die Preise auf den Straßen sicher vollkommen überteuert wären. Hungi ließ sie gewähren, fragte sich jedoch, ob seine Frau wirklich die Tochter des reichsten Senators war. Geldprobleme hatte die ja nie gehabt... aber verstehe einer die Frauen.


    Der Grund auf alle Fälle, warum der Zug ein wenig auffiel, war die Eskorte, die den Zug begleitete. Da wollte nämlich der Consular schon übertreiben und wurde von seiner Frau zurückgehalten. Sie meinte, daß eine halbe Turma, bestens ausgebildet und bis zu den Zähnen bewaffnet "wirklich vollkommen ausreiche" und sie ja "in kein Kriegsgebiet reisen würden". Pah.


    Das erste Teilstück der Route war jedenfalls eine beschauliche. Sie folgten der Via Aurelia bis nach Pisae und blieben dann auf der Küstenstrecke bis Genua. Der beginnende Frühling hatte ihnen mit schlechtem Wetter keinen Strich durch die Rechnung gemacht, so konnten sie bei geöffnetem Fenster die Landschaft begutachten, was vor allem Hungis Tochter Livilla sehr gefiel, die abwechselnd auf seinen Schoß und dann auf den der Stiefmutter krabbelte. Holprig war es trotzdem und sie mußten ein paar Male mehr als geplant eine kleine Pause einlegen, weil die Kleine allzusehr quengelte. Nach dem Erreichen von Genua reisten sie via Placentia über den Padus weiter nach Cremona und von dort nach Mediolanum. Dort, bevor es über die Alpen gehen sollte, hielten sie, kehrten bei einem Freund des Ehepaares ein und unterbrachen die Reise für einen Tag Pause.

  • Eigentlich war es eher unhöflich für einen Gast, nur einen Tag zu bleiben. Das System der römischen Gastfreundschaft war ohne Zweifel gut ausgebildet und erlaubte es auch den weiter entfernten Verwandten, gewisse Beziehungen zu nutzen und sei es nur, um für ein paar Nächte ein Dach über den Kopf zu haben. Hungi konnte und wollte aber nicht mehr als eine Nacht in Mediolanum verbringen. Zum einen trieb ihn die Pflicht nach Mogontiacum, zum anderen war er schon irrsinnig neugierig auf Germanien. Und drittens mochte er keine Reisen und wollte diese daher nicht unnötig in die Länge ziehen. Sie verbrachten also einen angenehmen Tag, in welcher sie die Frühlingssonne genossen (Licinia natürlich im Schatten), betrachteten und lobten höflich das Interieur ihres Gastgebers und aßen am Abend eine kleine cena mit ein paar Honoratoren Mediolanums samt einigen Schaustellern, die Feuer schluckten und sonstige artistischen Kunststücke darboten. In der Nacht schlief er wie ein Stein. Am nächsten Morgen übergaben sie dem Freund ein paar kleinere Geschenke, sozusagen als Wiedergutmachung, weil sie nicht länger bleiben konnten, und beschlossen wortreich, er möge mit seiner Familie doch einmal nach Mogontiacum kommen oder - wenn Hungi nicht mehr LAPP war - nach Rom. Dann bestiegen sie den Reisewagen.


    Nachdem sie Mediolanum verlassen hatten, durchfuhren sie ein Stück der transpadanischen Ebene, bevor sie an den Ausläufern der Alpen ankamen. Der Freund aus Mediolanum hatte ihnen einen Führer organisiert, der sie sicher über die Alpen nach Clunia (Feldkirch, Österreich) bringen sollte. Von dort wollten sie nach Vindonissa (Windisch, Schweiz) und dann dem Rhenus folgen, bis sie in Mogontiacum ankamen. Doch zuvor stand die Überquerung der Alpen am Programm, welches anstrengender war als sie gedacht hatten. Die Pässe waren zwar frei, ein Durchkommen sogar relativ problemlos, doch die hohen Berge schüchterten ein, vor allem seine Tochter, und die ungewohnte Höhenlage erschwerten das Atmen und erschöpften sie. Vom Führer bekamen sie den Tip, viel zu trinken und dabei möglichst wenig Wein in das Wasser zu mischen. Der Rat war an sich nicht schlecht, hatte jedoch zur Folge, daß sie ziemlich oft austreten mussten. Als sie jedoch die Alpen endlich hinter sich gelassen hatten, fühlte sich zumindest Hungi ziemlich fit, neben der bleiernen Müdigkeit, mit der auch seine Frau und seine Tochter zu kämpfen hatten. Es fiel ihm jedoch auf, daß seine Frau blasser als sonst schien. Doch auf seine Nachfrage winkte sie nur ab.

  • In Clunia gönnten sie sich gerade soviel Pause, wie sie zum Wechseln der Pferde und zum Auszahlen des Alpenführers benötigten. Hungi wollte keine Zeit verschwenden, denn wenn sie keine Pause machten und nicht unnötig herumtrödelten, dann würden sie in spätestens zwei Tagen in Mogontiacum eintreffen. Licinia, die vom eiligen Getue ihres Mannes schon reichlich genervt war, bestimmte jedoch ein moderates Reisetempo, denn sie würden, so meinte sie, schon früh genug dort eintreffen. Das war jedoch nicht das einzige, was sie bestimmte, denn sie sandte auch einen Reiter aus, der ihre Ankunft in Mogontiacum beim derzeitigen LAPP ankündigen sollte.


    In der Zwischenzeit gönnte sich Hungi die Zeit, ein paar Eindrücke von der Provinz zu gewinnen. Er kam zum Schluß, daß diese Gegend nicht viel anders aussah als Noricum und Westpannonien, wo er ja aufwuchs. Was wieder einmal bewies, daß man die Länder selbst bereisen sollte oder zumindest auf jene hören, die tatsächlich dort waren. Nach Vindonissa erreichten sie Augusta Raurica (Augst, Schweiz), von dort an reisten sie stetig an der Westseite des Rhenus. Hungi hatte überlegt, ob sie nicht ein Schiff nehmen sollten, aber es war justament gerade keines da, das den Ansprüchen des Consularehepaars genügte. Am nächsten Tag passierten sie Argentoratum (Straßburg) und erreichten am Abend Borbetomagus (Worms). Hier übernachteten sie, denn Mogontiacum war nicht mehr fern und Hungi wollte bei Tageslicht die ersten Eindrücke der Provinzhauptstadt gewinnen.


    Am nächsten Tag ließ sich Hungi bei allem Zeit. Sie brachen zwar schon früh auf, aber er bestimmte ein gemütliches Reisetempo. Er wollte ja nicht gehetzt wirken. Das ziemte sich nicht für einen Senator.


    Weiter hier -->

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!