Die kaiserliche Landvilla

  • Die Decimer waren für Valerianus tatsächlich keine unbekannte Gens, war ihr Name doch auf vielfältige Weise mit jenem schicksalhaften Partherfeldzug verbunden, der sein Leben so deutlich verändert hatte. Ob die positiven oder die negativen Gedanken gerade überwogen, war nicht zu erkennen. Seine eigene Hochzeit war keine Liebeshochzeit gewesen. Aber das Thema schritt schnell weiter, so dass er sich eines Kommentares enthalten konnte.


    "Ist der derzeitige Curator Rei Publicae auch gewillt, sein Amt abzugeben?"

  • Nun war auf dem Gesicht von Valerianus doch so etwas wie eine deutlichere Gefühlregung zu erkennen, nämlich Überraschung.


    "Das Amt ist frei? Wieso das? Was ist mit dem bisherigen Curator passiert?"


    Es klang zwar nicht so, als hätte man ihm gerade erzählt, irgendwo würde eine Legion ohne Legionsadler herumlaufen, aber gleichgültig wie sonst schien Valerianus auch nicht zu sein.

  • “Ist er nicht gestorben? Ja, ich glaube, das ist er. Er war schon recht alt.“


    Es machte einen geringeren Unterschied als man gewöhnlich denken sollte, ob der alte Curator Rei Publicae lebte oder tot war. Denn der Mann war überaus untätig geblieben, war ein Phlegmatiker vor den Göttern gewesen und hatte ganz im Schatten seines umtriebigen Vorgängers Lucius Octavius Detritus gestanden. Nein, so richtig lebendig hatte er eigentlich nie gewirkt.

  • Valerianus blickte weiterhin überrascht, gerade so, als hätte er gerade zum ersten Mal erfahren, dass ein Amtsträger auch im Amt sterben könnte. Dann nickte er traurig.


    "Dann muss dieses Amt natürlich wieder besetzt werden. Dieser Senator soll ernannt werden. Richte der Familie des Verstorbenen mein Beileid aus. Ich wundere mich nur, warum Salinator mich nicht informiert hat. Ob er vielleicht schon selber einen Nachfolger gefunden hat? Stimme dich mit ihm ab."


    Der erste Hauptgang wurde abgeräumt und der zweite aufgetragen. Wieder ließ sich Valerianus nur eine äußerst spärliche Auswahl an Speisen auf den Teller legen, aber seine Gäste sollte ein Mahl erhalten, dass einem Abendessen mit dem Kaiser würdig war, auch wenn es eine private Runde war.

  • Quarto musste es zweifellos sehr gelegen kommen bei seinem Bruder erste Zweifel an der Amtsführung Salinators gesät zu haben. Aber seine Miene blieb ausdruckslos und er enthielt sich eines Kommentars. Vorläufig.
    Stattdessen versicherte er nur: “Ich werde es in die Wege leiten. Er wird es dir zweifellos danken.“


    Der zweite Gang wurde aufgetragen. Während dieser Unterbrechung schwieg er.
    Quarto war ein guter Esser, der einfache Kost ebenso zu schätzen wusste wie aufwändige und raffinierte Gerichte. Heute jedoch, heute bekam er kaum etwas herunter. Nicht weil er keinen Appetit gehabt hätte, an dem fehlte es ihm selten, sondern weil er so viel mit dem kaiserlichen Bruder zu besprechen hatte.
    Sein Schweigen hielt nur einige wenige Bissen an.


    “Ich möchte dich keinesfalls langweilen und die seltene Gelegenheit mit dir zu speisen auch nicht verderben.
    Aber auf eine aktuelle Personalfrage muss ich leider doch noch zu sprechen kommen.
    Quintus Tiberius Vitamalacus.
    Der Name sagt dir zweifellos etwas. Er hat zuletzt die Legio I Traiana pia fidelis in Mantua angeführt. Aber vor einigen Wochen hat er sein Kommando niedergelegt. Die Legion ist zurzeit also ohne Kommandeur. Du verstehst viel mehr davon, aber sollte sie nicht möglichst rasch einen neuen Legatus Legionis bekommen?
    Wenn du gewillt bist, einen zu berufen, dann... also, ich will dir auf keinen Fall in militärische Angelegenheiten hineinreden, aber... ich wüsste dafür einen ganz ausgezeichneten Mann, den ich sehr schätze und den ich für äußerst fähig halte.“

  • Während Quarto kaum zum Essen kam, hatte Caius dazu alle Zeit der Welt. Er wollte und konnte sich nicht einmischen in das Gespräch, das die beiden Brüder miteinander führten. Also widmete er sich den Köstlichkeiten, die aufgetragen wurden, und beschränkte sich darauf, aufmerksam zuzuhören. Mit dem Militär hatte er persönlich (noch?) gar nichts zu schaffen. Aber was nicht war, konnte ja noch werden.

  • "Tiberius Vitamalacus. Natürlich sagt mir der Name etwas. Ein guter Offizier, möchte ich meinen. Warum hat er das Kommando niedergelegt?"


    Für die Entscheidungsgründe von Offizieren konnte sich Valerianus noch am ehestens interessieren. Besser jedenfalls als für so manche Entscheidungsgründe von Politikern.


    "Und natürlich bin ich gewillt, einen neuen Kommandeur zu berufen. Die Legio I Traiana Pia Fiedelis benötigt natürlich einen Kommandeur und ich kann dies schlechterdings persönlich erledigen."

  • Der Kaiser meinte, er könne das 'schlechterdings persönlich erledigen'? Er wollte das Kommando also persönlich übernehmen?
    Quarto schaute seinen Bruder überrascht an.


    “Ich... ähm... das hatte ich nicht erwartet... Du selbst willst die I. Legion wieder anführen?“

  • Valerianus schaute im Gegenzug genaus überrascht und verwirrt.


    "Wie meinen? Nein, das sagte ich ja gerade, das kann ich eben nicht. Deswegen muss selbstverständlich ein neuer Kommandeur her."

  • “Ach so, ja, dass muss wohl sein.“


    Scheinbar hatte Quarto seinen Bruder missverstanden. Oder dieser hatte sich missverständlich ausgedrückt? Das war er von ihm nun so gar nicht gewohnt. Aber er hatte sich auch noch nicht an dessen Krankheit gewöhnt. Nein, Valerianus machte gar keinen gesunden Eindruck, stellte Quarto einmal mehr fest.


    “Also, mein Vorschlag ist der noch junge Senator Titus Aurelius Ursus. Während meiner beiden letzten Amtszeiten als Consul war er mir jeweils als Quastor Consulum zugeordnet und ich war sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Er ist noch jung, ich sagte es, aber danach hat er bei der I. Legion als Tribunus Laticlavius gedient. Er kennt sie also sehr gut, die Legion und er kennt alle Stabsoffiziere.
    Ich glaube, niemand wäre besser für dieses Kommando geeignet.“

  • Es war förmlich zu sehen, die die Gedanekn von Valerianus zu kreisen begannen. Der Name des Aureliers sagte ihm nichts, aber in militärischen Belangen war er noch am ehesten überzeugt, eine Entscheidung persönlich treffen zu müssen. Zumal ihm sein Bruder bisher nicht als militärischer Berater zur Seite gestanden hatte.


    "Der Name sagt mir nichts. Auch seine Familie nicht. Erzähl mir mehr von ihm. Was hält Salinator von ihm?"

  • “Er ist der Sohn von Decimus Aurelius Maxentius und ein Neffe des bekannten Senators Marcus Aurelius Corvinus. Als Aurelier ist er natürlich von sehr ehrenwerter und angesehener Herkunft. Aber ihm fehlt gänzlich der Dünkel, durch den sich manche Patrizier glauben, abheben zu müssen.
    Nein, er ist ein zupackender Mann, ein Römer von der besten Art und er nimmt jede Aufgabe äußerst ernst, die ihm anvertraut wird.“


    Die Frage nach der Meinung Salinators war ein Problem. Glaubte sein Bruder wirklich, Quarto würde mit dem verhassten Praefectus Urbi auch nur ein Wort mehr reden als unbedingt nötig war? Glaubte er, sie würden sich abstimmen?
    Vermutlich dachte er dies und ahnte nichts von der Gegnerschaft, die sich zwischen den Männern entwickelt hatte, auch wenn sie nicht erst nach seiner Abreise entstanden war.


    Quarto räusperte sich.
    “Also, der Praefectus Urbi... ich muss gestehen, ich weiß es nicht. Ich kann nicht sagen, was er von Aurelius Ursus hält.
    Allerdings scheint es so, als hätte der Praefectus ganz allgemein große Vorbehalte gegenüber Patriziern, unabhängig von der Person und ihrer Verdienste. Mir scheint diese Meinung von Vorurteilen geprägt. Ich kann sie dir keinesfalls als Richtschnur für deine Entscheidungen empfehlen und schon gar nicht für diese Entscheidung.“


    Das war die erste offene, wenngleich auch noch sehr zurückhaltende Kritik an Potitus Vescularius Salinator, die Quarto seinem Bruder gegenüber äußerte.
    Aufmerksam beobachtete er seine Reaktion...

  • Sim-Off:

    Ich bin mal so dreist mich hier jetzt einfach mal ankommen zu lassen


    Er hatte sich nicht angemeldet und wurde daher natürlich auch nicht erwartet. Ihm war dabei zwar nicht unbedingt ganz wohl und er befürchtete, dass der Kaiser ihm dies ein wenig übel nehmen würde, aber aus Balbus Sicht war es einfach notwendig gewesen, da er mit dem Kaiser allein sprechen und nicht durch die Anwesenheit seines ewig dunklen Schatten gestört werden wollte. Daher war er, lediglich mit einer sehr kleinen Eskorte der Equites Singulares, im Schutz der Nacht aus Rom aufgebrochen und einen ganzen Tag lang durchgeritten um den Spitzeln des Vesculariers zu entgehen. Die Nacht auf dem sehr spartanischen prudentischen Landgut in Misenum war zwar nicht unbedingt die angenehmste die die Praetorianer je erlebt hatten, doch Opfer waren manchmal notwendig.


    In Begleitung zweier Equites Singulares, erreichte Balbus dann am frühen Nachmittag die kaiserliche Landvilla. Die praetorianischen Wachen waren für ihn kein nennenswertes Hindernis und so liess er sich direkt dorthin führen, wo die hiesigen kaiserlichen Schreiberlinge die ankommenden Gäste in erster Instanz begrüßten.
    Das Argument, dass er, der Praefectus Praetorio, sicherlich nicht persönlich hier her gekommen wäre, wenn er nicht in dringender Angelegenheit mit dem Kaiser sprechen musste, fand Balbus selbst durchaus überzeugend und vermutete, dass auch der zuständige Schreiber dies so empfinden würde, als er ihm dies so mitteilte.

  • Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto


    Auch weiterhin kreisten die Gedanken von Valerianus, jetzt nicht nur um den Kandidaten für das Kommando über die Legio I, sondern auch um die Aussage seines Bruders über Salinator. So energisch, wie es ihm möglich war, schüttelte er den Kopf.


    "Solche Worte hätte ich von dir nicht erwartet. Salinator war mir stets ein hervorragender Berater in militärischen Belangen. Sein Urteil beruht auf Erfahrung und wenn er sich gegen Patrizier ausspricht, dann zweifellos deshalb, weil er in militärischen Belangen schon viele hat scheitern sehen. Ich werde eine solche Entscheidung sicher nicht gegen seinen Rat fällen."

  • Der Kanzleischreiber war sichtlich überrascht, als ihm ohne jede Vorwarnung der Praefectus Praetorio angekündigt wurde und wenig später tatsächlich leibhaftig vor ihm stand. "Salve, Praefectus Praetorio!", grüßte er und unterdrückte nur mühsam jede neugierige Frage nach der Ursache für das unerwartete Erscheinen.

  • "Salve. Ich bin hier um mit dem Kaiser zu sprechen. Melde mich ihm und frage ihn, ob er Zeit für mich hat." erwiderte der Praefect dem Kanzleischreiber.
    "Es ist recht wichtig und sofern es ihm möglich ist, würde ich ihn noch heute sprechen wollen um schnellstmöglich nach Rom zurückkehren zu können." fügte er noch hinzu und erwartete nun, dass der Schreiber sich unverzüglich auf den Weg machte zum Kaiser. Daher blickte er ihn erwartungsvoll an.

  • Zitat

    Original von GAIUS ULPIUS AELIANUS VALERIANUS
    Auch weiterhin kreisten die Gedanken von Valerianus, jetzt nicht nur um den Kandidaten für das Kommando über die Legio I, sondern auch um die Aussage seines Bruders über Salinator. So energisch, wie es ihm möglich war, schüttelte er den Kopf.


    "Solche Worte hätte ich von dir nicht erwartet. Salinator war mir stets ein hervorragender Berater in militärischen Belangen. Sein Urteil beruht auf Erfahrung und wenn er sich gegen Patrizier ausspricht, dann zweifellos deshalb, weil er in militärischen Belangen schon viele hat scheitern sehen. Ich werde eine solche Entscheidung sicher nicht gegen seinen Rat fällen."


    Eine solche Antwort hatte Aelius Quarto durchaus erwartete und damit gerechnet, dass der Bruder seinen Freund und Weggefährten vor Anfeindungen beschützen würde. Er vertraute diesem Mann.
    Quarto erschütterte dies, aber wusste auch: die gemeinsame Zeit als Befehlshaber an der Grenze hatte diesen Zusammenhalt entstehen lassen, der für Militärs so typisch war.
    Auch deshalb hatte der vorsichtige Quarto so lange gezögert, bevor er vor seinem Bruder direkte Kritik an Vescularius Salinator übte.
    Er musste vorsichtig sein.


    “Oh, gewiss ist der Praefectus Urbi ein ganz ausgezeichneter Militärfachmann und versteht viel mehr als ich davon, einen Legaten zu berufen.“, meinte er deshalb beschwichtigend.


    Er konnte Salinator nicht einfach als vollkommen inkompetente Fehlbesetzung darstellen, wollte er Valerianus' Stolz nicht herausfordern. Denn schließlich hatte der ihn persönlich in das wichtige Amt berufen und ihm weitgehende Vollmachten erteilt.


    “Darf ich jedoch zu bedenken geben, dass Titus Aurelius Ursus niemals unter seinem direkten Kommando gedient hat. Seinen Rat, gewiss, den soll er dir in dieser Sache geben. Aber vielleicht wäre es zusätzlich auch gut, die Meinung der Staabsoffiziere bei der I. Legion einzuholen, die Aurelius bereits als Offizier kennen gelernt haben.“

  • Valerianus machte eine unwirsche Handbewegung. Die Art, wie sein Bruder mit ihm über diese Angelegenheit diskutierte, missfiel ihm.


    "Natürlich hat er nicht unser seinem Kommando gedient. Genausowenig wie unter deinem. Trotzdem glaubst du, ihn empfehlen zu können. Also wird auch Salinator eine Meinung zu ihm haben."


    So sehr Valerianus die Redegewandtheit seines Bruders schätzte, so sehr missfiel ihm die fehlende militärische Erfahrung, weswegen er sich in militärischen Belangen wohl nie auf ihn verlassen würde.

  • Auch wenn der Praefectus Praetorio ruhig gesprochen hatte, klingelten im Kopf des Schreibers sämtliche Alarmglocken. Hastig sprang er auf und verschwand im Nebenzimmer, aus dem er wenige Augenblicke später mit seinem Vorgesetzten zurückkehrte, der sich offenbar persönlich davon überzeugen wollte, dass der Praefectus Praetorio anwesend war. "Ich informiere den Kaiser", verkündete er theatralisch und verschwand augenblicklich wieder.


    Je länger sich die Zeit bis zu seiner Rückkehr zog, desto nervöser wurde der Schreiber. "Um was geht es denn?", erkundigte er sich, um nicht schweigend da zu stehen.

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