Hier war er also nun. An der Tür seines Onkels, um eine Bitte auszusprechen. Zum Glück hatte sich ihr Verhältnis in den letzten Monaten deutlich gebessert. Sonst hätte Ursus sich vermutlich eher die Zunge abgebissen, als Marcus gegenüber eine solche Bitte vorzutragen. Doch es ging nicht anders. Corvinus hatte reichlich von etwas, das Ursus dringend brauchte. Es fiel ihm schwer, sehr schwer, herzukommen und diese Bitte auszusprechen. Obwohl er genau wußte, daß das totaler Unsinn war. Sie waren eine Familie und sollten somit eng zusammenhalten. Gerade, wenn es derartige Dinge anging. Es würde ja alles in der Familie bleiben. Jetzt blieb zu hoffen, daß Marcus überhaupt da war. Ursus hob die Hand und klopfte an.
Officium MAC | Eine Bitte
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Es kostete mich dieser Tage enorme Konzentration, mich überhaupt zu konzentrieren, was es nicht unbedingt leichter machte, mich durch den enormen Papierstapel zu wühlen, der auf meinem Schreibtisch wartete. Livius Pyrrus half mir zwar, doch ertrug ich seine pessimistische Miesepetrigkeit nicht allzu lange, ohne selbst dabei depressiv zu werden. Aus diesem Grund hatte ich ihm heute auch nicht bescheid gesagt, sondern saß allein in eine wollene tunica gekleidet am Tisch nahe des Fensters, vor mir einige Schreiben und Dokumente, die ich jedoch nicht las, weil ich aus dem Fenster in den Garten hinaus sah. Als es klopfte, blinzelte ich zunächst verwirrt, bis ich realisierte, dass es diese Tür war, vor der jemand Einlass begehrte. Halb umgewandt, bat ich den Besucher leise hinein und zog gleichermaßen die Decke ein wenig höher.
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Es war eine sehr leise Aufforderung, einzutreten. Ursus war sich nicht mal sicher, ob er sie wirklich gehört hatte. Trotzdem öffnete er die Tür und trat ein. "Salve, Marcus." Wie blaß er aussah! Und dünn! "So allein? Hör mal, Du solltest Dich aber nicht gleich wieder übernehmen." Sein Blick wanderte zu dem riesigen Stapel Papyrusrollen und Wachstafeln. "Kann ich Dir etwas abnehmen? Oder Dir sonst irgendwie helfen?" Was er konnte und durfte, hatte er ja getan. Doch sene Möglichkeiten waren sehr eingeschränkt gewesen.
Wo steckte eigentlich Pyrrus? Der Mann wurde doch schließlich dafür bezahlt, Corvinus zu helfen. Und gerade jetzt war das doch noch nötiger als sonst. Ursus trat ein wenig näher. Und erst jetzt fiel ihm auf, daß seine ersten Worte vielleicht falsch verstanden werden könnten. "Entschuldige bitte, ich will Dich keinesfalls bevormunden. Es ist nur die Sorge, die mich so reden läßt."
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"Ah, Titus", entgegnete ich und lächelte ihm zu. Die Ermahnung war gut gemeint, das fasste ich in diesem Moment auch nicht anders auf. Dennoch erwiderte ich darauf nicht mehr als einen leicht zerknirschten Gesichtsausdruck. "Ich komme ohnehin zu nichts. Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren", gab ich zu und zuckte mit einer Schulter. "Ein paar Tage mehr oder weniger werden bei den meisten Sachen auch nichts ausmachen, denke ich. Die wichtigsten Dinge haben ohnehin Brix und Pyrrus schon abgearbeitet. Ich danke dir, dass du dich während meiner...hm, Unpässlichkeit um die Mädchen gekümmert hast. Und um das Haus."
Ich zog eine Grimasse. "Keine Sorge. Ich weiß schon... alte Menschen werden eben senil", frotzelte ich und setzte ein Zwinkern hinterher. Es musste wohl das lange Liegen gewesen sein, dass mich ein wenig leichtfertiger mit solchen Bemerkungen umgehen ließ. Und außerdem war ich froh, dass ich ein wenig Ablenkung hatte. "Setz dich doch, Titus. Wie kommt es, dass du in Rom bist? Brix sagte mir, dass du dich für ein zweites Tribunat gemeldet hast und in Mantua bist. Verzeih mir die Bemerkung, aber du musst verrückt sein..." Immerhin konnte ich mich noch gut an mein eigenes Tribunat erinnern. "Hast du eigentlich etwas von Tiberius gehört?" fiel mir da ein. Denn einen Brief hatte ich nicht in dem Stapel gefunden, der sich neben mir türmte.
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"Geh es langsam an und werde erst einmal wieder richtig gesund. Es ist wirklich nicht als Beleidigung gemeint: Aber Du siehst furchtbar aus." Ursus zog sich einen Hocker heran und setzte sich zu Corvinus. Die Bemerkung wegen der Mädchen stürzte ihn ein wenig in Verlegenheit. Besser, Marcus erfuhr nichts von der Geschichte im Lupanar. Nicht, daß Ursus irgendetwas dafür konnte. Trotzdem, er ging darauf lieber gar nicht weiter ein.
Das Tribunat war dagegen ein weit unverfänglicheres Thema. "Mag sein, daß ich ein wenig verrückt bin. Aber mir fehlte eine Aufgabe und ich wollte die Zeit nicht sinnlos vertun. Die Erfahrung kann mir nicht schaden. Außerdem gefällt es mir beim Militär." Er zuckte mit den Schultern. Es war ihm selbst ein Rätsel, wie das geschehen konnte, aber es war nun einmal so. "Tiberius hat vor längerem geschrieben. Warte, der Brief muß hier irgendwo sein." Er schaute sich um und fand die Schriftrolle auch sehr bald. "Hier." Er reichte seinem Onkel den Brief.
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Gens Aurelia
Provincia Italia
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Roma
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Villa Aurelia____________________________________________
Salve, ihr Lieben!
Ich habe euch doch versprochen, aus Germanien zu schreiben. Und was ich verspreche, halte ich auch. Viel zu berichten habe ich nicht, außer dass wir nach einer langen Reise in den Norden endlich in Mogontiacum angekommen sind. Wir sind gesund, erholen uns von der Reise, während ich mich noch auf meinen Dienst vorbereiten muss. Verzögerungen, falls sie ungeplant waren, gab es bis jetzt noch keine.
Bei dem Klima hier wäre ich wohl oder übel lieber in meiner Heimat, in Rom. Die Menschen hier sind auch anders. Um nicht zu sagen, mit dem Größendurchschnitt mancher Germanen kann ich mich nicht messen. Aber ich werde mich daran wohl gewöhnen und mit den Leuten klarkommen. Flexibilität erwartet man schließlich von mir.
Lasst mich bitte von Neuem aus meiner Heimat wissen. Mögen unsere Ahnen über euch wachen!
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"Du bist nicht der erste, der mir das sagt", erwiderte ich und seufzte leise. "Am besten reden wir einfach über etwas anderes, sonst glaube ich euch am Ende noch, was ihr sagt." Ich zog einen Mundwinkel nach oben und nahm der Bemerkung so die Ernsthaftigkeit. Um meinen eigenen Vorschlag sogleich in die Tat umzusetzen, wechselte ich das Thema und sah Ursus zweifelnd an. "Wenn du mich fragst, ist das für einen Mann wie dich vertane Zeit. Es gibt so viele Tätigkeiten, in denen du weitaus besser glänzen könntest... Denke nur einmal an den Tempeldienst. Aber wenn du Freude daran hast, anderen zu sagen, wo es lang geht...." Ein leichtes Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen, dann musste ich husten und seufzte anschließend. "Außerdem müsstest du ohnehin längst im Senat sitzen", bemerkte ich. "Es wird wahrlich Zeit, dass die Aurelier wieder zahlreicher in diesem Gremium vertreten sind."
Dann zog Ursus einen Brief aus dem Stapel, den ich zuvor schon einmal nach Post von der Familie durchsucht hatte. Im Gegensatz zu mir fand er allerdings beinahe sofort einen Brief von Avianus und schob ihn mir hin. "Ah", machte ich, nahm ihn und überflog die Zeilen. "Hm, er ist schon recht lange da oben, dem Datum nach zu urteilen. Er müsste eigentlich bald wieder zu Hause sein, nicht? Nun ja, wenigstens scheint es ihm gut zu gehen. Was machen denn meine Nichten und Cousinen?" erkundigte ich mich bei Ursus.
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Ursus schmunzelte. Wenn Marcus schon wieder scherzen konnte, dann ging es bergauf. "Als vertane Zeit betrachte ich es nicht. Denn ich möchte mir die Möglichkeit eröffnen, vielleicht einmal als Kommandant in Betracht gezogen zu werden. Natürlich hätte es auch noch andere Möglichkeiten gegeben. Und ja, ich müßte längst im Senat sitzen. Jedoch erfülle ich die Voraussetzungen nicht. Ich besitze nicht genug Land. Und damit kommen wir schon auf den Grund, warum ich Dich aufsuche, obwohl Du noch der Schonung bedarfst. Ich möchte Dich um ein Stück Land bitten, damit meiner Berufung in den Senat nichts mehr im Wege steht." Immerhin würde es in der Familie bleiben.
"Eigentlich müßte Tiberius schon wieder zurück sein. Aber ich glaube, er hat um Verlängerung gebeten. Hast Du das damals nicht auch getan? Und die Mädchen? Minervina macht mir große Sorgen. Sie ist ja bei unserer Tante, ich hoffte, daß sie sich dort an der Küste ein wenig erholen würde. Und ich schreibe ihr oft und schicke ihr Geschenke, um sie aufzumuntern. Aber anscheinend versinkt sie immer tiefer in Depressionen und nimmt so gut wie nichts zu sich. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch tun kann." Die tiefe Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er liebte seine Schwester und wünschte sich nichts sehnlicher, als sie ebenso lebenslustig und übermütig und vor allen Dingen gesund zu sehen, wie Prisca und Laevina.
"Unsere Cousinen Prisca und Laevina sind unterbeschäftigt und übermütig. Sie brauchen eine Aufgabe - oder einen Mann. Hattest Du nicht schon Verhandlungen begonnen für die beiden?"
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Ein wenig verständnislos dreinschauend, seufzte ich ein weiteres Mal. "Mein Vater wäre mit dir als seinem Sohn gewiss zufriedener gewesen", bemerkte ich, denn Vater hätte meine Aversion das Militär betreffend gewiss nicht gut geheißen und Ursus für sein Engagement gelobt. Die Begründung seine immer noch ausstehende Erhebung betreffend konnte ich kaum glauben. Einerseits sollte man doch meinen, dass das Familienvermögen ausreichte, um Ursus in den Senat zu bekommen, andererseits verstand ich nicht, wie ein Mann wie er - der doch zwei Amtszeiten so eng mit dem consul Aelius zusammengearbeitet hatte, nicht entsprechend bedacht worden war. Immerhin hatte Aelius Quarto, der doch der Bruder des Kaisers war, stets löblich von Ursus' Arbeit gesprochen. "Ah. Es ist mir unverständlich, dass diese Formalitäten zu einem Aufschub deiner Aufnahme in den Senat geführt haben. Man sollte doch meinen, das Vermögen der Familie sei aussagekräftig genug. Ich sage dir, Titus, die Bürokratie wird noch einmal unser aller Todesurteil sein." Nach dieser Weisheit hielt ich einen Moment inne, verwundert über mich selbst, der ich mich anhörte, wie mein eigener Großvater. Ich blinzelte und fuhr dann fort. "Wenn es wirklich nur daran liegt, dann kannst du heute Abend gleich jemanden mit einer Besitzurkunde in den Palast schicken. Ob das Land nun unter deinem oder meinem Namen vermerkt, ist schließlich reine Formsache. Ich werde gleich im Anschluss an unser Gespräch ein entsprechendes Dokument aufsetzen."
"Hat er?" Es war, wie mir schien, tatsächlich so einiges an mir vorüber gegangen. "Ja, ich hatte das damals auch gemacht. Da gab es mehrere Gründe. Allerdings hatte man mich auch nicht im Außeneinsatz eingeteilt, glücklicherweise, möchte ich meinen. Ich war seinerzeit eher für die Instandhaltung und den reibungslosen Ablauf innerhalb des Lagers zuständig, und das war auch gut so." Und das nicht nur wegen meiner Aversion Pferden gegenüber. "Nun ja. Ich denke, ich werde ihm schreiben und nachfragen. Und Minervina werde ich auch schreiben. Ich teile deine Sorge. Es gab mal einen iatros namens Apollonius von Samothrake. Er hat einen tadellosen Ruf und ist einer der besten griechischen Ärzte. Ich werde nach ihm schicken lassen, vielleicht kann er sich deine Schwester auch einmal ansehen", sagte ich, denn auch ich machte mir Sorgen wegen Minervina. Leider hatte ich also vergebens gehofft, dass Ursus Brix' Erzählungen nicht bestätigen, sondern entkräften würde. Indes, dass Prisca und Laevina unterbeschäftigt waren, konnte ich mir gut vorstellen. Ich zog die Brauen hoch. "Also sozusagen alles wie eh und je. Severa wird es ähnlich gehen, nehme ich an. Laevina wird allerdings bald Tiberius Durus ehelichen, da sollte man meinen, sie würde ihre Zeit in die Gestaltung ihrer tunica recta investieren und keinen Unsinn mit Prisca treiben. Was sie betrifft, habe ich allerdings bisher niemand Bestimmten in Aussicht." Was gewiss nicht an eventuellen Kandidaten lag, sondern vielmehr daran, dass ich Prisca eigentlich nicht hergeben wollte...und es dennoch irgendwann tun müsste. Der junge Flavius Serenus wäre jemand, der in die engere Wahl käme. "Nun ja. Wie sieht es denn bei dir aus?" fragte ich meinen Neffen.
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Ursus schüttelte den Kopf. "Wie kommst Du nur auf so etwas? Stell Dir vor, wir alle wären gleich. Es muß doch nicht jeder etwas für das Militär übrig haben. Du hast wahrhaftig genug andere Qualitäten, da muß nicht ich kommen und Dir das sagen." Man mußte nur sehen, wie weit Marcus es im Cultus Deorum gebracht hatte. "Du weißt doch, wie diese Leute sind. Vor allem, wenn es um einen Patrizier geht, wird genauestens darauf geachtet, ob er auch persönlich alle Voraussetzungen erfüllt. Ich danke Dir, Marcus. Ich bin ja auch der Meinung, daß der Reichtum der Familie aussagekräftig genug sein sollte. Und der steht ja wohl völlig außer Frage." Aber so waren eben die Gesetze.
"Über seine Gründe ist mir nichts bekannt, aber ich bin sicher, auch er hat seine Gründe. Wirklich schade, daß er so weit weg eingesetzt wurde. Da ist Mantua weitaus praktischer. Wenigstens ab und an kann man zuhause vorbeischauen. Ich muß ihm dringend schreiben, das habe ich irgendwie völlig vergessen." Das schlechte Gewissen regte sich. Er erinnerte sich gut, wie er selbst auch immer auf Nachrichten von zuhause gewartet hatte.
"Wir sollten alles versuchen. Wenn dieser Arzt so gut ist wie Du sagst, dann soll er nach ihr sehen. Ob es ein Fehler war, sie ans Meer zu schicken? Meinst Du, hier, mit der ganzen Familie um sich herum, wäre sie glücklicher? Sie hatte sich hier auch schon so zurückgezogen und eingeigelt, daß ich es für eine gute Idee hielt, sie wegzuschicken. Wir hatten ja damals schon darüber gesprochen." Es war schwer, eine Lösung zu finden. Irgendwie schien alles falsch zu sein.
"Ist denn schon ein Hochzeitstermin für Laevina und Tiberius Durus festgelegt? Die Hochzeiten summieren sich langsam", lächelte er. "Ich selbst habe mich ein wenig in der Gens Tiberia umgesehen. Und vielleicht... Wenn Du nichts dagegen hast, würde ich gerne bald mit Tiberius Durus Kontakt aufnehmen wegen einer möglichen Verbindung. Kann ich dabei auf Deine Unterstützung zählen?"
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Das direkte Lob von Ursus übersprang ich einfach. Und da er bezüglich dieser Grundstücksverschiebung mit meiner eigenen Meinung konform ging, sah ich auch hier keinen Bedarf für eine weitere Anmerkung und nickte nur. „Wie lange wirst du denn hier sein? Nach Mantua ist es schließlich auch nicht gerade ein Katzensprung, auch wenn die Entfernung im Vergleich zu Mogontiacum natürlich eindeutig vorteilhafter ist“, sagte ich. Es standen, neben dem Dokument für Ursus’ Erhebung in den Senat, also zwei Briefe aus, die ich definitiv in Kürze zu verschicken hatte: Einen an Avianus und einen an den armen Duccier, der wegen meiner Unpässlichkeit eine halbe Ewigkeit auf Antwort von mir hatte warten müssen. Höchst unangenehm und ebenso peinlich.
Als Ursus dann von Minervina sprach und die Sorge in seine Augen trat, beugte ich mich vor und legte eine Hand auf seine Schulter. “Mache dir keine Vorwürfe, Titus. Wir haben alle gesehen, dass es deiner Schwester hier auch nicht gut ging. Es war zuwenigst einen Versuch wert, sie an die Küste zu schicken, und letztlich ist zumindest die Luft dort um ein Vielfaches besser als hier in Rom. Wir können sie nicht zur Gesundung zwingen, wir können nur hoffen, dass sie zur Besinnung kommt, bevor es zu spät ist. Was hältst du davon, wenn wir Apollo und Meditrina ein Opfer darbringen?“ fragte ich Ursus und versuchte, ihm darüber hinaus die Schuldgefühle ein wenig zu nehmen. Ich selbst hatte stets das Gefühl gehabt, dass Minervina sich in Rom niemals richtig eingelebt hatte.
„Nein, einen Termin gibt es noch nicht, ebenso wenig wie für Manius und Arvinia von den Tiberiern, denn da gibt es noch Klärungsbedarf“, erwiderte ich und dachte an die Verhandlungen mit Durus. Was Ursus dann allerdings sagte, ließ meine Brauen nach oben gen Stirn wandern. “Eine mögliche Verbindung zu den Tiberiern?“ echote ich überrascht. “An welche Dame hattest du denn dabei gedacht?“ wollte ich zunächst einmal von meinem Neffen wissen, denn mir war keine weitere in Rom residierende Tiberia bekannt, was allerdings nichts heißen musste.
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"Ich kann nur zwei Tage bleiben, dann muß ich zurück. Ich weiß auch nicht, wann ich das nächste mal hier sein kann. Aber wenigstens ist es möglich, mal vorbeizukommen. Ich hatte ja auch darum gebeten, in Italia bleiben zu können. Und war ziemlich erstaunt, daß sie meinen Wunsch berücksichtigt haben." Meistens wurde ja nicht viel auf die Wünsche der Bewerber gegeben. Schon gar bei einem zweiten Tribunat. Diejenigen, die dazu verpflichtet waren, wurden verständlicherweise vorgezogen.
"Es ist schwer, sich keine Vorwürfe zu machen. Sie vergeht praktisch vor unseren Augen. Und läßt sich einfach nicht helfen! Es ist zum Verzweifeln. Ich bete täglich für sie... Ja, ein großes Opfer wäre vielleicht eine Hilfe. Was meinst Du, wäre als Opfer angemessen?" Immerhin war Marcus in diesen Dingen wesentlich besser ausgebildet. "Fühlst Du Dich denn kräftig genug, an einem solchen Opfer teilzunehmen?" Sicher wäre es besser, wenn sie beide das Opfer gemeinsam brachten. Doch Ursus war sich nicht sicher, ob solch eine Anstrengung seinem Onkel nicht doch schaden würde.
"Nun, es gibt da eine junge Dame, die noch nicht sehr in Erscheindung getreten ist. Wie hieß sie noch gleich... Irgendwas mit S... Septima, glaube ich*. Oder Silana... hm. Wie gesagt, es ist einfach eine Überlegung. Ich halte eine weitere Verbindung zu den Tiberiern für vorteilhaft. Bei den Flaviern gibt es keine junge Dame im passenden Alter, mit den Claudiern bin ich über meine Mutter verwandt, das wäre also auch nicht so gut. Es ist bisher auch nur eine Überlegung. Aber ich werde in den nächsten Tagen dreißig. Und es wird wirklich allerhöchste Zeit, daß ich heirate. - Was für Klärungsbedarf besteht denn noch bei den anderen Verbindungen?"
Sim-Off: *betreffende junge Dame wird sich in naher Zukunft anmelden. Sobald sie sich für einen Namen entschieden hat
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"Ein Grund mehr, sich zu freuen, auch wenn zwei Tage Aufenthalt in Rom angesichts des Hin- und Rückweges doch recht knapp bemessen sind. Aber da musst du dann wohl durch", sagte ich und seufzte anschließend. Dass er sich auch Sorgen um Minervina machte, war nur zu verständlich. „Wir sollten Apoll opfern. Ein Ziegenbock wäre durchaus angemessen… Ein Hase erscheint mir angesichts der Situation zu mickrig. Ich werde selbstverständlich an diesem Opfer teilnehmen. Immerhin ist sie nicht nur ein liebes Mädchen, sondern meine Nichte“, erwiderte ich und gab mir Mühe, kräftig zu klingen. Ich mochte das Gefühl nicht, dass Ursus’ Frage in mir hervorrief, auch wenn er das natürlich nicht beabsichtigt hatte und zudem nicht ganz Unrecht hatte.
„Ah, tatsächlich? Ich habe noch nichts von dieser jungen Dame gehört, die deine Aufmerksamkeit erregt zu haben scheint…“ gab ich zurück und runzelte die Stirn. Oder hatte Durus während unseres letzten Gastmahls eine Verwandte erwähnt? Vielleicht sollte ich Orestes einmal danach fragen, überlegte ich. „Eine weitere Verbindung zu den Tiberiern ist sicher nicht verkehrt, aber wir sollten dennoch darauf achten, uns nicht allzu sehr an sie zu binden. Mit Durus haben sie natürlich einen starken Fels in ihrer Mitte, und seit Vitamalacus in den Hintergrund gerückt ist, scheint die Familie zudem in neuem Glanze zu erstrahlen, allerdings empfinde ich die Flavier als wertvollere Verbündete. Ich muss nur leider gestehen, überhaupt nicht auf dem Laufenden zu sein – gibt es denn Neues von Flavius Gracchus und seinem Verwandten Aristides?“ fragte ich meinen Neffen, nur um mich dann wieder an das Thema zurückzuerinnern, das wir zuvor diskutiert hatten. „Ah. Aber wenn du dir diese Tiberia ausgeguckt hast, habe ich eigentlich nichts dagegen einzuwenden. Nur bei Tiberius sollten wir schauen, dass es vielleicht keine Tiberia wird. Die Lutetier sind beispielsweise auch ein aufstrebender Stern. Klärungsbedarf? Nun ja, Durus’ Forderungen bezüglich der Mitgift sind etwas…nennen wir es utopisch. Ich bin mir da noch uneins.“
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"Der Legat macht sich sehr rar und ich bin sein Stellvertreter. Und Du weißt ja, wie das ist mit Soldaten, sie sind wie die Mäuse, die auf den Tischen tanzen, wenn die Katze aus dem Haus ist. Zwei Tage sind besser als nichts und dementsprechend nutze ich sie so gut wie möglich." Das Seufzen erschreckte Ursus einen Moment, doch dann begriff er, daß es nicht seinen Ursprung in einem Rückfall hatte. "Ein Ziegenbock für Apoll, das klingt angemessen. Soll ich vorher beim Tempel anfragen, ob sie ein entsprechendes Opfer für uns vorbereiten?" Da Marcus der Fachmann war, wollte er ihm nicht vorgreifen. Er persönlich würde dem Tempel die Auswahl des Tieres überlassen, da die Priester darin viel mehr Erfahrung hatten. Doch er konnte sich auch vorstellen, daß Marcus das Tier lieber selbst bei einem Opfertierhändler auswählte.
"Aufmerksamkeit erregen ist wohl schon zuviel gesagt. Ich weiß im Grunde nicht mehr, als daß sie existiert. Doch heiratsfähige Patrizierinnen sind sehr rar. Wie schon gesagt, es ist eine erste Überlegung. Weder habe ich bisher ein Gespräch mit Tiberius Durus gesucht, noch die junge Dame kennenzulernen versucht. Ich wollte erst Deine Meinung dazu hören." Mehr gab es zu dem Thema nicht zu sagen, daher ging Ursus nun auf die nächste Frage seines Onkels ein. "Gerade bei den Flaviern ist es sehr still geworden. Flavius Gracchus läßt sich in der Öffentlich gar nicht mehr sehen, obwohl es ihm besser gehen soll. Flavius Aristides ist schon häufiger mal zu sehen, ich würde einfach mal vermuten, daß er bald als Quästor kandidiert. Die Flavier hatten kürzlich ein Problem mit entlaufenen Sklaven und es ist zu einer Kreuzigung gekommen." Er zuckte mit den Schultern. Verdient hatte der Sklave es zweifelsohne.
"Vielleicht wird Durus seine Forderungen für die Mitgift überdenken, wenn sich eine weitere Verbindung zwischen unseren Familien anbahnt. Es könnte zumindest die Verhandlungsgrundlage ein wenig verbessern. Was hat er denn gefordert?" Immerhin war er ein angesehener Mann, der es weit gebracht hatte. Als solcher konnte er natürlich gewisse Ansprüche stellen. Außerdem kam die Mitgift letztendlich der Braut zugute. Wenn Marcus mit der Forderung solche Bauchschmerzen hatte, dann mußte sie wirklich immens sein.
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