Mich hielt nichts mehr in der Villa und wenn ich mir Ursus anschaute, ging es ihm ähnlich. Nur noch raus! Diesmal hatte Caelyn nichts verbockt, das spürte ich. Diesmal war ihr etwas zugestoßen. Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, was passiert war. Irgendwo da draußen war sie und ich oder besser gesagt wir mussten sie finden.
Ich war schnell in mein Zimmer gelaufen, hatte das Bild meiner Schwester geholt und hatte noch ein Stück Kohle und ein Papyrus mitgenommen, damit ich gegebenenfalls noch ein Bild zeichnen konnte. Einen kurzen Mantel warf ich noch über meine Schultern. Heute bereute ich es zum ersten Mal, dass ich keine Waffe besaß. Ein Messer wäre ideal gewesen, gerade dann, wenn man mit Gesindel in Berührung kam, mit dem wir es heute mit Sicherheit zu tun bekamen.
Ich lief, nein ich rannte zum Ausgang. Dort wartete Ursus bereits auf mich. Es galt keine Zeit mehr zu verlieren. Jede Minute zählte. Unser Weg führte uns zuerst dorthin, wo Caelyns Suche nach Arbeit aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Anfang genommen hatte, auf dem Markt. Man brauchte sich hier nur umzusehen, um zu verstehen, dass unsere Suche langwierig und auf gar keinen Fall einfach werden würde. . Hier gab es dutzende von Läden und noch mehr Händler. Sie konnte überall gewesen sein. Heute schien mir der Markt viel größer zu sein, als sonst,was natürlich kompletter Blödsinn war. Ratlos und ganz schön geknickt sah ich zu Ursus. "Wo sollen wir nur anfangen? Das ist ja riesig! Caelyn finden wir hier nie!"
Caelyn verzweifelt gesucht!
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Auch Ursus war aufs Höchste beunruhigt. In Begleitung zweier Sklaven waren sie gen Markt aufgebrochen, kaum daß Ursus sich seine Toga hatte anlegen lassen. Dieses mal nahm Ursus sich nicht die Zeit, mal mit Händlern zu sprechen oder mit einigen Bürgern, die vor ihren Häusern standen und diskutierten. Im Gegenteil eilte er mit Louan durch die Straßen und schaute sich aufmerksam um, als könnte er Caelyn so finden, - oder ihren Aufenthaltsort von der Stirn der Passanten ablesen.
"Wer eine Stelle sucht, schaut als erstes bei den Anschlägen am Markt. Wir werden uns die Angebote ansehen und überlegen, womit es Caelyn versucht hat. Und wenn in der Nähe der Anschläge jemand sitzt, der so aussieht, als würde er das jeden Tag machen, dann fragen wir ihn, ob er sie gesehen hat. - Kannst Du Dich erinnern, was sie angehabt hat?"
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Das war eine gute Idee, bei den Anschlägen anzufangen. Wir bahnten uns den Weg dorthin. Auf dem Markte herrschte schon geschäftiges Treiben, wie jeden Morgen. Ich hielt meine Augen offen und sah bei jedem Blondschopf zweimal hin, ob es nicht doch Caelyn sein könnte. Aber sie war es nicht.
"Sie hatte ihre neue Tunika an, die du ihr geschenkt hast. Sie war ganz stolz darauf, als sie sich bei mir verabschiedet hat."Endlich kamen wir zu den Anschlägen. Ich überflog die verschiedenen Angebote, fand aber nichts, was für Caelyn in Frage gekommen wäre. Ein alter Mann fiel mir auf, der auf einer steinernen Bank saß und das Treiben beobachtete. Ich ging auf ihn zu und hielt ihm Caelyns Bild vor die Nase. "He, Alter, hast du diese Frau schon einmal gesehen?" Der Alte nahm die Zeichnung und betrachtete sie sich, schüttelte dann aber den Kopf. Enttäuscht ging ich weiter und fragte noch einige andere Leute, die mir den Eindruck machten, als verbrächten sie den ganzen Tag auf dem Markt. Aber niemand konnte sich an Caelyn erinnern. Auf einmal hörte ich eine Stimme, die nach mir rief. Ich sah mich um und wurde dann auf einen Bettler aufmerksam, der in Fetzen gehüllt, auf dem Boden saß. "He du! Suchst du jemand? Zeig mal dein Bild! Ich bin jeden Tag hier!" Ohne zu zögern zeigte ich ihm das Bild meiner Schwester. Der Bettler hielt es ganz nah an seine Augen, drehte es hin und her und machte seltsame Geräusche. Ich wollte es ihm schon wieder aus der Hand reißen, weil ich dachte, er mache sich über mich lustig. Dann sah er mich aber an und meinte: "Warte mal, warte mal! Was krieg ich, wenn ich dir sage, dass ich die gestern gesehen habe?" Ein Hoffnungsschimmer keimte in mir auf, denn ich hatte niemand gesagt, dass Caelyn gestern hier war. Verblüfft warf ich Ursus einen Blick zu. Natürlich konnte es sein, dass der Bettler uns nur ausnehmen wollte. Vielleicht aber auch nicht. -
Auch Ursus fragte ein paar Leute, von denen er wußte, daß sie häufiger mal hier waren. Sie mußte hier gewesen sein! Warum nur hatte sie keiner gesehen, das konnte doch einfach gar nicht sein! Louan schien ebenso wenig Erfolg bei seiner Fragerei zu haben und so verfinsterte sich Ursus' Miene immer mehr. Hätte er Caelyn doch nur nicht allein gehen lassen! Doch wer konnte ahnen, daß gerade sie in Schwierigkeiten geriet? Sie war doch eigentlich mit allen Wassern gewaschen.
Ein Bettler hielt Louan auf und Ursus trat neugierig näher. Rechtzeitig, um die Frage des Mannes zu hören. "Wenn Du es nur sagst, um Geld zu bekommen, und am Ende stimmt es nicht, dann werde ich dafür sorgen, daß Du in dieser Stadt keine große Freude mehr hast", drohte er finster an, denn die Art und Weise, wie der Mann nachgefragt hatte, klang fast so. "Solltest Du uns jedoch wirklich weiterhelfen, werde ich Dich großzügig belohnen, so daß Du für die nächsten Wochen ausgesorgt hast", versprach er aber für den Fall, daß er tatsächlich etwas wußte.
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Ursus war erst mal vorsichtig, was ich auch gut nachvollziehen konnte. Der Bettler war nun wirklich nicht besonders vertrauenswürdig. Doch der war fast schon beleidigt, weil wir ihm eine Lüge unterstellen wollten. "Ich und lügen? Wie käme ich denn dazu? Aber wenn du nicht wissen willst, wohin die Kleine gestern gegangen ist, dann lass es halt bleiben!"
Ich wurde immer zappliger, je mehr Andeutungen der Bettler machte. Ich war mir ganz sicher, er sprach die Wahrheit. Er hatte Caelyn gestern noch gesehen und er konnte uns vielleicht weiter helfen, damit wir ihren Weg nachvollziehen konnten, den sie gestern gegangen war. "Ich glaube dir! Wenn du uns sagst, wo und wann du sie gesehen hast, bekommst du ganz sicher eine Belohnung. Aber sag mir, wo meine Schwester ist!" Der Bettler sah mich mit großen Augen an. "Deine Schwester, aha! Also ich habe sie am frühen Nachmittag gesehen. Sie war fein gekleidet und schien etwas zu suchen. Sie ist da drüben in den Schneiderladen gegangen. Kam aber bald wieder heraus. Dann habe ich mich nicht mehr weiter um sie gekümmert. Aber eigenartigerweise ist sie mir kurze Zeit später wieder aufgefallen. Da war sie gar nicht mehr so fein, wie am Anfang. Sie sah schmutzig und zerzaust aus, fast wie eine von der Straße. Sie ist dann dort drüben zu dieser Garküche gegangen. Hat erst mit dem von der Garküche geredet und dann mit so einem komischen Kerl. Der sah wie ein Grieche aus, aber wenn ihr mich fragt, der war nicht ganz koscher. Mit dem ist sie dann auch mitgegangen. Danach habe ich sie nicht mehr gesehen." Der Bettler sah noch zur Garküche hinüber, als ob ihm das helfen könnte, sich zu erinnern.
"Danke, ich glaube du hast uns ein ganzes Stück weiter gebracht!"
Für mich waren das einige wichtige Anhaltspunkte, die uns vielleicht auf Caelyns Spur bringen konnten. Wir mussten unbedingt den Mann von der Garküche Caelyns Bild zeigen. Aber vorher hatte der Bettler eine Belohnung verdient. "Hier, ich habe zwar nicht viel. Aber einige Sesterzen kann ich dir geben!" -
Welcher Lügner behauptete nicht, die Wahrheit zu sprechen? Ursus kniff die Augen ein wenig zusammen und schwieg, während Louan allzu bald seine Bereitschaft erkennen ließ, eine Belohnung zu zahlen. Der Junge mußte noch viel lernen, sehr viel. Jedoch waren die Hinweise, die der Bettler gab, sehr wertvoll. Wenn sie denn der Wahrheit entsprachen.
Die Geschichte war merkwürdig. Caelyn war nicht dumm. Warum war sie zerzausst und verschmutzt gewesen? Ob sie da schon in Schwierigkeiten geraten war? Warum war sie dann nicht gleich nach Hause gekommen? Mit einem dubios wirkenden Mann einfach mitzugehen, das paßte doch eigentlich gar nicht zu ihr. Vor allem nach den Warnungen, die Ursus ihr mit auf den Weg gegeben hatte.
Als Louan den Mann bezahlen wollte, machte Ursus eine abwehrende Geste. "Ich erledige das. Behalte Du Deine paar Münzen." Er suchte ein paar Münzen aus seinem Geldbeutel und gab sie dem Bettler. "Dafür, daß Du noch hier bist, wenn wir wiederkommen. Dann werde ich wissen, was Deine Aussagen wert waren. Entsprachen sie der Wahrheit, wirst Du von mir eine wirkliche Belohnung erhalten." Es war sicher jetzt schon mehr, als Louan hätte geben können. Doch auch noch nicht so viel, daß der Mann kein Interesse an einer weiteren Belohnung haben könnte. Ursus war es im Grunde egal. Wenn der Bettler später fort sein würde, dann sparte er eben Geld.
Sie entfernten sich ein paar Schritte von dem Mann, erst dann sprach Ursus über das Gehörte. "Laß uns möglichst genau ihren Weg verfolgen. Also erst in den Schneiderladen gehen. Ich möchte wissen, was sie dort erfragt hat. Und vielleicht kann man uns dort sagen, wo sie danach hingegangen ist. Sie scheint ja schon vor Geschichte an der Garküche Probleme gehabt zu haben." Selbst Kleinigkeiten konnten wichtig sein und vielleicht hatten sie später keine Gelegenheit mehr, hier nachzufragen. Also konnten sie diese paar Minunten jetzt auch opfern. Auch wenn Ursus ahnte, daß diese Art der Suche Louan nicht schnell genug ging.
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Ich hatte schon eine Münze in der Hand, die ich dem Bettler geben wollte. Da erledigte das schon Ursus und ich ließ die Münze wieder zurück in den Beutel fallen. Er hatte immer noch kein richtiges Vertrauen in die Aussage des Bettlers. Aber welche Anhaltspunkte hatten wir denn schon? Gar keine! Meine Schwester war wie von Erdboden verschwunden. Dafür musste es doch eine Erklärung geben!
Vielleicht konnte der Schneider helfen. Ich nickte Ursus zu und machte einige eilige Schritte zu dem Laden. Der Inhaber selbst begrüßte uns und fragte gleich nach, wie er uns helfen konnte. Er hoffte natürlich auf ein gutes Geschäft. Leider mussten wir ihn da enttäuschen.
"Guter Mann, ich habe gehört, diese junge Frau soll gestern Morgen in deinem Geschäft gewesen sein. Wahrscheinlich hat sie sich nacheiner Arbeitsstelle erkundigt. Kannst du uns dazu etwas sagen?"
Ich hielt ihm die Zeichnung von Caelyn vor die Nase. Der Schneider nahm sie und betrachtete sie für einen Moment. "Mhm, kann schon sein? Ja, gestern war so eine junge Frau hier, die nach Arbeit fragte. Sie war recht ordentlich gekleidet. Aber ich habe sie wieder weggeschickt, weil ich sie im Moment nicht brauchen konnte. Sie sagte, sie könne nicht jeden Tag hier arbeiten, nur ab und zu. Das ist mir leider zu wenig. Schade eigentlich. Sie hatte einen ganz guten Eindruck gemacht. Warum, ist etwas mit ihr?" Der Schneider sah erst mich an und dann Ursus.
"Wir wissen es nicht, was mit ihr ist. Sie ist nicht nach Hause gekommen. Wir suchen sie jetzt. Hast du gesehen, wo sie als nächstes hingegangen ist? Hat sie etwas gesagt?" Der Schneider dachte nach, schüttelte dann aber den Kopf. "Nein, viel gesagt hat sie nichts. Nur das sie weiter suchen wollte. Dann ist die gegangen. Ich glaube, sie ist dann da in die Gasse hinein gegangen. Aber komisch, da gibt es gar keine Läden!"Das war allerdings komisch! Was hatte Caelyn nur in dieser Gasse gemacht und warum war sie anschließend schmutzig und zerzaust, als sie wieder zurück kam? -
Es kam überraschenderweise gar kein Widerspruch von Louan. Im Gegenteil wartete der Junge nicht einmal, bis Ursus vollständig ausgesprochen hatte, sondern betrat im nächsten Augenblick schon den Laden. Ursus überließ es Louan, die Sachlage zu erklären und hörte dabei aufmerksam zu. Der Schneider machte einen ehrlichen Eindruck auf ihn. "Wir machen uns große Sorgen um sie. Solltest Du also etwas hören oder mitbekommen, dann laß bitte eine Nachricht zur Villa Aurelia bringen. Es soll Dein Schaden nicht sein, wenn Du uns helfen kannst." Auch der Schneider bekam für seine hilfsbereite Art ein paar Münzen, denn sicher würde die Aussicht auf weiteres Geld die Aufmerksamkeit des Schneiders steigern.
Viel mehr konnten sie hier nicht erfahren und so verließen sie den Laden nach einem freundlichen Abschied wieder. "Dann also in die Gasse. Hier muß ja etwas geschehen sein. Schau Dich nach Menschen um, die hier öfter herumlungern." Sie betraten die Gasse und Ursus fragte sich, warum Caelyn ausgerechnet hier hineingegangen war. Sie war doch nicht dumm! "Ob sie jemand angesprochen hat, als sie aus dem Schneiderladen kam? Was meinst Du?"
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In mir wuchs stetig die Gewissheit, dass etwas Furchtbares passiert war. Der Schneider konnte uns leider auch nicht weiter helfen. Seine Aussage stürzte mich nur noch mehr ins Grübeln. Nachdem ihm Ursus noch eine kleine Belohnung zugesteckt hatte, bedankte ich mich auch, ehe wir weiter gingen.
Wieder auf der Straße, lugte ich in diese geheimnisvolle Gasse, die irgendwie mit dem Schicksal meiner Schwester zu tun hatte. Ich nickte Ursus nur still zu. Mit jeder Minute, die unsere Suche andauerte, litt ich mehr. Zwar versuchte ich, den Gedanken, Caelyn sei etwas zugestoßen, von mir wegzuschieben. Das aber wurde von Minute zu Minute schwieriger.
Ich befolgte alles, was Ursus mir sagte. Die Gasse war wirklich nicht gerade einladend. Sie war eng, dunkel und muffig. Hoch über uns hing gewaschene Wäsche, die man zum trocknen aufgehängt hatte. "Ich weiß nicht! Ich weiß bald überhaupt nichts mehr. Das ist alles so undurchsichtig."
Auf einer Eingangstreppe saß ein alter Mann, der vor sich hin starrte. Unsere Schritte lenkten seinen Blick direkt auf uns. Aufmerksam musterte er uns. Ihn wollte ich nach meiner Schwester fragen. Vielleicht hatte er sie gestern gesehen und konnte uns weiterhelfen.
"Alter Mann, bitte kannst du uns helfen? Wir suchen diese junge Frau hier!" Wieder hielt ich ihm das Portrait von Caelyn vor. "Sie soll gestern in dieser Gasse gewesen sein. Sie trägt eine dunkelblaue Tunika und ihre Haarfarbe ist blond."Der Alte hielt das Bild ganz dicht an seine Augen. Es dauerte ein bisschen, bis er etwas sagte.
"Ja, das muss diese Irre von gestern sein. Sauber und ordentlich war sie angezogen und dann hat sie sich Dreck ins Gesicht geschmiert und hat ihre Haare durcheinander gebracht. Was die jungen Dinger heute so im Kopf haben. Nicht zu glauben! Alles, nur nichts Gutes! Zu meiner Zeit hat man so was nicht gemacht. Da haben…" Unglaublich, wie gesprächig der Alte auf einmal wurde. Wahrscheinlich sprach sonst niemand mit ihm. "Entschuldige, wenn ich dich unterbreche. Du sagst, sie hat sich Dreck ins Gesicht geschmiert?" Wozu das denn nur? Ich sah zu Ursus hinüber, der wahrscheinlich darauf auch keine Antwort parat hatte.
"Ja, ja hat sie , hat sie! Das muss eine Verrückte gewesen sein. So ein schönes Kleid! Und dabei…" Ich stoppte die Redseligkeit des Alten, indem ich gleich noch eine Frage stellte. "Und dann, was ist dann geschehen? Hat jemand sie angesprochen oder ist sie mit jemandem mitgegangen?" Der Alte hielt kurz inne und quittierte die Frage mit einem Kopfschütteln. "Nein, wieso? Nichts ist dann passiert. Sie ist dann wieder zurück gelaufen. Ich glaube langsam, die hat das schöne Kleid gestohlen. Das war bestimmt eine Diebin. So ein schönes Kleid! Deshalb hat sie es auch schmutzig gemacht. Ganz bestimmt…."
Der Alte redete noch eine ganze Weile vor sich hin, selbst dann noch, als ich ihm schon gar keine Beachtung mehr schenkte. Ratlos sah ich zu Ursus. Was jetzt? Die Geschichte wurde immer seltsamer. -
Louan verlor keine Zeit, sogleich befragte er einen alten Mann, der hier in der Gasse auf den Stufen eines Hauses saß und offenbar nicht mehr viel Freuden im Leben hatte. Ursus beugte sich zu ihm herunter. "Nein, sie ist keine Diebin. Das Kleid war ein Geschenk. Und sie scheint in Schwierigkeiten zu stecken. Hör zu, guter Mann. Wenn Du etwas von ihr hörst oder siehst, dann geh in den Schneiderladen da vorn und berichte dem Schneider davon. Er wird uns dann eine Nachricht zukommen lassen. - Kannst Du Dich entsinnen, ob jemand in der Nähe war? War da vielleicht jemand, der suchend geguckt hat? Vielleicht wurde sie ja verfolgt und hat sich deshalb so zugerichtet? Um nicht gleich erkannt zu werden? Bitte überlege einen Moment." Er drückte dem Mann ebenfalls eine Münze in die Hand. Geld gehörte zu den wenigen Dingen, die Gedächtnissen schnell auf die Sprünge halfen. Wenn er sich jetzt freigiebig zeigte, würden diese Leute ihre Augen offen halten.
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Der Alte schaute ganz schön dumm, als Ursus begann, meine Schwester zu verteidigen. Caelyn war vielleicht irgendwann mal eine Diebin gewesen, aber jetzt nicht mehr. Er beschwörte ihn, sich zu melden, falls er was über sie noch was erfuhr oder sie sogar sah. Mehr konnten wir hier auch nicht mehr ausrichten. Der Alte nickte und versicherte uns, uns unterstützen zu wollen, besonders dann, als Ursus ihm eine Münze in die Hand drückte.
Wir verließen diese Gasse wieder und gingen zurück, dort wo das Marktleben pulsierte. Unser nächstes Ziel sollte die Garküche sein, zu der es auch Caelyn gezogen hatte. Ich war mir nicht sicher, ob sie dort nach einer Arbeit gefragt hatte, oder ob sie einfach nur etwas essen wollte. Am besten, wir fragten uns wieder durch.
Ein wenig entmutigt sah ich zu Ursus. Wie konnte ein Mensch nur so spurlos verschwinden? Vor uns rückte die Garküche in unser Blickfeld. Ein Mann hantierte an der Theke und bediente seine Kundschaft. Es roch verlockend nach gebratenen Würstchen. Der Duft überdeckte alles. Aber mich ließ er kalt. Ich hatte keinen Hunger, solange ich nicht wusste, was mit meiner Schwester los war.
Wir warteten, bis seine Kundschaft weg war. Der Mann hinter der Theke sah uns freundlich mit seinen Kulleraugen an. "Salvete, womit kann ich dienen?", fragte er schleppend.
"Wir wollen nichts essen! Wir möchten nur eine Auskunft!" Ich holte meine Zeichnung hervor und hielt sie ihm vor sein Gesicht. "Hast du diese Frau gesehen? Sie soll gestern hier bei dir gewesen sein." Der ,Mann sah sich das Bild genau an und kratze sich am Kopf. "Ähhh, ich äh weiß nicht. Kann sein. Warum, hat sie was ausgefressen?" Er war nicht wirklich von der schnellen Truppe, weder beim reden, noch beim denken. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, hat sie nicht. Schau dir das Bild noch mal genau an. Sie soll gestern hier gewesen sein. Vielleicht hat sie nach einer Arbeit gefragt."Der Mann sah noch einmaleingehend auf das Bild. Diesmal gab er sich richtig viel Mühe. "Ähh, ja. Ich glaube, die war hier. Gestern. So ein Kerl hat sich mit ihr unterhalten. Ich glaube, die suchte etwas. Sie ist mit ihm gegangen, mit dem Kerl." -
Wieder ließ Ursus Louan die Fragen stellen. Er machte das gar nicht schlecht. Aufmerksam beobachtete er das Gesicht des Mannes, um festzustellen, ob er vielleicht log. Doch er schien sich wirklich die allergrößte Mühe zu geben, um sich zu erinnern. "Dein Essen sieht wrklich gut aus. Mach uns doch bitte zwei Portionen Würstchen fertig, ja?" Vielleicht half die Aussicht auf Profit ja dem Gedächtnis noch ein wenig mehr auf die Sprünge. "Hast Du hören können, worüber sie sprachen? Und kannst Du Dich erinnern, wie der Kerl aussah? Kommt er häufiger hier vorbei? Bitte versuche, Dich zu erinnern. Selbst Kleinigkeiten könnten wichtig sein. In welche Richtung sind sie denn davon gegangen?" Irgendein Kerl, na wunderbar. Es gab ja auch so wenig Kerle in Rom. Wie konnte Caelyn mit jemandem mitgehen, der sie einfach auf der Straße ansprach? Noch dazu, wenn sie derangiert aussah? Hatte sie denn in ihrem Leben auf der Straße gar nichts gelernt? Ursus konnte es wirklich nicht glauben.
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Am Tag nach der zweiten Entführung, deren Opfer sie noch in der gleichen Nacht ins Lupanar verfrachtet hatten kam Catubodus unwillkürlich wieder zu jener Garküche, wo sich der wesentliche Teil abgespielt hatte. Nach seinem Streit, den er früh morgens mit Asellus gehabt hatte trieb es ihn irgendwie zu dem Ort seiner Tat zurück. Mit Asellus würde er keine Geschäfte mehr machen und wenn es nach ihm ginge, so würde er die drei Frauen, die sie geliefert hatten, wieder auslösen. Besonders um die Keltin tat es ihm leid. Im Gegensatz zu den anderen wollte sie sich nicht in ihr Schicksal fügen, was ihm gewissermaßen imponierte.
Gedankenverloren bestellte er sich in der Garküche eine Portion Würstchen und gerade als er sie erhalten hatte wurde dem langsamen Verkäufer ein Bild gezeigt, auf das er aus reiner Neugierde einen Blick warf. Bei den Geistern der Unterwelt! Bis hier her waren sie schon gekommen auf der Suche nach der Keltin. Etwas verunsichert setzte er sich auf eine der wenigen Sitzgelegenheiten und überdachte die Details der Entführung und ob sie der Spur überhaupt bis zu Asellus und damit bis zu ihm würden folgen können.
Nach ein Paar Bissen beruhigte er sich wieder. Es war von Vorteil nicht dort zu wohnen und selbst wenn Asellus gefasst wurde und plauderte würde man ihn nicht finden. Zu schlecht war Asellus im beschreiben von Menschen. Das war immer eines seiner größten Probleme gewesen. Er war also sicher. Vielleicht konnte er sogar doch noch etwas tun um zumindest der Blonden zu helfen. Er sah sich um und entdeckte den Knaben zusammen bei einem elegant gekleideten Römer mit aristokratischer Erscheinung nicht weit entfernt beim Mahle. Er nahm seine halbleere Schüssel und gesellte sich zu ihnen. "Ich kann euch helfen." Nun war es an den Beiden darauf einzugehen.edit: kleine Korrektur in Absprache.
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Ich befürchtete, der Kerl war mit meinen Fragen ganz schön überfordert. Da kam es ihm gerade recht, als Ursus seine Würstchen lobte und zwei Portionen bestellte. Ich wollte erst etwas dagegen einwenden, dass ich gar keinen Appetit hätte. Aber vielleicht ging Ursus Strategie ja auf, wenn er dadurch hoffte,der Kerl könne sich dann besser erinnern, wenn er etwas verdiente.
"Oh, ja äh danke! Zwei Portionen. Kommt sofort!" Man konnte ihm ansehen, wie er erleichtert aufatmete, als die Bestellung kam. Jetzt konnte er endlich wieder das machen, weswegen er eigentlich da war. Aber kaum kam er mit den Würstchen an, nahm Ursus ihn wieder in die Mange und fragte ihn aus. Das Lächeln verschwand schlagartig aus seinem Gesicht. Schon wieder die lästigen Fragen!
"Äh welcher Kerl? Ach der Kerl! Äh, nein. Den hab ich noch nie gesehen. Weiß nicht, worüber die geredet haben. Ich hatte ja hier zu tun und kann nicht aufpassen, worüber meine Gäste reden. Und außerdem, die hatte ja auch gar nichts bestellt." Wenigstens das wusste er noch! Langsam wurde es mir zu bunt. Eigentlich war ich ja ein ganz friedlicher Mensch. Aber dieser Typ strapazierte meine Nerven. Ich hatte große Lust, ihm eine in seine dämliche Fresse zu schlagen. Sein Glück, dass sich auf einmal einer der anderen Gäste rührte.
"Was hast du gesagt? Du kannst uns helfen? Weißt du was über sie? Hast du sie gesehen?" -
Der Händler war ja wirklich eher von der etwas langsameren Sorte. Er wußte praktisch nichts. Außer, daß sie hier gewesen war und mit einem Mann fortgegangen war. Es war zum auswachsen! Ursus trat ein paar Schritte beiseite, um sich wenigstens die Wurst schmecken zu lassen, da wurden sie von einem der Gäste angesprochen. "Du kannst uns helfen?", fragte er überflüssigerweise nochmal nach. "Und darf ich fragen, mit wem wir das Vergnügen haben?" Er lächelte freundlich, doch sein Blick war abschätzend. Eigentlich hatte er keinen Grund, dem Mann zu mißtrauen, doch es war einfach nicht ersichtlich, was er für eine Funktion hatte. Es müßte doch jemand sein, der sich hier quasi ständig herumtrieb. Und so sah er einfach nicht aus. Doch natürlich ließ er sich auch gerne überraschen. Die Antworten auf seine und Louans Fragen würden sicher für Aufklärung sorgen.
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Wie zu erwarten gewesen war löcherten sie ihn augenblicklich mit Fragen. Damit hatte er gerechnet und beantwortete sie so wie es geraten war.
"Ja, ich habe sie in der Tat gesehen. Und ich weiß wo sie ist. Ich habe nur zwei Bedingungen: Erstens interessiert ihr euch nicht weiter darum wer ich bin oder warum und woher ich weiß was ich weiß. Zweitens kostet euch das eintausend Sesterzen. Dafür helfe ich auch bei der Befreiung. Zweihundertfünfzig Sesterzen gleich und den Rest wenn ihr sie wieder habt." Eigentlich hatte er keine Bezahlung verlangen wollen, doch in Rom hatte alles seinen Preis und wenn er nichts verlangt hätte wären die beiden wohl richtig misstrauisch geworden. Nein, so war er eine von jenen Gestalten, die mit allerlei Informationen handelten. Diese Sorte Gauner gab es ja zur Genüge in dieser Stadt. -
Die erste Bedingung wäre Ursus ja noch bereit einzugehen. Doch die zweite war einfach lachhaft. "Eintausend Sesterzen? Nein." Er antwortete schnell, bevor Louan etwas dazu sagen konnte. Und in sehr bestimmtem Tonfall. Ursus war immer gerne bereit, hilfsbereiten Menschen eine angemessene Belohnung zukommen zu lassen. Doch das hier war völlig überzogen!
"Ich biete Dir 30 Sesterzen sofort. Und wenn Deine Information etwas taugt, eine weitere Belohnung nach meinem Ermessen, denn auch der Zustand des Mädchens hat darauf Einfluß. Denn wenn Du so viel weißt und von Befreiung redest, was für mich bedeutet, daß sie in Gefahr ist, dann bist Du an einem Verbrechen beteiligt." Das war für ihn eine ganz klare Angelegenheit. "Denn was immer Du weißt, hättest Du längst den Cohortes Urbanae mitteilen müssen."
Er blickte den Mann weiterhin abschätzend an. Prägte sich sein Gesicht und seine Kleidung gut ein. Er hoffte, daß Louan so klug war, genau das auch zu tun. "Überlege Dir genau, was Du sagst und was Du forderst. Ich lasse mich nicht erpressen."
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Ganz der kriecherische Gauner der sich gerade noch aufgespielt hatte, reagierte er entsprechend auf das Gegenangebot des Gutgekleideten, wie es sich gebührte. Mit dem Verbrechen, das er ja in der Tat selbst begangen hatte wollte er nicht in Verbindung gebracht werden. Geschickterweise lieferte ihm seine Rolle auch dafür einen Ausweg.
"Verzeiht, Herr. Ich war wohl etwas gierig. Gut gut, ich nehme was ich bekommen kann. Wie du bereits wohl erfahren hast hat sie hier mit einem geredet, ein Sklave, sah irgendwie Griechisch aus mit seinem angemalten Gesicht. Dann sind die zwei losgezogen und ich, da mir das iberisch vorkam bin hinterher. In ner dunklen Gasse kamen dann zwei Grobiane und haben sie in einen Sack gesteckt. Ich kann euch hinführen, ist schon fast in der Subura. Da bin ich getürmt und heute Nacht, als ich den Nachttopf auf die Straße kippte sah ich eine Gruppe, wo sie wieder dabei war. Da bin ich wieder hinterher. Ich kann euch zeigen wo sie jetzt ist. Wird euch nicht freuen zu hören, ist ein Lupanar. Da werdet ihr mich brauchen." Zum Schluss seiner Ausführungen sprach er auch den jungen Kerl an, der mit von der Partie war und dem man ansah das ihm noch weit mehr an der Keltin lag als dem Patrizier. -
Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte! Dieser Mann hatte sie gesehen und er wusste sogar, wo sie war. Das war die beste Nachricht desTages! Aber dann kamen seine Bedingungen, die mir glatt die Sprache verschlugen. Dass er seine Identität nicht preisgeben wollte, konnte ich ja noch verstehen. Früher, als ich noch in Gallien lebte, hatte ich öfters mit solchen lichtscheuen Typen zu tun. Dann verlangte er aber auch noch tausend Sesterzen! Ich konnte nicht begreifen, dass er aus Caelyns Not auch noch Profit schlagen wollte.
Ursus kam mir zuvor. Er lehnte seine Forderung sofort ab. Verdammt, ich wusste nicht, was ich machen sollte. Soviel Geld hatte ich nicht und soviel bekäme ich in einem Jahr nicht zusammen.
Ursus bot ihm dreißig Sesterzen für den Anfang. In den Ohren des Fremden musste das ganz schön lächerlich klingen, auch wenn Ursus ihm mit den Cohortes Urbanae drohte.
"Sie ist meine Schwester! Bitte, ich habe nicht so viel Geld. Bitte hilf uns trotzdem!"
Kaum hatte ich das gesagt, begann er zurück zu rudern. Er war mit weniger zufrieden und er begann zu reden. Demnach steckte Caelyn tatsächlich in großen Schwierigkeiten! Sie war entführt worden und man hatte sie in ein Lupanar gebracht.
Ich konnte nicht mehr zurückhalten. Das war einfach zu viel! Meine Augen weiteten sich und ich begann laut loszuschreien.
"In ein Lupanar? Nein, bloß das nicht! Nein! Hilf uns! Du musst uns helfen! Zeig uns, wo sie ist! Schnell!" Wir durften keine Zeit mehr verlieren. -
Ursus holte die dreißig Sesterzen hervor und reichte sie dem Burschen. "Also, dann erzähl uns mal, was das für ein Lupanar ist. Mit wievielen Gegnern haben wird dort zu rechnen? Während Du uns das berichtest, kannst Du uns schon mal an den Ort führen, wo die Entführung stattgefunden hat. Und ich würde gerne sichergehen, daß Du sie wirklich gesehen hast und uns nicht an der Nase herumführst. Was hatte sie an?" Dann schaute er Louan beschwörend an. Der Junge zeigte viel zu viele Emotionen. Besser wäre es, wenn er sich dieses Gesicht ordentlich einprägen würde. Genug, um es anschließend zeichnen zu können. Nur für den Fall der Fälle.
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