Strafdienst - Holzbalken auswechseln

  • Als ich am ersten Abend meines Strafdienstes auf der Veranda mit den defekten Holzbalken ankam, warteten bereits zwei andere Kameraden auf mich, die, jeder einen Hammer in der Hand, schadenfreudig zu mir herüberwinkten.
    "Hey Vestinus." rief der eine schon von weitem und an der Stimme erkannte ich, dass es der schwarzhaarige, schlaksige Victorius war, der das contubernium neben meinem eigenen bewohnte. "Wir sind schon seit einer halben Stunde hier, aber fairerweise haben wir auf dich gewartet." Jetzt, da ich näher war, sah ich, dass er grinste und ich grinste zurück, denn was sollte ich auch sonst dazu sagen? Ich selbst hätte auch nicht mehr machen wollen, als notwendig.
    Der andere sah eher verbittert aus, trotz winkender Geste und noch ehe ich überhaupt eine Frage stellen konnte, machte Victorius uns schon miteinander bekannt. "Pudens - Vestinus" sagte er, gekonnt knapp und klopfte dem jungen, braunhaarigen Kameraden auf die Schulter, bevor er mir zuzwinkerte. "Pudens ist ein bisschen übellaunig." sagte er, gut gelaunt. "Er nimmt das alles ein wenig zu ernst. Sein Vater und Großvater haben schon in den Legionen gedient und nie einen Strafdienst bekommen und nun schämt er sich dafür, dass er der erste in der Familie ist, der einen ableisten muss. Aber er ist ein netter Kerl, also mach dir keine Sorgen, Vestinus."
    Ich nickte und versicherte dem grimmigen Kameraden, dass es schlimmere Blamagen gäbe. "Und außerdem." fügte ich hinzu. "Tust du am Ende eine gute Tat, wenn durch deine Arbeit niemand mehr Gefahr läuft, sich das Genick zu brechen."


    Ein paar Minuten später machten wir uns an die Arbeit und begannen damit, die Fläche abzulaufen und jede der Latten zu markieren, die ausgewechselt werden musste. Herausholen wollten wir sie noch nicht, denn wir würden heute nicht alle schaffen und eine löchrige Veranda war noch schlimmer, als eine unebene. "Hey, hier, ich hab noch eine." rief Pudens, der nun, da er zu tun hatte, sichtlich aufgelebt war. Eilig lief ich zu ihm und markierte sie.
    "War's das dann?" fragte der schwitzende Victorius, der von hinten an uns herangetreten war. "Oder haben wir noch eine übersehen?"
    "Ich glaube nicht." antwortete ich und war schon im Begriff zu gehen, als die Adleraugen des jungen Pudens einen weiteren defekten Balken entdeckten, den er noch eilig markierte, bevor wir uns ans Auswechseln machten.


    So vergingen dann auch die Stunden. Wir hämmerten und schleppten, maßen ab und zersägten an den Stellen, an denen es notwendig war. Inzwischen war es kalt geworden, doch da wir uns die ganze Zeit über bewegten und konzentrierten, spürten wir die Kälte nicht. Bald jedoch würde es dunkel werden und dann könnten wir, wenigstens für heute, in unsere Baracken zurückkehren.

  • Am nächsten Tag hatten wir uns schon beim Betreten des campus verabredet und schlenderten nun, da es Abend war, gemütlich zur Veranda.
    "Das war heute ein Tag." sagte Victorius. "Ihr werdet es nicht glauben, aber es sind zehn Leute umgekippt. Zehn meiner Kameraden! Könnt ihr das glauben?" Fassungslos schüttelte er den Kopf. "Und sowas wollen Soldaten werden. Manche sind wirklich weich."
    Pudens nickte. "Jaja, das passiert schonmal. Bei uns war es ruhig. Formationen, den ganzen Tag und viel aufgewirbelter Staub."


    "Ach Mist. Schaut mal." sagte Victorius nach einigen Minuten des Schweigens. "Die gehen jetzt alle zu den Thermen und vergnügen sich, während wir mit den blöden Holzlatten geschlagen sind."
    "Was wir uns selbst zuzuschreiben haben." erwiderte Pudens bestimmt. So ein Moralapostel, aber er ließ nicht davon ab, uns immer daran zu erinnern, dass es unsere eigenen Taten waren, mit denen wir uns die Strafarbeit eingehandelt hatten. Victorius grummelte und sagte dann nichts mehr, denn mit dem rhetorisch bessere bewanderten Pudens konnte er es noch nie aufnehmen.


    ~Stunden später~


    "Ich glaube, jetzt haben wir es bald, was?" fragte ich. "Das sieht doch schon ganz gut aus und bei euch?"
    Die Stunden waren mal wieder verflogen und langsam nahm die Veranda eine Gestalt an, die sich sehen lassen konnte. Die Hälfte ungefähr hatten wir geschafft.
    "Sieht gut aus." kam es von Victorius. "Wenn keiner weiter geht als bis hier." Er trat an die Stelle, die die guten von den schlechten Balken trennte. "Sollten die Unfälle deutlich abnehmen." Er grinste. "Was sagt ihr, Männer? Es ist schon dunkel. Wollen wir mal gehen?"
    Pudens nickte, ich ebenso. Gemeinsam verstauten wir die noch vorhandenen Balken und die Werkzeuge und begaben uns zu den Baracken.

  • Am nächste morgen, kurz nach der Mittagszeit, kassierte Licinus das Strafkommando ein und machte sich an die Inspektion der Ausbesserugnsarbeiten.
    Mit aller Mäkelsucht, die er aufbringen konnte lief er die Veranda ab, bückte sich in unregalmäßigen Abständen, rüttelte an neuverlegten und krazte an alten Balken, konnte jedoch nichts finden, was er beanstanden konnte.
    Am Ende der Barcke angekommen wandte er sich um und sah die "Missetäter" an. Er sog Luft ein und sprach:


    "Placet. Ihr dürft wegtreten."

  • Erleichtert schritten wir von dannen. Licinus hatte nichts gefunden und endlich war die Schinderei vorbei.


    "Und nun?" fragte Victorius. "Wird mir ganz schön fehlen." Fast schon verklärt drehte er den Kopf in Richtung Veranda.
    "Ich bitte dich, Victorius." unterbrach Pudens den Kameraden in dessen Schwelgerei. "Es waren doch bloß drei Tage."
    "Haha." Heftig klopfte er dem Kleineren auf die Schulter. "Ich habs doch nicht ernst gemeint." Er zwinkerte. "Und trotzdem sollten wir uns abends mal auf einen Becher Wein treffen. Ihr beiden seid schon schwer in Ordnung." Er grinste noch einmal breit und stob in Richtung Thermen davon.


    "Ich werd ihn nie verstehen." seufzte Pudens, sobald Victorius außer Hörweite war. "Manchmal ist er echt komisch, selbst, wenn man ihn schon länger kennt."
    Ich schmunzelte. "Er ist eben lebhaft." Und das konnte ja nur gut sein, dachte ich. "Wie dem auch sei. Ich werd die staubigen Klamotten ablegen. Wir sehen uns Pudens, in den Thermen .. oder auf der Latrine." fügte ich lachend hinzu und setzte meinen Weg zu den Baracken fort.

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