„Mama!“
„Komm. Man zeigt nicht mit den Fingern auf die Leute, Lucius!“
„Nein, Mama! Schau mal! Ist die Frau groß!“
„Lucius, das sagt man nicht!“
„Aber schau, Mama! Ist die groß! Warum ist die so groß? Mama, sag doch!“
Deutlich hörte Romana die Stimmen hinter sich. Sie gehörten einem Jungen, vielleicht 4 oder 5, und einer Mutter. Und, was spätestens jetzt klar wurde... der Kleine meinte sie. Claudia Romana. Niemanden sonst in der Menschenmenge am Forum Romanum.
Romana drehte sich um und blickte die beiden an. Sie merkte, dass ihr die Röte ins Gesicht gestiegen war, und das Unbehagen so heftig wie selten an ihr nagte. Die Frau blickte an Romana etwas furchtsam hinauf. Dies musste drei Gründe haben. Erstens die Worte ihres Sohnes, zweitens die Schuhe von Romana, die eindeutig ihren patrizischen Stand kennzeichneten, und drittens das Erscheinungsbild von Romana. Ja, sie war eine große Frau, damit hatte sie sich schon lange abgefunden, und mittlerweile machten ihr Scherze in der Richtung auch nichts mehr auf. Doch an empfindlichen Tagen konnte so etwas schon... weh tun wäre der falsche Ausdruck, aber es konnte doch ihre Stimmung ein wenig verleiden. Dass die Fremde mit ihre Kind Romana dazu anblickte, als ob die junge Patrizierin gerade dabei wäre, sie offen zu bedrohen, setzte Romanas leichter Gekränktheit noch ein Sahnehäubchen auf.
Sie strich sich mit ihrer Hand fahrig durch das wirre Haar, um von ihren negativen Gefühlen abzulenken und meinte mit einem aufgesetzten Lächeln: „Ist schon in Ordnung. Das ist halt so, weil ich immer mein Essen aufgegessen habe. Wenn du das auch tust, dann wirst du auch groß und stark, Kerlchen.“ Sie versuchte so ihre Verlegenheit mit einem kleinen Späßchen zu überspielen. Doch dies misslang, als der Kleine sie noch immer verwundert anblickte und keinen Ton rausbrachte. Die Mutter lächelte gequält. „Äh... haha...“, brachte sie hervor.
Die Situation war für alle Beteiligten so unangenehm, dass Romana wenig Grund sah, sie aufrecht zu erhalten. „Guten Tag noch...“, meinte sie mit der festesten Stimme, die sie hervorbringen konnte, drehte sich um und eilte davon. Schleunigst.
Romana ging schnellen Schrittes quer über das Forum und kam dann endlich zu stehen, als sie nicht weitergehen konnte, weil eine Säule vor ihr stand. Sie lehnte sich an diese an und atmete tief durch. Sie konnte sich doch von einem solchen Kinkerlitzchen nicht runterziehen lassen! Das ließ sie doch sonst nicht zu! Es handelte sich doch nur um ein kleines, unwissendes Kind. Es war nichts passiert, rein gar nichts. Gleich würde es besser werden.
Die hoch gewachsene junge Frau löste sich von der Säule, nicht ohne sich jedoch nicht an jener abzustützen. Gleich würde es besser werden. Fast war sie schon beschämt, dass sie so reagiert hatte. Sie war einfach leicht aus der Ruhe zu bringen. Gedankenabwesend schüttelte sie den Kopf.
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