Quinquatrus Minusculae - Die Prozession zum Aventin

  • Die Quinquatrus Minusculae standen ins Haus und wie in jedem Jahr, so sollten auch dieses Mal die Handwerker, Lehrer, insbesondere aber die Flötenspieler, die jede Kulthandlung begleiteten, feiern und fröhlich sein. Als besondere Ehre wurde es ihnen zuteil, eine Prozession vom Forum Romanum hinüber zum Tempel der Minerva auf dem Aventin zu veranstalten. Seit jeher trugen sie dazu Masken und wallende Gewänder, die ihnen ein unheimliches Aussehen verliehen, deren Bedeutung jedoch verloren gegangen war.


    Doch ehe die Prozession beginnen konnte, mussten sich alle Akteure auf dem Forum versammeln. Bereits am frühen Morgen standen daher die Flötenspieler in ihrer beeindruckenden Montur in kleinen Gruppen zusammen, während die Pontifices, die das Opfer für Minerva durchführen würden, noch nicht erschienen waren. So vertrieben die Musiker sich die Zeit damit, sich ein wenig auszutauschen.


    Lyrus und Caius, zwei Tibicines, die üblicherweise dem Flamen Dialis bei seinen Opfern assistierten, betrachteten kritisch die Maske des Caius: Sie hatte einen hässlich verzerrten Mund und seltsamerweise einen Haarbüschel, der sich zwischen den Augen nach oben reckte.
    "Bei Hercules, was soll deine Maske denn darstellen, Lyrus?"
    "Keine Ahnung, aber schon mein Alter hat sie getragen - wahrscheinlich irgendeinen Lemur oder so..."
    "Naja, wird auf jeden Fall ein Kinderschreck - kannste wetten!"
    Beide lachten kurz auf.
    "Ja, meine Tochter hat sich auch heute früh sofort hinter meiner Berenike versteckt, als ich sie aufgesetzt hab'."
    "Ich hoff' nur, es wird nicht so warm heute! Die Gewänder sind echt nich' grade dünn und die Maske dazu...warum Bräuche immer nur so anstrengend sein müssen?"
    "Ach, das geht schon. Immerhin gibt's danach freie Kost und Logis auf dem Capitol!"
    "Jaaa...aber da muss man ja dann auch noch hinlaufen...dieses ständige bergauf-bergab...ob das sein muss? Außerdem sind da wieder diese proletenhaften Handwerker dabei, die überhaupt keinen Sinn für Musik haben..."


    In diesem Augenblick richtete sich das Interesse der bunt gekleideten Gruppe plötzlich in Richtung einer Sänfte, die an der Basilica Iulia entlang getragen wurde - dicht umgeben von zahlreichen Sklaven und Klienten, die auf die Bedeutung des Insassen hinwiesen.


    Sim-Off:

    Um das ganze etwas interaktiver zu gestalten, ist es bei diesem Feiertag ausdrücklich erlaubt und erwünscht, in die Rolle von NSCs zu schlüpfen, die am Festtag teilnehmen. Hier würden wir uns also über weitere Tibicines freuen, die in lange Gewänder gehüllt und mit Masken die Prozession begleiten (und dazu natürlich ihr Instrument spielen dürfen)

  • Die Sänfte, die sich an der Basilica entlang schob, gehörte dem ehrenwerten Senator und Pontifex pro Magistro Manius Tiberius Durus, der heute das Opfer leiten sollte. Er hatte dafür natürlich seine gute Toga Praetexta angelegt und sich für diesen Feiertag mit besonders vielen Klienten umgeben.


    Kaum hatte er das Zentrum des Auflaufs der Tibicines erreicht, hielt die Sänfte und Sklaven machten Platz, damit ihr Herr ungestört aussteigen konnte. Der Vorhang wurde beiseite geschoben und Durus betrat das Pflaster des Forums. Sofort eilte ein Vestiarius herbei und ordnete die Kleidung, während der Leibsklave beauftragt wurde, nach dem Magister des Collegiums der Tibicines zu suchen.


    Kaum lag die Toga in ordentlichen Falten, da war der Tibicen auch schon gefunden. Er war ebenfalls in ein langes, rotes Gewand. Unter dem Arm hatte er eine Maske, die andere umschloss seine Tibia - ganz offensichtlich war er jederzeit bereit, die Prozession zu beginnen.


    "Salve, Pontifex!"


    grüßte er Durus, woraufhin der Tiberier den Gruß erwiderte. Als Pontifex kannte er allerlei seltsame rituelle Kleidung, doch die Aufmachung mancher Flötenspieler wirkte schon fast lächerlich - es war doch seltsam, dass ausgerechnet am Tage der Schutzgöttin der Gens Tiberia ein solch buntes Treiben veranstaltet wurde.


    "Wie ich sehe, seid ihr bereit!"


    "Nein, es fehlen leider noch die Tibicines des Flamen Martialis! Ich weiß nicht, eigentlich war Treffpunkt bei Sonnenaufgang..."


    Verärgert schüttelte der Pontifex leicht den Kopf - er hasste Unpünktlichkeit und wollte bald nach Hause, um im Kreise der Familie der Minerva zu opfern und ein Festmahl einzunehmen.


    "Dann warten wir eben. Hast du übrigens die Opfertiere gesehen?"


    "Ja, die beiden Rinder stehen da im Porticus - die Opferhelfer waren der Meinung, dass so viel Sonne die Viecher wirr macht."


    Zumindest schienen die übrigen Teile der Prozession bereits vorhanden zu sein, denn in der Nähe erblickte Durus auch eine Kultstatue der Minerva, die mitgeführt werden musste. Auf den Treppen des Tempels des Divus Iulius saßen außerdem weitere Statisten, die Weihrauch und andere weihevolle Gegenstände transportieren würden.

  • Weniger beeindruckt vom Auftreten der Sänfte waren einige halbwegs proletenhafte Handwerker, die zwar keinen Sinn für Musik hatten, aber trotzdem Spass an diesem Fest. Immerhin brauchten sie nicht zu arbeiten und bekamen außerdem im Zweifelsfall noch zu Essen und zu Trinken, was für einen Durchschnittsproleten schon mehr als genug war. Sehr zur Freude der Zuschauer handelte es sich bei dieser speziellen Gruppe von Handwerkern übrigens um miteinander befreundete Gerber, Schuster und Sattler, also allesamt Leute, die gut mit Leder umgehen konnten. Deshalb konnten sie zwar nicht Flöte spielen, hatten dafür aber umso verrücktere Masken aus kunstvoll gearbeitetem Leder vor dem Gesicht. Einfache Tonmasken trug schließlich jeder Schauspieler und außerdem konnte man so ein bisschen Werbung für seine Künste machen und sich damit vielleicht zukünftige Kunden sichern. Faltige Gesichter mit tiefen Furchen dominierten das Bild, aber es gab auch andere Kreationen mit schlaff hängenden und schlabbernden Wangen oder hornartigen Vorsprüngen auf der Stirn.


    Worauf man noch wartete war den Handwerkern auch egal. An einem freien Tag kam es auf eine halbe Stunde mehr oder weniger nicht an.

  • Während die Teilnehmer der Prozession scheinbar weiterhin guter Dinge waren, wurde Durus zunehmend ungehaltener. Es würde noch lange genug dauern, den ganzen Weg zum Aventin zu gehen - wenn sie hier zu lange aufgehalten wurden, musste er das Essen heute Nachmittag am Ende noch verschieben!


    Nach endlosen Minuten erblickte Durus endlich die fehlenden Tibicines. Sie trugen Gewänder in der Farbe von Blut, das ja eng mit Mars zusammenhing. Ihre Masken hatten sie noch nicht aufgesetzt. Sie gingen rasch auf den Magister ihres Collegiums zu, der noch immer in der Nähe des Pontifex stand. Alle wirkten durchaus glückselig und als einer von ihnen zu sprechen begann, wurde der Grund klar, denn sofort verbreitete sich der Geruch von Wein.


    "Wir wurden aufgehalten - der Flamen hat uns noch einen Becher Wein angeboten."


    "Los, euer Platz ist hinter den Tibicines des Flamen Quirinalis! Auf eure Plätze!"


    befahl der Magister und Durus nickte knapp. Endlich konnte es losgehen! Der Magister stieg auf den Sockel die Basis des Caesar-Tempels und erhob die Stimme:


    "Kommt zusammen und stellt euch auf! Die Prozession beginnt gleich! In die richtige Reihenfolge! Zuerst die Tibicines, danach die Pontifices, dann die Opfertiere, dann die Handwerker!"


    Es war nicht einfach, das Gewirr von Menschen zu ordnen und so war Durus ganz glücklich, dass er dies nicht selbst tun musste. Dennoch hoffte er, dass es etwas schneller als üblich ging.

  • Ein Nachzügler kam mit hochgerafftem Gewand angerannt, sein Instrument in der einen Hand zwischen den Stofffalten. Er hatte nicht mehr mitbekommen, wo er hinmußte und brachte durch seine orientierungslose Suche nach seinem Platz alles durcheinander. Beschimpfungen prasselten auf ihn herab und bald waren seine Ohren so rot wie sein Gewand. Endlich hatte er seine Gruppe gefunden und ließ sein Gewand los, so daß es bis auf seine Füße herabfiel. "Das verdammte Ding ist zu lang", raunte er atemlos seinem Nachbarn zu, "ständig trete ich auf den Saum. Vor allem, wenn es bergauf geht." Er hoffte nur, daß er nicht der Länge nach hinfiel, wenn er wieder einmal darauftrat. "Geht's jetzt los? Geht's jetzt los? Was hat der Magister gesagt? Oh, guckt mal, die Ledermasken sehen ja genial aus." Erst ein kräftiger Stoß in die Rippen brachte ihn zum Schweigen. Er strich nochmal ordnend über das Gewand und machte sich dann mit seiner Flöte bereit. Dabei versuchte er, seinen Atem wieder etwas mehr unter Kontrolle zu bringen. Denn er brauchte ihn noch.

  • Endlich setzte sich die Prozession in Bewegung. Allen voran wurde die Kultstatue der Minerva getragen. Sie war als Schutzgöttin der Handwerker und Künstler dargestellt, trug jedoch auch ihren Helm, an dem man sie üblicherweise erkannte.
    Nach dem Bild reihten sich die Tibicines ein. In einem großen Chor, wie er sonst wohl nie auftrat, spielten sie gemeinsam eine rituelle Melodie, dirigiert und angeführt von ihrem Magister. Glücklicherweise besaßen die Masken Mundöffnungen, sodass es wirkte, als würde eine Schar von Göttern oder seltsamen, furchteinflößenden Mischwesen diesen Umzug begleiten.
    Den Tibicines folgten die Opfertiere: Man hatte zwei Kühe ausgewählt. Eines wurde vom Collegium der Tibicines bezahlt, eines von der Staatskasse. Wie üblich, waren die Tiere mit Stoffbändern geschmückt, ebenso hatte man ihre Hörner vergoldet. Die Musik schien die Tiere etwas zu irritieren, doch die Opferhelfer taten ihres dazu, sie ruhig zu halten und die Straße entlang zu führen.
    Direkt nach den Opfertieren waren auch die Opferherren, die Pontifices eingereiht. Heute waren gleich mehrere von ihnen erschienen. Voller Würde geleiteten sie die Opfer, gehüllt in die Toga Praetexta, mit dem Culter umgürtet und begleitet von ihren Dienern und Helfern. Da es sich ausnahmslos um bedeutende Persönlichkeiten handelte, hatte jeder von ihnen auch Sklaven, Klienten und zumeist eine Sänfte mitgebracht. All dieser Anhang musste jedoch im Anschluss des Zuges hinterher laufen.
    Davor jedoch durften auch die Handwerker an der Prozession teilnehmen. Dieser Teil war vermutlich am wenigsten sakral, denn die Handwerker waren einfache Männer und freuten sich bereits auf das Mahl, das ihnen später auf dem Capitolium bereitet werden würde.

  • Für Durus war es äußerst unvorteilhaft, dass er hinter den Kühen zu gehen hatte und er fragte sich, warum die Tradition diese denkwürdige Marschordnung verlangte, denn obwohl die Tiere gut auf diesen Tag vorbereitet waren, rochen sie ein wenig und es bestand darüber hinaus die Gefahr, dass sie ihre berühmten Fladen direkt vor die Schuhe der Pontifices legten.


    All dies ließ er sich jedoch nicht anmerken, sondern setzte stattdessen eine würdevolle Miene auf, während er den Pontifices voranschritt. Vor ihm glänzten die Hörner der Tiere im Sonnenlicht, davor gingen die Tibicines, die trotz ihrer Vielzahl erstaunlicherweise einigermaßen einmütig erklangen. Nur hinter ihm nahm er störendes Gerede wahr - diese Plebs hatte doch einfach keinen Sinn für Religio und Pietas!

  • Tatsächlich erfreuten sich die proletenhaften Handwerker weniger an der prachtvollen Erscheinung der Opfertiere und Priester und auch nicht am Wohlklang der Musik, sondern viel mehr an der bevorstehenden Verteilung von Speisen und Getränken, der Freizeit und den attraktiven jungen Frauen, die hier und da zwischen den Schaulustigen am Straßenrand standen und die man aus Anlass des Tages ganz ungeniert mit einer fiesen Maske vor dem Gesicht erschrecken durfte. Zu dem allgegenwärtigen Geschwatze im hinteren Teil der Prozession mischen sich daher auch immer wieder ein paar nicht ganz so religiöse Lieder und einige unterdrückte spitze Schreie aus dem Publikum, die meistens von einem lauten Lachen abgelöst wurden. Gelegentlich wurden auch ein paar Kinder Opfer der Späße mit schaurigen Gesichtern, aber deren Reaktionen gingen meist in der allgemeinen Geräuschkulisse unter.

  • Langsam wälzte sich der Zug durch die Stadt. Er verließ das Forum, passierte den Tempel der Cäsaren und den Palatin, um sich langsam auf die Porta Capena zuzubewegen. Ab diesem historischen Stadttor begann der Aventin, ein traditionelles Pflaster der Plebejer. Schon in der sagenhaften Zeit der jungen römischen Republik hatten sie sich dorthin geflohen, um der Unterdrückung durch die Patrizier zu entgehen und hatten letztendlich den Sieg davon getragen. Bis in die heutige Zeit war dieses Viertel geprägt von kleinen Handwerkern und Arbeitern, weshalb hier auch der Tempel der Minerva als Schutzgöttin aller Handwerker zu finden war.


    Der Weg war jedoch nicht kurz und kaum hatten sie die Porta Capena passiert, begann der Anstieg auf den Hügel. Noch immer spielten die Tibicines unbeeindruckt, doch nur ihre Masken verbargen, dass manch einer bereits angestrengt das Gesicht verkniff. Trotzdem kämpfte man sich tapfer weiter.


    Als die Prozession den Hügel endlich erstiegen hatte, bot sich dort bereits ein würdiges Bild für das göttliche Opfer: Der Tempel war prächtig mit Girlanden geschmückt, denn die Aventiner wollten an diesem Festtag zeigen, dass sie ihre Göttin genauso feiern konnten, wie die feinen Schnösel in der Stadt ihre Staatsgötter verehrten. Aber natürlich standen sie auch selbst in einer großen Menge bereit, um dem Treiben zuzusehen (soweit sie nicht bei der Prozession unter den Handwerkern mitmarschierten). Viele neugierige Blicke waren auf die Masken gerichtet - obwohl es jedes Jahr die gleichen waren!

  • Auch Durus mit seinem kleinen Senatoren-Bäuchlein kam auf dem Weg zum Tempel der Minerva ziemlich ins Schwitzen. Den Göttern galt sein Dank, dass es auf dem Weg noch nicht vorgeschrieben war, das Haupt zu bedecken! Von einem Sklaven ließ er sich hin und wieder einen Schluck verdünnten Wein reichen oder den Schweiß aus dem Gesicht wischen, sodass es letztendlich doch zu bewältigen war.


    Auf dem Tempelvorplatz angekommen begann dann die Opferhandlung. Der Tiberier war beeindruckt: Der Plebs hatte den Tempel sehr beeindruckend geschmückt - ein würdiger Rahmen für die Verehrung seiner Schutzgöttin!


    Die Tibicines verteilten sich in einem großen Halbkreis, während die Handwerker hinter ihnen Platz nahmen (vermutlich gingen einige direkt zu ihren Familien oder machten sich direkt zurück zum Capitolium auf, aber ihre Anwesenheit war ohnehin nicht erforderlich).


    Die Pontifices gruppierten sich nun und traten gemeinsam in den Tempel ein. Hinter ihnen wurden die Tore verschlossen, sodass die Menge draußen nichts von dem Opfer mitbekamen. Es herrschte jedoch keine erwartungsvolle Stille, sondern eine Geräuschdecke breitete sich über die Gäste - wenn sie auch nicht laut war.


    Erst als die Pforten sich wieder öffneten und die Pontifices heraustreten, woraufhin die Tibicines erneut ihr Spiel anstimmten, schwiegen auch die Passanten. Endlich konnte das sichtbare, blutige Opfer begonnen werden: Unter Führung des Pontifex pro Magistro wurden die beiden Kühe, die in der Vormittagshitze auf dem Tempelvorplatz gewartet hatten, überprüft. Danach folgte der übliche Entkleidungs- und Weiheritus. Mit der Professionalität, die allen öffentlichen Opfern innewohnte, wurden nach und nach alle kultischen Schritte vollzogen, ehe Durus dem Leben der Tiere mit einem laut gesprochenen


    "Age!"


    beendete. Blut floss, die Tiere schrien auf, doch zu spät: Es dauerte nicht lange, da hatte man sie aufgeschnitten und die Innereien dem Haruspex vorgelegt, der sich nun in der Erforschung göttlichen Willens üben konnte, während Durus ungeduldig wartete - noch immer hatte er das Mahl am Nachmittag im Hinterkopf!

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