Thermae | MTD et Annaeus Domitianus

  • Der ehemalige Priester wurde durch verschiedene Gänge der Villa geführt, ehe Stesichoros ihm hieß, seine Schuhe auszuziehen und ihm ins Bad der Villa zu folgen. Der Sklave mochte die feuchte Luft, die seinen Schnupfen irgendwie weniger unangenehm wirken ließ, doch für Fremde war die Wärme und Luftfeuchtigkeit sicherlich weitaus weniger angenehm.


    Schließlich betraten sie einen Raum mit geheiztem Boden und einem Becken in der Mitte. Darin saß der ehrenwerte, aber im Augenblick völlig nackte Pontifex pro Magistro Manius Tiberius Durus. Er wirkte ein wenig gelangweilt und blickte unwillig auf, als Stesichoros endlich den Gast hereinbrachte.


    "Annaeus Domitianus."


    nannte dieser noch einmal den Namen, dann verließ er den Raum wieder. Durus betrachtete den Fremden und fragte dann


    "Was ist dein Anliegen?"

  • Ich wunderte mich, als mich dieser Sklave quer durch die ganze Villa und die reichhaltigen Kostbarkeiten, mit denen das Haus und seine Bewohner zu glänzen wußten, führte und betrat schließlich einen Raum, nachdem der Sklave mich angewiesen hatte, die Schuhe auszuziehen, der einer privaten Badeanstalt glich. Ein sehr merkwürdiges Verständnis hatte dieser Priester einen Besucher zu empfangen. Nun, es gab zwar nichts Ästhetischeres als einen nackten menschlichen Körper, der in der Hitze seines eigenen Saftes all die Alltagserlebnisse und Ärgernisse ausschwitzte, sozusagen einer Art spirituellen Reinigung, trotzdem war mir etwas unkomfortabel. Eine Schweißperle bildete sich auf meiner Stirn.


    "Publius Annaeus Domitianus, ehemaliger Priester aus Corduba, in der Region Baetica."


    Der Pontifex wußte sicher damit etwas anzufangen. Baetica, die Heimat der Ulpier, außerdem waren die Narben der Revolte gerade erst verheilt.


    "In der Regia des Cultus Deorum konnte man mir nicht weiterhelfen, daher schickte man mich zu Dir, pontifex pro magistro ! Ich bin gekommen, um die Wiederaufnahme in den Cultus Deorum der Stadt Rom zu bitten und mich einer Aufgabe zuzuführen."

  • Nunja, leider war es inzwischen mit der Ästhetik an Durus' Körper nicht mehr weit her: Er hatte ein Wohlstandssenatorenbäuchlein angesetzt. Doch das schien ihn nicht zu stören, stattdessen hörte er aufmerksam zu. Aus Corduba - natürlich kannte er diese Stadt noch. Die Aufstände gegen den Kaiser! Das war natürlich nicht gerade eine gute Referenz.


    "Corduba...hattest du etwas mit diesem Aufstand zu tun?"


    fragte er daher und schob seinen Körper etwas weiter aus dem Wasser, da ihn das warme Nass etwas schläfrig machte.

  • Natürlich, bei dem Stichwort Corduba fiel auch bei dem Pontifex der Groschen. Dieser Moloch namens Rom war also immernoch sensationslüstern. Doch was erwartete dieser Mann ? Daß ich, Publius Annaeus Domitianus, Sacerdos und treuer Priester des Allmächtigen, Drahtzieher dieses Aufstandes gewesen sein soll und nun ungeschoren und unverfroren hier auftauche, um um meine Wiedereinsetzung in den Cultus Deorum zu bitten ?


    Doch ich antwortete wahrheitsgemäß.


    "Auf indirekten Wege, Pontifex. Ich war zu eben jener Zeit Priester am Capitol. Durch meinen Einsatz - und mit der Hilfe einiger einflussreicher Freunde Cordubas - konnten die baetischen Truppen informiert werden, welche sich letztlich den Aufständlern in den Weg stellten." sagte ich nicht ohne eine Spur von Stolz.


    "Ich sagte gegen die Drahtzieher des Aufstandes vor Gericht aus, hier in Rom."


    Ich erinnerte mich gut daran. Es war meine bisher einzige Reise nach Rom und mit der erneuten Ankunft in Rom spielte sich alles vor meinem geistigen Auge ab. Aufeinmal meinte ich auch den Pontifex hier zu erkennen, nämlich als den Verteidiger jenes unrühmlichen Appius Helvetius Sulla, dieses kranken Wahnsinnigen, der mehrere tausend Männer und Frauen auf seinem Gewissen hatte. Ich mußte mich beherrschen, keinerlei mimische Regung in meinen Gesichtsmuskeln zu offenbaren. Aber schließlich war man in Rom besonders stolz auf seine Justiz und die gestattete eben jedem Angeklagen, seien seine Taten auch noch so schändlich die Hilfe eines Advocatus in Anspruch zu nehmen. Nichtdestotrotz war es mir unbegreiflich wie ein Priester sich dazu befleißigen konnte, derart niedere Tätigkeiten in der Iurisprudenz anzunehmen.

  • Er hatte ausgesagt? Durus hatte einen der Drahtzieher doch als Pflichtverteidiger verteidigt...ein desaströser Fall war das gewesen. Vielleicht hätte er etwas herausholen können, doch dieser fanatische Trottel hatte jede Hoffnung zunichte gemacht! An das Gesicht des Priesters konnte er sich nicht erinnern - er war ein Zeuge von tausenden gewesen, die Durus in seiner Laufbahn als Advocatus gesehen hatte. Aber im Grunde war es ja auch egal - er war jedenfalls nicht in irgendwelche krummen Dinge verstrickt, wie es schien.


    Der Tiberier machte eine wegwerfende Handbewegung.


    "Ach so, gut. Und du bist dann ein Priester des Iuppiter, nehme ich an?"


    fragte er stattdessen weiter und überlegte zugleich, wie er seinen Sekretär unauffällig hierher bekommen konnte, um die Angelegenheit sofort zu regeln.

  • "Sic est, so ist es."


    Ich wußte nicht mehr zu sagen und wartete darauf, daß der Pontifex fortsetzte. Auf meinem Weg durch die Stadt hatte ich einige Tempel gesehen. Ihr Zustand war nicht der Beste und auch um die Religiosität in Rom war es nicht gut gestellt, was ich mitbekommen hatte. Es wurde Zeit, daß der Cultus wieder Präsenz zeigte wie zu den guten alten Zeiten der Republik.

  • Priester des Iuppiter - keine schlechte Sache...der amtierende Flamen Dialis war mehr als senil und nur die Tradition verhinderte wohl, das er seinen Posten aufgab. Sicherlich würde es nicht schaden, einen etwas jüngeren Aedituus auf dem Capitolium zu haben, der ein Auge auf alles hatte.


    "Dann können wir dich brauchen. Du kannst gleich morgen auf dem Capitolium anfangen und einmal nach dem Rechten sehen. Ich werde bis dahin deine Ernennung verkünden lassen."


    Er holte tief Luft und rief laut


    "Luukios!"


    Dass sein Sekretär das Bad nicht mochte, war ein kleines Manko an ihm, denn so musste er ihn immer erst hereinrufen, wenn er irgendwelche Einfälle hatte. Nunja, dafür war der Bursche nicht dumm und kam tatsächlich relativ bald.


    "Stelle eine Urkunde für diesen Mann aus. Er wird Sacerdos Publicus...natürlich für Rom."


    Lukios nickte knapp. Natürlich hatte er gleich eine Wachstafel mitgebracht, um sich Notizen zu machen.


    "Ihr könnt das ganze auch draußen machen - Vale, Annaeus, und schön, dass Du gekommen bist!"


    Er wollte noch ein bisschen dösen und dann das Bad verlassen, um sich erfrischt anderen Aufgaben zuzuwenden. Lukios führte Domitianus unterdessen hinaus und befragte ihn nach seinem Namen und noch einmal seiner Gottheit. Dann entließ er ihn mit einem freundlichen Gruß.

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