Am Rande der Trajansärkte

  • Es war ein angenehmer Sommertag, der Himmel zeigte ein strahlendes Blau und ein sanfter Wind brachte ein wenig kühle. Zwischen den engen Straßen und Gasse, waren bunte Tücher und große Sonnensegel gespannt um den Besuchern der Märkte ein wenig Schatten zu bieten. Neben fleißigen Sklaven und lauten Händler fanden, schlenderten vorallem junge Frauen über die Märkte, meist schwebten sie von Stand zu Stand und betrachteten glitzernden Schmuck oder teuere Kleider.
    Gekleidet in eine indigofarbene Tunika, welche an den Schultern von bronzenen Spangen gehalten wurde, strich auch Calvena über den Markt. Um sich vor der Sonne zu schützen, hatte sie sich einen leichten Schleier über den Kopf gelegt. Sie war mit Valerian verabredet und noch deutlich zu früh dran. Von daher hatte sie sich dazu entschlossen einen kleinen Abstecher zu machen. Am Rande der Trajansmärkte viel ihr ein kleiner Stand auf, Instrumente aus poliertem Holz, glänzten dem Sonnenlich. Fasziniert blieb sie stehen und strich vorsichtig über eine Lyra aus dunklem Ebenholz.


    "Ein wunderbares Instrument für eine hübsche Frau!" proklamierte der Händler breit lächelnd. Leicht abwesend nickte sie.


    "Dürfte ich es mal in die Hand nehmen und spielen?" fragte sie. Kurz zögerte der Händler ehe er mit einer großzügigen Gestem das Instrument übergab. Sacht strich sie über den Korpus und strich mit geübten Fingern über die zarten Saiten. Schon fast zärtlich entlockte sie der Lyra eine kurze beschwingte Melodie.

  • Eigentlich war es noch ein wenig früh. Doch Valerian wollte noch ein wenig über den Markt schlendern. Vielleicht fand er ja eine kleine Nettigkeit, die er ihr mitbringen konnte. Tatsächlich fand er einen Stand, an dem es wunderbar farbenprächtige Blumenkränze gab. Er wählte einen, in den dunkelrote und indigofarbene Blüten gebunden waren und kaufte ihn für Calvena.


    Langsam schlenderte er weiter. Er kaufte noch eine Tüte mit Beeren und Trauben, das würden ihnen während der Vorstellung schmecken. Er näherte sich schon dem Treffpunkt, als er zarte Saitenklänge vernahm. Unwillkürlich schaute er nach dem Ursprung der schönen Melodie, da erkannte er Calvene, wie sie bei einem Instrumentenbauer ein Instrument erprobte. Lächelnd näherte er sich ihr - von hinten natürlich - und legte ganz leicht den Blumenkranz auf ihr in der Sonne glänzendes Haar. "Nicht nur eine Schönheit, nicht nur klug und mit Witz gesegnet. Auch noch eine begnadete Musikerin", lobte er sie in bewunderndem Tonfall und übertrieb es dabei nicht einmal, wie er fand. "Salve, Calvena. Ich habe mich über Deine Nachricht wirklich sehr gefreut."

  • Für sie war dieses kleine Stück nur eine Fingerübung und während sie sich konzentriert über das Instrument beugte, klatschte der Händler begeistert in die Hand. "Was für ein Talent!" beschied er ihr. Das hätte er wohl auch gesagt, wenn sie keinerlei Talent gehabt hatte, denn er sah in ihr bereits eine Kundin, welche ihm fast jeden Preis für das Instrument zahlen würde. Fast konnte man schon in seinen Augen sehen, wie er harte Sesterzen zählte, denn er rieb sich ein wenig linkisch die Hände.
    Calvena hingegen war etwas skeptisch, es war zwar ein hübsches Instrument, doch der Klang hingegen, wenig beeindruckend. Hier legte jemand mehr wert auf Schein als sein.


    Schon öffnete sie den Mund um dem Händler sein ungenügendes Instrument zu erklären, als sich plötzlich etwas ganz sacht auf ihr Haupt senkte. Mit einem verblüffftem Ausdruck auf dem Gesicht drehte sie sich um und blickte direkt in die strahlenden Augen von Valerian. Die Lyra hielt sie immer noch in den Händen. "Ich bin mit Musik aufgewachsen!" erklärte sie ihm lächelnd, drückte dem Händler sein Instrument in die Hand und trat etwas näher an Valerian heran.


    "Salve, Valerian!" lächelte sie. Mit einem Male schlug ihr Herz wesentlich schneller. Sie hatte sich nach diesem Augenblick gesehnt und hatte sich auch in Gedanken jede Menge witzige und kluge Bemerkungen zurecht gelegt, doch ihr Kopf war plötzlich einfach nur leer. Was sollte sie ihm nur sagen... das sie sich gefreut hatte ihn zu sehen, das klang aber selbst in ihren Ohren sehr profan und nicht wirklich intelligent, es klang vorallem albern.


    "Du siehst gut aus!" brachte sie schließlich zustande und überdeckte ihre Sprachlosigkeit mit einem wunderbaren Lächeln.

  • Der Händler hatte offenbar die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß er doch noch ein Geschäft machen konnte. "Ein herrliches Instrument, nicht wahr? Wie geschaffen für zarte Künstlerhände, wie Du sie hast." Mit Bedauern sah er, wie sie das Instrument beiseite legte und nur noch Augen für den jungen Mann zu haben schien.


    Valerian mußte sich gerade schwer zusammenreißen, Calvena nicht einfach an sich zu ziehen und zu küssen. Aber hier, auf dem Markt, das ging nun wirklich nicht. "Es gibt offenbar noch eine ganze Menge, was ich nicht von Dir weiß. Du spielst wunderbar. Ich kann leider überhaupt kein Instrument spielen."


    Ihr Kompliment ließ ihn auflachen. Er sah gut aus? "Ich danke Dir. Dann mache ich Dir zumindest auch Ehre. Wie sähe das denn aus, so eine schöne junge Frau mit einem häßlichen Wurzelzwerg?" Er grinste frech und konnte den Blick nicht von ihr wenden, so wunderbar lächelte sie.

  • Einen Moment lang versuchte der Händler noch seine Ware an die Frau zu bekommen, doch Calvena hatte den aufdringlichen Händler einfach vergessen und verdrängt.
    "Ich bin gern bereit, dir mehr zu erzählen!" lächelte sie und hörte nicht auf das zarte Stimmchen der Vernunft, welches ihr zuflüsterte, dass es nicht allzu klug war, ihm alles anzuvertrauen. Doch das war egal, sie kämpfte gerade zwanghaft den Drang nieder, sich einfach in seine Arme zu werfen. Aber hier wo sie alle sehen konnten und das nur zu einem üblem Gerde führen konnte, war das nicht klug. "Meine Mutter hatte schon ein musikalisches Talent, da shab ich von ihr!" erzählte sie, auch um sich davon abzubringen, irgend etwas unvernünftiges zu tun. Warum hatte sie sich nur an so einem öffentlichen Ort getroffen.... "Sie hat mir auch beigebracht die Lyra zu spielen!" fügte sie hinzu, während der Händler sich ärgerte, dass er soeben Kundschaft verloren hatte.


    Sie stimmte in sein Lachen ein. "Wie ein Wurzelzwerg siehst du nicht aus, viel zu groß... aber bist du sicher dass du kein böser Daimon bist?" scherzte sie.

  • Valerian lachte und führte Calvena langsam von dem Stand weg, nachdem er mit einer recht herrischen Geste dem Händler zu verstehen gegeben hatte, daß sie nichts kaufen würden. "Ich bestehe darauf, daß Du mir noch mehr erzählst. Am Ende will ich Dir etwas zeigen, was ich ganz ungewöhnlich und phantastisch finde - und für Dich ist es etwas ganz alltägliches. Nein, das darf ich auf keinen Fall riskieren", scherzte er.


    "Was für Instrumente spielst Du denn noch außer der Lyra? Singen kannst Du doch sicherlich auch, oder? Wie schade, daß ich Deine Mutter niemals kennenlernen kann. Aber - Du könntest mir von ihr erzählen, irgendwie ist es dann doch auch eine Art von kennenlernen."


    Langsam ließen sie den Trubel des Marktes hinter sich und Valerian lachte schon wieder. "Ich ein Daimon? Aber niemals nie nicht." Dann grinste er sie breit an und zeigte seine Zähne dabei. Ein wahrhaft dämonisches Grinsen.

  • Missmutig blickte der Händler seiner Kundschaft nach. Heute hatte er kein Geschäft machen, dabei war er sich ziemlich sicher gewesen, dass ihm die junge Frau ein Instrument abkaufen würde.


    Mit einem warmen Lächeln, ließ sich Calvena willig fort führen. "Was möchtest du denn wissen?" fragte sie ihn, denn sie wusste nicht wirklich, wo sie Anfangen sollte, sie hatte in ihrem Leben so vieles erlebt, was nicht gerade in das alltägliche Leben einer Tochter aus dem guten Hause passte.


    "Flöte, Lyra und kleine Trommeln!" zählte sie die Instrumente auf, welche sie beherrschte. "Singen ist meine Stärke!" bestätigte sie ihm und lächelte etwas verlegen. "Meine Mutter war Musikerin und ist von zu Hause weggelaufen... sie hat mir nur wenig über ihre eigene Familie erzählt, sie schien nicht wirklich glücklich gewesen zu sein!" erzählte sie.


    Es wurde ruhiger und der Lärm der Märkte blieb hinter ihnen, als sie in eine der ruhigeren Straßen einbogen. Leise lachte sie, als er wahrhaft wölfisches Grinsen zeigte. "Bist du sicher?" zwinkerte sie ihm zu. "Dann brauch ich mich ja nicht vorsehen!" kicherte sie.

  • "Gaaaaaanz sicher", brummte Valerian mit Grabesstimme, mußte dann aber doch wieder lachen. Vielleicht hätte er es durchgehalten, wenn er sie nicht angeschaut hätte. Aber so konnte er nicht lange ernst bleiben.


    "Flöte, Lyra, Trommeln - und singen! Du mußt mir einmal etwas vorsingen und vorspielen. Bitte! Bitte, mach mir diese Freude, ja? Ich bin völlig unmusikalisch, aber ich höre gerne schöner Musik zu." Er schaute sie so bittend an, daß selbst ein Hund neidisch geworden wäre, angesichts dieser Kunstfertigkeit.


    "Deine Mutter hat ihre Familie verlassen? Wie konnte sie ohne den Schutz der Familie überleben? Noch dazu als Frau." Er konnte sich das kaum vorstellen. Schon als Mann war es schwer, ohne Familie zurecht zu kommen. Karriere konnte man ohne die Stütze der Familie schon völlig vergessen. "Und Dein Vater? Was war mit ihm?"

  • Für einigen Herzschläge gelang es ihm, seine finstere Miene noch aufrecht zu erhalten, doch schon zuckte erst nur sein Mundwinkel und dann brach er in Gelächter aus. Ein überzeugender Schauspieler mochte er nicht sein, aber deswegen mochte sie ihn, er hatte etwas unverfälschtes an sich und war nicht wie die restlichen Männer Roms von Ehrgeiz zerfressen. Sicher er hatte auch seine Ziele und Träume, doch würde er nicht unbedingt deswegen über Leichen gehen. Zumindest schätzte sie ihn nicht so ein.


    Leich zuckte sie mit den Schultern, wirklich viel wusste sie über die Vergangenheit ihrer Mutter nicht. Sie war jung gestorben und sie war in der engen Gemeinschaft der Gaukler aufgewachsen. Beschützt und geliebt, die wenigsten konnten sich solch ein unbeständiges Leben führen. "Meine Mutter hat mir nie viel aus ihrer Vergangenheit erzählt.... sie wirkte dann immer so traurig und wütend!" erzählte sie. "Und auch wenn das Leben unbeständig war, so haben wir immer zusammen gehalten... Beschützt wurden wir und wir hatten die ganze Welt zum Spielplatz!" ein leicht verträumter Ausdruck trat auf ihre Züge. Zumal sie auch andeutete nicht das einzige Kind gewesen zu sein, welches auf den Straßen aufgewachsen war. Sie hatte eine Menge Ziehgeschwister gehabt und Stiefväter, welche sie beschützt hatten. Ein kurzer schmerzhafter Stich durchfuhr sie. Nun lebte sie in einer anderen Welt. "Es gibt viele Voruteile, was Gaukler anghet.. einige entsprechen der wahrheit... aber vieles ist auch Lüge, denn die wenigsten können sich vorstellen wie es ist von Ort zu Ort zu fahren. Im Grunde sind viele neidisch, auf das Leben der Gaukler... denn sie sind frei.... sie sind an niemanden gebunden, aber dennoch halten sie fest zusammen!" berichtete sie von ihrem Leben. Ob Valerian verstand, was sie ihm erklären wollte.


    "Mein Vater war Soldat.... viel mehr weiß ich nicht über ihn... ich habe ihn nie kennen gelernt. Aber Sedulus hat mir einiges erzählt!" beantwortete sie ihm seine Frage.


    Früher hatte sie sich ja ihr Leben und das der Gaukler finanziert, indem sie an Markttagen aufgetretten war und den leuten ihre Musik näher gebracht hatte. In Grunde konnte sie fast alles was Gaukler, Musiker und Akrobaten beherrschen mussten, einige Dinge besser, andere schlechter. Einen Handstand konnte sie mühelos machen, doch mit einem Überschlag sah es hingegen schon schlechter aus. Doch die Musik war immer ihr Steckenpferd gewesen, sie war ein Teil von ihr.
    Kurz sah sie sich um und zog ihn dann spontan in eine abgelegene Gasse. "Es muss ja nicht gelich jeder zuhören!" kicherte sie etwas atemlos und überlegte sich, welches Lied sie vortragen sollte. Sie kannte unzählige Stücke.


    "Unda attingit
    Te et abducit
    Te in profunda
    Sicut es unda."
    * sang sie ihm leise vor um ihm zumindest seinem Wunsch erst einmal sofort nach zu kommen. Sollte sie einmal eine lrya zur Hand haben, würde sie ihn an Orte führen, welche sie in den Jahren als Gauklerin gesehen hatte. Als sie nun dieses kurze Lied sang, war es fast so, als würde sie das Meer herbeizaubern. Syrene... so hatte manch einer sie schon genannt, denn sie beherrschte ihre Stimme vollkommen. Kaum war ihre Stimme in der leeren Gasse verhallt, sah sie ihn Erwartungsvoll an. Hatte es im gefallen?






    [SIZE=7]*Die Welle erreicht dich; Und führt dich; hinab in die Tiefe; Gleichsam bist du die Welle[/SIZE]

  • Ein Schauspieler war er nicht und in diesem Moment wollte er es auch nicht sein. Natürlich konnte er sich verstellen, mußte es oft sogar in seinem Dienst. Aber jetzt wollte er nur er selbst sein. Und vor allem wollte er Calvena glücklich sehen.


    Ihre Mutter hatte nicht gerade ein ehrenvolles Leben geführt. Doch was konnte Calvena dafür? Valerian würde es ihr gewiß nicht zum Vorwurf machen. Sie war anerkannt von einer hochstehenden Familie. Wenn sie damit leben konnte, konnte er es schon lange. Im Gegenteil fand er, daß es sie ungewöhnlich und interessant machte. Musik, Gesang, vielleicht gar Tanz. Dieses Mädchen war wie ein schillernd bunter Vogel. Und sein Herz tanzte vor Glück, daß sie ihn anstrahlte und so offensichtlich gern mit ihm zusammen war.


    "Freiheit hat ihren Preis. Und die Gaukler zahlen einen recht hohen Preis für ihre Freiheit. Und wie alles, hat ihre Leben Vor- und Nachteile. Jeder muß selbst entscheiden, was ihm lieber ist. Auch Senatoren zahlen ihren Preis für ihre Art zu leben. Meinst Du, Du kannst auf Dauer hier in der Stadt leben? Oder wünschst Du Dir das Leben der Gaukler zurück?" Diese Frage war für ihn sehr wichtig. Denn für ihn konnte es kein anderes Leben geben als das in Rom.


    Als sie ihn in eine Gasse zog und dort ein kurzes Lied anstimmte, lauschte er ihr, völlig bezaubert vom Klang ihrer Stimme. Sie sang wirklich wunderschön! Fast vermeinte er, Wellen heranrauschen zu hören. das Meer selbst klang aus ihr. Sprachlos schaute er sie an, unfähig, Worte dafür zu finden, wie wunderbar es gewesen war.

  • Sie wusste das sie keine normale Kindheit gehabt hatte. Zwischen Tänzern, Musikern, Akrobaten und Gauklern, fern ab von Schulen oder Politik, war etwas ungewöhnliches und für viele auch unverständlich. Doch sie hatte dieses Leben geliebt, es war ihr als normal erschienen. Es war eine eigene welt gewesen und doch wesentlich härter als man glauben wollte. Immer hatte die Gefahr über ihnen geschwebt, sie hatte Hungerwinter und Dürresommer erlebt und wie Menschen die sie liebte, einfach gnadenlos ermordet wurden. Sie war bei weitem nicht so naiv und unbekümmert, wie es den Anschein hatte, sie wusste nur zu gut, wie hart das Leben sein konnte und doch hatte sie sich eine gewisse Leichtigkeit erhalten. Es war notwenidg gewesen, um nicht vor Kummer zu Grunde zu gehen.


    Seine Frage konnte sie nicht so einfach beantworten, wie er es sich vorstellte. wenn sie ihre Ziehfamilie wieder bekommen würde, würde sie vermutlich mit ihnen ziehen... aber durch deren Tod, war ihr dieser Weg nun für immer verschlossen. Aber gleichzeitig mochte sie das Leben in Rom, es konnte Abwechslunsgreich sein und sie hatte Menschen kennen gelernt, die sie nur ungern wieder aus ihrem Leben gehen lassen würde. "Es war ein anderes Leben... nicht mit dem zu Vergleichen, welches ich nun führe... aber ob ich zurück will? Eigentlich nicht, ich bin glücklich!" antwortete sie ihm mit einem sanften Lächeln.


    Nun standen sie in der Gasse, allein und einandern näher, als noch vor einigen Augenblicken. Nachdem ihr Lied nun verklungen, sah er sie völlig verzaubert an und sie konnte ein verlegenes Lächeln nicht ganz verbergen. "Meine Mutter hat mir das Lied beigebracht.... es ist eines der ersten, welches ich gelernt hatte!" vertraute sie ihm leise an.

  • Valerian ließ ihr die Zeit, über seine Frage nachzudenken. Sie war nicht leicht, das war ihm auch klar. Und auch, daß sie schon mehr erlebt haben mußte, als andere Mädchen, die behütet in einem reichen Haus aufgewachsen waren. Dafür besaß sie eine erstaunliche Leichtigkeit in ihrer Art. Und doch wirkte sie nicht so leichtfertig wie eben jene anderen Mädchen. In ihren Augen stand geschrieben, daß sie bereits Lebenserfahrung besaß.


    "Ich wollte nur sicher gehen, weißt Du? Meine Welt ist Rom. Und so wird es immer sein. Ich gehöre in diese Stadt wie ein Baustein in einem der großen Bauwerke. Als ich in Germanien war, habe ich es gar nicht so gemerkt. Aber als ich zurückkam, da wußte ich, daß ich wieder an dem Ort war, an den ich gehöre. Und... Ich möchte niemanden unglücklich machen. Dich schon gar nicht." Die beiden letzten Sätze sprach er sehr leise. Er faßte ihre Hände und drückte sie leicht.


    "Das Lied ist wunderschön. Und Deine Stimme... sie ist unbeschreiblich. Du bist unbeschreiblich..." Die Worte erstarben, Lippen fanden sich. Sanft, vorsichtig. Bereit, sofort zurückzuzucken, sollten sie nicht erwünscht sein.

  • Leicht nickte sie, sie konnte ihn nur zu gut verstehen. Rom war sein zu Hause, er würde immer hierher zurück kehren, dorthin wo seine Wurzeln war. Doch sie wusste immer noch nicht so ganz, wo ihre Wurzeln waren. Sie fühlte sie mitlerweile in Rom wohl, doch wirklich zu Hause war sie noch nicht wirklich. Sie suchte nach etwas, das sie nicht genau benennen konnte. Aber wenn sie Valerian ansah, hatte sie das Gefühl, dieses etwas gefunden zu haben. Geborgenheit, Wärme und auch eine gewisse Leidenschaft. Er war nicht ganz so fest in den Traditionen und starren Regeln, er genoß das Leben. Dinge die sie anzogen, die ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelten.
    Und dabei kannte sie ihn kaum und doch war es so, als kannten sie einander, ihr ganzes Leben lang schon, als hätten sie nur auf einander gewartet.


    Finger verschränkten sich ineinander, als er ihre Hände ergriff und sie hielt. Sie konnte seine Schwielen spüren, welche davon herrührten, dass er den Umgang mit dem Schwert und anderen Waffen gewöhnt war. Auch sie hatte zwarte Schwielen an den fingerkuppen, vom jahrelangen Spiel auf der Lyra oder anderen Instrumenten.


    Tief sah sie ihm die Augen. "Das Rom dir viel bedeutet ist mir schon aufgefallen und es wäre wunderbar, wenn ich mit dir diese Stadt teilen kann.... du hast mir gezeigt, das Rom nicht nur von Korruption und Ränkespielen zerfressen ist!" vertraute sie ihm leise an.


    Sie sah in seinen Augen, was er ihr sagen wollte und als sich seine Lippen zu einem Kuss auf die ihren sinken ließ, erwiederte sie seinen Kuss zärtlich. Mit einem einzigen Schritt überwand sie dann noch den geringen Abstand zwischen ihnen und schmiegte sich vertrauensseelig an in an.

  • Diese Augen. Jung und mit Weisheit zugleich, übermütig funkelnd und doch von tiefer innerer Vernunft beseelt. In diesem Blick konnte man sich verlieren.


    "Oh, aber Rom ist vollständig von Korruption und Ränkespielen zerfressen. Sie betreffen alle Lebensbereiche. Aber man darf sich davon nicht selbst zerfressen lassen. Die Stadt ist schmutzig und stinkt oft bestialisch. Und doch ist sie die schönste, die großartigste Stadt der Welt. Und das will ich Dir gerne immer wieder zeigen."


    Als sie den vorsichtigen Kuß zärtlich erwiderte, durchlief es Valerian heiß vor Freude. Es war, als ob er auf einer Wolke schweben würde. Unwirklich, wie ein Traum. Und doch geschah es wirklich. Sie schmiegte sich sogar an ihn. Unwillkürlich schlossen sich seine Arme um sie. Als wollte er sie nie wieder loslassen. Philogena! Ihr Gesicht schob sich vor sein inneres Auge. Wie konne es sein, daß er eine andere Frau so... liebte? "Calvena... Ich glaube... ich glaube, ich muß Dir... etwas erzählen."

  • Das Leben war niemals einfach, dass hatte sie im Laufe der Jahre erfahren und auch lernen müssen. Aber man sollte das Beste aus jeder Situation machen und nicht so schnell aufgeben. Eine Philosophie, die sie sich zu Eigen gemacht hatte. Sie blickte meist vorraus, doch vergass sie die Vergangenheit nicht, denn diese hatte aus ihr gemacht, was sie heute war.


    Während sie einander küssten, schien die Zeit still zu stehen und es gab nur sie Beide. Als sich ihre Lippen von einander lösten, verspürte sie ein kurzes Bedauern, denn nun schien wieder die Zeit ihren normalen Rhytmus anzunehmen.


    Erwartungsvoll sah sie ihn an, sie standen immer noch sehr beieinander. Calvena konnte einen anderen Ausdruck in seinen Augen wahrnehmen, doch bestimmen konnte sie ihn nicht. "Was willst du mir erzählen?" fragte sie ihn leise.

  • Sanft strich er mit seiner Hand über ihren Oberarm. "Vor... einigen Monaten... lernte ich eine junge Frau kennen. Und..." Er atmete tief durch. "Sie brach mir das Herz. Ich liebte sie und dachte, sie würde das gleiche für mich empfinden. Dann aber eines Tages... erzählte sie mir, daß sie heiraten würde. Und daß sie den Mann gern hätte. Sie freute sich auf ihre Ehe..." Entschuldigend blickte Valerian dieses wunderbare Wesen vor sich an. "Ich möchte Dir nichts verheimlichen. Oder Dich gar belügen. Sie wird immer einen Teil meines Herzens besitzen. Ich habe sogar gedacht, daß ich nie wieder würde tief empfinden können. Es war alles so leer in mir. Bis... bis Du mir begegnet bist." Er fürchtete, daß sie ihm zürnte, daß sie sich betrogen fühlte. "Es ist nichts zwischen uns passiert. Im Grunde weniger, als zwischen uns beiden bisher... Glaube nicht, daß ich mich unehrenhaft verhalten hätte." Wobei der Kuß natürlich schon grenzwertig gewesen war.

  • Mit einem Male wirkte er verunsichert auf sie und vorallem verletzlich. Sie biss sich auf die Unterlippe, das sie für einen Moment lang dachte, es wäre ihre Schuld. Sie dachte sie hätte etwas getan, was sie ihn verletzte. Doch als er ihr gestand worum es ging, war sie einen Moment sprachlos. Kurzzeitig hatte sie auch das Gefühl, das er diese andere Frau nur mit ihr ersetzen wollte. Kurz wich sie seinem Blick aus und starrte eine der Hauswände an. Sie spürte ihn immer noch nah bei sich und als sie sich so weit wieder gefasst hatte um ihm in die Augen zu sehen, sah sie Angst, Verunsicherung und auch einen Funken Hoffnung. Sie war kein Ersatz für eine andere Frau, nein, er wollte sie, weil sie einfach nur sie selbst war und weil sie ihm wieder Hoffnung gab.


    "Menschen die wir geliebt haben... werden immer einen Platz in usnerem herzen haben!" sagte sie mit belegter Stimme. Sie wusste nur zu gut, wovon sie sprach, denn einige frische Narben auf ihrer Seele pochten schmerzhaft. "Wir sollten sie auch nicht vergessen.... denn unsere Gefühle gehören zu uns!" hauchte sie. Ein mattes Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen, als sie ihm über die Wange strich.


    "Und was ehrenhaft und unehrenhaft ist, verändert sich mit der Perspektive mit der man dies betrachtet" meinte sie mit verstecktem schmunzeln.

  • Es war ein banger Moment. Valerian hatte ihr von Philogena berichten müssen. Denn sonst wäre er sich wie ein Betrüger vorgekommen. Aber so manche Frau hätte mit einer kräftigen Ohrfeige reagiert. Und wäre wütend davongerauscht. Doch Calvena reagierte ganz anders. Als wüßte sie, was er fühlte. Sie verstand einfach. Ein tiefes Gefühl von Wärme, als würde er nach Hause kommen, durchflutete ihn.


    "Ich danke Dir Calvena. Für Dein Verständnis. Du bist wirklich wunderbar! Das Herz ist so ein merkwürdiges Ding. In einem Moment völlig zerrissen und dann doch wieder voller Liebe. Es werden immer Narben zurückbleiben, das weiß ich. Aber... ich glaube, ich werde sie nicht mehr spüren." Er lehnte seine Wange gegen ihre Hand, als sie sanft darüber strich. "Ich möchte Dich auf keinen Fall entehren", flüsterte er leise. Sie sollte wissen, daß sie in seiner Gesellschaft sicher war.


    Lächelnd faßte er sie bei der Hand. "Wollen wir ins Theater gehen?", fragte er leise nach. Er wollte den Augenblick nicht zerstören. Aber er wollte auch nicht zu weit gehen. Er fand, daß er schon genug riskiert hatte für den Moment.

  • Calvena hätte auch anders reagieren können, mit verletztem Stolz oder einem Zornesausbruch. Doch anstatt mit einer Ohrfeige auf sein Geständnis zu reagieren, hatte sie lieber sich einen Moment Zeit gelassen und die Dinge in Ruhe betrachtet. Diese andere Frau, von der er sprach, war für ihn unerreichbar und ihn auch zutiefst verletzt. Unerwiderte Liebe war ein furchtbares Gefühl und konnte einen Menschen völlig zerstören.
    Aus Angst ihr wehzutun, hatte er ihr es erzählt, er wollte sie nicht im Unklaren lassen. Von daher hatte sie am Ende nicht anders reagieren können.


    In seinen Augen leuchteten ehrliche Dankbarkeit und noch andere Gefühle auf. Sie wusste nicht so recht, was sie nun sagen sollte, von daher schwieg sie lieber und genoss diesen kurzen Augenblick, der nur ihnen Beiden gehören würde.


    Als er ihr dann beteuerte, er würde sie nicht entehren wollen, lächelte sie sanft. „Ich weiß….!“ mehr brauchte dazu nicht gesagt werden. Er würde sie weder bedrängen noch irgend etwas unerhörtes von ihr verlangen.


    Zustimmend nickte sie, deswegen hatten sie sich ja eigentlich ursprünglich getroffen. Kurz sah sie zur Sonne hinauf. „Oh….. wir sind zu spät dran!“ stellte sie verwundert fest. Wo war denn die Zeit geblieben. Anscheinend hatten sie länger im Schatten der Gasse verbracht, als erwartet.
    „Komm, beeilen wir uns!“ sie drückte seine Hand und gemeinsam eilten sie schließlich zum Theater.

  • Einen Moment lang blickte Valerian einfach nur in diese wundervollen Augen und konnte sein Glück einfach nicht fassen. Dann liefen sie Hand in Hand los, um möglichst schnell zum Theater zu gelangen. Valerian mußte lachen und wußte selbst nicht genau, warum. Vielleicht einfach vor Glück.

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