Hortus - der Garten

  • Sirius kam etwas schneller, als Axilla erwartet hatte. Sie hatte gehofft, sie könnte Vala noch ein wenig vorbereiten und ihm zumindest das Versprechen abringen, nicht böse auf sie zu sein. Allerdings kam es gar nicht mehr dazu, weil Sirius mit der Kunstfertigkeit eines Schauspielers sich verneigte und sie beide begrüßte. Und Vala sich erschrak. Er sah erst Sirius an, dann sie, und Axilla konnte deutlich in seinem Gesicht die Gedanken rasen sehen. Und er schien nicht unbedingt erfreut.
    Nun, sie hatte ja nicht erwartet, dass er sie schnappen würde und vor Freude mit ihr herumtanzte, ehe er ihr einen Schmatz auf die Stirn drückte. Wobei die Vorstellung schon was hatte. Aber dass er sich so erschreckte hatte sie nicht gewollt. Sie hoffte nur, dass er nicht gleich furchtbar wütend werden würde, wenn er sich vom Schreck erholt hätte. Bevor er dazu Gelegenheit hatte, wollte Axilla ihn einfach niederreden, so gut sie konnte. Wenn er keine Chance hatte, genau darüber nachzudenken, konnte er auch nicht zornig werden.
    “Ja, weißt du, du wolltest ja nicht, dass ich dir das Geld leihe. Aber ich hab ja gesehen, dass er genau der Richtige für dich wäre. So wie ich Leander hatte, weißt du? Und er kann Griechisch, und Schreiben und Rechnen und Schnips... ich mein, er kann dir sicher sehr viel helfen. Nicht wahr, Sirius?
    Und ich hatte einfach gehofft, ich kann dir damit eine kleine Freude machen. Und, ich meine, ich hab ihn jetzt schon gekauft, der Händler wird ihn sicher nicht zurücknehmen, da wär es doch eine Verschwendung, wenn du ihn jetzt nicht annehmen würdest. Weil ich brauch ihn ja nicht so wirklich. Auch wenn er wirklich toll ist! Und, also, ich wollt dir gern was schenken, was du auch wirklich brauchen kannst.“

    Ein bisschen wie ein Lamm einen Wolf blickte Axilla Vala an und hoffte, dass sich sein schrecken doch in Freude verwandeln würde. Sie hatte ja schon befürchtet, er könnte wütend werden.

  • Ihre Worte fielen auf ihn nieder wie ein Hagelschauer. Sie hatte ihm den Sklaven gekauft. Weil er das Geld nicht für ihn gehabt hatte. Weil er das Geld für einen Mord an ihrem Sklaven ausgegeben hatte. Ein Stich in seinem inneren machte sich bemerkbar, und er wuchs schnell zu einem heißen Brennen. Sie tat ihm leid. Und er hasste sich selbst dafür. Dafür, der Auslöser für diese abstruse Geschichte zu sein, und dafür, dass er überhaupt sowas wie Mitleid empfand. Während sie auf ihn einredete, plätscherten diese Gedanken durch seinen Geist, und er wusste schlichtweg nicht was zu tun. Wut stieg in ihm auf, in dem gleichen Moment Trauer, und dann wieder Verzweiflung, gefolgt von neuer Wut, und dann Reue... und das war der Punkt, an dem sich eine Erinnerung einschaltete, die in diesem Moment wichtiger nicht sein konnte:
    'Wenn du an dem, was du tust, Zweifel zulässt..', hatte Linus ihm immer wieder eingebläut, '..dann wirst du scheitern.'


    Der folgende Kampf dauerte für Vala gefühlte Ewigkeiten, doch als er das Gefühl endlich runtergekämpft hatte, war da wieder die kalte Klarheit, die es ihm ermöglicht hatte überhaupt lange genug zu überleben, um sich hier hocharbeiten zu können.
    Seine erste Amtshandlung als neugeborener skrupelloser Arsch war es, Axilla zu küssen. Er sah sie einen kurzen Moment lang eindringlich an, dann packte er sie einfach am Kopf, und zog sie ohne viel Federlesen zu sich hin um seine Lippen auf die ihren zu drücken. Es war kein leidenschaftlicher Kuss, ganz und garnicht. Er war trocken, aber sehr bestimmt.
    Als er sie wieder losließ, blickte er sie mit einer Entschlossenheit an, die auf dem Kamm zwischen Besessenheit und Hingabe tanzte: "Danke. Aber mache das nie wieder."


    Sirius
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    Die Reaktion war nicht minder verwirrend als das, was er vorher zu sehen bekommen hatte. Und dann dieser sehr irritierende Kuss. Sein neuer Herr schien ein Mann zu sein, der nicht lange fackelte, aber was kümmerte es ihn?
    "Na, hab ich doch gesagt.", war alles, was einem sehr selbstzufrieden dreinblickenden Sirius zu dieser Szene einfiel.

  • Er starrte vor sich hin. Er sah sie an, sah den Sklaven an, aber Axilla war sich gar nicht so sicher, ob er ihr noch überhaupt zuhörte. Er starrte einfach irgendwohin. Und dann auf einmal änderte sich sein Blick, wurde kühler und ruhiger. Und auf einmal fühlte sie seine Hand an ihrem Nacken, wie er sie zu sich zog und küsste. Nicht auf die Art und Weise, wie sich Liebende küssten, mehr auf diese stürmische, aber leidenschaftlose Art, mit der man große Freude ausdrückte. Aber nicht auf die Stirn, wie sie erwartet hätte, sondern auf den Mund. Seine Lippen auf ihren, seine Hand in ihrem Nacken, er ganz nah, sein Geruch überall um sie, wo er nicht von dem der Blumen und des Grases überdeckt wurde. Sie öffnete gerade ganz leicht ihren Mund beim Kuss, nachdem der erste Schreck halb überwunden war, als er sie auch schon wieder los ließ und sich bedankte. Und sie saß nur da, vollkommen verwirrt über das, was eben passiert war, mit bis zum Hals klopfenden Herzen und nicht wirklich fähig, was vernünftiges zu sagen.
    Sirius hingegen schon. Sein Kommentar drang auch zu ihr durch, und ihre sprachlose Verwirrung veränderte sich in einen bösen Blick, den sie ihm zuwarf. “Und ich hab dir schon gesagt, dass du Unrecht hast“, giftete sie ihm beleidigt entgegen, froh, ein kleines Ventil gefunden zu haben, um die Anspannung aus ihrem Körper zu entlassen.
    Allerdings kam auch gleich das schlechte Gewissen wieder, denn Vala sollte nicht denken, dass sie eine giftige Meckerziege wäre. Etwas unsicher sah sie jetzt wieder zu ihm und wusste noch immer nicht so wirklich, was sie sagen sollte. Ja, er hatte sie geküsst, aber er hatte sie nicht SO geküsst. Das war schon fast mehr, wie man die eigene Verwandtschaft mal küsste. Ihr Vater hatte sie ähnlich zur Begrüßung immer geküsst, wenn er sie einfach zu sich hochgezogen hatte, als sie noch sehr klein war. Trotzdem war Axilla durcheinander, weil sie einfach nicht damit gerechnet hatte.
    “Naja, ich kann das ja auch nicht mehr nochmal machen, weil jetzt hast du ihn dann ja. Also, wenn du ihn annimmst.“ Sein Dank klang danach, aber ganz sicher war sich Axilla nicht.

  • "Natürlich nehme ich ihn an.", blaffte Vala grinsend, "Wie sollte ich nicht? Aber sag mir, wie habe ich mir diese Großzügigkeit verdient? Eintausend Sesterzen, wenn du ihn nicht großartig runtergehandelt hast... damit kann man sich in Germania ein Haus kaufen."


    Sirius
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    "Eine dreckige Kate in der germanischen Wildnis bin ich ja wohl mindestens wert, junger Herr.", verschränkte Sirius die Arme trotzig und eindeutig zu selbstbewusst mit einem scharfen Blick auf dem jungen Mann, der soeben sein Herr geworden war. Vala selbst beließ es bei sich, er würde dem Sklaven später klarmachen was er für Ansprüche an das Verhalten seines Eigentums hatte.

  • Womit er diese Großzügigkeit verdient hatte? Damit, dass er sie so ansah, wie er sie ansah. Damit, dass er sich mit ihr unterhielt, und sie nicht behandelte, als wäre sie dumm oder minderwertig, sondern fast so, als sei sie ein Mann, der auch über Philosophie mitreden konnte. Damit, dass sie einfach gern in seiner Nähe war, weil sie sich dann ruhiger fühlte. “Du hast ihn gebraucht“, antwortete Axilla nur ein wenig einfältig. “Und ich will dir gerne helfen. Ich meine, ich kann ja nicht so viel für dich tun, das würde ja komisch aussehen, wenn ich irgendwo hingehen würde, um für dich Werbung zu machen. Aber das kann ich ja tun. Und soviel Geld ist das nicht. Das hat meine Färberei in einem halben Jahr wieder eingespielt.“
    Axilla sah etwas verlegen beiseite. Ihre Gründe kamen ihr kindisch vor, die ausgesprochenen wie die unausgesprochenen. Aber was sollte sie da schon groß zu sagen? Sie konnte es nicht erklären, nicht so wirklich. Und nun, nachdem Vala sie schon zum zweiten Mal in ihrem Leben geküsst hatte, ohne sie zu küssen, schon zweimal nicht.

  • "Allerdings, das habe ich.", seufzte Vala, dem in diesem Moment die anstrengenden Tage der letzten Zeit deutlich anzusehen waren, "Dafür sollte ich dir noch einmal so dankbar sein, wenn man es recht bedenkt. Er wird eine gehörige Entlastung sein... andererseits, warum behälst du ihn nicht? Er ist definitiv ein Sklave mit Qualitäten, wenn er hält, was er verspricht..."
    "...er wird halten, was er verspricht...", schaltete sich der Sklave quäkend ein.
    "Und du brauchst doch auch wieder jemanden... andererseits weiß ich nicht, ob er dann sicher wäre.. es könnte immerhin wieder passieren.. wenn du verstehst, was ich meine.."

  • Axilla verstand nicht, was er meinte. Zumindest nicht ganz. “Naja, die Straßen sind gefährlich. Sicher kann es immer wieder geschehen, dass ich da überfallen werde.“ Ein wenig fragend schaute Axilla den Duccier dann doch noch an. Er hatte es so komisch betont, fand sie. Die Wortstellung war merkwürdig. Als müsse sie etwas wissen oder sich etwas denken. “Vermutlich will Archias deshalb auch diesen ganzen Schwarm Leibwächter für mich. Mir reicht eigentlich Levi, wobei ich wohl noch jemanden kaufen werde, einfach, damit ich meine Ruhe hab“ Axilla zuckte leicht die Schultern.
    “Und ich will keinen neuen Leibsklaven. Das käme mir falsch vor. Ich meine, es ist zwar Blödsinn, ich weiß, aber... ich will Leander nicht so schnell ersetzen, weißt du? Und außerdem brauch ich Sirius doch gar nicht. Meine Betriebe kann ich allein verwalten, und Griechisch kann ich ja auch. Und schnipsen auch“, fügte sie noch mit einem leichten Grinsen an Sirius an.
    Sie lächelte zwar, aber seine Bemerkung nagte doch irgendwie an ihr. “Aber wieso meinst du, dass es wieder passieren würde?“

  • "Nun..", holte Vala Luft, um ein kleines Lehrstück in Sachen Intrige zu kreieren, "..denk einmal genauer drüber nach. Aelius Archias reagiert schon übermäßig eifersüchtig, als er noch mit der Decima verlobt war, und ich NUR in deiner Begleitung auf einer Hochzeit war. Ihm war der Skandal darum vollkommen egal, auf der Hochzeit im Hause einer der ältesten und wichtigsten Gentes Roms. Dann heiratet er dich, und fortan ist jeder Kontakt mit mir verboten. Und dann wird Leander auf offener Straße rein zufällig gemeuchelt. Daraufhin pflastert er dich mit IHM treu ergebenen Leibwächtern zu. Und als ich mich an Aelius Quarto wende, um ihn auf meine Kandidatur anzusprechen, bekomme ich diese Einladung..", er legte ihr die Schriftrolle vor die Füße, "..und treffe dort nicht auf Quarto, sondern auf deinen Mann. Der mich erst mit wüsten Drohungen überhäuft, und mich dann mit Gewalt vor die Tür setzen lässt... mir ist nichts geschehen, denk über das nach, was ich dir sage."


    Er gab ihr einige Sekunden, um zu verarbeiten was er gerade gesagt hatte. Dann schob er die Kugel in die Richtung, in der sie ihr Ziel kaum mehr verfehlen konnte: "Wenn er einen Bürger wie mich so verfolgt, weil ich dir nahe stehe.. was glaubst du, was tut er dann mit einem Sklaven, der dir noch näher steht?"

  • Während Axilla Vala zuhörte, legte sich ihre Stirn immer mehr und mehr in Falten. Ja, sicher, Archias hatte furchtbar eifersüchtig und übertrieben reagiert. Und die Leibwächter nervten sie ja auch, das wusste Vala auch. Und ja, er hatte versucht, Axilla den Kontakt mit Vala zu verbieten. Naja, nicht ganz, aber er hatte auf seine Art deutlich gemacht, dass er es absolut nicht wünschte, wenn sie ihn wiedersah. Das Wort 'Verbot' war ja nie gefallen.
    Das mit der Einladung überraschte Axilla dann doch. Schon allein, als Vala Quarto erwähnte, wollte sie ja schon einwerfen, dass der gar nicht in Rom war, sondern bei seinem kaiserlichen Bruder in Misenum. Aber da hatte sie auch schon die Einladung in Händen, mit Unterschrift UND Siegel. Und da blieben ihr die Worte weg. Sie öffnete zwar den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam nichts raus. Sie fuhr einmal mit den Fingern über das Papier, als müsse sie sicher sein, dass es wirklich echt war. Sie fuhr das Siegel nach, die Furchen im roten Wachs. Das war das aelische Siegel, von dem Archias schonmal gesagt hatte, dass er es nutzen konnte. Weil es ja auch sein Siegel sei, weil er ja auch Aelier war.
    Axilla schaute noch ganz verwirrt auf das Papier und verstand nicht so wirklich, was da gerade geschah. Warum hatte Archias das getan? Wollte er Vala umbringen? Hatte er ihm weh getan?! Axilla schaute gerade auf, als Vala dann weitersprach und Leander ins Spiel brachte. Da machte etwas in Axilla im ersten Moment völlig dicht.
    “Nein, das ist... Nein!“ Sie schüttelte den Kopf und stand auf, wollte Vala das Papier geben, ließ es aber vor lauter Verwirrung zu früh los, so dass es ins Gras fiel. Sie selbst ging zwei Schritte weiter, den Rücken Vala zugewandt, und schaute nur in den Garten hinein. Archias sollte Leander was getan haben? “Nein, das würde er nicht tun. Warum sollte er auch? Bei dir ist das ja was anderes, du bist eine Gefahr für ihn. Also, das denkt er zumindest. Leander war ja nur mein Leibsklave. Ich war ja nicht in ihn verliebt oder sowas. Er war nur... Und Archias wär zu sowas doch nicht fähig. Ich meine... der weiß noch nichtmal, wie man richtig ein Schwert hält! Der hätte die Rüstung meines Vaters fast kaputt gemacht, weil er meinte, dass sowas ein Spielzeug sei...“ Eigentlich hatte Axilla das mit der Rüstung nicht erzählen wollen, nie, niemandem, aber im Moment war sie zu verwirrt und durcheinander. Sie drehte sich wieder zu Vala um. “Das war doch nur ein Überfall in der Subura! ein dummer Zufall!“

  • Mit betroffener Miene und lachendem Geiste schaute Vala sich die Reaktion Axillas an, und wedelte hilflos mit den Händen, um schließlich den Kopf sinken zu lassen: "Ja, natürlich. Wahrscheinlich hast du recht... entschuldige.. das hätte ich wahrscheinlich nicht sagen dürfen. Aber weißt du... es ist so... ich mache mir Sorgen. Und... ach..."
    Als er die kleine Unsicherheits und Ich-mach-mir-doch-solche-Sorgen-Nummer durchzog, fiel ihm auf, dass das so ganz und gar nicht nach ihm klang. Ganz und gar nicht. So überhaupt nicht. Da musste ein anderes Rezept her, und Vala hielt einen Moment inne, um irgendwie überzeugend darzustellen, wie seine Sorge in Wut kippte.


    "Ich bin dir sehr dankbar für dieses Geschenk..", schnappte er, "..aber wenn du mir einen noch größeren Gefallen tun willst, dann geh nicht mit geschlossenen Augen auf die Straße. Und in eine Ehe. Ich kenne diesen Mann nicht, ich habe ihn bisher nur zwei Mal in meinem Leben getroffen. Und beide Male gehörten nicht unbedingt zu den schönsten Momenten, die ich mit einem Menschen verbringen konnte.. dann metzelt man dir deinen Sklaven vor der Nase weg, den Menschen, dem du anscheinend bis auf's Mark vertraut hast. Und dann..."


    ...die Faust geballt... die Zähne geknirscht... fertig war das Verzweiflungsszenario...


    "...begreifst du denn nicht?"

  • Er machte sich Sorgen? Um sie? Bei all den wirren Gedanken, die momentan durch ihren Kopf strömten, war dieser doch sehr laut und noch ein wenig verwirrender als die anderen. Wieso machte er sich Sorgen um sie? Glaubte er denn wirklich, dass Archias ihr etwas tun wollte?
    Aber, das war total verrückt! Archias konnte keiner Fliege was zuleide tun! Er hatte nicht den geringsten Sinn für sowas, er hatte absolut kein militärisches Talent. Ihm fehlte der nötige Killerinstinkt. Er könnte das nicht. Das war ausgeschlossen. Das war...
    “Aber ich kenn ihn schon viel länger, schon aus Alexandria. Und er hat nie irgendwelche Tendenzen in diese Richtung gezeigt. Warum sollte er Leander denn umbringen? Nur damit ich seine Leibwächter mitnehme? Das mach ich ja trotzdem nicht, sondern ich nehm Levi mit...“
    Inwzischen hatte Axilla angefangen, ein wenig hin und her zu gehen. Das stimmte nicht, was Vala sagte. Das konnte gar nicht stimmen. Das würde ja heißen... Axilla blieb in ihrer Bewegung stehen und schaute kurz erschrocken zur Tür. Levi war in der Küche. Aber... nein, das war einfach unmöglich. Archias würde Levi nichts tun. Warum auch? Der Junge war 14! Warum sollte er ihm was tun?


    Nein, sie begriff wirklich nicht. Sie wollte auch gar nicht begreifen. Sie schüttelte nochmal den Kopf und sah Vala dann flehentlich an. “Willst du mir nicht von deinem Wahlkampf erzählen? Brauchst du noch irgendwo Hilfe? Ich mein, vielleicht kann ich ja etwas tun, oder... ich weiß nicht.“ Es war ein schlechter Ablenkungsversuch, aber Axilla wusste sich auch anders gar nicht zu helfen.

  • Der Felsen rollte. Vala beließ es dabei, und machte nur eine geknickte Miene, um auf das Angebot eines unverfänglicheren Themas umzuschwenken: "Naja... Hilfe? Nein. Und ja. Ich bekomme meinen Terminplan nicht annähernd so organisiert, dass ich die ganze Hände, die ich schütteln MÜSSTE, auch nur ansatzweise geschüttelt bekomme. Ich tue einiges um meinen Namen bekannt zu machen, aber es scheint mir noch nicht genug. 'Abkömmling eines Barbaren' nennt man mich oft, Sprössling einer Sippe von Bauern, Handwerkern und Soldaten... Senatoren und deren Günstlinge, die meinen Ambitionen aufgeschlossen oder gar fördernd gegenüberstehen sind definitiv in der Minderzahl. Das wird ein echt schweres Brot, sag ich dir..."


    Sirius
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    "Stupide Anfängerfehler.", murrte Sirius, der sich offentlich über das Gejammer seines zukünftigen Herren mockierte, "Alles eine Frage der Betrachtungsweise. Abkömmling von Barbaren? Exotische Familiengeschichte! Sippe von Bauern, Handwerkern und Soldaten? Eine Familie, die den Ursprungssitten Roms treu ist! So einfach ist das... meine Güte. Dafür muss man doch nicht lange nachdenken..."


    Ein zunehmend finsterer Blick von Vala ließ ihn verstummen. Vorerst.
    "Der Mann scheint sein Geld wert.. ich bin gespannt, ob er es fertig bringt in den richtigen Momenten seinen Mund zu halten."

  • Er beließ es dabei. Ein Glück, er beließ es dabei. Kein nachbohren und nachhaken, bis sie in die Ecke gedrängt war und nur noch um sich schlagen konnte. Er ließ ihr ihre Flucht, und Axilla war Vala durchaus dankbar. Ihrem Blick war die Erleichterung allzu deutlich anzusehen.
    Als er von den Schwierigkeiten redete, die er aufgrund seines Familiennamens hatte, fühlte sich Axilla ein wenig seltsam. Ja, sicher, Vala war ja auch ein homo novus. Ganz genau genommen war er sogar mehr als das, ein homo novissimus, sozusagen, da er nicht nur aus einer Familie stammte, die noch keinen Konsul gestellt hatte, sondern eine, die nichtmal allzu lange römisch war. Axilla vergaß das nur allzu gerne, vor allem, da sie Vala mochte.
    “Ich würd dir ja gern meinen Familiennamen leihen, aber ich fürchte, das geht nicht“, meinte sie mit einem kleinen Lächeln zu ihm. Auch wenn sie nicht wusste, ob sie ihm damit einen großen Gefallen getan hätte, denn die Iunier hatten nicht nur eine sehr, SEHR alte Familiengeschichte, sondern auch eine sehr unschöne Passage in eben jener. Wobei es auch danach noch iunische Konsuln gegeben hatte.


    Und just da schaltete Sirius ein und brachte Axilla zum Grinsen und Vala dazu, immer finsterer zu schauen. Axilla bemühte sich, nicht allzu amüsiert dreinzusehen, als Vala sich ihr wieder zuwandte, aber sie fürchtete schon, dass das wohl unmöglich war.
    “Ich glaube, nur wenn er schläft. Aber seine Ideen sind sehr gut. Meistens jedenfalls.“ Die, dass Axilla ihn als Bettwärmer hätte behalten sollen, hatte ihr nicht so gefallen. Aber das hier jetzt war durchaus erheiternd.

  • "Ich würde den meinen auch im Tode nicht aufgeben...", knurrte Vala eine Spur zu scharf als Antwort auf Axillas Angebot, ihm ihren Familiennamen zu geben. Natürlich würde es einiges für sich haben, einen so alten Namen wie den der Iunii zu führen. Aber damit würde er das verleugnen, das durch seine Adern floss, und das würde ihn letztendlich umbringen. Er war in Rom, um den Namen der Duccii reinzuwaschen von allen Vorbehalten und Vorurteilen, wenn er fertig war, würden die Menschen die Duccii nichtmehr fürchten und meiden, weil sie Germanen entstammten, sondern weil sie wussten, wozu die Söhne und Töchter Wolfriks imstande waren.


    "Na, dann darf ich dir um das Geschenk noch einmal so dankbar sein. Ich hoffe, ich werde mich bei Gelegenheit für derartige Großzügigkeit adäquat revanchieren können.", lächelte er sie höflich, aber kalt an, und signalisierte mit seinem Aufstehen, dass er gedachte zu gehen.


    "Wenn du mich nun entschuldigst, der Wahlkampf schläft nicht."

  • “So hab ich das doch gar nicht...“ Natürlich bemerkte Axilla gleich, dass Vala über ihren scherzhaften Vorschlag nicht gerade erbaut war. Kleinlaut versuchte sie einzulenken, aber sie wusste im Grunde schon, dass das nichts bringen würde. So gut kannte sie den Duccier schon, um das sagen zu können. Und wenn sie versuchte, es nun zu retten, würde sie wohl nur wieder mit ihm diskutieren und sich streiten. Also verstummte sie und sah nur bedauernd zu, wie er aufstand und sie so berechnend anlächelte, wie er es dann tat, wenn er höflich sein wollte.
    Axilla versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie hätte sehr gerne noch ein wenig mehr Zeit mit ihm verbracht. Sie wusste zwar gar nichts mehr, was sie hätten bereden können, aber sie war einfach gern in seiner Nähe. Ihr hätte es auch gereicht, einfach ein wenig mit ihm im Garten zu sitzen und ihm zuzuhören. Aber er hatte wohl recht, der Wahlkampf wartete nicht, und er hatte ja auch wirklich besseres zu tun, als hier bei ihr im Garten rumzusitzen.
    “Ich bin mir sicher, dass sich dafür mal eine Gelegenheit ergeben wird. Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, ich helfe dir wirklich gerne, wenn ich das kann.“ Sie sah noch einmal zu ihm auf. Auch wenn er so streng schaute, sie konnte ihn nicht anders anschauen, als sie es meistens tat. Auch wenn sie sich mühte, es im Rahmen zu halten. “Es hat mich sehr gefreut, dass du Zeit gefunden hast, herzuschauen. Vielleicht hast du ja nach der Wahl noch einmal mehr Zeit, auch wenn du dann ganz sicher Vigintivir sein wirst und jede Menge neue Aufgaben haben wirst. Mich würde es freuen.“

  • Der Tag war schon schon relativ weit fortgeschritten, als Serrana schließlich an der Casa Iunia ankam um nach Axilla zu sehen. Eigentlich wäre es naheliegend gewesen, das im kaiserlichen Palast zu tun, wo ihre Cousine in den letzten Monaten gelebt hatte, aber eine innere Stimme sagte Serrana, dass sie es zuerst im Stammhaus der Iunier versuchen sollte. Und siehe da, sie hatte Recht mit ihrer Vermutung gehabt, denn ein erschöpft wirkender Araros nickte auf ihre Frage hin und erklärte, dass man domina Axilla zuletzt im Garten gesehen habe.
    Die bedrückte Stimmung, die Serrana seit ihrem Streit mit Sedulus nicht mehr losgelassen hatte, verstärkte sich noch, während sie durch die seltsam stillen Gänge des Hauses ging. Da zur Zeit keine Herrschaften hier wohnten, war die Casa schon lange nicht mehr besonders lebhaft gewesen, doch nun schien über allem eine riesige Wolke des Schweigens zu liegen. Am Ausgang zum Garten blieb Serrana kurz stehen und schluckte, als sie vertraute Gestalt ihrer Cousine ausmachte, die ihr in einiger Entfernung den Rücken zuwandte. Ihr Kopf pochte immer noch leicht vom vielen Weinen, das erst richtig schlimm geworden war, nachdem Sedulus ihr gemeinsames Cubiculum verlassen hatte, und ihre Augen waren, dem vielen kalten Wasser zum Trotz, immer noch geschwollen und rot.


    "Axilla?" sagte Serrana schließlich leise, während sie nach wie vor unschlüssig im Durchgang stehen blieb, als fürchtete sie sich den Garten zu betreten, in dem sie doch schon so viel Zeit verbracht hatte.

  • Sie wusste nicht, wie sie heimgekommen war. Irgendwie war alles wie ein unwirklicher Traum, aus dem sie einfach nicht erwachen konnte. Gerade eben noch hatte sie sich mit ihrer Scheidung befasst und jetzt... jetzt war sie Witwe. Und dazwischen war ein Loch, das sie nicht so wirklich erfassen konnte. Ein großes Loch. Doch dieses war nicht etwa leer, nein, es war angefüllt mit jeder Menge Bilder. Mit Prätorianern, mit Piso mit seinen rotgeheulten Augen. Mit der Bahre und dem, was darunter lag. Vor allem mit dem, was darunter lag.
    Ein Schauer ging durch ihren Körper. Noch war es Sommer, dennoch fröstelte es Axilla, während sie im Garten saß und vor sich hinstarrte. Sie wusste nichtmal, wie sie hierher gekommen war. Hatte Malachi sie hergebracht? Oder Seneca? War sie selber hierher gegangen? Sie wusste es nicht. Sie starrte einfach nur vor sich hin ins Gras zu ihren Füßen. Aber selbst das nahm sie nicht wirklich wahr. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, ja selbst, wenn sie nur blinzelte, sah sie wieder den zerschmetterten Körper vor sich, die herausragenden Knochen, das verdrehte Fleisch, die zermalmten Züge. Sie bekam es nicht aus ihrem Geist, und doch konnte sie auch jetzt nicht einmal darüber weinen. Warum? hatte Piso sie gefragt. Diese Frage hallte durch ihre Gedanken, ohne eine vernünftige Resonanz zu erzeugen. Sie verstand es nicht. Sie verstand es einfach nicht.


    Eine Stimme schreckte sie aus ihren Gedanken. Jemand sagte ihren Namen. Verwirrt schreckte sie hoch und drehte sich herum. Da stand Serrana mit geröteten Augen. Einen Moment sah Axilla wie durch sie hindurch, ehe sich so etwas wie Erkenntnis in ihren Augen breit machte. “Serrana?“, fragte sie etwas verwirrt und blinzelte dann einmal. Seltsam, in diesem Moment beschäftigte Axilla einzig die Frage, warum Serrana geweint hatte, sie selbst aber nicht.

  • Serrana hatte mittlerweile zwei zögernde Schritte gemacht, blieb jedoch erneut wie angewurzelt stehen, als Axilla sich zu ihr umdrehte und sie mit diesem Blick ansah. Ein seltsamer Blick, den sie noch nie zuvor an Axilla gesehen hatte, und der sie noch unsicherer machte, als sie ohnehin bereits war .Irgendwie hatte diese Situation etwas unwirkliches, und für einen abstrusen Moment wünschte Serrana sich, ihre Cousine möge, wie schon häufiger zuvor, wütend werden und sie anfauchen , damit alles wieder vertraut und weniger gespenstisch wurde.


    "Ich....ich hab mich sofort auf den Weg gemacht, nachdem ich gehört habe, was passiert ist." sagte sie schließlich und versuchte, den Blick nicht allzu auffällig auf Axillas dunklem Trauergewand ruhen zu lassen. "Es....ist doch passiert, oder?" Natürlich war die Chance, dass all die Menschen draussen in den Strassen falsch lagen, im Grunde gleich Null, aber aus irgendeinem Grund würde es für Serrana erst endgültig Realität sein, wenn sie es aus dem Mund ihrer Cousine selbst gehört hatte. Und so lange blieb die Möglichkeit bestehen, dass alles nur ein furchtbares Missverständnis war, ein Gerücht, das sich von Strasse zu Strasse weiter verbreitet und dabei immer schlimmer geworden war wie so viele andere zuvor. Natürlich ließ Axillas Kleid nur ein Schlussfolgerung zu, aber vielleicht war es ja auch ein Unfall gewesen, oder ein Überfall, oder.... Alles schien irgendwie gnädiger zu sein als die Vorstellung, dass ein frischverheirateter und wohlhabender junger Mann sich selbst von einem Felsen in den Tod gestürzt hatte.

  • “Ich glaube schon“ war die einfache und verwirrte Antwort auf Serranas Frage. Was es wirklich passiert? Axilla glaubte schon. Sie hatte die Bilder im Kopf. Sie hatte es gesehen. Archias war tot. Sie wusste es. Aber war es wirklich passiert? Ganz sicher war sie sich nicht. Aber sie glaubte schon.
    Sie blickte runter auf ihre Hand, streckte die Finger aus und zählte sie im Geist. Fünf Finger ihrer rechten Hand. Die waren doch wirklich. Die hatten das Tuch angehoben. Sie hatte den Stoff damit gefühlt. Und auch jetzt fühlte sie die Finger zittern, obwohl die Sonne schien. Es musste also passiert sein.
    Axilla starrte kurz noch auf die Hand, dann hob sie wieder ihren Blick zu Serrana. Sie wusste nicht, was sie zu ihr sagen wollte. Da war... nichts. Kein Spott, kein Misstrauen, weder ein beißender Kommentar noch eine flehende Bitte. Da war einfach... nichts. Wie bei einer Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren und die sich nun nicht mehr bewegen konnte. “Er hat sich vom Tarpejischen Felsen gestürzt und ich weiß nicht, warum“ erzählte Axilla in einer Tonlage, als würde sie von einem Traum kurz nach dem Aufwachen erzählen. “Das haben die Prätorianer gesagt. Und Piso hat geweint... Er wollte nicht, dass ich das Tuch anhebe, aber ich habs trotzdem getan...“ Ein Schütteln erfasste ihren Körper, als die Bilder kurz kamen, obwohl sie die Augen nicht geschlossen hatte. “Das hätte ich nicht tun sollen...“ murmelte sie mehr zu sich und starrte wieder etwas verloren vor sich hin. Vielleicht träumte sie ja doch.

  • Also doch. Kein Unfall, kein Überfall, sondern Selbstmord. Das letzte mögliche Schlupfloch schwand dahin, und Serrana schluckte, während sie langsam die letzten Meter zurücklegte, die sie noch von ihrer Cousine trennten und sich dann vorsichtig am äussersten Ende der selben Bank niedersetzte, ohne Axilla aus den Augen zu lassen. Näher an diese heran traute sie sich irgendwie nicht, aber sie wollte auch nicht stehenbleiben und zu ihr hinuntersehen in so einem Moment. Und jetzt? Was sagte man nur in so einer Situation? Oh, tut mir leid, dass dein Mann sich umgebracht hat? Serrana schluckte erneut und nickte dann einfach nur, als Axilla sagte, sie wisse den Grund dafür nicht. Welcher Grund konnte dafür auch in Frage kommen? Zumindest in Serranas Augen schien es keinen zu geben, schließlich hatte Axilla nie von irgendwelchen Schwierigkeiten gesprochen. Im Grunde war das aber auch egal, denn das Grauen über die Art und Weise, in der Aelius Archias seinem Leben ein Ende gesetzt hatte, überdeckte zumindest in diesem Augenblick noch jede Frage nach einem warum. Als Axilla dann erwähnte, sie habe sich die Leiche ihres toten Mannes angesehen, bildete sich auf Serranas Armen sofort eine Gänsehaut. Man brauchte nicht allzuviel Phantasie, um sich vorzustellen, welche Zerstörungen ein Sturz von einem derart hohen Felsen an einem Körper anrichten würde, und Serrana wünschte sich plötzlich, sie hätte Axillas Mann niemals persönlich kennengelernt, um ihn sich nicht in diesem Zustand vorstellen zu müssen. "Piso? Wer ist das?" fragte sie irritiert nach, als ihre Cousine einen Namen erwähnte, der ihr völlig unbekannt vorkam. Dann sprach diese davon, dass sie das Tuch von der Leiche ihres Mannes gezogen hatte, und Serranas Gänsehaut breitete sich noch weiter über ihren Körper aus, selbst ihre Kopfhaut schien jetzt zu prickeln. Axilla wirkte immer noch unnatürlich ruhig, doch dann begann fuhr plötzlich eine Art Schütteln durch ihren Körper, und Serrana hob instinktiv die Hand und berührte ganz leicht den Arm ihrer Cousine, blieb jedoch auf ihrem Platz sitzen.


    "Axilla, soll ich Adula vielleicht zu Crios in die Taberna schicken, damit er herkommt oder dir etwas zubereitet, damit es dir etwas besser geht?" Allzuviel Ahnung von Medizin hatte Serrana nicht, aber Axilla stand ganz offensichtlich unter Schock, was angesichts der Umstände auch kaum verwunderlich war.

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