Hortus - der Garten

  • Ein Bad? Was sollte das nützen? Würde sie damit ihre Gedanken betäuben können? Oder die Bilder? Würde sie im Wasser Antworten finden? Axilla war nicht nach baden. Im Grunde war ihr trotz aller Müdigkeit auch nicht nach schlafen. Ihr war nach Laufen. Einfach nur rennen, bis der Schlag ihres Herzens alles übertönte. Laufen, bis die Muskeln mehr brannten als jeder andere Schmerz. Laufen, bis ihr ihre brennende Lunge keine Wahl ließ, als gleichmäßig zu atmen oder zu ersticken. Und während dieser ganzen Zeit einen großen Abstand zu bringen zwischen sich und dem allem hier. Einfach nur weit weg, wo sie sich dann nicht einsam zu fühlen hatte, sondern schlicht allein. Wo sie sich auch keine Gedanken machen musste, was sie machen sollte, weil es ganz weit weg war. Wo keine Fragen kamen. Ja, danach war Axilla.
    Aber Serrana fragte sie nach dem hier und jetzt, und wohin hätte sie auch nun laufen können? Die Stadt war um sie herum, nicht offenes Feld und Wald. Sie war kein Kind mehr, das einfach flüchten konnte. Sie war eine erwachsene Frau. Sie konnte nicht weglaufen. Sie wusste sowieso nicht, wohin. “Nein, ich... ich lass meine Sachen aus dem Palast hierher holen. Ich geh da nicht hin zurück.“ Dieses Haus hier war wenigstens ein wenig Freiheit für sie, ein wenig Abgeschiedenheit und ein Rahmen, den sie überschauen konnte. Der Palast, das war für sie nur ein Platz, an dem sie unter Beobachtung stand. Und was wollte sie dort überhaupt? Dort hatte sie nichts verloren.
    “Ich weiß nicht, ich... muss das die nächsten Tage sehen“, antwortete Axilla noch auf die zweite Frage. Ämter, Papiere... sie wusste nicht, ob sie da noch irgendwas brauchte. Im Moment wuchs ihr das alles einfach nur über den Kopf, und sie hatte keine Ahnung, was da noch auf sie zukam. “Piso wollte sich um alles kümmern. Ich... geh jetzt ins Bett.“ Axilla wusste einfach nicht, was sie sonst machen sollte. Es war einfach alles gerade nur zu viel und zu groß. Sie ging an Serrana vorbei zur Tür. Kurz blieb sie noch einmal stehen, zögerte. Ein Gefühl überkam sie, als müsse sie sich bei der Cousine bedanken, für den Beistand eben. Als solle sie etwas sagen. Und ein Teil von ihr wusste auch, dass dies ein gewaltiger Schritt in die eigentlich richtige Richtung gewesen wäre. Es hätte sie näher zusammen gebracht, oder zumindest die Kluft zwischen ihnen beiden verkleinert. Sie wusste das. Aber sie konnte einfach auch nicht ganz aus ihrer Haut. Nach kurzem zögern also ging sie ins Haus und nahm ihr schlechtes Gewissen dabei mit, ohne etwas noch zu sagen.

  • In dem vielen Regen ein Loch zu finden, in dem man ein wenig frische Luft schnappen konnte, war schwer. Es regnete andauernd, feine Tropfen, halb noch Nebel, der nicht richtig zu Boden sinken wollte und alles mit seiner feuchten Kälte durchdrang. Dann wieder kleine, prasselnde Tropfen, die hin und wieder in Graupel übergingen, der aber meist nur ein paar Minuten blieb und wieder verschwand. Oder feine Hagelkörner, die wie tausend Spechte auf den Boden hämmerten und auf Tonkrügen, die man draußen stehen gelassen hatte, klingelten. Und so war man die meiste Zeit ins Innere des Hauses gefesselt und konnte nur in die Halbdunkelheit blicken und sich fragen, ob der Sommer denn je wieder kommen würde. Zumindest Axilla dachte so.
    Doch jetzt war gerade so ein Zeitpunkt, der Himmel lichtete sich zu einem hellen Grau und sogar ein paar Wintervögel ließen sich leise zirpend vernehmen. Axilla schlang ihre Palla eng um ihre Schultern, mehr wie einen Mantel. Es war kalt hier draußen, und in Momenten wie diesen vermisste Axilla die Wärme der ägyptischen Sonne am meisten, wenngleich sie nun schon so lang hier in Rom war. Manchmal erschien ihr ihre Zeit im Süden wie ein ganz anderes, ein einfacheres Leben. Nicht so kompliziert wie das hier. Nicht so einsam wie das hier. Auch dort war sie oft und viel allein gewesen, aber sie hatte immernoch den einen oder anderen Anker gehabt. Urgulania, so unnahbar und streng sie erschienen war, war sie für Axilla wie ein Leuchtfeuer gewesen, dem sie folgen konnte. Ein Stern, an dem sie sich ausrichten konnte. Und wenn sie doch vom Kurs abkam, war da Leander, der sie auf seine ganz eigene Art und Weise zurück auf Kurs brachte. Er war wohl der einzige Mensch, der verstanden hatte, dass man sie nicht einfangen und zwingen konnte, sehr wohl aber lenken. Und jetzt waren beide tot, nur noch Staub in ihren Urnen.
    Axilla ging langsam durch den wintertoten Garten. Alles schien grau und fahl, wo noch Blätter hingen, waren diese dunkel, nass und hingen wie krank herab. Keine Blumen, keine Blüten. Bis zum Frühjahr dauerte es noch, auch wenn man bei diesem Anblick an seiner Rückkehr zweifeln konnte.
    Selbst der Kies unter ihren Füßen schien irgendwie nass und betäubt zu sein. Axilla ging ganz langsam, ohne bestimmtes Ziel. Sie musste sich nur mal die Beine vertreten. Den Kopf freikriegen. Sie sah den feingestreuten Weg entlang und seufzte einmal leicht. So fein säuberlich gezogen, so genau. So begrenzt. So endlich. Zuhause in Tarraco hatte sie die villa rustica verlassen und hatte die weite Welt vor sich. Wiesen mit Gras bis zu den kindlichen Hüften, und Wälder schwarz wie die Nacht. Dort war sie gelaufen, wenn ihr alles zu viel war. Ohne Ziel, einfach nur gelaufen, bis ihre Muskeln brannten, und dann irgendwo auf einen Baum geklettert. Dieses Leben war noch einfacher gewesen als das in Alexandria.
    Und jetzt? Axilla blieb stehen und atmete tief und langsam ein und aus. Ja, was war jetzt? Sie wusste es nicht einmal so genau zu greifen, aber es war anders. Es wurde immer mehr anders. Der Wunsch, zu rennen und alles hinter sich zu lassen machte mehr und mehr einer kalten Resignation Platz. Laufen? Wohin denn? Zu wem denn? Es gab niemanden. Sie war allein. Sie war einsam. Vor allem war sie einsam. Selbst wenn jetzt hundert Menschen um sie herum gewesen wären, die, die sie um sich hätte haben wollen, wären nicht darunter gewesen. Die waren tot, oder in Mantua und verschwendeten sicher keinen Gedanken an den Niemand, der nicht aufhören konnte, an ihn zu denken.


    Närrin, schalt sie sich, nicht zum ersten Mal. Wann immer diese Gedanken kamen, brachten sie nur Schmerz, und doch konnte Axilla nicht einfach damit aufhören. Und mittlerweile hatte sie auch nichts anderes mehr, das sie vernünftig ablenkte. Sie war zu viel allein. Und sie brauchte einen Mann. Es war so lange her, dass... aber nein, nicht einmal dazu konnte sie sich recht überwinden. Vor allem, mit wem denn? Einem Sklaven das befehlen? Das war nicht dasselbe. Und brachte Schwierigkeiten mit sich, für die sie nicht bereit war.
    Sie hob den Blick, und vermutlich war es reiner Zufall, dass sie in diesem Moment genau in die Augen einer Statue blickte, die hier im Wintergarten vor sich hinmoderte. Ranken waren daran emporgewachsen, jetzt aber tot. Im Frühjahr würde man sie putzen, wenn man den Garten herrichtete und die Blumenbeete anlegte, aber jetzt ließ man es ruhen. Es regnete ja doch nur wieder und brachte neuen Grünspan, neuen Dreck. Es war ein Pan, dargestellt als junger Mann, die Ziegenhörner stark nach hinten gebogen, so dass sie fast im Haar verschwanden. Er hielt eine Flöte in der Hand, leicht erhoben, als wolle er gleich hineinblasen. An seinem Kinn hatte er einen lustigen Ziegenbart, und seine Füße, ganz leicht auf den Felssockel gestellt und angewinkelt, waren als Bocksfüße angedeutet, aber nicht so stark. Vielleicht hatte der Regen auch nur viel ausgewaschen. Axilla sah ihn an, und sah sich dann um nach den unsichtbaren Schatten, die ihr trotz allem immer wieder folgten.
    “Könnt ihr die Statue ins Trockene schaffen? Ins Perystil reicht, nur... raus aus dem Regen. Ich will sie säubern.“
    “Herrin, im Frühjahr wird sie mit der Herrichtung des Gartens gesäubert, das muss nicht jetzt getan werden.“
    Natürlich hatte er recht, Axilla wusste das ja. Aber... sie wollte das jetzt so. “Ich weiß. Trotzdem. Ich will... ihn umstellen. Bitte, ins Perystil.“
    “Ja, domina.“ Letztendlich hieß es immer 'ja, domina'.

  • Axilla hatte damit begonnen, auf ihre ganz eigene Art und Weise Abschied zu nehmen. Noch war es zwar nicht soweit, dass sie dieses Haus verlassen würde, und dennoch fühlte sie, dass die Zeit kommen würde und sie dieses Haus, das ihr jetzt so lange Heim war, wenngleich nicht Heimat, hinter sich lassen würde. Wie sie schon die Villa in Alexandria hinter sich gelassen hatte, auch wenn sie damals nicht gewusst hatte, dass sie diese nicht wieder sehen würde. Wie sie den Palast verlassen hatte, auch wenn sie dort nur wenige Monate verbracht hatte und den Räumlichkeiten, der Bewachung und vor allen Dingen den vielen beobachtenden Augen nicht hinterhertrauerte. Und wie sie die kleine Villa Rustica verlassen hatte in Hispania, wo ihr Herz so lange Zeit gewohnt und sich in Sicherheit gefühlt hatte.
    Und jetzt fühlte Axilla einfach, dass es wieder so weit war, dass sie wieder etwas hinter sich lassen würde. Nur diesmal fühlte es sich endgültiger an. Erwachsener. Sie tat es das erste Mal im vollen Bewusstsein, was auf sie zukam, und einer Entscheidung, die sie selbst getroffen hatte. Und das war ein sehr merkwürdiges Gefühl.


    Und so hatte sie schon den ganzen Nachmittag bei den Sklaven verbracht. Sie wollte nicht allein sein. Hatte in der Küche gesessen und zugesehen, wie die Köchin gekocht hatte, auch wenn sie bemerkt hatte, dass ihr hiersein der Frau einiges an Kopfzerbrechen machte. Hatte zugesehen, wie Levi, der langsam erwachsen wurde, verstohlene Blicke mit der Tochter der Köchin tauschte, die das Mädchen – Rahel hieß sie – dann immer irgendetwas holen schickte, wenn sie es bemerkte, oder darum bat, Levi möge Feuerholz holen. Oder an irgendeine anfallende Tätigkeit im Haus erinnerte. Axilla überlegte, ob sie Levi doch hier in der Villa lassen sollte, aber sie wollte ihn bei sich haben. Er war der letzte Mensch, den sie schon seit Alexandria um sich hatte.


    Und jetzt am Abend hatte es sie in den Garten gezogen, der zunehmend nach Jasmin und Rosen zu riechen begann, je tiefer die Sonne sank. Sie hatte sich auf den Schoß des Pan gesetzt und zugesehen, wie die Sklaven den kleinen Tisch herräumten und für ihr Abendessen herzurichten begannen. Es kümmerte sie eigentlich wenig, sie hatte kaum Hunger.
    Und so lehnte sie noch in den Armen des steinernen Faunus, als Araros hereinkam und ihr sagte, Quästor Duccius Vala wolle sie sprechen. Ob sie ihn empfangen wolle. Einen Moment glaubte sie, sie sei hier eingeschlafen, und der Satyr neben ihr ersinne ihr einen Traum. Aber nach einem Moment war Araros immernoch da und sah sie fragend an, und sie hatte nicht wie üblich im Traum von selbst geantwortet, ohne es wirklich zu tun. Also schlief sie auch nicht.
    “Vala?“
    “Ja, Domina, ich habe ihn ins Atrium gebeten.“
    “Oh, gut... das ist...“ Es brachte sie durcheinander. Was wollte er hier? “Ich empfange ihn hier, du kannst ihn in den Garten bringen.“
    Araros blieb kurz stehen und deutete ganz leicht auf sie. “So, Herrin?“
    Erst da bemerkte Axilla, dass sie ja nur die kurze Tunika trug, die vom Stein jetzt auch ein paar dunkle Spuren bekommen hatte, und nicht passend frisiert oder gar geschminkt war.
    “Oh, ähm, nein. Ich... sag ihm, er solle sich doch schon setzen, und fragt ihn, ob er was essen will. Ich zieh mich schnell um. Also... das sagst du ihm nicht aber... du weißt schon, was ich meine.“ Sprachs und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer, um sich etwas gastgebergerechteres anzuziehen.


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    Unterdessen ging Araros nach einer kleinen Anweisung für ein weiteres Gedeck und einen weiteren Stuhl an die anderen Sklaven ins Atrium zu dem wartenden Vala. “Meine Herrin wird dich gleich im Hortus empfangen. Folge mir bitte. Möchtest du schon etwas trinken, während du auf sie wartest? Wir haben einen sehr vollmundigen Falerner...“

  • "Weißen Posca. Stark.", orderte Vala während er dem Sklaven in den Garten folgte. Er hatte sich das Zungenverdrehende Getränk angewöhnt, weil es ihn wach und sein Blut dünn hielt, und einen angenehmen Kontrast zum Süßholz auf dem er meist rumkaute um die innere Spannung zu lösen. Im Garten angekommen nahm er sich die Muse sich nicht zu setzen, sondern stromerte mit hinter dem Rücken verschränkten Armen über den Rasen, an der geformten Natur vorbei durch das durch und durch widernatürliche Arrangement, das er schon in sovielen römischen Casae und Villen gesehen hatte.
    Es sprach ihn nicht im geringsten an, genauso gut hätte man ihn schlicht vor eine frisch bemalte Mauer stellen können, die Ästethik wäre an ihm vorübergegangen wie ein Windhauch an einem Felsen. Zuletzt hatte er sich heftige Diskussionen mit Damio über die Beschaffenheit mediterraner Kunstfertigkeit geliefert. Für den Römer war dies recht ernüchternd verlaufen, hatte Vala sich als vollkommen resistent gegen jede Form der Anmut gezeigt (Hat es Titten? Nein? Kann man es nutzen um jemanden umzubringen? Nein? Ist es überhaupt zu irgendwas nutze? Schön sei es? Versenkt es im Meer!) und Linos die griechische Überlegenheit in jedweder Form der Künste bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterstrichen. Kurzum: Vala war ein Pragmatiker, der Schönheit nur dann zu würdigen wusste wenn sie ihre Beine spreizte.


    So waren es vor allem Gedanken an die ihn aktuellen beschäftigenden Aufgaben, die Vala durch den Geist gingen während er auf das Eintreffen der Hausherrin wartete.

  • In ihrem Zimmer angekommen wurde erst einmal die Kleiderkiste aufgerissen und nach etwas brauchbarem durchwühlt. Sie wollte vorzeigbar sein, aber nicht ZU vorzeigbar. Vala hatte ihr beim letzten Mal gesagt, dass sie gehen sollte, und sie hatte eigentlich nach diesem desaströsen Gespräch erwartet, ihn nie mehr zu sehen. Und sie hatte so überhaupt keine Ahnung, was er hier bei ihr wollte. Also musste schnell ein Kleid her, dass zwar hübsch und nach Gesellschaft ausschaute, aber nicht so, als wolle sie ihn eifersüchtig machen. Nur leider war die Kleidertruhe da sehr gegen Axilla, denn ihre hübschen Kleider aus Alexandria waren für römische Verhältnisse doch sehr luftig.
    Schließlich aber streifte sie sich eines über aus grüner Seide, das einen nicht allzu großzügigen Ausschnitt hatte, und ließ sich von Lysandra noch schnell die Haare zusammenstecken. Ornatrix hatte sie irgendwie immernoch keine, ständig, wenn sie eine kaufen wollte, kam was dazwischen. Erst Vala und dann Terentius Cyprianus, wie Axilla sich schaudernd erinnerte. Dazu noch zwei schmale silberne Armreife, damit sie nicht ganz so einfach aussah, und schon ging sie wieder herunter. Ungeschminkt und nur rudimentär aufgehübscht. Gesittet, langsam, auch wenn sie nicht verhindern konnte, dass sie aufgeregt war.


    An einer der Türen, die nach Innen zum Garten führte, blieb sie kurz stehen und sah nach innen. Ein Sklave reichte gerade einen Becher an Vala, der mitten im Grün stand und sich umschaute. Sie konnte jetzt nicht sagen, ob er irgendwie besonders glücklich oder geschäftig oder missbilligend oder sonstwie dreinsah. Was natürlich bei der frage, was er hier wollte, nicht unbedingt besonders hilfreich war und Axillas Nervosität frische Nahrung gab. Aber es nützte ja nichts, sie hatte gesagt, sie würde ihm empfangen, und da war er also.
    Bevor er also noch bemerkte, wie sie einfach nur dastand, sich mal wieder auf der Unterlippe rumkaute und nicht so recht wusste, was sie tun sollte, nahm sie also ihren verbliebenen Mut zusammen und ging so ruhig und neutral wie irgend möglich zu ihm in den Garten. “Salve, Duccius Vala.“ Sie hatte die paar Schritte mit der Frage nach der korrekten Anrede verbracht, und war zu dem Schluss gekommen, dass sie ihn nicht mehr einfach nur beim Cognomen nennen sollte. Den Gentilnamen dazuzunehmen fühlte sich nicht richtig an, aber irgendwie gab es ihr die Sicherheit, dass sie neutral genug dieses Mal wäre, wie es sich geziemte, und ihn nicht irgendwie angiften oder anfauchen würde, noch dazu für etwas, woran er gar nichts ändern konnte. “Ich hatte heute gar nicht mit Besuch gerechnet. Hast du schon etwas gegessen? Also, zur Cena, mein ich.“

  • Nachdem Vala dem Türsklaven einen Dupondius in die Hand gedrückt hatte, kam das Posca noch einmal so schnell wie er es gewohnt war. Und irgendein Sklave missverstand seine Betrachtung einer ziemlich großen Faun-Statue als echtes Interesse, und klärte den in Gedanken am säuerlichen Erfrischungsgetränk nippenden ungefragt über die Statue auf. Wer sie gefertigt, wer sie in Auftrag gegeben und wer sie hier platziert hatte. Und natürlich die ganzen feinen Einzelheiten, die Vala nicht aufgefallen wären hätten sie man sie mit radioaktiver Leuchtmarkierung versehen.


    "Ahja... soso... schön schön...", versuchte der Gast den Sklaven so subtil wie möglich darauf aufmerksam zu machen, dass ihm die Kunst des Werks vollkommen gleichgültig war. Mehr noch. Für Vala hatte das Ding im Moment den immanenten Nutzen, dass er seinen Blick auf ihr ruhen lassen konnte ohne irgendwen unbeabsichtigt anzustarren, und sich dabei gefahrlos in den eigenen mit weltlichen Fragestellungen vollgepropften Geist zu verziehen. Ansonsten war es für ihn einfach nur ein Stein, an dem jemand tagelang rumgerubbelt hatte. Der Sklave redete immer noch. Irgendwann antwortete Vala einfach nicht mehr, so er implizit explizit klarstellte, dass er kein Interesse an Konversation hatte, und kurz nachdem ihn der Sklave mit enttäuschtem Blick allein gelassen hatte hörte er auch die sanften Tapser einer Frau hinter sich.
    "Axilla.", grüßte er die Hausherrin mit einem milden Lächeln auf den Lippen das sich auch in seinen Augen widerspiegelte, "Vielen Dank, dass du mich trotzdem noch empfängst.. ich.. eh... war gerade in der Gegend, und mich treibt zur Zeit auch eine Frage um, zu deren Beantwortung ich deinen Rat benötigen könnte."
    Der Hinweis auf's Essen erwischte Vala ziemlich kalt. Hatte er schon gegessen? Er wusste es garnicht, und musste daher etwas nachdenken, bevor er sich der Tatsache entsann, heute auf dem Weg von der Basilica zurück zur Casa der Prudentiae bei einem der vielen Straßengarbräter etwas gekauft zu haben. Sein Bauch beantwortete die Frage für ihn und fing vernehmlich zu knurren an... was Vala mit einem verschmitzt schuldbeuwussten Blick in Richtung der Iunia quittierte. "Ich glaube fast, nein. Die Quaestur hält mich auf Trab."

  • Auch Axilla sah kurz zu der Statue hoch, auf der sie vor wenigen Minuten noch gesessen hatte und so etwas ähnliches wie Trost gesucht hatte. Kurz zuckte es in ihren Mundwinkeln zu einem traurigen Lächeln, aber nur einen Moment lang. Kaum genug, als dass es wirklich sichtbar gewesen wäre. Aber es war auch eine beinahe tragische Ironie: Sie träumte so gern bei Faunus, weil sie meinte, dort ihre Sorgen vergessen zu können und weil sie sich einsam fühlte. Und wen schickte Faunus ihr, im Traum und nun hier (wobei Axilla von der Realität dennoch nicht gänzlich überzeugt war)? Gerade den Mann, den zu vergessen sie suchte. Der, der ihr mehr Schmerz als Trost brachte, weil er ihr so deutlich vor Augen führte, wie sehr sie träumte. Wie kindisch sie war. Und gerade das von dem Gott, dessen eine Seite selbst nie so ganz erwachsen wurde.


    Aber Axilla wollte jetzt erwachsen sein. So erwachsen, wie es ihr nur irgend möglich war. Und deshalb würde sie nun auch ganz erwachsen die Gastgeberin sein, das nahm sie sich fest vor. Dennoch sah sie reichlich fragend drein, als er meinte, er benötige ihren Rat. Das war schon paradox, dass gerade er, der Logische, von ihr einen Rat wollte. Andererseits wollte sie ihm ja durchaus helfen, trotz oder vielleicht gerade wegen allem. Und der wichtigste Grund war vermutlich, dass sie jetzt neugierig war und wissen wollte, warum er sie aufsuchte, wo sie doch geglaubt hatte, ihn jetzt endgültig gänzlich verloren zu haben.


    Doch bevor sie sich darüber allzu tiefgreifende Gedanken machen konnte, unterbrach sie auch schon sein knurrender Magen und sein Blick, als er da stand wie ein kleiner Junge und sie schelmisch-charmant anschaute. Venus...
    “Setz dich doch bitte“, bot sie ihm äußerlich gefasst einen Platz mit einem leichten Lächeln an und setzte sich selber in den zweiten Korbsessel. “Entschuldige bitte, dass es keine Kline ist, aber wie gesagt, ich hab mit Gästen nicht gerechnet“ fuhr sie leicht fort und wusste einen Moment lang nicht, was sie sinnigerweise mit ihren Händen machen sollte. Wider einer besseren Möglichkeit legte sie sie einfach in den Schoß und schaute etwas peinlich berührt beiseite. “Wir haben gestern eine Gans geschlachtet. Ich hoffe, du magst es.“ Eigentlich hätte der Vogel zwei Tage reichen sollen und auch in Teilen den Sklaven zugute kommen, aber Axilla dachte, dass die Köchin das wohl umdisponieren würde. Und kaum, dass sie das gedacht hatte, kamen auch schon ein paar Sklaven mit einem Tablett, auf dem einiges an Fleisch sorgsam drappiert mit einigen Früchten lag, dazu ein paar Schälchen mit Saucen, das nie zu vergessende Garum, natürlich Brot und einem Krug Fruchtsaft, der Axilla auch gleich eingeschenkt wurde. Mit einem leisen “Dankeschön“ entließ sie die eifrigen Helfer und wandte sich wieder ihrem Gast zu. “Bitte, greif zu“ ließ sie ihm den Vortritt und nippte an ihrem Getränk. Irgendwie hatte sie gerade doch nicht so wirklich Hunger.

  • Gegensätzlich zum wenig feingeistigen Vala liebte Venus Gärten, Statuen, Blumen, wie sie generell alles Schöne liebte. Der Germane indes war ein alter, ein guter Bekannter der Göttin, regelmäßig “opferte” er ihr auf seine eigene Weise und die Göttin der Liebe nahm es immer wieder zufrieden und mit gütigem Blick zur Kenntnis.
    Dass er jedoch so gänzlich unberührt von Ästhetik blieb, dass ihn seit so langer Zeit der Liebreiz jener jungen Frau nicht zu berühren schien ärgerte sie doch ein wenig. Zudem jener schwache, kleine Gedanke der Iunia es überhaupt erst war, der die Aufmerksamkeit Venus’ auf diese Szenerie gelenkt hatte. Immer wieder war es ein wenig traurig, wenn die Gefühle der Sterblichen einander so uneins waren. Gewiss, sie hätte die Macht alle zu vereinen, jedem liebenden Herz ein ebensolches zuzuordnen... doch wo läge da der Spaß, wo die Herausforderung? Und weshalb sollten die Menschen sie dann noch in ihrem Tempel aufsuchen? Wo sie doch Geschenke und Opfergaben so gerne hatte. Ja, Venus war bestechlich. Wie alle Götter.


    Doch hier hatte sie noch niemand bestochen. Zumindest nicht heute. Und irgendwie war die Göttin der Liebe auch neugierig, was wohl geschehen würde, wenn sie nicht eingriff. Würde Vala nicht doch noch auffallen, wie vollkommen das Licht von Axillas Haaren eingefangen wurde? Konnte er die dezente Kleidung an ihrem schlanken Körper bewundern, die auch im schmutzigsten Braunton an ihr schön ausgesehen hätte? Sah er den melancholischen Schimmer in ihren Augen, die Unsicherheit, die Hoffnung? Konnte er endlich das größte Geschenk, das Venus den Menschen machte, erkennen und zulassen?

  • "Mmmhmhmhm...", brummte Vala als Erwiderung auf Axillas manigfalten Äußerungen. Eine Erwiderung, die in etwa als automatische Empfangsmitteilung bezeichnet werden konnte, aber keinen Aufschluss darüber zuließ, ob der Empfänger die Mitteilung gelesen oder gar bewertet hatte. In Valas Fall bedeutete sie einfach nur, dass er mitbekommen hatte, wie Axillas Mund sich geöffnet hatte und diesem Laute entwichen waren. Grund dafür war etwas, was man später als Feuerwand bezeichnete: sie nahm den Ansturm weiblicher Äußerungen zur Kenntnis, filterte aber nur das wesentliche heraus, um DoS-Attacken (Daten ohne Sinn) verhindern zu können, die zu einer unfreiwilligen Überhitzung unter jeder männlichen Schädeldecke führen würden. Ergo: für Vala war es, als hätte Axilla nichts gesagt. Hatte sie letztlich ja auch nicht...


    Als das Essen aufgetischt wurde, griff Vala beherzt zu, und erst nach einigen vorsättigenden Bissen fiel ihm auf, dass Axilla sich desselben enthielt. Nicht, dass Vala der aufmerksamste Mensch nach weiblichem Verständnis hielt, nur kam hier die alte Angewohnheit zu Tage, einer Mahlzeit nicht zu vertrauen der man in Gruppen alleine anteilig wurde.


    "Ist... etwas nicht in Ordnung?", hakte er schließlich mit fragendem Blick nach, als er sich mit einem Tuch die Mundwinkel abtupfte. Nötig war das kaum, mehr eine Angewohnheit um möglichst viele der römischen Angewohnheiten in Gesellschaft zu imitieren.. wenn man Gefahr lief, dauernd als Barbar tituliert und auf Fehler abgesucht zu werden, entwickelte man schon fast zwangsläufig gewisse Neurosen.
    "Störe ich dich wirklich nicht? Ich will dir nicht deine Zeit rauben...", log er der Iunia glatt ins Gesicht. Sie würde den Loki tun und ihn jetzt des Hauses verweisen, allerdings konnte er auf diese Art und Weise zumindest etwas Höflichkeit heucheln, und wer wusste schon, wann die nützlich sein würde.

  • Beherzt griff Vala zu, und Axilla schenkte ihm kurz ein Lächeln, als sie ihren Becher auf dem kleinen Tischchen abstellte. Doch erreichte es ihre Augen nicht. Es fühlte sich so falsch an, das alles hier. Surreal. Das Essen, dessen köstlicher Duft zwar in Axillas Nase stieg, aber nicht das Gefühl von Hunger oder wenigstens Apetit aufkommen ließ, das eigentlich hätte kommen sollen, ja hätte kommen müssen. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Der Garten, der im immer schwächer werdenden Abendlicht immer mehr zu duften schien, der stets mild dreinschauende Pan im Hintergrund. Und vor allem Vala vor ihr, der erst ein paar Bissen aß, und sie dann so sorgenvoll anschaute. Das alles kam ihr so weit entfernt vor.
    Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis in ihrem Hirn auch die Information verarbeitet worden war, dass Vala etwas gesagt hatte und seine Worte in eine sinnbringende Reihenfolge gebracht worden waren. Axilla blinzelte kurz fast ein wenig verschlafen und schüttelte leicht den Kopf. “Ja, alles in Ordnung.“ Dass ihre Kopfbewegung ihren Worten eigentlich widersprach, merkte sie noch nicht einmal. “Entschuldige, ich war nur etwas in Gedanken. Ich fürchte, ich bin heute kein sehr guter Gastgeber.“ Sie nahm noch einmal einen Schluck Saft, weil ihr Mund sich plötzlich so trocken anfühlte. Außerdem war es eine gute Gelegenheit, etwas Zeit rauszuschinden und zu überlegen, was sie sagen wollte.
    Nur was wollte sie sagen? Alles in Ordnung? Ich werde bald heiraten, weil ich die Hoffnung habe, dass mein Mann mich vor Übergriffen des Praefectus Urbi beschützt? Und ich sitze hier und erzähle das alles dem Mann, der mich nicht will und der mir nur immer wieder deutlich macht, warum nicht? War das wirklich das, was man 'in Ordnung' nennen konnte?
    “Keine Sorge, du störst wirklich nicht. Im Gegenteil, ich hoffe, deine Gesellschaft hält mich davon ab, noch mehr zu grübeln. Du tust mir damit eigentlich einen Gefallen. Ich hoffe nur, dass es dir jetzt nicht unangenehm ist.“ Eine kleine Lüge, die nicht so wirklich eine war. Axilla wusste bislang ja immer noch nicht, was Vala hier eigentlich hergeführt hatte. Und um welchen Rat er sie bitten wollte. Vielleicht brachte es sie ja auf andere Gedanken. Vielleicht half es ihr ja, die sachliche Distanz zu ihm aufzubauen, die sie eigentlich gerne zeigen würde. Vielleicht...


    Sie griff nach einem Bissen Fleisch. Die Gans war ganz zart durchgeschmort worden, das Fleisch sah wunderbar aus und roch noch wunderbarer, war saftig und doch nicht fettig. Dennoch fühlte Axilla beinahe Ekel bei der Vorstellung, etwas davon jetzt tatsächlich zu essen. Sie zwang sich zu einem kleinen Biss, behielt den Rest in der Hand, nahm mit der anderen etwas von dem Brot, das auch ungegessen in ihrer Hand blieb. Sie hatte einfach keinen Hunger. Sie konnte das so nicht.
    “Du hast vorhin eine Sache erwähnt, bei der du meinen Rat brauchst...?“ stieß sie das Thema von vorhin wieder an und hoffte, dass die Ablenkung ihren Apetit wieder anregen würde. Oder zumindest ihre Gedanken besser auf ein Ziel lenken würde, so dass sie aufhören würde, über Unmögliches nachzudenken.

  • "Ahso...?", brummte Vala, der die Entschuldigung der schlechten Gastgeberin als willkommenen Anlass nahm sich weiter mit der Vertilgung der dargebotenen Mahlzeit zu beschäftigen.. natürlich nicht ohne zumindest so zu tun, als würde er der Befindlichkeit der Iunia wirkliches Interesse entgegenzubringen.
    "Was'n los?", hakte er nach, nachdem er einen Bissen mit einem Schluck Posca runtergespült hatte. Gott, wie er Rom wegen so etwas liebte... er genoss sichtbar den Schauer, den der saure Posca seinem Gaumen entlockte nachdem er das würzige Gänsefleisch erleben durfte. Wenn er daran dachte, dass er früher einfachen Getreidebrei für das höchste aller Gefühle gehalten hatte, waren die kulinarischen Spezialitäten die Rom ihm entgegenwarf so effektiv wie der Aufmarsch einer römischen Legion gegen eine kleine verlotterte Gruppe Waldbewohner. Allerdings hatte er damals Baumrinde von jungen Birken verdrücken müssen, um nicht zu verhungern.. was für ein Kontrast. Alrik, wie weit hast du es gebracht... und du bist längst nicht am Ende.


    "Hmhm?", gab Vala sich überrascht, als sie ihn darauf ansprach, dass er eigentlich ihren Rat wollte, und es brauchte einen kleinen Moment, in dem Vala seine Sinne mit einem weiteren Schluck Posca von der ihn doch sehr ablenkenden Speise befreite... eigentlich konnte er froh sein, dass er sich eine derartig ausgestattete Küche nicht leisten konnte. Er würde aufgehen wie Sauerbrot, das war klar... "Oh.. achso, natürlich. Entschuldige... eh... nun... ich plane für einige Zeit in den Süden zu verreisen.. um genau zu sein nach Alexandria. Frag mich nicht nach meiner Motivation.. sie ist... nun... speziell. Aber ich will nicht unvorbereitet aufbrechen, und bevor ich mich in die Bücher stürze.. hab ich an dich gedacht. Immerhin hast du einen großen Teil deines Lebens in Alexandria verbracht, vielleicht magst du meine Leere füllen?"
    Er druckste herum, und das ziemlich schlecht getarnt, das war klar... aber was sollte er hier auch mit der bitteren Wahrheit herausrücken? Er hatte sich mit der Anzeige eines Flavius bitter verkalkuliert, das hatte nicht einmal Accio ihm deutlichen machen müssen... die Folgen waren immer öfter zu spüren. Also würde er erst einmal ein wenig verschwinden bis zumindest etwas Gras über die Sache gewachsen war... zudem konnte er in einem Schwung sein doch noch sehr defizitäres Griechisch aufbessern. Außerdem hatte ihm ein Vögelchen gezwischtert, dass nicht nur mit dem Praefectus Aegypti ein alter Bekannter in Aegyptus auf einflussreichem Posten sitzen würde.. da ließe sich sicherlich noch etwas reißen. Untätig wollte er nicht bleiben.. aber auch nicht unvorbereitet. Und da war die Bekanntschaft mit Axilla ausnahmsweise mal nützlich... zumindest hoffte er das.

  • Auf seine Rückfrage, was denn los sei, winkte Axilla nur unbestimmt ab und ließ das Thema auf sich bewenden. Sie konnte ihm kaum die Wahrheit sagen. Dass es sie quälte, ihn hier so bei sich zu haben, wo er nur eine Armlänge von ihr entfernt war, und doch weiter weg, als sie sich vorstellen konnte, unerreichbar wie die Gestirne. Ansehen ja, anfassen nein. Aber ständig danach sehnen, bis es ihre Seele zerriss, bis sie sich wieder und wieder sagte, dass es nicht ging, nicht gehen sollte und nicht gehen durfte. Dass es gleichgültig sei und sie nicht darüber nachdenken sollte. Dass sie nicht darüber nachdenken wollte. Dass sie auch hier Abschied nahm, still, leise.
    Aber lügen konnte sie genauso wenig. Sie wollte ihn auch gar nicht anlügen, das war... nicht richtig. Also beließ sie es einfach dabei und versuchte, einen Bissen Brot zu nehmen. Doch jedes Mal, wenn sie den Arm hob und der Duft des frisch gebackenen Brotes ihr in die Nase stieg, überkam sie ein unbändiges Gefühl des Ekels, und sie war sich sicher, dass sie nichts essen konnte.


    Vala hingegen ließ es sich sichtlich schmecken, und Axilla war durchaus dankbar dafür. So fiel es weniger auf, dass sie nur da saß, noch immer denselben Bissen Fleisch und dasselbe Stückchen Brot in Händen, ohne etwas tatsächlich zu essen.
    Statt dessen hörte sie zu, wofür er ihren Rat brauchte, als er recht hastig und unkoordiniert begann. Doch bereits bei seinem ersten richtigen Satz war es schon vorbei mit der erhofften Ablenkung. Sie wurde blass, sie fühlte es am kälter werden der Haut, und das Brot entglitt ihren Fingern, was sie aber erst merkte, als es zu Boden fiel. “Oh“ machte sie nur bestürzt mit Blick auf die Scheibe, um die sich wohl später die Vögel zanken würden. Hastig legte Axilla das Fleisch zurück auf den Tisch, ehe es dem Brot noch Gesellschaft leistete, und betete nur, dass Vala das Zittern ihrer Hände nicht bemerkte.
    “Und... und wann willst du gehen?“ fragte sie nach, als der Versuch, sich zur Selbstbeherrschung aufzurufen, kläglich scheiterte. Sie sah Vala dabei nicht einmal an, weil sie wusste, sie wusste, er würde in ihren Augen sehen, warum sie das fragte, dass sie diese Maske der Gleichgültigkeit unmöglich aufrecht erhalten konnte, wo ihr Herz doch gerade in tausend Stücke zersprang.
    “Ich meine, Alexandria, das ist... ganz schön weit weg. Und... eine ziemlich schwerwiegende Entscheidung. Was... was genau brauchst du? Also, ich meine, was willst du wissen?“ Sie bemühte sich, sich zu fangen, sie strengte sich an, so sehr ein Mensch sich nur anstrengen konnte. Es ist ganz gleich. Du heiratest Imperiosus, und wenn er aus deinem Leben verschwindet, ist das doch gut? Auch wenn sie sich selbst diesen Gedanken nicht glauben konnte, so sehr sie ihn sich einreden wollte. Aber wenigstens gab es ihr die nötige Ruhe, das Gespräch sachlich fortzusetzen. Wenngleich sie seinem Blick im Moment nicht standhalten konnte.

  • "Sobald meine Amtszeit als Quaestor vorüber ist... und ich einige andere Dinge geklärt habe...", ging Vala nicht weiter auf das ein, was ihm selbst kaum aufgefallen war. Axillas Verunsicherung war wohl auf die Gefahren einer solchen Reise zurückzuführen.. natürlich, niemand nahm aus freien Stücken eine derart gefährliche Reise auf sich. Und Vala hatte sich das ganze auch reiflich überlegt, es letztlich aber als die einfachere Option betrachtet im Mare Nostrum zu ersaufen als sich mit den Folgen seiner unüberlegten Kriegsführung auf dem juristischen Parkett herumzuschlagen. Zudem musste er seiner Person als zukünftiger Senator noch einen gewissen Schliff geben, und das wollte er dort tun, wo die besten Schleifer wirkten die das Reich zu bieten hatte. Und das war nun mal nicht Rom.


    "Na.. ich habe gehört, dass die Polis Alexandriae anders organisiert ist... und dass die Bevölkerung sich auf andere Art und Weise verwaltet als es in den anderen Civitates im Reich der Fall ist... zudem interessiert mich das Meison. Also... eigentlich will ich alles wissen, was von Nutzen ist.", sprach's, lächelte verschmitzt und warf sich eine Olive in den Mund...

  • Es folgte ein weiteres “Oh“, ebenso bedauernd wie das erste, auch wenn sie diesmal nichts zu Boden geworfen hatte. “So bald schon.“ Axilla war sich gerade nicht sicher, wann das Amtsjahr denn vorbei war. Noch ein paar Wochen waren es, vielleicht 2 Monate. Aber nicht viel länger. Sehr wenig Zeit.


    Sie wurde unruhig, hatte das Gefühl, gleich zu zerspringen, wenn sie hier weiter untätig neben ihm sitzen würde. Sie nahm noch einmal etwas fahrig einen Schluck von ihrem Saft und stellte den Becher klappernd wieder auf den Tisch. Sie konnte nicht hier sitzen bleiben, hatte wieder dieses Gefühl in sich, dieses Bedürfnis, zu laufen. Zu laufen, bis ihr die Lunge brannte, bis jeder einzelne Muskel schmerzte, bis jeder Schritt wie Donner in ihr widerhallte und das Pochen ihres Herzen alles andere überschattete. Bis der körperliche Schmerz jeden anderen überstieg und wegwischte, bis sie diesen Moment der totalen Erschöpfung und Klarheit erreichte, in dem sie einfach weg wäre.
    Weglaufen konnte sie nicht. Sitzen bleiben aber genausowenig. Also stand sie auf, trat einen Schritt in den Garten hinein, so dass sie seitlich zu Vala stand und er sie im Profil bewundern konnte. Sie verschränkte leicht die Arme vor ihrer Brust und blickte in das satte sommerliche Grün hinein, das langsam immer schattiger wurde, als die untergehende Sonne tiefer als die Hausmauer sank. Vielleicht sollten sie ein paar Fackeln aufstellen lassen, bevor es dunkel wurde.
    “Ja, Alexandria hat eine eigene Verwaltung. Es... technisch gesehen gehört die Stadt nicht zum römischen Reich, daher... ist die Stadtverwaltung nicht der römischen Organisation untergeordnet, sondern verwaltet sich selbst, und... am besten fragst du, was dich da interessiert, dann weiß ich, was ich dir erzählen soll.“
    Kurz sah sie zu Vala hinüber, blickte aber gleich wieder weg. So sehr sie es sich auch einredete, dass es das beste wäre und dass es leichter wäre, sie wollte nicht, dass er ging. Es war eine Sache, jemanden nicht mehr zu sehen, aber zu wissen, wo er war, und dass man ihn sehen könnte, wenn man es nur wollte. Eine völlig andere war es, durch viele Meilen Meer voneinander getrennt zu sein und nicht zu wissen, wie es ihm ging, ihn nicht einmal dann sehen zu können, wenn man wollte.
    “Weißt du denn schon, wo du wohnen wirst?“ Sie versuchte, sich auf die Sache zu konzentrieren, freundschaftlich sich zu benehmen, und nicht wie die Geliebte, die verlassen wurde. Darauf hatte sie keinen Anspruch.

  • "Ach? Sie gehört nicht zum römischen... Gulp..", hielt Vala überrascht inne, bevor er sich an der Olive verschluckte, die auf eigentlich sehr saloppe Art und Weise in seinem Inneren verschwinden sollte... ein ersticktes Ächzen, ein Husten und Vala lief rot an... was folgte war eine Reihe von Versuchen irgendwie Luft an der Olive vorbeizudrücken, diese selbst durch unbändiges Klopfen aus der falschen Röhre zu bekommen... bis er sich irgendwann so fest auf die Brust schlug, dass der Olive quasi gar nichts anderes übrigblieb als zu kapitulieren. In hohem Bogen flog sie heraus, landete irgendwo im Garten. Tränen waren Vala in die Augen geschossen, und so entschuldigte er sich mit roten Augen und heiserer Stimme, suchte die Olive und entledigte sich dieser in dem er sie einfach unter einen der unnatürlich geschnittenen Büsche warf...


    "Eh... wo war ich? Achja... die Stadt gehört nicht zum römischen Reich? Das verstehe ich nicht...", versuchte er einfach mit glasigen Augen nahtlos dort anzuknüpfen, wo sie aufgehört hatten bevor die Olive versucht hatte ihn umzubringen. Während er sich wieder fasste, löcherte er die Iunia zunehmend mit Fragen über die Verwaltung und Art der alexandrinischen Gemeinde, die politischen Zusammenhänge... bis sie schließlich beim Museion ankamen... er selbst erzählte ihr von seinen Plänen sich genauer mit der Bildung zu beschäftigen, wobei er freimütig zugab noch Lücken zu haben die er vor allem in Alexandria würde schließen wollen. Leben wollte er zunächst im Gästehaus, baute dann doch auf die Bekanntschaften, die er dort schon hatte, oder die noch dorthin kommen würden... nur von den wirklichen Gründen warum es ihn dorthin zog erzählte er nichts.


    "Und Frauen dürfen da auch lehren? Interessant...", grübelte Vala über etwas nach, was eigentlich nur eine Anekdote des ganzen war. Mittlerweile war es dunkel, die Köstlichkeiten der iunischen Küche vertilgt (wobei ihm nicht einmal aufgefallen war, dass er der einzige war, der wirklich zugelangt hatte) und mehr als einer der wachhabenden Sklaven trat von einem auf das andere Bein, weil sich die 'kurze Störung' dann doch zunehmend in die Länge zog...

  • Als Vala sich verschluckte, wandte sich Axilla doch wieder ihm zu, wollte ihm helfen, wusste aber gar nicht wie. Was konnte sie schon dagegen machen, dass er hier scheinbar erstickte. Sie trat neben ihn, winkte schon nach einem Sklaven, als die Olive dann doch in hohem Bogen in den Garten segelte, woraufhin Vala noch aufstand und sie unter einen Busch kickte.
    Jetzt standen sie also beide, Axilla noch immer leicht besorgt, Vala puterrot, und er begann mit seinen Fragen, die Axilla so gut wie möglich beantworten wollte. Sie erzählte ihm von Alexander dem Großen, den die Ägypter für ihren Gott gehalten hatten, wie zuvor ihre Pharaonen, und dass sie diesen Titel, Basileus, seitdem jedem ihrer Herrscher angedeihen ließen, erst den Ptolemäern, dann den römischen Kaisern, und sich nur diesem unterordneten. Dass die Provinz Alexandria Privatbesitz des Kaisers war, und dieser der Stadt Alexandria das Recht eingeräumt hatte, sich selbst zu verwalten, weshalb sie nur dem Kaiser Untertan war, nicht jedoch dem Reich. Sie erzählte von den einzelnen Posten, von der Wichtigkeit des Gymnasiarchos und dass Vala zu diesem gehen musste, um sich das alexandrinische Bürgerrecht eintragen zu lassen, von der Ephebie, die dieser mit den jungen Griechen durchführte, von der engen Verknüpfung von Sport und Wissenschaft in allen Dingen, die die Griechen anstrebten, Perfektion des Körpers, Perfektion des Geistes.
    Dann sprachen sie über die Stadtviertel, dass er sich aus Rhakotis fernhalten sollte. Axilla verwies ihn an das Kapeleion Archaon als Gasthaus, und daran, dass er Cleonymus sagen konnte, er sei ein Freund von ihr, dann bekäme er vielleicht einen besseren Preis. Sie wollte ihm ja anbieten, dass er auch in der Villa Iunia leben konnte, in Basileia, dem sichersten und schönsten Viertel Alexandrias, aber sie wollte nicht aufdringlich erscheinen und traute sich noch nicht so recht.
    Und vom Museion, sehr lang sprachen sie vom Museion. Vom Aufbau, von der Lage, den verschiedenen Einrichtungen, der Sternwarte, die ihres Gleichen suchte, von den Häusern der Ärzte, die weltberühmt waren. Und natürlich von der Bibliothek mit ihren tausenden von Schriften, die sie über die Jahrhunderte gesammelt hatten, in Sprachen aus aller Herren Länder, sogar aus Ländern, die es gar nicht mehr gab. Sofern das Feuer sie verschont hatte, als Augustus bei seiner Eroberung das Museion in Brand gesetzt hatte.


    Axilla hatte sich inzwischen auf den Schoß der steinernen Faunus-Statue zurückgezogen, der mild lächelnd in den nur von einigen Fackeln erhellten Garten hinausschaute, während Axilla mit glasigem Blick seinem in die Schwärze folgte. Je mehr sie redete, je mehr Vala nicht bemerkte, was Axilla zunehmend schlechter verstecken konnte, umso toter fühlte sie sich, und umso mehr Trost brauchte sie. Zunächst hatte sie sich nur an den halb liegenden Pan gelehnt, irgendwann hatte sie den kleinen Hüpfer gemacht, der ihren Po auf seinen Schoß geschoben hatte, und so saß sie jetzt schon eine Weile, mit baumelnden Beinen, mal nach vorne gebeugt, mal an den steinernen Gott gelehnt, doch fast nie Vala direkt ansehend.
    “Ja, Frauen und Männer haben in Alexandria die gleichen Rechte. Das hat was mit den Ägyptern zu tun. Die glauben daran, dass alle Dinge einer Dualität unterliegen, einem Gleichgewicht der Gegensätze. Stark und Schwach, Hell und Dunkel, und eben Mann und Frau. Das eine kann ohne das andere nicht existieren. Deshalb haben ihre Götter auch alle eine Frau oder einen Mann, wie Serapis und Isis.“
    Das Prinzip von göttlichen Eheschließungen war den Römern zwar durch die Griechen durchaus bekannt, aber eigentlich nicht so strikt umgesetzt, da hier jeder göttliche Aspekt auch allein für sich selbst stand. Klassisch hatten die meisten Götter daher keine direkte Gemahlin oder strikt geregelte Verwandtschaftsverhältnisse.
    “Von daher, wenn eine unverheiratete Frau gerne lernen will, darf sie lernen, und wenn sie lehren will, darf sie lehren. Sofern ihr Vater einverstanden ist. Bei den verheirateten brauchen sie das Einverständnis ihres Mannes. Es sind halt doch Griechen, irgendwie.“ Und die waren da doch sehr strikt. “Braucht nur jeder das Bürgerrecht. Und muss natürlich ein göttergefälliges Leben führen. Ist ja ein Tempel, das Museion.“ Was sie ihm vorhin schon lang und breit erklärt hatte, es daher jetzt nur beinahe tonlos nochmal erwähnte.

  • Was für ein Trampel!
    Er tat es nicht. Mit zunehmender Verärgerung über die Ignoranz des Sterblichen beobachtete die göttliche Venus das Zusammensein dieser Menschen, wobei jeder Stich im Herzen der jungen Frau wie Öl ins Feuer ihrer aufkeimenden Wut wirkte. Dabei spielte ihre eigene, wohlgepflegte und legendäre Launenhaftigkeit eine Rolle - sie hatte schließlich einen Ruf zu verlieren. Vom selbstbezogenen Gebaren des jungen Mannes gar nicht erst zu sprechen.
    Eines Mannes, der mit seinem Tun schon oft ihr Wohlwollen erregt hatte, und nun vor der jungen Schönheit stand wie der Ochs vorm Berge. Er, der fast jeder schönen Tochter der Venus nachstieg versagte dies ausgerechnet hier in Angesicht einer jungen Frau, deren Gefühle so laut um Erfüllung flehten, dass es selbst der steinerne Faun vernahm. Wie ein kaputtes Spielzeug verhielt sich der junge Germane, das im richtigen Moment die falschen Bewegungen aufführte.


    Als absehbar war, dass er wieder einmal nicht auf die Vorzüge des schönen Geschöpfs reagieren würde, hatte Venus sich noch mit einem kleinen Streich zufrieden gegeben, ihm für einige Momente den Atem genommen. Als er sich aber mit zunehmender Weile des Gesprächs weiterhin weigerte, die junge Frau als eine solche und ihre Gefühle zu erkennen, hatte sie sich entschlossen ihm auf viele Nächte hinaus den Schlaf zu rauben, damit er sich Gedanken darüber machen konnte womit man die Nächte besser verbringen konnte. Was auch nichts half, der Sterbliche kümmerte sich in Gedanken und Worten nur um sich selbst während die Gefühle der jungen Schönheit bald so laut schrien, dass sie der Göttin in den Ohren klingelten. Endlich wurde es ihr zu viel: hier brauchte es nicht nur einen leichten Schlag auf den Hinterkopf.
    Es kam selten vor, dass sie zu Mitteln griff die normalerweise nur in den kalten Regionen Anwendung fanden. In Gegenden in welchen die Menschen rau waren und man sie oft Freya rief, aber da dieser junge Mann aus eben jenen Gestaden stammte, schien er auf nichts anderes reagieren zu wollen. Der Pfirsichbaum, unter dem der Holzkopf dankbarerweise stand wurde zum Mittel ihrer Wahl auserkoren. Eine nicht allzu reife Frucht begann nach einem Windhauch bedrohlich zu wackeln, aber die Launenhaftigkeit der schönen Göttin ließ nicht nur die Frucht mit einem Knacken auf den Dickkopf niedergehen, sondern gleich den ganzen Ast. Sollte er doch zusehen, wie er DAS ignorierte.

  • Vala hing an Axillas Lippen, als würde sie ihm erklären wie man es todsicher auf den Thron des Imperium schaffen würde. Jedes noch so kleine Detail ihrer Erzählungen wertete er nicht auf ihren Nutzen hin, sondern nahm so viel in sich auf wie er nur konnte. Bis ihm der Kopf schwirrte, und er sich im Garten zu bewegen begann, nur um ein wenig mehr Platz in seinem Kopf für die Ladung an Information zu schaffen... was ihm mehr schlecht als Recht gelang, denn ab dem Punkt mit den Frauen erkannte er, dass er zunehmend abschaltete.


    "Eh.. und dieses Bürgerrecht...", wedelte er verwirrt mit der linken Hand, wie um einen gerissenen Faden wieder einzuwickeln, ".. macht es Sinn, mir dieses zu verschaffen? Welche Vorteile habe ich davon? Brauche ich das, um zu lernen, oder um lehren zu können?"


    Er war unter einem älteren Pfirsischbaum stehen geblieben, dessen Früchte reif schienen, und ihre Süße lockte seine Hand zu einer der Früchte hervor, wurde jedoch vor ihrem Ziel wieder zurückgezogen als ihm noch etwas einfiel:"Diese... Lesungen... und Diskussionen, werden die auf griechisch..."
    Weiter kam er nicht, denn die unberührte Frucht schien einen Jähzorn über seine Zurückweisung entwickelt zu haben die zu einer Vergeltung führte, die Vala wortwörtlich die Sprache verschlug. Das verräterische Knacken ließ ihn fatalerweise aufblicken, und im nächsten Moment fiel die reife Frucht mitsamt dem angeschlossenen Ast auf ihn, ein wohlgemerkt umwerfendes Ereignis mit niederschmetternden Konsequenzen.
    Im nächsten Moment fand sich der große Germane auf dem gepflegten Rasen wieder, den Blick von Astwerk und Blättern versperrt, die Lippen blutig geschlagen und das Gesicht von roten Striemen und einer zermalmten Frucht beschmiert.
    Alles in allem ein Zustand, den man als recht unglücklich bezeichnen kann, und wenig anmutig.


    Niedergestreckt von einem Pfirsisch, du warst schon einmal mannhafter, Vala.

  • Axilla indes merkte nichts von Valas Unkonzentriertheit. Ihr Blick ging stur in den mittlerweile nachtschwarzen Garten und hing sich an einer der aufgestellten Fackeln auf. Sie hatte ein stumpfes Tausend-Meilen-Starren aufgelegt und blickte in die hell zuckende Flamme, ohne sie wirklich zu sehen, und antwortete fast mechanisch auf die fragen.
    “Ja, du musst dir unbedingt beim Gymnasiarchos die Proxenie eintragen lassen, sonst zählst du in Alexandria nicht als Bürger. Und im Museion dürfen auch nur Bürger lernen und lehren, und das römische Bürgerrecht zählt da nicht.“ Sie erzählte einfach weiter, hatte ihren Kopf mittlerweile an den steinernen Faun gelehnt. So langsam wurde ihr klar, dass das hier ein Abschiednehmen war. Ein richtiges, nicht nur eines bis zum nächsten Wiedersehen. Vala würde lange Zeit in Ägypten sein, und wenn er wiederkam – nein, falls er wiederkam! - würde sie verheiratet sein, vielleicht schon Kinder haben, wenn die Götter ein wenig Barmherzigkeit kannten einen Sohn. Das hier, was immer das auch sein mochte, es endete, und das auf die traurigste aller denkbaren Arten. Und so langsam fing Axilla an, das auch in ihrem Herzen zu verstehen. Es fühlte sich fast ein wenig an wie sterben, nur kälter.


    Die nächste Frage kam ein wenig fahrig, wie Axilla trotz allem noch halbherzig bemerkte, wurde dann aber von einem lauten Knacken unterbrochen, dem ein dumpfer Schlag folgte. Aus ihren eigenen trübseligen Gedanken von dem Geräusch gerissen, blickte Axilla blinzelnd auf. Ihre Augen hatten vom beständigen Blick in die Flammen etwas zu tränen begonnen, was sie erst jetzt bemerkte, aber das war auch im Moment nicht so wichtig. Viel wichtiger war: Wo war Vala hin?
    Es dauerte einen Herzschlag, ehe sie ihren Blick von der Höhe, in der der germanische Kopf sich sonst befand, nach unten senkte, und den am Boden liegenden Duccier bemerkte, nebst Ast. “Vala!“ rief sie erschrocken aus und kletterte so hastig von der Steinstatue herunter, dass sie mit einer Sandale daran hängen blieb und vornüber kippte, sich mit den Händen gerade noch so am Boden abfangend und kurz auf die Knie fallend, ehe sie die wenigen Schritte zu ihm schnell überbrückt hatte. Hastig riss sie noch im Niederknien den Zweig beiseite. “Das tut mir leid, das tut mir leid, tut mir leid. Das ist noch nie passiert!“ fing sie hastig an, sich zu entschuldigen, und besah sich das ganze Unglück. Vala hatte die Augen offen, aber er blutete, und er hatte einige Striemen im Gesicht. Ihre Hände zuckten vor, wollten ihn berühren. Aber sie hatte es ihm versprochen, ihn nie, nie wieder einfach so zu berühren, und trotz allem hielt dieses Versprechen sie davon ab, obwohl alles in ihr danach drängte, sich durch Herstellung dieses einfachen Körperkontakts davon zu überzeugen, dass die Verletzungen nur oberflächlich waren.
    “LEVI!“ brüllte sie erschrocken nach ihrem Leibsklaven. “Bring Wasser, und einen Lappen, und von dem roten Meerschwammpulver!“schleuderte sie ihm entgegen, als er diesen einen Schritt aus der Dunkelheit vom Rand des Gartens in ihr Blickfeld gemacht hatte. Sofort verschwand der Sklave eiligst, um Befohlenes herbeizuschaffen.
    “Es tut mir so leid. Geht es dir gut? Du blutest“, flüsterte sie ängstlich neben ihm kniend weiter. Sie verstand nicht so wirklich, was soeben geschehen war, und es war ihr auch egal. In diesem einen Moment war ihr Herz nur ganz an Valas Seite, und jeder trübe Gedanke, jeder Atemzug von eben fortgewischt von ehrlicher und aufrechter Sorge

  • Es war nicht so, dass Vala von dem hinterhältig herabstürzenden Ast bewusstlos geschlagen worden war. Da hatte er in früheren Zeiten schon schlimmeres an den Schädel bekommen, und all die ungeplanten Kollisionen relativ unbeschadet überstanden.. nein, die Tatsache von einem harmlosen Ast niedergeworfen worden zu sein machte ihn einfach nur für einen gewissen Moment ziemlich perplex.


    "Da bin ich mir sicher...", nuschelte Vala benommen, als Axilla sich anstelle des Baums entschuldigte. Eine klebrige Nässe hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet, und als der ihn okkupierende Ast beiseite geräumt wurde, betastete Vala sein Gesicht auf der Suche nach Verletzungen. Und tatsächlich fühlte sich sein Gesicht ziemlich breiig an.. von der Tatsache abgesehen, dass er Blut schmeckte. Und noch etwas anderes... süßes. Süßer als Blut. Der Schmerz, der sich nach dieser Erkenntnis einstellte hielt sich in starken Grenzen, und so richtete Vala sich halb wieder auf um den Schaden etwas genauer betrachten zu können. Seine Toga war weiß, mal von den braunen und grünen Striemen, Krümeln und Splittern abgesehen die ihn von oben bis unten bedeckten. Nichts rotes, also auch nichts wirklich gravierendes. Als er mit seiner Zunge die Lippen abwanderte, schmeckte er unten Blut und oben Obst, eine sehr seltsame Mischung...


    "Dein Garten mag mich anscheinend nicht.", brummte er schließlich, als er sich noch im Sitzen den Dreck von der Toga klopfen wollte, und erst jetzt wandte er sich mit einem blutigen Lächeln der bedröppelt neben ihm hockenden Gastgeberin zu. Der Stoff lag eng an ihrer Haut, und mit einem sehr unbewussten Seitenblick fiel derselbe in ihr Dekolletee... auf ihre angewinkelten Beine.. die schlanken Arme... Doch der Blick dauerte nicht lange, denn die Reinigung seiner Toga musste fortgesetzt werden, immerhin hatte er nicht allzu viele von den teuren Textilien.. doch als seine Hände über den Stoff strichen, fiel ihm auf, dass etwas anders war.. und dass es nichts mit seiner Toga zu tun hatte. Wieder wandte er den Blick zur Iunia hin, und musterte sie, als hätte er etwas in ihrem Gesicht vergessen, das er schon lange gesucht hatte. Erklären konnte er es sich selbst nicht, aber sein Blick hin lange an ihren Augen... bis es ihm wie Schuppen von den seinen fiel, als würde er sie zum ersten Mal sehen: "Du bist wunderschön, Axilla."


    Gut, ehrlich gesagt waren es ihre Brüste, die ihm zuerst aufgefallen waren, genauso wie damals, als sie sich zum ersten Mal getroffen hatten. Was für Valas Verhältnisse ziemlich kitschig war, allerdings konnte man bei seiner Fokussierung auf ihre körperlichen Vorzüge kaum unterstellen, dass es sich um romantisches Klimmbimm handelte. Eher um ursprüngliches Bunga-Bunga. Nur ohne Mammuts.

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