In geheimer Mission - Entschuldigung, wonach suchen wir eigentlich?

  • Tue das, was man dir sagt. Dann wird es dir gut gehen. Mit dieser Maxime war Charis bisher immer gut gefahren. Sie war ordentlich, gewissenhaft und zuverlässig. Was dazu führte, daß ihre Herren immer sehr zufrieden mit ihr waren. Bisher war es auch für sie selbst ein Leichtes gewesen, nach dieser Maxime zu leben. Doch seit sie nun in die Dienste ihrer neuen Herrin, Flavia Celerina getreten war, sah sie sich plötzlich im Konfliktmit sich selbst gefangen. Natürlich wäre es einfach für sie gewesen, die Anordnungen der Flavia zuverlässig zu befolgen. Wäre da nicht dieses vertrauliche Gespräch gewesen, welches sie mit dem Verlobten und zukünftigen Gatten ihrer Herrin geführt hatte, einige Tage bevor sie als lebendes Saturnaliengeschenk in den Besitz der Flavia gelangt war. In zuvorkommenden freundlichen Worten hatte er sie eingewickelt und sie dazu gebracht, seinen Wünschen entsprechend, die Bedürfnisse seiner zukünftigen Frau zu ergründen. Was im Klartext bedeutete, sie sollte die Flavia für ihn ausspionieren. Am Anfang schien dies nicht problematisch zu sein. Doch je länger sie bei Celerina war, sie mehr und mehr kennenlernte, alles über ihre Gewohnheiten erfuhr, wurde es zunehmend schwerer für sie, loyal zu bleiben. Niemals zuvor traf die Weisheit, man könne nur einem Herrn dienen, besser zu, als hier.
    Und die Flavia? Sie hatte vor einigen Monaten ihre Leibsklavin, also ihre engste Vertraute verloren. Immer wieder zog sie Vergleiche zwischen der toten Ylva und ihr, mit dem Resultat, daß Charis ihr nie etwas wirklich recht machen konnte. Als dann noch ihr Leibwächter das Weite gesucht hatte, war sie noch unleidlicher geworden. Charis spürte ihr Mißtrauen, so als wüßte sie genau über ihr Übereinkommen mit dem Aurelius Bescheid. Die Makedonierin warte nur noch darauf, daß die Flavia sie diesbezüglich eines Tages zur Rede stellen würde. Die letzten Tage war sie schon so eigenartig gewesen. Sie ließ niemanden zu sich und sie übellaunig zu nennen war die reinste Untertreibung. Umso mehr hatte es sie verwundert, als ihre Herrin sie zu sich rief und ihr erklärte, sie solle zusammen mit dem Sklaven der domina Claudia Antonia etwas in Erfahrung bringen. Was das sein sollte, sagte sie nicht. Sie tat ganz geheimnisvoll und meinte, sie solle sich nur an diesen Sklaven halten und ihre Sache gut machen. Nur welche Sache das sein sollte, konnte sich Charis nicht erklären.
    Kurz und gut, sie tat, was man ihr sagte. Zusammen mit dem Sklaven der Claudia verließ sie die Villa. Man konnte nicht gerade behaupten, daß der Sklave sehr redselig war. Stumm lief Charis hinter ihm her und sie kam sich mächtig dämlich dabei vor. Denn wie sollte sie etwas suchen, wenn sie nicht wußte, wonach sie suchen sollte. Einige Fragen stellten sich ihr. Warum schenkte ihre Herrin ihr kein Vertrauen und wußte dieser komische Kauz eigentlich, wohin sie gehen sollten?
    Sie waren schon weit gelaufen und befanden sich mittlerweile in einer der weitaus weniger anspruchsvolleren Wohngegenden der urbs aeterna - mitten in der Subura.
    "Entschuldigung!" Charis hatte es wirklich gewagt, den Sklaven anzusprechen. Jetzt nachdem sie schon fast eine halbe Stunde unterwegs waren. "Wonach suchen wir eigentlich? Und wenn wir schon dabei sind, wie heißt du?" Nicht einmal vorgestellt hatte sich der Sklave! Aus diesem Grund hatte Charis ihren Namen auch erst einmal für sich behalten.

  • Er konnte nicht mit Frauen. Nein, er konnte absolut nicht mit Frauen. Gut, er konnte auch nicht mit Männern, aber mit Frauen war es jedesmal noch ein bisschen schwieriger. Es schien also nicht auszureichen, ihn mit einem solchen Auftrag loszuschicken, nein, er durfte dafür auch noch die Gesellschaft einer weiteren Sklavin genießen. Eine Auszeichnung für seine Loyalität sei es, hatte seine Herrin gesagt, dass man ihm derart Vertrauen entgegenbringe. Pah! Nackt mit Garum übergossen in eine Meute wilder Eber geschubbst zu werden hätte ihn derzeit mehr erfreut. Was dachte seine Herrin sich nur dabei, ihn, ausgerechnet ihn, loszuschicken, um sich über Abtreibungen zu erkundigen? Was wusste er denn schon darüber? Nichts. Aus dem schlichten Grund, weil er nichts darüber wissen wollte. Und nun würde er unweigerlich Dinge erfahren, die er niemals wieder würde vergessen können. An manchen Tagen war sein perfektes Gedächtnis wahrlich ein Gräuel. Ganz davon abgesehen, dass jene Aufgabe sie zwangsläufig in die Gegenden Roms führen würde, in die eigentlich nichtmal die Bewohner dieser Gegenden gerne gingen. Und das ohne Geleitschutz... er selbst hatte doch von Kämpfen keine Ahnung.
    Und zusätzlich durfte er nun also auch noch auf diese Sklavin der Flavia aufpassen. Sie auf ihre Vertrauenswürdigkeit hin prüfen, sie im Auge behalten. Bei allen Göttern, er war ein Mann, er konnte sich nur auf eine Aufgabe gleichzeitig konzentrieren! :D


    So kam es denn, dass er zwar brav auf Charis gewartet hatte - im Gegensatz zu ihr kannte er ihren Namen, wie er generell über sämtliche Sklaven der Villa informiert war. Schließlich wollte wiederum seine Herrin stets darüber informiert sein wer da in ihrem Haus umherlief - allerdings jeden weiteren Kontakt vermieden hatte. Aus Erfahrung wusste er schließlich, dass er in 90% der Fälle ohnehin das Falsche sagen würde. Allerdings hatte er angenommen, dass sie, ebenso wie er selbst, ausgiebig über den Zweck dieses kleinen Ausflugs informiert worden war. Dass dem nicht so war offenbarte sie, nachdem sie bereits eine gute Strecke des Wegs hinter sich gebracht hatten. Völlig in Grübeleien versunken, wo man denn am besten finden würde, was sie suchten, drang die Stimme der Sklavin erst ein wenig später zu ihm durch. "Mh?", war also das erste, was sie von ihm zu hören bekam. Als jedoch die tatsächliche Frage sein Bewusstsein erreichte, blieb er abrupt stehen und starrte sie entgeistert an. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Nun musste er ihr auch noch sagen, was sie eigentlich zu tun hatten? War es denn nicht peinlich genug mit diesem Auftrag losgeschickt zu werden, musste er nun auch noch darüber sprechen? Schlagartig wurde sein Mund trocken, seine Hände fahrig und seine Stirn legte sich in Falten.
    "Du... du meinst man hat dir nichts gesagt?"
    Wundervoll. Das war ja nun eine schöne Zwickmühle in die man ihn da geritten hatte. Wenn man Charis nichts gesagt hatte, hatte das sicherlich seine Gründe. Sie sollte offenbar nicht zu viel darüber wissen. Andererseits, wenn sie nichts wissen durfte, wieso hatte man sie dann mitgeschickt? Nachdenklich schürzte er die Lippen. "Pallas.", beantwortete er daher erst einmal die Frage, die ihm unverfänglich erschien. "Ich heiße Pallas."
    Da die beiden Sklaven mittlerweile den freien Durchgang in der eher schmalen Straße zu blockieren drohten, seufzte er einmal kurz und bedeutete der jungen Frau mit ihm in eine kleine Seitengasse abzubiegen, wo er erneut stehen blieb. Dieses Gespräch wollte er nun wirklich nicht inmitten von Tagelöhnern und Imbissverkäufern führen.
    "Du hast keine Ahnung was wir hier eigentlich tun?", vergewisserte er sich also nochmals ungläubig. Eines Tages würde er hoffentlich erfahren, womit er ein solches Schicksal eigentlich verdient hatte.

  • Endlich ließ sich der Sklave einmal herab, sich nach ihr umzudrehen und ihr wenigstens einen Teil seiner Aufmerksamkeit zu widmen. Allerdings schien es so, als habe er ihre Frage nicht richtig oder nur teilweise verstanden, wenn man nach seinem fragenden Gesichtsausdruck urteilen sollte. Das wäre ja auch zu viel verlangt gewesen, dachte sich Charis eingeschnappt. Niemals hätte sie es aber gewagt, sich lauthals zu beschweren, denn wenn der Sklave ihr böse wollte, dann ließ er sie hier einfach schutzlos stehen, mitten in dieser unschönen Gegend. Was das zu bedeuten hatte, konnte sie sich an drei Fingern abzählen.
    Aber einiges schien doch in den Gehörgang des Sklaven vorgedrungen zu sein, denn es begann zu arbeiten in der ganzen Haltung des Sklaven. Er schien etwas nervös zu werden, warum auch immer. Sie hatte doch nichts Falsches gesagt?! Jedenfalls fragte er noch einmal nach, so als habe er sich gerade verhört.
    Würde ich sonst fragen, dachte Charis als sie unschuldig zu nicken begann. "Ja, so ist es!" Charis war das alles so furchtbar peinlich! Ihre Herrin stellte sie damit als inkompetente unzuverlässige Sklavin hin, der man nicht vertrauen konnte und die man nur mit einem Aufpasser losschicken konnte.
    Wenigstens besaß der Sklave den Anstand, sich doch noch vorzustellen, damit die Makedonierin nicht ganz im Dunkeln tappen mußte. "Pallas?", echote sie und begann zu stutzen. "Pallas… wie Pallas Athene?" Wer war denn auf diesen Namen gekommen?
    Die beiden Sklaven hatten sich die beste Stelle für ihre drohende Konversation ausgesucht, die engste Stelle der eh schon engen Gasse. Pallas zog Charis in eine Seitengasse, in der weitaus weniger los war und sie daher auch viel ungestörter waren. Der Sklave glaubte wohl, Charis würde nur scherzen und hätte sich diese Geschichte am Ende nur selbst ausgedacht.
    "Wir suchen nach... etwas?" fragte sie ganz vorsichtig, als habe sie panische Angst davor, mit ihrer Antwort völlig daneben zu liegen und dafür den Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden.

  • Die Reaktion auf seinen Namen kannte er, hatte sich daran gewöhnt und antwortete mit einem Augenrollen. "Sagen wir, meine Herrin hat einen sonderbaren Humor. Ursprünglich hieß ich Youenn... allerdings nennt kein Mensch mich mehr so. Wenigstens hat sie mich nicht nach einem Eichhörnchen benannt.", brummte er in Erinnerung des ebenso eigenwilligen Namens, den Antonias Ehemann seinem Leibsklaven gegeben hatte.
    In der Hoffnung, dass die Sklavin es dabei belassen würde, widmete er sich schließlich dem im Grunde genommen noch unangenehmeren Thema. Für ihn zumindest. Ihre Antwort war gänzlich anders als erhofft, offenbarte sie doch damit tatsächlich, dass man ihr nicht gesagt hatte, warum sie sich nun durch die Subura und am Ende vielleicht noch das Transtiberim quälen durften. Hoffnungsvoll suchte er den Schalk in ihren Augen, denn ein kleiner Teil in ihm vermutete, dass sie ihn vielleicht nur vorzuführen gedachte, ihn absichtlich jenes fürchterliche Thema ansprechen ließ. Doch nein... entweder sie war eine gute Schauspielerin oder sie wusste wirklich von nichts. Für einen Moment zuckten seine Mundwinkel nach oben zu einem humorlosen Grinsen.
    "Das darf doch alles nicht wahr sein."
    Nochmals fixierte er die dunkelblonde Sklavin, die ihm einfach nicht den Gefallen tun wollte, Gedanken lesen zu können. Nun stand er also vor der undankbaren Aufgabe Charis in die Pläne ihrer Herrinnen einzuweihen und dies so, dass er genug, aber nicht zu viel verriet. Am Ende würde er noch bestraft werden, weil er zu detailliert ausgeplaudert hatte wie, was, wann, wo und warum sie hier waren. Denn hätte die Sklavin so viel wissen sollen wie er selbst, hätte ihre Herrin sie sicher darüber in Kenntnis gesetzt... so zumindest wollte es der Realist in ihm sehen. "Es ist... etwas... delikat.", versuchte er zwischenzeitlich sein Schweigen zu erklären, als er bemerkte, dass er wohl schon eine ganze Weile auf seine Füße gestarrt und nachgedacht hatte. Bestimmt hielt sie ihn für einen Schwachkopf. Er würde sich für einen Schwachkopf halten an ihrer Stelle. Dabei konnte er ja nun wirklich nichts dafür. Ein leidendes Stöhnen von sich gebend lehnte er sich schließlich an eine der Häuserwände und richtete seinen Blick wieder auf Charis.Dass diese sich ebenfalls nicht sonderlich wohl in ihrer Haut fühlte entging ihm natürlich.
    "Also... die Sache ist... wir sollen... ähm..."
    Ein ungebildeter Schwachkopf, setzte er in Gedanken hinzu, was seinem Selbstbewusstsein natürlich nicht sonderlich zuträglich war. "Wir suchen jemanden", offenbarte er und senkte die Stimme, als habe er Angst jemand würde sie hier belauschen, "der sich mit... naja... dem Beenden unerwünschter Schwangerschaften auskennt."
    Da, es war draußen und er lebte noch. Es war vorab so nicht zu vermuten. Hauptsache sie fragte nun nicht weiter nach.

  • Charis nickte zustimmend. Es gab in der Tat noch schlimmere Namen. Allerdings konnte sie seinem ursprünglichen Namen auch nicht viel abgewinnen, weil er einfach so exotisch klang. Diesem Eichhörnchensklaven war sie bisher nicht begegnet, was sie durchaus als positiv betrachtete, hatte sie doch viele Gerüchte um die Grausamkeit dieses Sklaven gegenüber Seinesgleichen gehört. Da konnte sie direkt von Glück sprechen, daß Pallas ihr Begleiter war und nicht Sciurus.
    Aber Pallas nun direkt einen angenehmen Zeitgenossen zu nennen, wäre wohl auch sehr vermessen gewesen. Die Makedonierin fühlte sich doch recht unbehaglich in ihrer Rolle als ahnungsloses Dummchen. Da taten die Kommentare des Sklaven nur noch ihr übriges. Sie konnte doch nichts dafür! Am liebsten hätte sie ihm das lautstark mitgeteilt. Das tat sie aber dann doch nicht, denn sie wußte ja, daß sie beide nur Marionetten in einem Spiel waren, deren Handlung sie nicht mitbestimmen konnten. Die Fäden zogen ihre Herrinnen und es machte zumindest Celerina einen Heidenspaß, sie auflaufen zu lassen. Aber wie immer würde sie nur tun, was von ihr verlangt wurde, auch wenn es der größte Schwachsinn war. Vielleicht bekam sie es ja eines Tages vergolten. Charis mußte sich das einfach nur immer und immer wieder vorsagen. Irgendwann glaubte sie dann fest daran.
    Es schien, als hatte Pallas doch endlich Mitleid mit ihr, denn er schickte sich an, das große Geheimnis zu lüften. Er bemühte sich zumindest. Anfangs schwächelte er etwas, doch mit jedem Wort schien er sich mehr zutrauen zu wollen. Was so Stück für Stück zum Vorschein kam, ließ die Sklavin regelrecht erblassen.
    "Was?", schrie sie erst, merkte aber schnell, wie unangebracht diese Lautstärke war. Auch wenn Pallas nicht direkt Namen genannt hatte, so begriff sie doch schnell, wer von den beiden Damen in der delikaten Situation war, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden.
    "Was sagst du da? Sie ist… SCHWANGER? Aber .. aber wieso? Sie .. sie ist doch... sie heiratet doch erst… Sie heiratet doch demnächst den Aurelier!" Kaum hatte sie es ausgesprochen, wurde ihr bewußt, wie naiv ihr Denken doch war. Um schwanger zu werden hatte es noch nie einer Ehe bedurft! Glücklicherweise hielten sich die beiden Sklaven in einer Seitenstraße auf, in der kaum jemand vorbei kam. denn auch wenn Charis nun leise sprach, so sprach doch ihre Gestik eine Sprache für sich.

  • Als Charis für einen Moment laut wurde, zuckte Pallas sichtlich zusammen. In jenem Moment hatte er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem ängstlichen Nagetier, das sich seinem Todfeind gegenüber sah. Wäre es möglich gewesen, er hätte sich rücklings durch die Wand gedrückt, nur um mehr Abstand zwischen sich und seine Begleitung zu bringen.
    Er konnte nicht mit Frauen. Noch weniger konnte er mit schreienden Frauen. Die Potenzierung seiner Pein wäre schließlich nur noch mit weinenden Frauen möglich gewesen, doch glücklicherweise schien die Sklavin nicht jenen Weg einschlagen zu wollen, wofür der Britannier ehrlich dankbar war. Beschwichtigend hob er die Hände, panisch ging sein Blick in Richtung Straße, doch Charis senkte von alleine die Stimme wieder.
    "Charis..", offenbarte er, dass er sie bereits kannte, "du.. äh.. du solltest.. "
    Ansatzweise versuchte er mit Gesten zu verdeutlichen, dass sie sich zu sehr echauffierte und nur die Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Doch sie schien nicht zu stoppen, im Gegenteil, sie kam erst richtig in Fahrt. Wenigstens, so hielt er sich vor Augen, hatte ihre Stimme eine normale Lautstärke angenommen. Allerdings stellte er fest, dass nonverbales Schreien fast so schlimm für ihn war, wie tatsächliches. Auch dass sie umgehend Celerina als potentielle Kundin identifizierte erstaunte ihn.
    "Ich habe doch gar nicht gesagt, dass es Celerina.. "
    Noch mitten im Satz bemerkte er, wie dumm jener Einwand im Grunde war. Natürlich, niemand war so engstirnig, dass er in einem solchen Falle nicht zuerst die Flavia verdächtigen würde, schließlich war sie erst kürzlich entführt worden.. ganz abgesehen davon, dass allgemein bekannt war, wie prüde seine eigene Herrin war. Die Schlussfolgerungen, die Charis jedoch traf, ließen ihn die Stirn runzeln.
    "Ja.. äh.. und?", fragte er etwas verwirrt. Sie war eine Sklavin, sie würde doch sicherlich wissen, wie der.. Prozess im Allgemeinen stattfand. Eine Ehe hatte damit jedenfalls meist sehr wenig zu tun. Auch wenn seine Erfahrungen diesbezüglich eher theoretische waren.
    "Wieso sie schwanger ist?"
    Er wusste es. Ihm war es gesagt worden. Leider. Auch hier hätte er Unwissenheit bevorzugt. Vermutlich wollte seine Herrin ihm damit verdeutlichen, wie dringend jene Aufgabe war.
    "Ich weiß es nicht.. spielt doch auch keine Rolle.", log er also. Sich verlegen räuspernd stieß er sich von seiner schützenden Wand ab und nickte in Richtung der Straße.
    "Wir sollten jedenfalls weitergehen. Ich wäre nur ungern noch hier, wenn die Nacht einbricht."

  • Sieh mal an, dachte sich Charis, woher kennt dieser Knilch nur meinen Namen. Ob ich mir jetzt Sorgen machen muß? Sie hatte ja schon einiges gehört, seitdem sie in den Besitz ihrer neuen Herrin übergegangen war. Da sollte es doch tatsächlich Sklaven in der Villa Flavia geben, denen es besonderen Spaß machte, Ihresgleichen bis aufs Blut zu quälen. Einer davon war wohl auch der bereits erwähnte Sklave Sciurus. Nun ja, Pallas sah nicht gerade danach aus, als könne er auch nur einer Fliege etwas zu Leide tun. Aber vielleicht war das ja auch alles nur Fassade! Wieder einmal ermahnte sie sich selbst zur Vorsicht. Die Villa, so schien es bei genauem hinsehen, war das reinste Schlangennest. Und wenn Charis etwas auf den Tod nicht leiden konnte, dann waren es Schlangen.
    "Ja, was sollte ich?", fragte sie und wußte haargenau, daß sie ihn mit dieser Frage völlig aus seinem Konzept brachte. Chris war nicht blind, sie sah es ihm an, wie er neben ihr litt. Und genau das, fing an, ihr Spaß zu machen. Zum ersten Mal in ihrem Leben entdeckte sie diese masochistische Ader an sich. Ja, sie war nun mal eine flavische Sklavin, ganz ohne Zweifel. Sie konnte es nicht verleugnen. Diese Villa und ihre Insassen verleiteten jeden dazu, so zu werden, wie sie.
    "Natürlich hast du das nicht gesagt! Aber ich bin ja auch nicht blöd! Mir hat zwar keiner etwas gesagt, aber ich kann ein und eins zusammenzählen!" Es kränkte sie immer noch, von ihrer Herrin so in Unkenntnis gelassen worden zu sein, weswegen sie nun schmollte. Celerina ahnte doch hoffentlich nichts, welchen Auftrag ihr Verlobter ihr mit gegeben hatte. Und Phraates? Dem hatte sie auch kein Sterbenswörtchen davon erzählt. Ganz sicher nicht!
    "Ja natürlich weiß ich, wie man schwanger wird! Das muß ich dir doch hoffentlich nicht auch noch erklären!" Das wäre mit Sicherheit peinlich geworden. Sie war ja schon ganz froh darüber gewesen, daß sie keine Kinder beaufsichtigen mußte, die in diesem Alter waren, in dem man über solche Dinge sprach.
    "Ja stimmt eigentlich. Uns kann es völlig egal sein, wieso sie schwanger ist! Also laß uns weiter gehen."
    Charis machte bereits einige Schritte, wandte sich aber dann wieder Pallas zu. "Gehen wir zu jemand bestimmten?", fragte sie in einer fast kindlichen Neugier.

  • Donnerwetter, schoss es dem Sklaven durch den Kopf, diese Furie hatte sich ja hervorragend als nichtsahnendes Dummchen getarnt. Nun also zeigte sie ihr wahres Gesicht und eine furchterregendere Fratze hätte sie kaum aufsetzen können... metaphorisch gesprochen, natürlich, denn an ihrem schönen Gesicht hatte sich nichts geändert. Ein Umstand, der für Pallas jedoch nicht weiter hilfreich war, im Gegenteil, immer mehr schüchterte ihn das plötzliche Aufbrausen verbunden mit dem letztlichen Verfall in einen versöhnlichen Tonfall ein.
    Er kam nicht zum antworten. Allein sein Mund klappte hin und wieder auf, er setzte an, doch ehe auch nur ein Ton seine Kehle verlassen konnte, prasselte schon der nächste vorwurfsvolle Satz auf ihn nieder. Was, fragte er sich abermals, was war es, das er verbrochen hatte? Selbst wenn Charis ihn hätte antworten lassen, ihm wäre wohl nichts Sinnvolles eingefallen, nichts, das die Sklavin beschwichtigt und ihm seine Ruhe wiedergebracht hätte.
    Offenbar nahm sie nun das Szepter in die Hand, stampfte davon, als habe sie bereits ein bestimmtes Ziel. Natürlich hatte sie eines, sie war eine Frau, sie wusste sicher einen Geheimtipp, eine Adresse, die sie nun aufsuchen konnten. So kehrte für einen Moment trotz allem die Hoffnung zurück, ließ Pallas aufatmen und sich mit seinem Schicksal abfinden. Doch sie wandte sich um, unschuldig und friedvoll wie ein Kind und doch zerschmetterte sie sein wackliges Gerüst aus Hirngespinsten wie ein ungezogener Bengel, der auf einen Ameisenhaufen trat.
    'Wenn ich jemand bestimmten wüsste, würden wir dann hier herumirren? Sehe ich aus als mache ich das jeden Tag?' Dies war es, was der Sklave sagen wollte.
    "Jemand.. äh.. nein. Nein, wie gesagt, ich kenne mich in diesen Dingen nicht.. es sei denn, du weißt jemanden?" Dies war es, was tatsächlich aus seinem Mund kam. Währenddessen schloss er zu ihr auf, davon ausgehend, dass kein weiterer Wutanfall folgen würde.

  • Die Sklavin blieb abrupt vor Pallas stehen, so daß der zwangsläufig mit ihr zusammenstoßen mußte, wenn er nicht ein wenig auf Zack war.
    "Wie? Du kennst dich in diesen Dingen nicht aus? Aber ich! Sehe ich so aus, als wüßte ich sowas? Als würde ich bei solchen Leuten ein und ausgehen! He?", rief sie schon wieder so aufbrausend. Das war doch mal wieder typisch Mann, dachte Charis schnaubend uns setzte sich wieder in Bewegung. Hättesie Celerina nur eingeweiht! Dann hätte sie sich vorher umhören können. Aber nein, die vornehme Dame mußte sich einer andere vornehmen Dame anvertrauen, die ihrerseits diesen Tölpel auf sie angesetzt hatte. Charis war einfach nur noch sauer. Aber nichts und niemand konnte ihr helfen, wenn sie nicht endlich Kooperationsbereitschaft zwigte und begann, mit Pallas zusammenzuarbeiten.
    "Na schön!" begann Charis nach einiger Zeit des Schmollens. "Dann sollten wir mal überlegen, wo man solche Leute finden kann. Wenn es ein ganz normaler Medicus hätte sein sollen, dann hätte man uns sicher nicht losgeschickt. Wir sollen sicherlich jemand finden, der etwas von seinem Fach versteht, aber auch schweigen kann.", fuhr die Makedonierin fort.
    "Wir können uns ja mal umhören und so tun, als wäre ich… äh, naja als wollte ich das Kind eben los werden. Verstanden? Na, wie findest du das?"
    Sie war sich ganz und gar nicht sicher, ob Pallas der optimale Partner für diese Unternehmung war. Allerdings welche Wahl hatte sie denn? Gar keine! Deshalb hatten die beiden nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie rauften sich zusammen und waren erfolgreich oder sie kamen unverrichteter Dinge wieder zurück und waren dann dem Zorn ihrer Herrinnen gewiß.

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