servitriciuum | Stigmata

  • Auch wenn die Entfernung zwischen den Villen nur wenige Schritte betrugen, war ich doch froh um die Sänfte, in deren Inneren ich vor unliebsamen Blicken geschützt war. Niemand sollte mein verheultes Gesicht zu sehen bekommen und daraus womöglich Schlüsse ziehen können.
    Auch als ich dann in der aurelischen Villa zurück war, hielt ich mich nicht länger als irgendwie nötig außerhalb meiner Räume auf. Ich wollte allein sein und niemanden sehen. Meiner Leibsklavin gab ich für den Rest des Tages frei.
    Bevor ich mich in mein cubiculum zurückzog, gab ich Anweisung, Chimerion in einem separaten Raum unterzubringen, der sich allerdings auch im Sklaventrakt befand. Meine Intention war es, ihm einfach etwas Ruhe zu gönnen, nicht die Isolation zu den anderen Sklaven stand im Vordergrund. Später, wenn er wieder einsatzfähig war, wollte ich erneut drüber entscheiden, wo er verbleiben sollte.
    Als allererstes befreite ich mich von meinen Kleidern und streifte mir eine recht einfache Tunika über, in der ich mich viel wohler fühlte. Den Rest des Nachmittages beschäftigte ich mich einmal wieder mit meinen Kräutern. Einfach deshalb, um nicht mehr in die Verlegenheit zu kommen, nachdenken zu müssen. Ich hatte heute eindeutig zu viel Blut gesehen, als daß ich mich zufrieden zurücklehnen konnte.
    Die Tiegel und Töpfe in denen sich diverse getrocknete und frische Kräuter, Essenzen und Balsame befanden, hatten den Umzug gut überstanden. Wie besessen machte ich mich daran, aus verschiedenen Heilkräutern ein Balsam herzustellen. Damit vergingen einige Stunden. Stunden in denen ich nicht über meinen Sklaven nachdenken mußte.


    Gegen Abend klopfte ein Sklave an meine Tür, der mich zur cena geleiten wollte. Doch ich lehnte ab. Ich hatte keinen Hunger. Erst viel später, ließ ich mir doch noch eine heiße Hühnerbrühe kommen. Die Köchin mußte mich deshalb wahrscheinlich verflucht haben. Mit Sicherheit hatte sie nur auf Nachzügler wie mich gewartet. Allerdings rührte ich die Suppe nicht an.
    Zusammen mit einem Becher gemischten Wein, einem brennenden Lämpchen, einem Tuch und einem Töpfchen mit dem angerührten Balsam, welches alles auf einem Tablett Platz gefunden hatte, verließ ich mein Zimmer. Ich hatte mir eine Palla übergezogen und mir das Tuch etwas tiefer ins Gesicht gezogen, damit mich niemand sofort erkannte, falls mir jemand begegnen sollte.
    Vereinzelt brannten auf den Korridoren noch kleine Öllämpchen, so daß ich nicht gänzlich im Dunkel tappen mußte. Da die Villa Aurelia wohl wie die meisten herrschaftlichen Häuser aufgeteilt war, fiel es mir nicht schwer, meinen Weg zu finden. Es herrschte eine fast unheimliche Ruhe. Die meisten Bewohner, ob es nun Herren oder Sklaven waren, schliefen bereits.
    Vor der Tür im Sklaventrakt machte ich halt, balancierte das Tablett mit einer Hand um mit der anderen die Tür zu öffnen. Im Inneren herrschte Stille, nur ein leises Röcheln war zu hören. Ich trat ein und leuchtete mir den Weg. Mein Tablett stellte ich ab und besah mir den Sklaven, der vor mir lag.
    Augenscheinlich schlief Chimerion schon oder immer noch. Sanft strich ich ihm über seinen Kopf, wo gestern noch sein langes Haar war, ehe ich mir den Verband ansah, den man ihm am Nachmittag auf seinen Rücken angelegt hatte. Sachte entfernte ich den Stoff und besah mir die Wunden, die immer noch zu bluten begannen. Dieser Anblick hatte etwas schockierendes. Er mußte schreckliche Schmerzen erlitten haben.
    Das war mein Werk!

  • Auf Befehl der Herrin hatten die beiden Sklaven ihre Last durch den Hintereingang der Villa hineingebracht, zu den Sklavenunterkünften. Der Gequälte hatte einige Male gestöhnt, sich aber kaum geregt. Immerhin schien er nach der Tortur noch am Leben zu sein, auch wenn der Verband einige blutige Spuren aufwies. Die Folterknechte hatten ganze Arbeit geleistet, fluchte der Träger, und nun durfte er die Last tragen. Trotzdem war er froh, dass er nicht selber auf der Trage lag und hoffte, dass ihm auch nie etwas dergleichen widerfahren würde.
    In einem kleinen Nebentrakt des Servitricuum stand ein einfaches Bett, der Raum hatte nur ganz oben einige kleine Öffnungen, um Luft und Tageslicht hereinzulassen. Die beiden Männer legten ihre Trage neben das Bett und jeder fasste an einem Körperende an. Gemeinsam wuchteten sie den schweren Körper auf das Bett, was nicht ohne Schmerzen für Chimerion ablief. Mit einem gequälten Schrei kam er zu sich, seine Augen füllten sich mit Tränen und er krallte sich in der Decke fest. Er lag auf dem Bauch, unfähig sich zu rühren, jede kleine Bewegung ließ Blitze in seinem Rücken und seinem Schädel explodieren. Wimmernd drehte er den Kopf zur Seite und verlor erneut das Bewusstsein.


    Lange glitt er durch die Dunkelheit und merkwürdige neblige Gestalten zogen an ihm vorbei. Er sah seinen alten Centurio, der in einer Sänfte saß und zusah, wie Chimerion ausgepeitscht wurde. Er lag mit seinem Herrn Cupidus in einem Bett, zerwühlte mit ihm die Kissen, bis sich Cupidus in Celerina verwandelte und ihn aufforderte, mit ihr nach Parthia zu fliehen, weg von ihrem Herrn Hannibal. Dazwischen immer wieder eine Gestalt an einem Kreuz, die ihm sagte, er dürfe nicht fliehen. Verzweifelt versuchte er mit einem Dolch die Gestalt vom Kreuz abzuschneiden, doch er konnte den Querbalken und die Seile, mit denen die Gestalt gefesselt war, einfach nicht erreichen. Er sah sich selber weinend am Stamm des Kreuzes sitzen und die Götter anflehen, sie mögen ihn ihn nehmen und nicht Hannibal...
    Dann veränderte sich der Traum, er glaubte etwas zu riechen. Rosenöl und etwas anderes, geheimnisvolles... Warme, zarte Haut, die ihn berührte. Er dämmerte dahin, unfähig zu erkennen, ob er wachte oder träumte. Ihm war heiß, einige Momente später zitterte er wieder vor Kälte und Fieber. Sein Rücken schien zu glühen und wellenförmiger Schmerz breitete sich aus, als der Verband gelöst wurde. Chimerion öffnete die Augen, konnte aber nur einen schwachen Lichtschein erkennen, bis er seinen Kopf unter Schmerzen drehte.
    Eine Gestalt war neben ihm, er konnte sie nur verschwommen wahrnehmen. Er versuchte zu sprechen, doch seine Zunge war geschwollen und klebte unangenehm an seinem Gaumen. Husten schüttelte seinen geschundenen Körper. "Bis....Bist...du das....Mutter", stammelte er schließlich hervor.

  • War ich zu Beginn noch unsicher gewesen, ob es richtig war, was ich hier tat, so war ich mir beim Anblick dieser Wunden wieder ganz sicher, das Richtige zu tun. Denn letztlich tat ich es auch für mich, um mein Gewissen zu erleichtern. Zwar hätte mir jeder nur bestätigen können, daß ich nicht im Unrecht gehandelt hatte, als ich Chimerion bestrafen ließ. Höchstwahrscheinlich hatte man mir sogar geraten, ihn noch härter zu maßregeln.
    Meine Hand fuhr vorsichtig über seine Stirn. Wie ich mir schon dachte, war sie kochendheiß. Er fieberte und wenn sich niemand um ihn kümmerte, dann war er spätestens in einigen Tagen tot. Jetzt galt es, zuerst einmal, den geschundenen Rücken zu versorgen. Dafür hatte ich speziell ein Balsam aus Kamille und Calendula hergestellt, die ich nun mit Hilfe eines hölzernen Stäbchens auftragen wollte. Bevor es aber dazu kam, schien er endgültig aus seinem Schlaf zu erwachen. Schwerfällig waren seine Versuche, einige Worte zu formulieren. Undeutlich waren sie anfangs, doch mit der Zeit gewannen sie an Klarheit. Anfangs versuchte ich ihn noch zu beschwichtigen, indem ich ihn leicht an seiner Wange berührte. Schreckte jedoch zurück, als er glaubte, seine Mutter sei bei ihm.
    Niemals war es mir in den Sinn gekommen, daß meine Sklaven, die in Freiheit geborenen waren, einst auch die Töchter und Söhne von Müttern und Vätern gewesen waren. Daß es Menschen gab, die sie einst geliebt hatten, und die alles gegeben hätten, um ihnen ein besseres Leben zu bieten. Das Schicksal hatte anders entschieden.
    Dieser Sklave hier, so elend wie er da lag und litt, erinnerte mich frappierend an mich selbst. Erst wenige Monate zuvor hatte ich selbst so dagelegen, geschunden und fast dem Tode nah. War ich am Ende nicht besser, als die Verbrecher, die mir das angetan hatten? Diese Frage lastete bleischwer auf mir. Doch ich glaubte, sie mit ja beantworten zu können. Ich war besser! Denn im Gegensatz zu den Piraten ließ ich mein Opfer nicht im Stich. Ich war hier, um so etwas wie Vergebung zu erhalten und mich meiner Verantwortung zu stellen. Ich war die Herrin dieses Sklaven, nicht seine Mutter! Aber hatte er nicht ein wenig Wärme verdient nach alldem, was heute mit ihm geschehen war? Was wenn ich darauf einging? Ließ ich ihn dann noch mehr leiden, weil ich die Grausamkeiten gegen ihn noch um ein vielfaches erhöhte oder gab ich ihm ein Gefühl der Geborgenheit? Die ursprünglichste Form der Geborgenheit, der eines Kindes, in den Armen seiner Mutter.
    "Ja… mein Sohn..., ich bin ganz nah bei dir," antwortete ich gütig und strich ihm erneut ganz sanft über den kahlgeschorenen Kopf. Sein jämmerlicher Anblick und der verzweifelte Versuch nur ein klein wenig Zuwendung zu finden, rührte mich zu Tränen. Leise schluchzend wischte ich sie mir aus dem Gesicht und wandte mich wieder seinem Rücken zu.
    "Das wird jetzt ein kleines bißchen weh tun. Ich trage jetzt eine Salbe auf deinen Rücken auf. Die wird dir helfen!" Ganz vorsichtig, damit ich ihn nicht noch mehr als nötig Schmerzen zufügen mußte, trug ich nun den Balsam großflächig auf.

  • Die leise Stimme, die zu ihm Sprach, beruhigte Chimerion ein wenig, kurz darauf machten sich weiche Hände an seinem Rücken zu schaffen, er spürte zumindest etwas seine Haut berühren. Scheinbar war noch Gefühl in ihm, er konnte noch Dinge mit der Haut spüren. Er schluckte trocken und musste husten, was seine Pein noch verstärkte. Keuchend versuchte er Atem zu schöpfen, als der Schmerz wieder vor seinen Augen aufflammte, dieses mal tiefrot und sengend. Doch die Flammen wurde von der großen Dunkelheit verschluckt, die ihn wieder hinabzog.


    Lange schwebte er einfach nur dahin, losgelöst von seinem Körper und fühlte sich zum Ersten mal wieder frei. Landschaften zogen vor seinem inneren Auge dahin, er konnte Felder sehen, auf denen das goldene Korn wogte und geschnitten werden wollte. Er sah nackte Feldarbeiterinnen, die ihn lockten, mit honigsüßen Stimmen nach ihm riefen und zum bleiben aufforderten. Doch eine Feuerwalze fegte vor Chimerions Augen alles hinweg, verbrannte die sich wiegenden Leiber, versengten die Halme, ließ nichts weiter zurück als Asche und Tod. Er schrie, doch kein Laut kam über seine Lippen. Statt dessen wandelte sich die Landschaft, er war am Strand des Meeres, vor sich eine Hafenanlage, die vollgestopft war mit dreckig grinsenden Männern in Lederkleidung, alle bewaffnet mit Dolchen, die ihn verhöhnten.
    "Komm du Held, deine Freunde warten, Hannibal war nur der Anfang, wie kriegen euch ja doch alle... Deine Seele zu retten und deiner Freunde Zurückkunft, aber die Freunde rettest du nicht, wie eifrig du auch strebst, denn sie bereiteten selbst durch Missetaten ihr verderben..." So sprachen sie zu ihm und Chimerion wollte nur noch entfliehen. Er krümmte sich, wieder durchzuckte ihn Schmerz.


    Er kam langsam wieder zu Bewusstsein, spürte plötzlich eine angenehme Kühle auf seinem Rücken und hatte das Gefühl, als würde der Schmerz ein wenig nachlassen, lockerte ein wenig seinen Griff. Er fuhr sich mit der Zunge über die rissigen Lippen und hustete erneut. Seine Stimme wollte keinen Ton herausbringen, nur mit Mühe konnte er "Wasser" krächzen und hoffte, dass seine Mutter ihn hörte. Doch war es überhaupt seine Mutter? War diese nicht schon seit seiner Kindheit tot? Plötzlich ergriff ihn der Schmerz, nicht der seines Rückens, ein viel schlimmerer, tieferer Schmerz, der sich in seinem Innersten zusammenballte, sich seinen Hals hinaufdrängte und ihm den Atem nahm. Er glaubte ersticken zu müssen, als sich der erste trockene Schluchzer aus seiner Kehle löste, sein ganzer Körper zitterte und er konnte nicht glauben, dass seine Augen noch Tränen hatten, die ihm nun die Wangen herunterliefen, als er sich hemmungslos den Qualen hingab.

  • Bei jeder kleinsten seiner Bewegungen, zuckte ich erschrocken zusammen, denn ich war bestrebt, ihm so wenig Schmerzen wie nur möglich zuzufügen. Allerdings erwies sich dies als äußerst schwierig und so ließ es sich einfach nicht vermeiden, wollte ich denn alle Wunden mit dem Balsam abdecken.
    Sein Krächzen und sein leises Bitten nach Wasser ließen mich unterbrechen. Suchend blickte ich zu dem gefüllten Becher mit verdünntem Wein. Da war er! Doch Chimerion lag auf dem Bauch. In dieser Position konnte er unmöglich trinken. So blieb mir also nicht anderes übrig, als ihn aufzurichten und ihm notfalls das Getränk auch einzuflößen.
    "Ja, du sollst sofort Wasser bekommen! Vermischt mit Wein", antwortete ich fürsorglich, so wie es eben eine Mutter tat
    Vorsichtig ergriff ich ihn an seinen Schultern und wollte ihn nach oben stemmen. Aber das war schwieriger, als es aussah. Mehrmals versuchte ich es, mußte dann aber einsehen, dass es ohne Hilfe nicht ging.
    "Chimerion, du mußt mir helfen. Kannst du versuchen, dich aufzusetzen? Ganz vorsichtig?"
    Kaum hatte ich dies gesagt, so erschütterte mich das schauderhafte Schluchzen meines Sklaven, welches tief aus seinem Inneren heraus zu entweichen schien. Er zitterte am ganzen Körper und es hatte den Anschein, als müsse er auf der Stelle ersticken. Mir wurde richtig bang bei diesem Anblick. So etwas hatte ich bis dato noch nicht erlebt. Allenfalls hatte ich solche Reaktionen bei den Vergiftungsopfern beobachtet, die sich im Todeskampf befanden. Dies erinnerte mich an eine allzu neugierige Sklavin in Lutetia, die einen meiner Tränke probiert hatte und dabei recht elend zu Grunde gegangen war.
    Aber Chimerion? Natürlich hatte ich nicht vorgehabt, seinem Leben ein Ende zu setzten. War etwas Giftiges in dem Balsam? Nein, es war einfach nur ein sehr heftiger Gefühlsausbruch. Irgendetwas mußte ihn derart hart getroffen haben, was beinahe noch heftiger war, als die Schläge der Peitsche. Endlich verstand ich, daß ich der Grund dafür sein mußte. Denn ich hatte ihm vorgegaukelt, ich sei seine Mutter, die nun hier bei ihm war.
    Warum nur straften die Götter mich so? Völlig niedergeschlagen ließ ich mich neben das Bett meines Sklaven sinken und machte schluchzend meinem Schmerz Luft. Hilflos war die richtige Umschreibung meines Zustandes, in dem ich mich gerade befand. Hilflos, unfähig etwas richtig zu machen, immer auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. So schmerzlich war diese erste Begegnung mit der Realität! So sah es im wirklichen Leben aus, fernab des Luxus.

  • Es schien Chimerion eine Ewigkeit, bis seine Tränen endlich versiegten, doch ein Teil des Schmerzes blieb, würde wahrscheinlich für immer bleiben. Der Balsam tat seinem geschundenen Rücken wohl, er konnte wieder durchatmen ohne allzu starke Schmerzen zu haben. Als er die Augen wieder öffnete, sah er neben sich seine Herrin sitzen, schluchzend und bebend. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie hereingekommen war, geschweige denn warum sie weinte. Er streckte seine Hand aus und berührte sie sanft am Arm.
    "Herrin, was ist mit dir?" fragte er mühsam. Tat ihr die Strafe leid? Genau konnte er es nicht sagen, doch es wäre möglich. Empfand die echte Celerina nicht auch Schmerz und Trauer, durfte es nur nicht zeigen? "Herrin, es wir alles gut, alles....alles", murmelte er. Da war wieder dieses Kratzen im Hals, die Trockenheit in seinem Mund. Und diese Müdigkeit....So müde.... Er schloss wieder die Augen und dämmerte vor sich hin.

  • Während sich vor lauter Gram meine Fingernägel in das Holz des Bettkastens gruben, bemerkte ich nicht, wie Chimerion langsam wieder zu sich kam und einen klaren Moment hatte. Erst als er zu mir sprach und mich am Arm berührte, mir versicherte, es würde wieder alles gut werden, sah ich überrascht auf.
    "Es tut mir so leid! Was ich dir angetan habe. Warum nur? Warum mußte das geschehen?" Nein, nichts sollte wieder gut werden. Jedes Mal, wenn ich in Zukunft den nackten Rücken meines Sklaven zu Gesicht bekommen sollte, würde ich an meine Tat erinnert werden. Die Narben der Peitsche hafteten wie ein Stigma in seiner Haut, so als hätte man sie ihm eingebrannt. Und weswegen hatte ich ihn so hart bestraft? Doch nur, weil er das wollte, wonach jeder Mensch strebte, wonach auch ich strebte. Nach Freiheit und einem besseren Leben. Ich hätte es wissen müssen. Ich konnte einen solchen Mann nicht dazu zwingen, mich zu lieben, nur weil ich es so wollte und weil er mein Sklave war. Er hatte sich mit seiner Flucht gegen mich entschieden und er würde sich auch in Zukunft immer wieder gegen mich entscheiden. Ich konnte seine Gefühle nicht beeinflussen, selbst wenn ich es ihm befohlen hätte. Stets wäre es ein aufgezwungenes Gefühl gewesen und niemals die Wahrheit. Für ihn würde ich wohl bis ans Ende seiner Tage diejenige sein, die über sein Leben entscheiden konnte und der er gehorsam verpflichtet war.


    Langsam triftete er wieder ab, hinunter in seinen Fibertraum. An der Rauheit seiner Stimme konnte ich erkennen, wie trocken seine Kehle war und wie wichtig es gewesen wäre, ihm schnellstmöglich mit etwas Trinkbarem zu versorgen. So versuchte ich noch einmal mein Glück, seinen Kopf so anzuheben, damit ich ihm ein wenig Flüssigkeit einflößen konnte. Diesmal gelang es mir auch, wenigstens ein wenig des verdünnten Weines in seinen Mund hineintropfen zu lassen. Um ihn zu stärken, versuchte ich auch noch, ihm die Suppe einzuflößen.
    Erschöpft ließ ich seinen Kopf wieder auf das grobe Kissen nieder. Im Augenblick konnte ich nicht viel für ihn tun. Vielleicht half es ihm, wenn ich noch einwenig in seiner Nähe blieb und er meine Wärme spüren konnte. Mir würde es auf jeden Fall helfen, mich stückweise von meiner Schuld zu befreien.
    Bis zum Morgengrauen blieb ich neben ihm liegen, dann ging ich wieder zurück, in mein cubiculum. Damit niemand auch nur dem Hauch einer Ahnung bekommen konnte, was ich in der Nacht so trieb.


    Erst in der darauf folgenden Nacht kam ich wieder, um nach seiner Wundheilung zu schauen.
    Wieder strich ich ihm sanft über den Kopf. Wie ich doch das fehlende Haar vermisste! "Wie fühlst du dich heute?", erkundigte ich mich leise. Ich wusste nicht, ob er wach war oder ob er schlief.

  • Den Wein schmeckte Chimerion noch in seinem Mund, er war wunderbar herb auf der Zunge, er glaubte sogar die schwarze Erde zu schmecken, in der er gewachsen war und die Wärme der Sonne, die die Früchte schwer und süß gemacht hatte. Dankbar legte er sich wieder hin und dämmerte wieder dahin.
    Im Laufe des Tages schlief er viel, eine Sklavin kam hin und wieder, um zu sehen, wie es um ihn stand und seine heiße Stirn mit einem nassen Lappen zu kühlen. Als die Nacht anbrach fühlte er sich wieder ein wenig besser, die Wunden waren schon erträglicher, was sicher an Celerinas Salbe lag. Trotz allem war er ihr dankbar, sie hatte ihm das Leben gelassen, auch wenn er nicht wusste, ob sie aus Mitleid gehandelt hatte oder noch schlimmeres plante. Doch er erinnerte sich an die Tränen der letzten Nacht, die sie vergossen hatte. Sie schien zu leiden, weil es ihm schlecht ging. Das Gefühl der Zuneigung war noch genauso stark wie früher, Chimerion wünschte sich, sie als freier Mann kennen gelernt zu haben....


    Als es dunkel wurde, kam seine Herrin ihn wieder besuchen und er drehte sich auf die Seite. Seine Blase drückte und er hatte gehofft, die Sklavin würde noch einmal mit dem Eimer kommen, damit er sich erleichtern konnte. Doch der Eimer stand ein ganzes Stück weit weg und die Bewegungen waren noch immer schmerzhaft. Er spürte ihre Hand, die über seinen kahlen Schädel strich. Irgendwie fehlte etwas, die langen Haare waren ein vertrautes Gewicht auf seinem Kopf gewesen, das nun nicht mehr da war. Er fühlte sich trotz seines Lendenschurzes nackt und verwundbar.
    Ein Lächeln lief über seine Lippen. "Danke, schon ein wenig besser. Deine Medizin hat wahre Wunder gewirkt," entgegnete er und richtete sich so gut es ging ein wenig auf die Ellenbogen auf, damit er in ihr Gesicht schauen konnte. Sie sah müde und unendlich traurig aus. Wie gerne hätte er sie in den Arm genommen, sie getröstet und sie zumindest für ein paar Stunden ihr Gefängnis vergessen lassen. "Und wie geht es dir selber?" fragte er mit sanfter Stimme.

  • In einer Serviette hatte ich ein Stück des Bratens eingepackt, der zur cena gereicht worden war. Höchstwahrscheinlich hatte man ihm nur den Fraß für die Sklaven vorgesetzt. Wenn der genauso jämmerlich war, wie der in der Villa Flavia, dann hatte er das Fleisch bitternötig.
    "Das ist schön, zu hören!", antwortete ich unsicher, denn immer wieder kam mir in den Sinn, daß er durch mich diese Schmerzen zu erleiden hatte. Um aber schnell wieder davon abzulenken, hielt ich ihm die Servierte mit dem darin befindlichen Fleisch entgegen.
    "Hier, das habe ich dir mitgebracht! Hat man dich heute mit Essen versorgt?" Langsam setzte ich mich zu ihm auf die Kante seines Bettes und versuchte zu lächeln. Es fiel mir immer noch schwer, denn nicht nur allein seine deplorable Verfassung machte mir zu schaffen, auch vieles was bislang unausgesprochen war, lag zwischen mir und meinem Sklaven.
    "Oh, mir geht es gut!", log ich, denn mir ging es ganz und gar nicht gut. Selbst wenn es mir im Vergleich zu ihm blendend gehen mußte.
    "Kann ich noch etwas für dich tun? Hast du alles, was du brauchst?", fragte ich, um von mir abzulenken. Ganz betreten starrte ich ihn eine Weile an. Mir lagen tausend Fragen auf der Zunge, die ich mich aber nicht zu stellen traute, weil ich Angst hatte, vor seiner Antwort. Es war die Angst vor der Enttäuschung. Aus dem gleichen Grund würde ich ihn niemals hergeben können, geschweige denn frei lassen.
    "Warum wolltest du mich verlassen, Chimerion?", fragte ich plötzlich doch, weil ich endlich eine Antwort darauf haben wollte.
    "Ist es, weil ich so unansehnlich bin? Weil ich so schrecklich bin? Oder weil du mich niemals ...geliebt hattest?", fügte ich noch an und war selbst von mir überrascht, dass ich es fertig gebracht hatte, es auszusprechen.
    "Du hast nichts zu befürchten. Rede nur frei heraus!", ergänzte ich einige Augenblicke später. Er sollte mir die ganze Wahrheit direkt ins Gesicht sagen, auch wenn es bitter für mich werden würde.

  • Dankbar nahm Chimerion das Stück Fleisch entgegen und biss herzhaft hinein. Die leichte Kost, die er erhalten hatte, stille zwar den Hunger und belastete nicht, aber sie war kaum nahrhaft. Der Geschmack explodierte förmlich auf seiner Zunge, die Gewürze schmeckten intensiv und unvergeleichlich. Es war gut am Leben zu sein. Kauend nickt er. "Ja, Essen habe ich bekommen, danke," sagte er und biss erneut in sein Fleisch. Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen, verschwand aber wieder, als er das Gesicht von Celerina sah.
    Das Lügen hatte sie zwar ihr Leben lang geübt, doch ihre Züge waren traurig. Er beschloss, es auf sich beruhen zu lassen, zumindest vorerst. Vielleicht würde sie es ihm sagen, wenn sie bereit dazu war.
    "Nun... ich müsste mich entleeren, sonst habe ich alles was ich brauche," meinte er mit einem Blick auf den Nachttopf in der Ecke. Er lächelte. "Es wird schon wieder, es ist nicht das erste Mal, dass ich gezüchtigt wurde... Danke dass du mich verbunden hast, domina."


    Dann zögerte er, als sie nach dem Grund seiner Flucht fragte. Mit dieser Frage hatte er gerechnet, doch es schmerzte, sie so verletzt zu sehen.
    "Du bist wunderschön, das weißt du doch... Du bist die schönste Frau dich ich kenne..." seine Stimme klang belegt und es tat weh, sie so hillflos und voller Selbstzweifel zu sehen. "Es war ein schöner Traum, ein Sklave liebte seine Herrin und glaubte, dass sie ihn auch liebte..." Er seufzte tief. "Nein, ich habe dich immer geliebt, sofern ich das durfte. Ich habe es mir lange überlegt, dich zu verlassen, viele Nächte lang habe ich es mir überlegt. Schließlich war ich bereit, meine Liebe aufzugeben... schweren Herzens. Celerina, du darfst mich nicht lieben, ich bin nur ein Sklave und werde immer einer bleiben. Wenn es deinem Mann gefällt wird er mich töten lassen oder in den Steinbruch schicken. Liebe ihn, er hat es sicher eher verdient als ich," murmelte er. Wieder hatten sich die düsteren Gedanken seiner bemächtigt und sein Herz tat weh.

  • Wenigstens hatte man ihn nicht hungern lassen. Das beruhigte mich fürs erste. Doch als ich sah, mit welcher Wonne er in das Stück Braten verschlang, konnte ich mir schon denken, welche Art von Kost man den Sklaven verabreichte. Bisher hatte mich das in keinster Weise interessiert, doch bei Chimerion war es etwas anderes. In mir brannte das Gefühl, meinem Sklaven gegenüber etwas gutmachen zu müssen, obwohl er doch derjenige war, der Schuld auf sich geladen hatte.
    Chimerions Antwort auf meine Frage brachte mich anfänglich ganz aus dem Konzept. Eigentlich hatte ich damit bezweckt, ihm noch einige Vergünstigungen angedeihen zu lassen. Doch davon wollte er offenbar nichts wissen. Vielmehr war es die Verrichtung seiner Notdurft, die ihn beschäftigte. Mein Blick folgte seinem, der mich ohne Umschweife zu einem Kübel brachte, indem die Sklaven immer den Unrat entsorgten. In meinem ganzen bisherigen Leben hatte ich noch niemals zuvor auch nur ansatzweise einen Gedanken daran verschwendet, ein solches Exemplar auch nur mit dem kleinen Finger zu berühren. Doch offenbar war es das, wonach es ihm verlangte.
    Den beschwichtigenden Worten Chimerions lauschend, erhob ich mich und näherte mich zögernd jenem Gefäß, welches in höchstem Maße die Unreinheit verkörperte, mit der sich meinesgleichen niemals abgab. Es kostete mich einiges an Überwindung, bis ich den Eimer schließlich an seinem Henkel ergriff und ihn Chimerion brachte.
    "Keine Ursache, das war das Mindeste, was ich tun konnte.", meinte ich schließlich lächelnd um den Anflug des Ekels aus meinem Gesicht zu verbannen. Jedoch verging mir gleich wieder das Lächeln. Chimerion begann frei zu sprechen, ohne sich rechtfertigen müssen. Er sprach von Liebe, was auch mein Herz höher schlagen ließ. Doch er zeigte mir auch auf, wie wichtiger ihm die Freiheit, seine Freiheit gewesen war. Sie war ihm so wichtig gewesen, daß er dafür seine Liebe aufgab. Wut und Trauer gleichermaßen keimten in mir auf. Ich hatte auf einmal große Lust etwas zu zerschmettern, doch ich bewahrte die Contenance. Ich wollte nichts mehr davon hören, ihn aufgeben zu müssen. Was war denn schon Freiheit?
    Mir wollte das Herz zerspringen. Ich konnte mich nicht mehr im Zaun halten.
    "Nein! Nein, das kann ich nicht! Was denkst du denn? Meinst du, Corvinus hat mich geheiratet, weil er mich liebt? Er liebt mich nicht und ich ihn auch nicht. Diese Ehe dient alleine nur dem Zweck der Politik und dem Fortbestand seines Namens. Es ist eine Vernunftehe, so wie sie fast ausschließlich in unseren Kreisen geschlossen wird. Mehr nicht! Von Liebe war niemals die Rede. Ich will dich, Chimerion! Du bist derjenige, den ich liebe und den ich nicht aufgeben kann! Niemals! Wieso bedeutet dir die Freiheit so viel mehr, als ich? Würdest du mich lieben, wenn du frei wärest? Ist es das, was du willst? Doch wenn du frei bist, dann wirst du mich verlassen. Ist es nicht so?"
    Ich hatte mich in Rage geredet. Meine Wangen glühten rot in meinem verheulten Gesicht. Dies war die unglücklichste Stunde meines Lebens.

  • Ein wenig amüsiert blickte Chimerion seine Herrin an, als sie mit spitzen Fingern den Pisspott brachte, den die anderen Sklaven gelegentlich davontrugen und entleerten. Erleichtert versuchte er sich halb liegend aufzurichten. "Könntest du dich vielleicht umdrehen?" fragte er, denn er wollte Celerina nicht beschämen, indem er vor ihr Wasser ließ.
    Dann schob er den Schurz beiseite und entleerte sich unter wohligem Seufzen. Schließlich stellte er den Kübel neben das Bett und rückte seine Schurz wieder zurecht. Vorsichtig legte er sich wieder auf die Seite. Während er Wasser gelassen hatte, waren ihm die Gedanken nur so im Kopf herumgeschwirrt.
    Sie hatte von Freiheit gesprochen und dass sie ihn auch liebte. Ein merkwürdiger Glanz erschien in seinen Augen, als er antwortete. "Ich will dich doch auch, Herrin... Und ja, die Freiheit bedeutet mich viel, aber wenn ich frei bin kann ich dich nicht mehr sehen. Es geht nicht, dass eine Angehörige der Nobilitas mit einem Freigelassenen verkehrt. Mit Sklaven ist das anderes, ihr Römer seht Verhältnisse mit Huren und Skalven nicht als Ehebruch an...." Er atmete tief durch, die ganze Sache ging ihm an die Nieren. "Ich werde dich niemals verlassen, Celerina, nie wieder. Bitte verzeih mir meine Flucht, ich habe gemerkt, dass Roms Arm weiter reicht als ich dachte. Lass uns die Geschichte vergessen und ganz neu anfangen. Ich habe meine Strafe verdient und werde mich bessern, du sollst keinen Grund mehr zur Klage haben," meinte er ernst.


    Dann lächelte er. "Meine Eurydike, du siehst immer noch so wunderschön aus. Wenn auch ein wenig blass. Hast du dir meinetwegen solche Sorgen gemacht? Oder bedrückt dich noch etwas anderes?" fragte er.

  • Es war in der Tat eine neue Erfahrung für mich. Eine, die man in meinen Kreisen höchst selten machte. In den unteren Schichten war es sicher nichts ungewöhnliches, wenn die Notdurft in Gegenwart von anderen verrichtet wurde. Ich jedenfalls errötete, auch wenn ich Chimerion den Rücken zugewandt hatte, so wie er es gewünscht hatte. Etwas später vernahm ich sein Seufzen, doch ich wartete noch ein wenig, bis ich mich wieder umdrehte und mich zu ihm setzte.
    Was er mir nun gestand, war mehr, als ich erwartet hatte. Es ließ mein Herz schneller schlagen. Er liebte mich und dafür verzichtete er sogar freiwillig auf seine Freiheit. Allerdings schmerzte es mich auch, als ich bemerkte, wie es ihn belastete. Huren und Sklaven echote es in mir, als er bereits fortfuhr.
    Sein Versprechen rührte mich fast zu Tränen. Ich umarmte ihn und sah ihn, trotz meiner Tränen mit überglücklichen Augen an.
    "Du weißt gar nicht, wie glücklich du mich damit machst, Chimerion." Dann küsste ich ihn. In Zukunft sollte er sich nicht mehr als Sklave fühlen, auch wenn er seinem Stand nach einer war. Das schwor ich mir.
    "Bitte nenne mich nicht mehr Herrin, wenn wir unter uns sind. Ich möchte, daß es dir an nichts mehr fehlen soll. Du sollst alle Freiheiten haben, nach denen es dich verlangt. Wenn du die Villa verlassen möchtest, dann sei es dir zukünftig gewährt. Und an Geld soll es dir auch nicht mangeln!" Vielleicht konnte dies ein kleiner Ersatz sein, für sein großmütiges Opfer, welches er eingens für mich und unsere Liebe in Kauf nahm.
    Sein Lächeln, es war so lieblich, nach allem was geschehen war. Er nannte mich Eurydike, denn er war mein Orpheus. Er war das, was mir gefehlt hatte, die letzten Wochen über und er konnte es mir ansehen, daß ich nicht glücklich gewesen war.
    "Ach, ich wünschte, ich könnte mit dir fort von hier. Dorthin wo wir weder Sklave noch Patrizier sind. Das wünschte ich mir!"
    Noch scheute ich mich, ihm vom fortschreitenden Scheitern meiner Ehe zu berichten. Eigentlich wollte ich darüber nicht nachdenken müssen, wenn ich bei ihm war.
    "Corvinus, er beachtet mich kaum und die Hochzeitsnacht war eher ein Trauerspiel zu nennen. Ich weiß nicht, wie ich das durchstehen soll." Bedrückt senkte ich meine Augen. Bisher hatte ich mit niemandem darüber gesprochen. "Deshalb brauche ich dich so sehr, mein Orpheus!"

  • Die Umarmung tat Chimerion gut, war es nicht nur ein Zeichen der Liebe sonder auch ein Zeichen dafür, dass Celerina ihm seinen Fehler endlich verziehen hatte. Erleichtert atmete er auf und wischte eine ihrer Tränen mit dem Finger weg. "Weine nicht, Herrin, alles ist gut", murmelte er in ihr Ohr, um sie zu beruhigen. Warum gingen ihm weinende Frauen immer so zu Herzen?
    Dann stockte er. War im das Wort Domina nicht schon wieder über die Lippen gegangen? Er würde sich zusammenreißen müssen, sie nicht mehr so zu nennen, wenn sie alleine waren und würde es wieder tun, wenn sie außerhalb ihres Cubiculums waren. Doch selbst wenn er es vergessen würde, könnte sie ihn immernoch schlagen, um den Anwesenden zu zeigen, dass sie keine frechen Sklaven duldete. Zumindest nach außen mussten sie den Schein wahren!!!


    "Ich danke dir, dass du mir die Freiheiten lässt, aber meine Bedürfnisse sind nicht sehr ausgefallen... Vielleicht ein oder zweimal im Monat in einen Lupanar und Geld? Was soll dich damit anfangen? Wenn ich mir die Freiheit erkaufen würde, wie würde es dann weitergehen?"
    Kopfschüttelnd setzte er sich auf und klopfte neben sich auf die Strohmatratze. Er hatte das Gefühl, Celerina würde für das was sie erzählen wollte jemanden brauchen, der sie auffing. Er zog seine Beine an und blickte ihr in die Augen.
    "Weißt du, ich denke dein Mann hat sich alle Mühe gegeben, aber ich dachte sowieso römische Frauen würden bei ihren ehelichen Pflichten an Rom denken und nicht an Liebe? Für alles andere hast du ja schließlich deine Sklaven... Oder zieht dein Mann dir Knaben im Bett vor?" fragte er vorsichtig. Er hatte einen Lustknaben gekannt, der reichen römischen Männern zu Diensten war und sich einige Privilegien dadurch erworben hatte. Alle nannten ihn nur Goldarsch, was vielleicht zutreffend war. Warum sollte sich ein Corvinus nicht auch einen Lustknaben halten? "Um Nachkommen zu zeugen wird es ausreichen, denke ich", spann er den Faden weiter.

  • "Ich weine vor Glück, Liebster! Denn du bist bei mir," erklärte ich ihm flüsternd in sein Ohr. Er alleine schien mir noch der einzige Fels in der Brandung zu sein, an dem ich mich festklammern konnte. Niemals wollte ich mich wieder von ihm trennen. Immer mehr entbrennte in mir der Wunsch, mit ihm weit fort von hier zu sein, an einem Ort, an dem uns niemand kannte. Ein einfaches und unkompliziertes Leben, danach sehnte ich mich. Im Grund bedeuteten mir all der Reichtum und der Luxus nicht viel. Auch wenn es nicht danach aussah, hätte ich gut und gerne darauf verzichten können. Aber auch Chimerion strebte nicht nach Materiellem.
    "Nimm dir, was du begehrst. Gleich was es ist, du sollst es haben," wisperte ich ihm zu.
    Er setzte sich und ich nahm sein Angebot an, neben ihn auf die Strohmatratze Platz zu nehmen. Auch ich winkelte meine Beine an und schmiegte mich an ihn. Wie er über meinen Mann und die Ehe, die wir führten, sprach, fand ich es doch schon fast amüsant.
    "Sich alle Mühe gegeben?" echote ich. "Weißt du, nach dem, was ich in meiner ersten Ehe erlebt habe, wollte ich nun einen Mann, der sich für mich interessiert und der zu mir paßt. Bei Corvinus hatte ich das Gefühl, das es so war. Es war zwar noch keine Liebe da als wir heirateten, aber ich hatte gehofft, das käme eines Tages." Chimerions letzte Bemerkung ließ mich entsetzt aufblicken.
    "Du meinst, er empfindet eigentlich gar nichts für Frauen, weil er sich eher Männern zugeneigt fühlt?" Darüber hatte ich noch niemals nachgedacht? Das erklärte einiges! Aber wie sollte es dann weitergehen? sollte ich den Rest meines Lebens mit einem Mann zusammen leben, der eigentlich am Morgen lieber an der Seite eines Mannes erwachte?
    "Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll! Ich will hier weg!" seufzte ich.

  • Chimerion küsste sanft ihre Stirn. "Nein, DU bist bei MIR, Herrin, auch wenn ich nicht weiß, was dein Mann sagt, wenn er erfährt, dass du dich in den Sklavenunterkünften aufhälst. Sobald es mir wieder besser geht, werde ich meinen Dienst wieder aufnehmen, ich denke zwei oder drei Tage, dann brechen die Wunden nicht mehr auf", erwiderte er noch beiläufig. Ein wenig wehmütig blickte er sie an. "Ich kann mir alles nehmen? Ich habe doch alles was ich brauche.... Dich!!! Und was deinen Ehemann angeht- Der weiß nicht was er an dir hat. Oder er zeigt es nicht oder vielleicht kann er es nicht zeigen, ich kenne ihn zu wenig. Ich kenne den Sklaven eines reichen Händlers in Germania, der hatte immer mehrere Lustknaben, war aber schon dreimal verheiratet. Ich glaube seine Frauen starben im Kindbett oder an einer Krankheit, so genau weiß ich das nicht mehr. Jedenfalls musste dieser Sklave auch öfters seinem Herren beiliegen. Ich hoffe dein Mann verlangt nichts derartiges von mir," meinte er dann, den Faden weiterspinnend.
    Er mochte garnicht daran denken, dass er auch seinem Herrn zu Diensten sein musste, wenn dieser es verlangte.


    Als Celerina ihm sagte sie wolle weg, nahm er sie in seine Arme, hielt sie einfach so und genoss das Gefühl des Zusammenseins. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. "Du könntest doch verreisen.... Zu Verwandten oder Freunden, dann hättest du einige Tage Zeit für dich", schlug er vor

  • Chimerion sprach etwas an, was ich die letzten Tage immer wieder zu unterdrücken versuchte. Es durfte einfach nicht geschehen, daß Marcus Wind von unserem Beisammensein bekam. Nicht auszudenken, wenn er davon erfuhr. Ich hatte versucht, so vorsichtig wie möglich zu sein. Nicht einmal Charis hatte ich eingeweiht. Nicht etwa, weil ich ihr nicht vertraute. Je mehr davon wußten, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, daß mein Geheimnis bald keines mehr war.
    "Er darf es nicht erfahren, Chimerion. Wir müssen vorsichtig sein." Bei dem Gedanken, was dann die Konsequenzen sein konnten, schüttelte es mich und ich schmiegte mich noch enger an Chimerion.
    "Ja, es ist vielleicht besser so.", sagte ich nachdenklich. Tagsüber konnten wir uns hinter unseren Rollen verstecken. Er als Sklave und ich als seine Herrin. Doch ich dürstete förmlich danach, wenn wir dann wieder unter uns sein konnten, wenn wir wir waren. Warum mußte nur alles so kompliziert sein?
    "Bitte laß uns nicht weiter über ihn sprechen. Er soll nicht auch jetzt noch beschäftigen. Du bist bei mir und alleine das ist wichtig! Und vertrau mir, ich werde es nicht zulassen, falls er dich jemals zu so etwas zwingen sollte." Ich sah es Chimerion an, wie sehr ihm dieser Gedanke zuwider war. Sanft liebkoste ich ihn und vergrub mein Gesicht an seiner Brust. Angesichts der Tatsache, daß er meine Gefühle erwiderte, war ich so glücklich und gleichzeitig war ich doch die unglücklichste aller Frauen, da sich unsere Liebe niemals voll entfalten durfte. Doch Chimerion brachte mich plötzlich auf eine Idee. "Ja, Liebster. Mit dir allein, zum Ende der Welt. Wo uns niemand danach bemisst, wer oder was wir sind. Einige Tage, nur mit dir! Das wäre schön!"

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