Auch wenn die Entfernung zwischen den Villen nur wenige Schritte betrugen, war ich doch froh um die Sänfte, in deren Inneren ich vor unliebsamen Blicken geschützt war. Niemand sollte mein verheultes Gesicht zu sehen bekommen und daraus womöglich Schlüsse ziehen können.
Auch als ich dann in der aurelischen Villa zurück war, hielt ich mich nicht länger als irgendwie nötig außerhalb meiner Räume auf. Ich wollte allein sein und niemanden sehen. Meiner Leibsklavin gab ich für den Rest des Tages frei.
Bevor ich mich in mein cubiculum zurückzog, gab ich Anweisung, Chimerion in einem separaten Raum unterzubringen, der sich allerdings auch im Sklaventrakt befand. Meine Intention war es, ihm einfach etwas Ruhe zu gönnen, nicht die Isolation zu den anderen Sklaven stand im Vordergrund. Später, wenn er wieder einsatzfähig war, wollte ich erneut drüber entscheiden, wo er verbleiben sollte.
Als allererstes befreite ich mich von meinen Kleidern und streifte mir eine recht einfache Tunika über, in der ich mich viel wohler fühlte. Den Rest des Nachmittages beschäftigte ich mich einmal wieder mit meinen Kräutern. Einfach deshalb, um nicht mehr in die Verlegenheit zu kommen, nachdenken zu müssen. Ich hatte heute eindeutig zu viel Blut gesehen, als daß ich mich zufrieden zurücklehnen konnte.
Die Tiegel und Töpfe in denen sich diverse getrocknete und frische Kräuter, Essenzen und Balsame befanden, hatten den Umzug gut überstanden. Wie besessen machte ich mich daran, aus verschiedenen Heilkräutern ein Balsam herzustellen. Damit vergingen einige Stunden. Stunden in denen ich nicht über meinen Sklaven nachdenken mußte.
Gegen Abend klopfte ein Sklave an meine Tür, der mich zur cena geleiten wollte. Doch ich lehnte ab. Ich hatte keinen Hunger. Erst viel später, ließ ich mir doch noch eine heiße Hühnerbrühe kommen. Die Köchin mußte mich deshalb wahrscheinlich verflucht haben. Mit Sicherheit hatte sie nur auf Nachzügler wie mich gewartet. Allerdings rührte ich die Suppe nicht an.
Zusammen mit einem Becher gemischten Wein, einem brennenden Lämpchen, einem Tuch und einem Töpfchen mit dem angerührten Balsam, welches alles auf einem Tablett Platz gefunden hatte, verließ ich mein Zimmer. Ich hatte mir eine Palla übergezogen und mir das Tuch etwas tiefer ins Gesicht gezogen, damit mich niemand sofort erkannte, falls mir jemand begegnen sollte.
Vereinzelt brannten auf den Korridoren noch kleine Öllämpchen, so daß ich nicht gänzlich im Dunkel tappen mußte. Da die Villa Aurelia wohl wie die meisten herrschaftlichen Häuser aufgeteilt war, fiel es mir nicht schwer, meinen Weg zu finden. Es herrschte eine fast unheimliche Ruhe. Die meisten Bewohner, ob es nun Herren oder Sklaven waren, schliefen bereits.
Vor der Tür im Sklaventrakt machte ich halt, balancierte das Tablett mit einer Hand um mit der anderen die Tür zu öffnen. Im Inneren herrschte Stille, nur ein leises Röcheln war zu hören. Ich trat ein und leuchtete mir den Weg. Mein Tablett stellte ich ab und besah mir den Sklaven, der vor mir lag.
Augenscheinlich schlief Chimerion schon oder immer noch. Sanft strich ich ihm über seinen Kopf, wo gestern noch sein langes Haar war, ehe ich mir den Verband ansah, den man ihm am Nachmittag auf seinen Rücken angelegt hatte. Sachte entfernte ich den Stoff und besah mir die Wunden, die immer noch zu bluten begannen. Dieser Anblick hatte etwas schockierendes. Er mußte schreckliche Schmerzen erlitten haben.
Das war mein Werk!