Büro des Marcus Vinicius Lucianus

  • Es wäre entgegen Phaeneas‘ Gewohnheit, sich über Arbeitsentlastung zu freuen. Aber es störte ihn auch kein bisschen, dass der Decimer nun als Lucianus‘ Sekretär fungierte. Schließlich nahm er dem Bithynier damit Arbeit ab, an der ihm nicht unbedingt lag, wenn sie ihm auch nie lästig gewesen war und nie lästig würde. Dazu war Decimus Verus ein äußerst höflicher Mann, erledigte seine Aufgaben gewissenhaft und mischte sich (in Hinblick auf die Sklavenschaft) in nichts ein, was ihn nichts anging. Und was kann man sich schon mehr wünschen. Selten bekam man als Unfreier so angenehme Mitarbeiter ins tägliche Umfeld gestellt.
    Nachdem ihm selbiger also mitgeteilt hatte, dass Lucianus nach ihm verlangte, machte sich Phaeneas auf den Weg zu dessen Arbeitszimmer. Wie üblich dabei darum bemüht, möglichst wenig nachzudenken, um nicht noch aus der Ruhe bringende Gedanken an einen nubischen Sklaven aus aurelischem Hause aufzubringen.


    Als er jedoch den Raum, in dem sich Lucianus innerhalb der Villa am meisten aufhielt, betrat, schien wieder so einiges an Schwere von ihm abzufallen, wie es schon immer gewesen war, seit Phaeneas Vertrauen zu ihm gefasst hatte. Ein Lächeln zur Begrüßung gesellte sich dazu. „Was gibt es, Lucianus?“ Ausgelassen klang seine Stimme schon fast, im Vergleich zu dem tiefen Ernst, der sonst gegenüber aller Welt aus ihr sprach.

  • Hungaricus – Lucianus‘ Bruder. In Germania hatte Phaeneas ihn schon beim damaligen Wechsel erlebt, als er Lucianus als Statthalter abgelöst hatte. Ansonsten war Hungaricus für den bithynischen Sklaven nur ein Name. Der Name von jemandem, von dem er wusste, dass der Betreffende seinem Herrn vergleichsweise sehr nahe stand.
    Und dieser Name würde nun samt der Gestalt, die Phaeneas flüchtig kennengelernt hatte, nach Hause kommen – wie Lucianus sagte. Dauerhafter in ihrer aller Leben treten. Das würde Veränderungen mit sich bringen, fragte sich nur, wie tiefgreifende.
    „Er wurde als Statthalter abgelöst?“, fragte er nach, vielleicht ein wenig rhetorisch, weil es ja eigentlich klar war.
    „Wird erledigt“, bestätigte er den Auftrag; den noch nicht einmal er selbst ausführen würde. Denn das bloße Weitergeben erachtete Phaeneas nicht als wirkliche Arbeit. „Gibt es sonst noch etwas, Lucianus?“

  • „Das ist selbstverständlich“, musste Phaeneas lächeln, um welche Dinge Lucianus manchmal ausdrücklich bat, das war schon nett mitanzusehen – und nachwievor ungewohnt für den bithynischen Sklaven. Aber er genoss es, darüber gab es gar keinen Zweifel, diese nahezu zuvorkommende Behandlung von Dienern.
    Das Lächeln gefror ihm allerdings auf den Lippen, als er sich erinnerte, was da vor wenigen Stunden in der Villa Vinicia angekommen war ...
    „Ach ja ... da ist noch was für dich abgegeben worden, Lucianus ... Einen Moment eben, dann zeig ich’s dir“, erklärte er zögernd, drehte sich dann um und verschwand aus dem Arbeitszimmer ... vorübergehend.

  • "Allerdings..... ich muss demnächst einen Bericht im Senat über meine Arbeit als Curator vortragen....... du hast nicht zufällig Zeit mir eine kleine Rede zu basteln? Und scheue dich nicht abzulehnen, wenn es dir nicht passt!"

  • Verus griff sich nachdenklich an sein Kinn. "Wie lang müsste diese Rede sein? Sicherlich vermag ich etwas zu basteln aber es mangelt mir an ausreichend Zeit für epische Werke über deine Person. Es ist schwierig Senatsreden zu formulieren, die wirklich überzeugen oder treffend sind. Ein schnöder Bericht erfüllt nicht den Zweck einer guten Rede," cogitierte Verus offen.

  • "Aber ein schnöder Bericht, mit ein paar netten Worten ausgeschmückt würde mir schon reichen..... keine Ahnung, warum der Consul jetzt plötzlich auf die Idee kommt, wir sollten Reden halten...... uns vielleicht auch noch rechtfertigen?!"

  • "Gut, ich werde mich daran setzen. Gib mir eine Stunde." - sagte Verus und nickte Lucianus zu, dann stand er auf. "Ich bin gleich wieder da." So zog sich Verus zum Nachdenken zurück. Verus setzte sich ins Atrium des Hauses, zückte seine Tabula sowie Griffel und begann zu schreiben. Natürlich würde die Ausarbeitung seine Zeit in Anspruch nehmen.


    Patres Conscripti,


    ich bin einer der euren und erfülle meine Aufgaben als Curator Rei Publicae mit der selben Hingabe zu Rom, wie als Senator, der hier unter euch weilt. Ich werde auch in Zukunft meine Aufgaben mit römischen Traditionen und Tugendhaftigkeit verbinden.


    Italia ist das Kernland unseres Reiches und verdient eine besondere Betreuung, einen besonderen Schutz und eine besondere Würdigung durch den Senat. Umso mehr bin ich froh, dass ich für diese Aufgaben ausgewählt wurde. Ich kann sagen, dass ich Italia mehr als schätze; es ist meine Heimat, genauso, wie die Urbs.


    Ich führte einige neue Beamte ein und entließ zwei unfähige sowie korrupte Diener Italiens. Dies war eine meiner ersten Amtshandlungen als ich die Verwaltung übernahm. Zudem bereiste ich die wichtigen Städte dieses sonnigen Landes. Ich hörte mir das Leid der Duumviri an. Ich schenkte jedem Bürger des Kernlandes ein offenes Ohr, wie es meine Aufgabe ist. Ich überprüfte die Wahlen und sorgte für die Einhaltung der öffentlichen Vorschriften. Des weiteren ist es mir eine besondere Ehre gewesen, die Straßen, die durch Italia führen, mit neuen Meilensteinen zu versehen, die deutlich lesbarer als die alten sind.


    Es sind zwar nur Kleinigkeiten, die ich hier berichten kann, jedoch freut mich die Tatsache, dass Italien blüht. Ich musste nur wenig dazutun, nur kleinere Probleme lösen.


    Vielen Dank.


    Nach einer Stunde kehrte Verus zurück, nahm wieder Platz und legte Lucianus die Tabula vor. "Hier. Ich habe versucht einen knappen Bericht mit einigen Redebrücken zu versehen, dass er sich flüssig spricht und vorträgt."

  • Verus lächelte. "Dann bin ich froh," sagte er und nickte Lucianus ebenso zu. "Hast du noch weitere Dinge zu besprechen? Wünsche? Themen, die du ansprechen möchtest? - Wenn nicht, würde ich gerne ein Thema ansprechen. Ein Thema, das mich sehr bewegt."

  • "Ich möchte auf meine alten Tage noch etwas Feuer in mein Leben bringen. Die Archive sind noch nichts für mich. Ich komme mir unter den alten Dokumenten, ebenso so alt vor. Ich wünsche mir wieder körperlich aktiv zu werden, anzuführen und nicht die Akten der Archive hin und her zu schieben," begann Verus. "Ich wünsche, die Vigiles kommandieren. Ich kenne den derzeitgen Kommandanten und dieser möchte alsbald in Pension gehen, sein Landgut erwartet ihn bereits. Ich bräuchte für diesen Wunsch Unterstützung beim Stadtpräfekten."

  • Ein kleines Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen


    "Nun, Decimus, ich kann deinen Wunsch verstehen, doch muss ich dir leider sagen, dass der Praefect und ich nicht unbedingt ein freundschaftliches Verhältnis pflegen..... aber du kannst mir ein Empfehlungsschreiben für dich aufsetzen und ich werde es gerne unterzeichnen."

  • Verus musste auch Lächeln. "Das ist nicht wichtig. Freundschaften spielen in der Politik selten eine Rolle. Es geht nur um Macht und Einfluss, leider. Ich befürchte, dass Rom aufgrund seiner Macht in der Welt damit geschlagen sein wird, immer in sich zerstritten zu sein. Nur der gemeinsame Traum von Rom hält unseren Staat zusammen. Ohne diesen Traum würde jede Familie ihre eigenen Interessen durchsetzen," philosophierte Verus offen.


    "Ich werde ein Schreiben aufsetzen. Gib' mir einige Momente." - sprach Verus und zog aus seiner Ledertasche eine Tabula hervor.


    Ich grüße dich, Stadtpräfekt Vescularius Salinator,


    ich schreibe dir diese Zeilen, da dein Klient, Decimus Verus, mir insgeheim seinen Wunsch geäußert hat, die Vigiles zu kommandieren. Er nannte mir die Tatsache, dass der jetzige Präfekt bald in den Ruhestand gehen wird und er gerne nachrücken würde.


    Leider scheut er dich direkt darauf anzusprechen, da du ein viel beschäftigter Mann bist, was ich durchaus nachvollziehen kann. Du stehst momentan im Zentrum Roms und hast viele Entscheidungen zu treffen. Doch Decimus Verus ist ein fähiger Mann, der auf sein Alter, die Gelegenheit erhalten sollte, sich noch einmal zu beweisen. Er beherrscht die Verwaltung und besitzt das militärische Erfahrungswissen, da er lange Zeit Offizier in der Flotte war. Er selbst hat sogar an einer Schlacht teilgenommen und diese siegreich für Rom entschieden. Zudem ist er lange in den Diensten Roms und hat vieles für Rom aufgegeben. Sein Status als ranghoher Ritter dürfte ihm diesen Wechsel auch erlauben, so dass ich von meiner Seite, eine Empfehlung für diesen Posten aussprechen kann. Ich kenne ihn und weiß um seine Talente, anzuführen und zu organisieren.


    Ich bitte dich seine Person für den Posten des Präfekten der Vigiles in Betracht zu ziehen.


    Unterschrift
    Senator


    Er reichte die Tabula Lucianus. "Hier," sagte Verus und lächelte dankbar. "Ich danke dir, dass du dies für mich tust. Du musst nur noch deine Unterschrift und dein Siegel in das Wachs drücken."

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