hortus | Leckerbissenjagd

  • Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein?
    Hör's näher und näher brausen.
    Es zieht sich herunter in düsteren Reihn,
    Und gellende Hörner schallen darein,
    Erfüllen die Seele mir Grausen.
    Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt:
    Das ist,
    Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.



    „Miez, miez, miez...“, erklang es zwischen den Büschen und den Sträuchern des aurelischen Hortes. Ein gar seltsam, oder soll man sagen, lustig, gewandeter junger Mann mit bräunlicher Hautfarbe und Kopftuch auf seinem Haupt hatte den Kopf gegen Boden gebeugt und schien irgendetwas zu suchen. Dem war auch so. Er suchte etwas, von dem er gerade vor 3 Sekunden einen Blick erhascht hatte. Die Katze seiner Herrin. Was für ein zartes Fleisch musste sie haben! Gar köstlich würde sie schmecken, auf sogdische Art zubereitet, so wie es seine Mutter manchmal getan hatte. Sie mochte ihre Kinder manchmal leicht vernachlässigt haben, aber eine großartige Köchin war sie gewesen, und auch Phraates dachte, er könne sicherlich eines ihrer besten Rezepte nachkochen.
    In Sogdien, in Nordwestparthien, war eine Spezialität der regionalen Küche Katze. Die Ktesiphoner aus Mesopotamien sagten immer scherzweise, es wäre eine Spezialität aus den Tagen, als Alexander der Große versucht hatte, die Städte Sogdiens auszuhungern. Allerdings war Katze, so wie sie die Sogdier zubereiteten, echt gut. Sie sagten, sie hätten ihr Rezept von den Tochariern, diese hätten es wiederum von den Kshatriyas, diese wiederum von den Dayuan, und diese wiederum von den Uiguren, welche es wiederum von jenem mysteriösen, riesigen Volk der Serer hatten, welche sich selber die Han nannten, deren Reich angeblich größer war als die von Rom und Parthien zusammen, beherrscht waren sie von mächtigen Kaisern, und hatten sich mittels einer gewaltigen Mauern von allem Fremden abgeschottet.
    Wie man sehen kann, wollte Phraates ein chinesisches Rezept ausprobieren. Saba, die Katze, sollte das erste Tier sein, welches in Europa als Chopsuey herhalten sollte. Es war ein Tier, welches garantiert keine Krankheiten hatte, und zudem wohlgenährt war. Die perfekte Wahl, dachte sich der junge Parther, lächelte und avanzierte auf einen Strauch zu, wo er die Katze vermutete.
    Natürlich war Phraates entschlossen, dieses Essen mit Charis zu teilen. Er würde es mit ihr zu Abend essen. Wie erfreut sie sein würde... da! Ein Schwanz lugte aus dem Busch hervor. Das blöde Tier hatte einfach den Schwanz herausgestreckt lassen. Das gab es doch nicht. Phraates grinste noch mehr, packte mit einem schnellen Handgriff den Schwanz und zog kräftig daran. Jetzt hatte er die Katze!


  • Seit jenem verhängnisvollem Spaziergang, bei dem Saba, der ganze Stolz ihrer Herrin, lediglich den flavischen Garten erkunden wollte, was ihr dann allerdings im Nachhinein als Fluchtversuch unterstellt wurde, fristete die Nachkommin der edelsten ägyptischen Tempelkatzen ihr Dasein an einer mit Edelsteinen besetzten Kette. Den ganzen Tag döste sie vor sich hin, aß das feine Fresschen, was ein Sklave, den ihre Herrin speziell für Sabas Ansprüche abkommandiert hatte, ihr servierte. Nur sehr selten gab es eine Gelegenheit, bei der die Katze nach draußen durfte und wenn dies einmal geschah, so hatte sie stets ihr Halsband zu tragen an dem immer auch die vermaledeite Kette befestigt war.
    Am Anfang trauerte Saba ihrer verlorenen Freiheit noch nach. Stundenlang saß sie miauend an der Tür, darauf hoffend, daß wenigstens einer der Menschen mit ihr Erbarmen hatte und öffnete. Als sie einsehen mußte, daß niemand ihr diesen Gefallen tat, begann sie an der Tür zu kratzen. Nein, Saba war gefangen und mit der Zeit lernte sie, es zu akzeptieren.
    Erst als ihre Herrin umzog und plötzlich alle ihre Möbel, Kleider und Sachen verpackt und weggebracht wurden, schöpfte sie wieder Hoffnung. Auch Saba wurde nicht zurückgelassen, Ihr Herrin höchstpersönlich war, es, die sie in ein Weidenkörbchen steckte und sie mitnahm.
    Als sie wenig später wieder das Tageslicht erblickte, war alles anders. Es roch anders, es sah anders aus und wie sie wenig später merkte, war auch ihr Essen etwas anders. Ihre Herrin hätte nicht nur den Koch gewechselt, nein sie war komplett umgezogen. Mit dieser Tatsache war Saba anfangs gar nicht zufrieden gewesen. Wie jede Katze, mochte sie keine Veränderungen. Schon gar nicht, wenn sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt war.
    Doch eines Tages geschah es! Ihr Sklave, der sie gebürstet hatte und sie dafür kurzzeitig von ihrer Kette befreit hatte, ließ sie einen Augenblick aus den Augen, als man nach ihm rief und er das Zimmer verließ. Dabei ließ er die Tür einen Spalt breit offen. Saba zögerte nicht lange. Dies war die Chance, um ihre neue Umgebung zu erkunden!
    Flink, wie sie war, huschte sie hinaus. Das war so aufregend! All diese neuen Düfte. An allem, was ihr interessant erschien, schnupperte sie, und lief dann weiter, bis sie schließlich den Weg in den Garten fand.
    Herrlich, diese frische Luft und die Sonnenstrahlen, die ihr weiches Fell erwärmten! Apropos Fell! Sie wollte unbedingt diesen widerlichen Menschengeruch loswerden und so beschloß sie, sich erst einmal zu putzen. Sorgfältig, wie sie das von ihrer Mutter gelernt hatte, strich sie mit ihrer rauen Zunge über ihr gepflegtes Fell. Sie blieb aber nicht lange am Ausgang sitzen, denn schließlich wollte sie nicht gleich wieder eingefangen werden. Nein, heute war ihr ganz persönlicher Glückstag und den wollte sie ausgiebig genießen. Sie stellte ihren Schwanz senkrecht nach oben und eilte zielstrebig dem Garten entgegen, vorbei an gutriechenden Blumen und dichtem Sträucherwerk, in dem man sich hervorragend verstecken konnte, wenn Gefahr drohte. Manchmal schnupperte sie an einer der Blumen, aber meistens mußte sie dann niesen. Was die Menschen nur an solchen Dingern mochten? Das blieb ihr ewig ein Mysterium.
    Doch plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. Da war etwas! Ein Mensch! Saba kannte ihn. Das war einer von denen, die sie nicht mochte. Dieser Tölpel! Er wollte sie doch tatsächlich mit miez, miez locken! Darauf fiel allerhöchstens eine unerfahrene und verspielte Jungkatze herein!
    Saba sträubte warnend ihr Fell und begann zu fauchen. Das dumme an Menschen war, daß sie einfach kein kätzisch verstanden, da konnte man sich noch so viel Mühe geben. Selbst die dümmsten Hunde wußten, was ein kätzisches Fauchen zu bedeuten hatte, nämlich nichts Gutes!
    Als der Mensch immer näher kam, begann sie zu knurren und verschwand dann in einem der Büsche. Dort wähnte sie sich in Sicherheit, bis… ja bis plötzlich jemand heftig an ihrem Schwanz zu ziehen begann.
    Innerhalb von Sekunden verwandelte sich das brave Stubenkätzchen in eine gefährliche wilde Bestie, kreischte laut und drohend auf, fuhr ihre Krallen aus und schlug sie in die Hand des Angreifers. Auch ihre spitzen Eckzähne ließ sie aufblitzen und biß ordentlich zu. Hier ging es, wenn nicht um ihr Leben, dann zumindest um ihrem freien Tag!

  • Mit „Miez, miez“ hatte es nun aufgehört. Stattdessen erklang ein deutlich hörbarer Schrei durch den ganzen aurelischen Garten. Er klang entsetzlich, als ob jemand gefoltert werden würde. Ein Schwall von grässlichen parthischen Flüchen folgte. Wer etwas Parthisch verstand, würde durchaus einzelne Begriffe, wie „Sauvieh“ oder „Dreckiges Biest“ aus den schmutzigen Wörtern, welche Phraates um sich schleuderte wie ein nasser Hund Wassertropfen, wenn er sich beutelt, herausfiltern können. Wäre dies der flavische garten gewesen, wären die Dinge um einiges leichter gewesen. Dort kannte sich Phraates gut aus, er wusste, wo welche Abbiegungen waren, was zu erwarten war. In diesem neuen Garten, den er gerade erst einige Tage zuvor gesehen hatte, wusste Phraates nicht, was als nächstes kam, was er erwarten sollte hinter jeder einzelnen Böschung, Abbiegung, Baum.
    Besonders blöd war es aber, wie immer, wenn man nicht die oberste Maxime des noblen geschäfts der Katzenjagd wusste – niemals – niemals der Katze am Schwanz ziehen, wenn man sie erwischt. Dies hatte Phraates missachtet, und er bezahlte den Preis dafür. Die scharfen Krallen rissen seine Haut auf, und zu allem Überfluss biss ihm das Vieh noch in den Arm. Vor Schmerzen war es also, dass Phraates so brüllte (nicht etwa, weil es ihm Spaß machte). Er ließ das Ding vor lauter Schmerzen fallen und blickte voller Schrecken auf seinen malträtierten Arm.
    In seinen Augen stieg etwas auf, was man von dem freundlichen jungen Sklaven selten gewohnt war – ungehemmte Wut. Mit einem dumpfen, kehligen Grollen stürzte er sich auf die Katze, doch verfehlte er sie – diese kleinen nervigen Dinger sind so wendig, hopsen ständig hin und her, da konnte man sich keinen Reim mehr daraus machen. Phraates verlor das Gleichgewicht und stürzte auf einen kleinen, sorgfältig gehegten, kugelrunden Buchsbaum neben dem Strauch, wo sich die Katze versteckt gehalten hatte. Die filigrane Pflanze knickte an ihrem Stamm um, und wurde durch das Gewicht des Parthers regelrecht in zwei Teile gestückelt, als der Stamm von oben her gespalten wurde, als Phraates hineinflog. Das ganze flog um, und Phraates mit. Er landete, inmitten eines Chaoses, bestehend aus den ruinösen Überresten des Buchsbaumes, am Boden, auf dem Rücken. Mit einem unterdrückten Wutschrei stieß er den komplett zerstörten Buchsbaum von seinem Körper herunter, wischte sich Geäst und Blätter aus seinem Gewand, bevor er aufsprang und hektisch herumblickte.
    Wo war die Katze? Da! Er hatte sie entdeckt und sprang ihr hastig nach. Er musste sie einfangen, das konnte nicht umsonst gewesen sein!

  • Das Rascheln der Blätter schreckte Marei auf. Wer war denn da? Bevor sie fragen konnte brach ein mittelgroßer Tumult aus, welcher sich als schreiender Mann mit fauchender Katze entpuppte! Mit gespitzten Ohren hörte sie dem fallendem Schwall Worte zu und merkte sich einige davon. Es konnte nützlich sein, solche Wörter zu wissen.


    "Du kannst die Katze doch nicht am Schwanz packen!" begann eine kindliche Stimme zu zetern und entpuppte sich als die von Marei. Diese hielt einen auf ihre Größe zurechtgestutzten Rechen und in der anderen einen Korb bereits aufgesammelter Blätter. Letzteren sie auf dem Boden abstellte.


    "Jetzt hast du den Salat, du dummer Mann!" Kopfschüttelnd sah sie dem davon springenden Mann nach. "Es wäre einfacher du stellst Leckerbissen in ihren Käfig und wartest bist sie drin ist. Oder du suchst ein wedelndes Mäuseschwanz-Bändchen.. zum Spielen. Jetzt denkt sie sicher, du willst mit ihr Fangen sopielen und kommt gar nicht erst wieder rein ins Haus." rief sie ihm nach und nahm den Korb wieder auf.


    Der vorletzte Blätterhügel wartete darauf von ihr zusammen gerecht zu werden und dann noch einer. Danach endlich war sie mit der Gartenarbeit fertig! Pfftt.. es war eine einfach zu erledigende Arbeit, doch der Rechen wurde mit jedem Zug über das Gras immer schwerer. Zurück zur umherstreifenden Katze. Sollte sie dem Mann helfen? "Katzenfrolleinchen.. Spatzerl.. Mauserl.. komm her.. du kleine Räuberin.. ja gucke mal herüber..." flötete Marei und wedelte mit einem Blatt.


  • Saba, die in direkter Linie aus dem Schoß der Göttin Bastet selbst abstammte, konnte in friedvollen Zeiten allerhöchstens kleinen Nagern etwas zuleide tun. Doch die Vorgänge an diesem Tag, der doch so beschaulich und hoffnungsvoll begonnen hatte, war alles andere als friedvoll. Der Mensch hatte ihre Krallen und auch die Spitzen ihrer Zähne ordentlich zu spüren bekommen, was ihn auch deshalb veranlasste, die Katze von sich abzuschütteln. Wie es denn so Brauch bei Bastets Töchtern war, landete Saba auf ihren vier Pfoten und trat, schneller als gesehen, die Flucht an.
    Das Herz der kleinen zierlichen Katze wollte sich schier überschlagen, denn der Mensch wollte selbst nach dieser, für ihn doch recht schmerzlich verlaufenen Attacke, nicht aufgeben. Dank ihrer Flinkheit und Raffinesse, gelang es ihr in einer undurchdringlichen Hecke, die nebenbei bemerkt über ziemlich spitze Dornen verfügte, Unterschlupf zu finden. Dort blieb sie erst einmal. Hier war sie in Sicherheit, denn sie wußte, die tumben Menschen in all ihrer Größe waren bei weitem nicht so wendig, wie die Krone der Schöpfung - die Katze. Auch waren ihnen Dornenbesetze Sträucher und Büsche im wahrsten Sinne des Wortes ein Dorn im Auge.
    Emsig begann sich Saba zu putzen, damit sie den scheußlichen Menschengestank los wurde. Kaum hatte sie mit der Fellpflege begonnen, vernahm ihr empfindliches Gehör das Schreien eines Kindes. Saba hielt inne und lauschte. Diese Stimme kannte sie noch nicht. Ein wenig erinnerte sie sie an die Stimme des kleinen Jungen, der sie damals zu ihrer Herrin gebracht hatte. Im Allgemeinen mochte Saba diese kleingewachsenen Menschen. Wenn sie nicht von Grund auf verdorben waren, so konnte dies wahre Unterhaltungskünstler sein. Allerdings gab es auch recht viele Plagen unter ihnen, die nur darauf aus waren sie zu fangen oder noch schlimmer, sie in Menschenkleidung zu stecken. Letzteres hatte Katze von den weiblichen Menschenzwergen zu erwarten.
    Saba jedoch ließ sich vorerst nicht beirren und blieb dort, wo sie war. Jedoch als das Kind seine Stimme anhob und es die schönsten Kosenamen aussprach, die Mensch einer Katze verleihen konnte, wurde sie doch schwach. Mit ihrem Näschen versuchte sie den Geruch des Menschenkindes, welches ihre Neugier geweckt hatte, einzufangen. Vielleicht lockte sie sie a auch mit etwas essbarem. Aber auch wenn nicht, geschah es schließlich, daß die Katze sich dem Rand des Gebüsches etwas näherte. Allerdings verweilte sie vorerst noch im Schutz der Dornen. Mit einem freundlichen Miau machte sie sich schließlich bemerkbar. Ihren Verfolger indes, hatte sie schon beinahe vergessen.

  • Phraates war ein gläubiger Mensch. Er glaubte an die Allmächtigkeit von Ahura Mazda, die diabolische Boshaftigkeit von Ahriman, das gütige, ausgleichende Element, welches durch Mithras symbolisiert wurde. Und er mochte andere Glauben nicht. Nicht den römsichen Glauben, und schon gar nicht den ägyptischen. Hätte er gewusst, dass man der Patrizierin die Katze als Nachkomme von der durchau katzenköpfigen Gottheit Bastet verkauft hätte, hätte er lauthals aufgelacht.
    Aber so sah er nur einen Leckerbissen. Ein Braten auf 4 Beinen, ein wandelndes Steak, das Hackfleisch, bevor es auf den Teller kommt. So sehr er sich konzentrierte, so weiter weg schlüpfte die Katze... in einen verdammten Strauch hinein. Der junge Parther wollte sich, todesmutig, gerade auf den Strauch stürzen, da wurde er plötzlich der Stimme eines Kindes gewahr. Eine laute Stimme.
    Er fuhr herum und starrte ungläubig in das Gesicht des Kindes, welches ihn auszuschimpfen schien. Wie? Dummer Mann? Sie wagte es, so mit ihm zu reden? Bevor er was erwidern konnte, drang ihm die Stimme der Vernunft ins Hirn. Sie hat erstens recht. Und zweitens, du bist nicht mehr Savaran des Großkönigs, sondern nur noch Sklave, also, nicht aufspielen! Er tat das, was er immer tat, wenn er in die traurige Realität geworfen wurde – er ließ seine Schultern einsacken. „Du habest... hast... Recht!“, machte er mit tieftrauriger Stimme. „Ich bin keine gute Fänger. Mach du. Bitte.“, forderte er sie auf und ging schnell in Deckung, hinter einem Busch. Ob die Katze darauf reinfiel?
    Bisher hatte Phraates Katzen immer für intelligente Geschöpfe gehalten. Er hatte gedacht, natürlich wird die nicht herauskommen. Sie wird sich im Strauch verschanzen. Er blickte schon desillusioniert weg, in Gedanken sein verdientes Mahl zeitlich nach hinten verschiebend. Katzenbraten! Er hatte es oft und gerne gegessen! Die sogdische Köchin, die sie gehabt hatten, hatte es immer zubereitet. So gut war es gewesen! Natürlich musste man gesunde Katzen dafür nehmen. Man konnte keine Katzen von der Straße nehmen. Nein, es war für Phraates von Anfang an klar gewesen, dass er eine Katze von den Herrschaften nehmen musste. Und wessen Fleisch könnte zarter sein als das von der verhätschelten Saba?
    So war der Plan in ihm gekeimt. Schnell und unbemerkt an die Katze kommen, sie töten, dann braten, sie verspeisen – mit Charis natürlich, so etwas wollte er ihr nicht vorenthalten – und dann die Überreste verschwinden lassen. Und, natürlich, das Fell am Markt verkaufen. Ein paar Sesterzen waren da immer drinnen.
    Und dies alles hatte er schon davontreiben sehen. Doch nun wurde ihm bewiesen, als er wieder zum Strauch sah, dass Katzen wohl doch nicht so viel Hirn hatten, wi ihnen allgemein bescheinigt wurde. Phraates‘ Augen wurden zu Stielen. Unkontrolliert begann er zu sabbern. Katze... Katze... ESSEN! Jetzt!
    Ohne die Folgen seiner Tat zu bedenken, stürzte er sich auf die Katze hinauf, kurz bevor jene bei der kleinen Sklavin (oder war es ein Sklave? Phraates war sich nicht sicher) ankam. Er stürzte durch den Busch hindurch, dabei Äste und Zweige abknickend, dass die halbe Krone abgesäbelt wurde. Er flog auf die sorgfältig gerechte Erde, auf die Katze hinauf, dabei sich selber mit Dreck besudelnd und die Erde in Unordnung bringend. Das machte nichts, er musste die Katze fangen! Seine Hände langten nach ihr, umschlossen sie abermals, wie schon vor ein paar Minuten... endlich am Ziel! Er hatte sie! Er wurde einen Moment vor lauter Freude ganz unaufmerksam – es wäre nun wohl der perfekte Moment für die Katze, zuzuschlagen.

  • Aha, da war die vierpfötige Fellträgerin zu hören. Dank des schattigen Busches etwas schwer zu erkennen. Marei blieb hocken und wedelte lockend mit dem Blätterstiel. "Ah, da bist du, kleine Tigerin. Hat dich der dumme Mann doch einfach am Schwanz gepackt! Tztztz.. er weiss es jetzt hoffentlich besser, dass dies nicht gut für ihn war. Nicht wahr?! Zu wehren weisst du dich ganz gut, ne? Mir würde es auch nicht gefallen so gepackt zu werden, weisst du?"


    Sie liess den Blick schweifen und sah Phraates in der Nähe stehen. "Wenn du still und brav bist, zeige ich dir, wie man einen Vierbeiner zu sich lockt und auf den Arm nimmt." erklärte Marei spitzbübisch und gefiel sich in der augenblicklichen Rolle einer Lehrerin. Der Mann aber bewegte sich wieder hinter einen Busch. "Wieso versteckst du dich? Du brauchst keine Angst zu haben! Das ist eine Katze. Die will nicht 'so' gefangen werden. Sie will spielen oder gar hinter den wunderbaren Federbüschel-Öhrchen gekrault werden. Weißt du wie die Fellnase heisst?" plapperte Marei weiter.


    Phraates stürzte sich trotz des vorherigen Misserfolges noch einmal auf die Katze! Ein empörter Schrei entwich ihrer Kehle. "Oh, du dummer Mann! Lass sie sofort los!" Marei sprang auf und griff nach dem Rechen, welchen sie kurzerhand umdrehte. "Bist du von Sinnen!?" schrie sie, so laut sie konnte. Mit der stumpfen Spitze des Stieles stiess sie nach Phraates Körper, wobei des schwache Stupser waren, vielleicht nicht mehr als kitzlige Stiche in seine Taille. "Das ist eine Katze! Die wird dich zerkratzen und verunstalten!" Mareis Stiel verfing sich in den Zweigen und verhakte sich auch noch. Jetzt stampfte Marei mit den Füßen auf und verlegte sich aufs Weinen. "Lass sie los! Biittee... du tust ihr weh!"



  • Bastets sanftmütige Tochter fasste Vertrauen zu dem Kind und begann zu schnurren. Dies tat sie, um einerseits ihrer Sympathie gegenüber dem Menschenkind Ausdruck zu geben und andererseits um sich von dem schreckhaften Erlebnis mit dem Katzenjäger zu erholen. Das Schnurren hatte eine ungemein beruhigende Wirkung auf Katze und Mensch gleichermaßen, wie sie schon oft feststellen konnte. Und auch diesmal war es nicht anders. Das Mädchen sprach weiter auf sie ein, mit ihren ruhigen gutmütigen Worten. Saba verstand zwar keines ihrer Laute, doch wußte sie, wie sie das Gesprochene zu deuten hatte. Zum Dank trat sie noch etwas näher an das Menschenkind heran und liebkoste ihre Hand, indem sie ihr zartes Köpfchen und ihre Seite daran rieb. Ja, Saba fühlte sich wunderbar geborgen und hatte, so wie es schien, eine neue Freundin gefunden… , wäre da nicht, ganz plötzlich, wie aus heiterem Himmel, dieser widerwärtige Mensch auf sie hernieder gesprungen und hätte sie mit beiden seiner Pranken gepackt.
    Saba wäre beinahe gestorben vor Schreck. Sogleich begann sie sich wieder wild umher zu winden, um sich abermals aus den Fängen dieses Irren zu befreien. Ein lautes drohendes Miauen, kündete davon, in welch mißlicher Lage sie sich befand. Fauchend, kreischend, kratzend und zubeißend, setzte sie sich wieder zur Wehr. Nur schien diesmal der Mensch die besseren Karten zu haben. Wenigstens setzte sich ihre kleine Freundin für sie ein und beschimpfte den Mann, was allerdings wenig Eindruck auf diesen machte. Doch so schnell wollte Saba noch nicht aufgeben. Sie wehrte sich immer weiter fort und man konnte ihr ansehen, daß der Spaß aus ihrer Sicht längst vorbei war. Wenn jetzt kein Wunder geschah, dann war sie verloren!

  • Geschmäht als dummer Mann (die Kleine hatte wirklich keine böseren Schimpfwörter auf Lager) landete Phraates, der keine Wahl hatte, als die Kleine zu ignorieren, auf der Katze oben. Gut gepackt, musste er sich selber innerlich loben, als er die Katze, in einem starken Klammergriff eingezwängt, hochhob. Mühevoll stand er auf und grinste. Katzenfleisch! Wie sehr hatte er diese Delikatesse vermisst. Es war zart und weich, wie köstlich müsste es von diesem verhätschelten Vieh sein! Wie Schwein war das Fleich, das wusste er, nur würziger. Wundervoll. Er malte sich, triumphierend auf die Katze blickend, schon aus, wie er sie zubereiten würde. Braten oder doch kochen? Hm, vorsichtig gesottene Katze würde gut sein. Oder sollte er sie doch braten? Durch ein nettes kleines Feuerchen würde sie ohne Zweifel in Bälde in Kürze en point sein. Oder vielleicht war es doch besser, die Katze zu panieren und zu backen. Oder zu dünsten. Doch letztere beide Vorschläge verwarf er. Katzenschnitzel, oder pikant gedünstete Katze, waren wundervoll, doch er hatte weder die materialien noch die Zeit für so etwas.
    Er würde sie wohl braten, das würde den Geschmack am Besten... „He! Stoße mir nicht!“, erboste sich Phraates, als die Kleine in seine Richtung zu stochern begann. Nicht, dass es weh tat, aber es war unangenehm. Und jetzt begann sie auch noch zu heulen. Großer Ahura Mazda, schmeiß Hirn vom Himmel! Er wandte sich zu ihr und seufzte. „Schau, nicht weinen! Ich werde der Katze braten! Du kannst mit wir essen! Es wird sehr gut!“, versicherte er ihr und lockerte die linke Hand von der Katze, unbewusst, um eine Geste zu machen. „Es ist die Natur, wir essen... aaaaaahhhh!“ Hatte ihm das blöde Vieh tatsächlich jetzt in den Finger seiner linken Hand gebissen? Er machte einen Schritt zurück, wieder unbewusst, stolperte über eine Wurzel und flog nach hinten, knickte dabei einen weiteren Strauch um, und landete inmitten von einem Haufen von Blättern und Zweigen, den die malträtierte Pflanze ließ, weich am Boden. Wieso so weich?
    Er hob den Kopf und sah es. Es war sorgfältig aufgelockerte Erde. Rund um ihn herum standen exotische Pflanzen. Er erkannte sie sofort, Orchideen. Was pflanzt man bloss Orchideen an? Im Hochland von der Persis gab es sie nicht, aber an der Küste des persischen Golfes gab es Stellen, wo dieses Unkraut, diese Schmarotzer alles überwucherte. Dort wurden sie abgehackt, damit sie sich nicht weiter ausbreiten konnten. Auf jeden Fall war das nichts, was man im Garten haben sollte, dachte sich Phraates.
    Als er sich erhob, sah er, dass er schon ein paar Blumen durch sein Körpergewicht zerquetscht hatte. Wo war jetzt bloß die Katze hin? Er hüpfte auf, seine blauen Flecken standhaft ignorierend. Er war jetzt schon so weit gekommen, jetzt würde er nicht aufgeben!

  • Zärtlich streichelte sie den weichen Katzenkopf und bewegte die Fingerspitzen hinter die Ohren. Oh mann, was war das für ein angenehm weiches Fell, welches die Katze trug. Behutsam streichelte sie den wohlgeformten Katzenkopf und betrachtete die Schnurrhaare. Kurz nur zuckte die Achtjährige zusammen wie sie das Schnurren in den Fingerkuppen erspürte... es war ebenso angenehm wie das weiche Fell. "Na.. Tigerin.." versuchte sie der Katze zu schmeicheln und stob beim Anblick eines herannahemden Schattens erschrocken zur Seite.


    Phraates bemächtigte sich abermals der Katze. Das Opfer in seinen Händen wehrte sich mit aller Macht.. soviel Macht schien Marei nicht zu haben. Na, wenigstens redete er mit ihr.Sie stellte das Stoßen umgehend ein und schüttelte den Kopf. "Ich hör erst auf, wenn du die Katze loslässt!" Die Tränen waren längst schon auf ihren Wangen runtergerollt. Die Wangen färbten sich rot. "Braten? Du willst die Katze braten? Oh mann.. du bist echt dumm! Man brät keine Katzen. Hühner und Kühe und Schweine kannst du braten aber keine Katzen! Lass sie doch endlich los.. bitteee..."


    Die Katze hatte eine empfindliche Stelle getroffen. Marei wollte der vierpfötigen Tier ihre Arme entgegenstrecken besann sich aber noch rechtzeitig. Bestimmt wollte die Katze jetzt keine Arme mehr sehen, daher zog sie die Arme zurück. Marei stellte sich Phraates in den Weg, doch dieser lag in einem Strauch und stand sogleich wieder auf. Schau einer mal an wie er jetzt aussah. Ihre Wut auf den Mann wandelte sich mit einem Male in herzhaftes Lachen um. "Hihihi.. hohoho... das.. sieht.. lustig aus... hihihi... die langen Stiele... du siehst aus wie ein Stier." lachte sie und hielt sich vor Lachen den Bauch. "Hihihi...."


  • Die göttliche Bastet selbst mußte ihre Finger im Spiel haben, denn so viel Glück konnte ein einziges Katzenwesen nicht innehaben. Die Göttin hatte ihr abermals einen Weg zur Flucht geebnet und diesmal würde sie sich nicht von den geschmeidigen Worten, unschuldig anmutender Kinder verlocken lassen. Saba machte einen Satz und verschwand in den nahen Hecken. Und nicht genug! Von hieraus rannte sie weiter, bis sie schließlich einen für ihre Zwecke nützlichen Baum fand. Selbstredend waren ihr die Geschehnisse noch gut in Erinnerung, als sie das letzte Mal auf einen Baum geklettert war. Doch diesmal würde es keiner dieser schrecklichen Menschen wagen, sie vom Baum zu holen! So als wäre es ihr übliches Tagewerk, erklomm sie mit wenigen Sätzen den Baum und blieb auf einem kräftigen, mit genügend Blättern ausstaffierten Ast sitzen. So schnell würde man sie hier nicht entdecken. Nun, da sie sich in Sicherheit wähnte, war erst einmal die Zeit gekommen, sich der intensiven Fellpflege zu widmen.


    Derweil im Inneren der Villa


    Ich wußte sofort, daß etwas nicht stimmte! Wenn ich meine Katze nicht in meiner Umgebung wußte, dann fühlte ich mich nicht wohl. Der Umzug alleine war schon eine große Belastung für das Tier gewesen, hassten Katzen doch nichts mehr, als sich von einem Ort zu einem fremden begeben zu müssen.
    Unmöglich, daß ich hier herumsaß und darauf wartete, bis einer dieser nichtsnutzigen Sklaven mir meine arme Saba wieder brachte. Derjenige unter den Sklaven, der sie hatte entwischen lassen, konnte sich sowieso warm anziehen!
    Diesmal wollte ich es nicht irgendeinem Dilettanten überlassen, der sich mit Felinen überhaupt nicht auskannte. Diesmal machte ich mich höchst selbst auf den Weg. Nur Charis eilte mir hinterher, als ich den Garten betrat und "SABA!!!" brüllte.

  • Die Herrin war außer sich, als sie bemerkt hatte, daß ihre Katze nicht mehr da war. Wie eine Furie hatte sie in ihrem cubiculum herumgewirbelt und jeden aufs übelste beschimpft, der es gewagt hatte, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Wenn es um ihr Katze ging, war mit ihr nicht gut Kirschen essen. Den anwesenden Sklaven brach der Angstschweiß aus, wenn die Herrin zufällig an ihnen vorbei schritt und sie anstarrte. Einfach jeden machte sie dafür verantwortlich, daß es diesem dummen Vieh gelungen war, zu türmen. Was im Grunde ja ganz normal gewesen war, denn weder Mensch noch Tier liebte es, eingesperrt zu sein. Höchstwahrscheinlich wäre die Katze einige Stunden später von alleine wieder zurückgekehrt, nachdem sie ausgiebig ihre Freiheit genossen hatte. Aber da Celerina nun einen Staatsakt daraus machte, war daran nicht mehr zu denken. Da blieb auch Charis nur eines übrig, ihr zu folgen, als sie in den Garten stürzte, um sich nun selbst auf die Suche zu machen. Wie von Sinnen schrie sie nach ihrer Katze. Allein dieses Geschrei hätte jedes normale Lebewesen verscheucht.
    "Beruhige dich doch, Herrin!" beschwichtigte sie die Flavia, die sich allerdings überhaupt nicht beschwichtigen lassen wollte. Mit einem vorwurfsvollen Blick bedachte sie die Sklavin und schritt an ihr vorbei, ohne sie auch noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Leise seufzend folgte ihr Charis schließlich und das war auch gut so, wie sich später noch herausstellen sollte.

  • Phraates war stinksauer. Wirklich stinksauer. Wieso brachte man ihn um sein wohl verdientes Mahl? Wieso konnte Ahura Mazda bloß so streng mit ihm sein? Er wandte sich an das Mädchen, welches sich ganz köstlich amüsierte obseines leicht derangierten Äußeren. Einen verärgerten Blick bekam sie. „Haha! Sehr lustig!“, rief er sarkastisch und wischte sich die Blumenstiele vom Turban, wo tatsächlich 2 herausstanden wie bei einem Insekt. Grüne Flecken würden bleiben.
    Phraates verlegte sich nun durchs Rennen. Quer durchs Blumenbeet lief er, im wahrsten Sinne des Wortes, bevor er sich umwandte und gerade noch sah, wie die Katze an einem Baum emporhuschte. Er begann zu grinsen. Das Biest musste sich wohl entsetzlich gut vorkommen. Doch jetzt war die Zeit des Entfliehens vorbei. Er stürzte, wieder quer durch das Blumenbeet, als er mit seinem rechten Fuß in der Erde hängen blieb und hinfiel, dabei einen nicht ungewaltigen Teil der Blumen zerstörend. Er brüllte zornig auf, rappelte sich auf, und stürzte aus dem Beet hervor. Er hatte in seinem Herumrennen ungefähr 80 Prozent der Orchideen zerstört. Was ihm nichts ausmachte. Energisch schritt er durch die Hecken, den einen oder anderen Setzling gnadenlos mit seinen Füßen zerstörend, bevor er sich unter dem Baum in die Hocke ging. Das blöde Vieh hielt sich wohl besonders klug. Aber das war es nicht. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Grinsen ab, als er seine Muskeln spannte, nach oben sprang, den Ast ergriff, ihn durch brutale Kraft abbrach und die darauf sitzende Katze packte. All dies geschah in einer Sekunde, vielleicht 2. Seine schmutzige Hand packte die Gurgel der Katze, drückte zu und hielt die Katze weit von sich weg.Hab ich dich!“, brüllte er, auf parthisch. Ahura Mazda sei Dank! Ich habe dich! Jetzt wirst du gemetzget!“
    Mit einem fast schon irren Grinsen ließ er seine linke Hand nach vorne schnellen. Er hielt ja mit der rechten Hand die Katze fest. Die linke nun platzierte er auf dem Kopf der Katze. Schnell und effizient musste das gehen, dachte er sich.
    Er atmete noch einmal tief ein, als er zu der Bewegung ansetzte, die das Schicksal der Katze besiegeln würde – ein kurzer Ruck nach rechts, und das Tier würde den Geist aufgeben. Sein Griff verstärkte sich und seine Muskeln spannten sich, sowie das Wasser in seinem Mund zusammenrann.

  • "Hihihi...." wimmerte Marei kichernd und wischte sich weitere Tränen aus dem Gesicht. "Ja.. sogar sehr lustig!" neckte sie den armen Phraates und hörte andere Menschen näher kommen. Es musste eine Frau sein.. die brüllte nämlich einen Namen. Klang der nicht genauso so wie der Name der Katze? Das konnte doch nicht ihre Herrin Celerina sein, die näher kam. Dann musste Chrais in der Nähe sein. "Hieeerrrr.... hierrr..." begann Marei zu winken und zu rufen zugleich auf die Aufmerksamkeit der Frauen hoffend. "Saba.. die Katze ist hier..." rief sie aus und wandte sich wieder Phraates zu.


    Oh Schreck.. er war weg! Das kleine Mädchen verstummte. "Phraates?" fragte sie ganz leise und rief nach dem Ausbleiben einer Reaktion seinen Namen lauter aus. "Phraates?" Marei lief los. Sie folgte am besten der Spur der Zerstörung. Wieder sah sie sich suchend um und entdeckte den Mann. "Oh nein.. nicht doch!! Lass die Katze in Ruhe!" begann sie zu jammern und deutete auf den Baum. "Da ist Saba! Oh, pass auf, Saba!!" Sie begann das Leben der Katze zu bangen und hatte Tränen in den Augen.

  • "SAAABAAA!!!" schrie ich aus vollem Halse, wie es für eine Frau meines Standes doch recht unüblich war. Doch das interessierte mich nicht im Geringsten. Nur das Wohl meiner Katze stand im Vordergrund. Und sollte ich tatsächlich davon Wind bekommen, wer dafür verantwortlich war, daß Saba entwischen konnte, dann konnte der sich warm anziehen! Heute war ich zu keinerlei Späßen aufgelegt. Je länger sich die Suche hinzog und ich im ungewissen war, desto missmutiger wurde ich. Wild hektisch sah ich mich nach allen Seiten um, reagierte auf jedes Rascheln in den Büschen. Doch der Erfolg blieb aus. Die schlimmsten Vorahnungen beschlichen mich, was mit meiner Katze geschehen war. Vielleicht hatte man sie sogar geraubt, wegen ihres zarten Fells.
    Plötzlich hörte ich jedoch das Rufen eines Kindes. Wenn ich mich nicht irrte, war das Marei. ZU meinem Bestürzen wandelte sich ihr Rufen in ein Jammern. Nun ging ich nicht mehr ich rannte! Auch wenn dies unschicklich war. Das Leben meiner Katze war in Gefahr!
    Ich näherte mich dem Ort, woher die Stimme kam. Es war dort, wo Marcus die Orchideen hatte pflanzen lassen. Die schönen Orchideen! Meine Lieblingsblumen! Wunderbare exotisch anmutende Pflanzen, die einen langen beschwerlichen Weg hinter sich gebracht hatten, ehe sie hier in Rom an die Villa Aurelia verkauft worden waren. Genau deshalb waren sie teuer und wertvoll. Bereits die unsachgemäße Pflege führte zu einem herben Verlust.
    Statt wunderbar blühender Exoten fand ich ein Schlachtfeld vor. Jemand war durch die Orchideenbeete getrampelt und hatte alles zerstört! Und wenn ich sage alles, dann meine ich auch alles. Zertretene Knollen, abgebrochene Stiele. Niedergetrampelte Blütenstände.
    "Oh Flora! Welcher lebensmüde Crétin war das?", rief ich entsetzt. Ich sah mich um, als wäre ich an einem fremden Ort gelandet und wurde nun dem vollen Ausmaß der Zerstörung gewahr. Fast alle Orchideen waren im Mitleidenschaft gezogen worden. Vor mir hörte ich wieder das Rufen Mareis. Was konnte ein Monstrum, das meine Orchideen zerstörte, denn nun noch meiner Katze antun? Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Noch einmal rief ich mit fester Stimme nach meiner Katze und setzte dann meinen Weg fort. Ich mußte ja nur den Zerstörungen folgen. Schließlich erreichte ich Marei, die neben einem Baum stand. Dort erblickte ich auch dann vermaledeiten Parther, der im Begriff war, meine Katze zu töten.
    "Du widerliche Kreatur! Laß sofort meine Katze in Frieden! Hilfe! Dieser Barbar will meine Katze umbringen!" Ich war ganz hysterisch. Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, stürzte ich mich nun auf den Irren, um Saba zu befreien.

  • Katzenbraten, Katzenbraten, ja das macht den Parther froh. Reimte sich nicht, stimmte aber, vor allem, wenn man Phraates anschaute, der drauf und dran war, Saba den Garaus zu machen. Gerade wollte er seine lebensbeendende Handbewegung machen, da machte ihm das Mädchen einen Strich durch die Richtung.
    „Kschhhh! Geh weg!“, mahte Phraates ärgerlich zu Marei, der Petze. Er wandte sich weg von ihr und suchte wieder die Katze abzumurksen, doch es war zu spät. Das Gebüsch teilte sich, und die Flavierin stampfte heraus, wutentbrannt, mit der Energie einer heronschen Dampfmaschine. Hatte sie nicht eben nach ihrer Katze gerufen? Genau, das musste dieser seltsame Laut gewesen sein, den er zuvor gehört hatte, dem er aber nicht viel Bedeutung geschenkt hatte. Und sie begann ihn zu beschimpfen, und, was das Beste war, sie stürzte sich auf ihn.
    Wäre Phraates nur einen winzigen Zacken weniger beherrscht gewesen, wäre er jetzt mit einem lässigen Schritt beiseite getreten, hätte Celerina von hinten zu Boden gestoßen, sich dann mit seinen Knien auf sie fallen lassen und sie somit zu Boden gedrückt; jawohl, er hätte sie Staub schlucken lassen, wie sie es verdient hatte. Aber ein Soldat wusste, wann eine Schlacht gewonnen, und wann eine verloren war. Mit einem leisen Seufzen ließ er die Katze sein. Er ließ sie fallen. Saba war schon sichtlich arg ramponiert, und sicherlich würde sie jetzt ohne Verzug schleunigst verschwinden. Aus Phraates‘ Augen kullerte eine Träne – er weinte dem ihm verlustig gegangenem Essen nach. Was für ein Pech aber auch!
    Nur, das Barbar, das verbat er sich aber. Das war er nicht. Er war nur Feinschmecker auf der Suche nach Geschmackserfahrungen. Das war nicht barbarisch, sondern im Gegenteil ein Indiz von Kultur und Zivilisation. Barbaren waren diejenigen, die tagein, tagaus, abenteuerunlustig, nur ihren langweiligen Brei schlabberten.
    Phraates wusste, sich wehren, war vergebens, und so ließ er die Patrizierin sich auf ihn stürzen. Ahura Mazda, großes Feuer, behüte mich, dachte er nur sich, als er die Furie, inklusive hassverzerrtem Gesicht auf sich zufliegen sah.

  • "Neeinn.. ich geh nicht weg.. bitteee.. lass Saba loooss!" bettelte Marei den kauzigen Parther an. Die Katze bangte wohl gerade auch um ihr Leben. Ihre Herrin kam immer näher und näher und stand schliesslich keine Armeslänge entfernt von ihr. Marei zuckte bei ihrem Zorn zurück und sprang eilig zur Seite, um ja nichts von ihrem Zorn abzukriegen. Sie bangte schliesslich gerade um Sabas Leben.. so schnell wie die Großen konnte das kleine Mädchen ihre Gefühle nicht umschalten. Immer noch um Saba bangend nahm sie Celerinas Worte wahr und war ziemlich froh nicht in Phraates Haut zu stecken. Hui, die Herrin war ziemlich sauer! Endlich kam die Katze frei. Marei musste sich entscheiden.. wollte sie die Wut ihrer Herrin mitbekommen oder sich lieber um die Katze kümmern. Um die Katze ging es doch, oder? Sie trat noch ein bißchen zurück und sah sich nach dem vierbeinigen Lebewesen um. Der Garten war groß, es würde ziemlich lange dauern sie zu suchen und zu finden. Was würde sie selbst machen, wenn sie so erschreckt worden wäre? Einem Entschluß folgend verliess sie die Szene und rannte los.


    In der Küche angelte sie verschiedene Leckerlis aus Sabas Dose und besorgte eine Schüssel Wasser aus der nahe stehenden Regentonne. Nein, sie würde nicht zurückkehren zu den wütenden Erwachsenen. Am besten wäre es von Celerinas Fenster aus in den Garten zu rufen! Ja, das würde sie so machen! Von der Küche aus kehrte sie in Celerinas Zimmer ein. Sie stellte alles mitgebrachte auf die Fensteröffnung ab, kletterte auf einen Stuhl. (Natürlich ohne Schuhe!) "Saba? Sabachen?" rief Marei mit kindlich sanfter Stimme aus, was ihr an lockenden Wörtern einfiel, um die Katze zurück in die Villa zu rufen. "Komm, Schnurzelchen. Hier sind deine Leckerlis. Schau.. hier ist feines zu trinken für dich. Komm, schmusiges Purzelchen! Ich tue dir nichts! Hörst du, der dumme Parther ist jetzt bei Celerina! Ich bin die kleine Marei und ganz alleine hier drinnen. Komm her, Sabaschnuckelchen. Ich kämme sogar dein Fell wenn du das möchtest! Bestimmt bist du ganz zersaust! Armes Sabachen..."

  • In gebührendem Abstand folgte sie weiterhin der Herrin. Diese hatte im Garten eine Spur entdeckt. Oder sollte man besser sagen, einen Pfad der Verwüstung? Ein Jemand hatte sich doch tatsächlich erdreistet, alle ihre wunderschönen Orchideen platt zu trampeln. Von der einst so üppigen Blumenpracht war nicht mehr viel übrig geblieben. Je weiter Celerina voran schritt desto schlimmer wurde es und mit jeder weiteren zerstörten Pflanze stieg ihre Wut ins Unermessliche. Der Makedonierin schwante schon etwas, wer hinter dieser Missetat stecken konnte, doch sie sagte nicht. Celerinas Schritte wurden immer größer, so daß die Makedonierin kaum noch mithalten konnte, ohne selbst zu rennen. Da hörte sie auch schon das laute Gekreische der Flavierin und ganz nebenbei bemerkte sie auch die Flucht der kleinen Marei, die sicherheitshalber einmal das Weite suchte. Wie gerne wäre sie doch Marei gefolgt, aber zu diesem Zeitpunkt war das nicht mehr möglich, denn Charis Befürchtungen bewahrheiteten sich. Der Übeltäter war kein anderer als "ihr" Phraates, der von welchen Dämonen auch immer, geritten worden war und sich an Celerinas Katze vergehen wollte.
    Was nun geschah, suchte durchaus seinesgleichen! Die Flavierin setzte zum Sprung an und stürzte sich auf den Parther, nicht ohne diesen auf übelste Art und Weise zu beschimpfen. Phraates ließ die Katze fallen. Die Katze tat, was alle Katzen in dieser Situation taten: Sie machte sich vom Acker, ähm aus dem Staub. Und Charis?
    Charis blieb erst vor Schreck wie angewurzelt stehen, nahm sich aber dann ein Herz und rannte zu den beiden Kontrahenten. Die Flavierin zerrte wie eine wilde Furie an dem armen Parther herum. Sie hatte ihn an der Gurgel gepackt und schüttelte ihn, dabei stieß sie ein wildes Geschrei aus. Wenn Charis ihr nicht Einhalt gebot, dann war Phraates tot. Das war er wahrscheinlich auch so, denn er hatte es gewagt, ihre Katze anzurühren und das war eines der schlimmsten Vergehen, welches sich einer ihrer Sklaven schuldig machen konnte.
    "Herrin bitte!", schrie Charis. "Bitte, halt ein. Er hat es bestimmt nicht mit Absicht gemacht!" Etwas besseres war Charis nicht eingefallen. Natürlich hatte Phraates die Katze mit Absicht beinahe kalt gemacht, denn kein Mensch wäre so dämlich gewesen, dieses Verhalten als typisch pathische Katzenpflege zu interpretieren.

  • Sie kam näher. Und näher. Und ergriff ihn am Hals. Und schrie. Phraates tat zunächst nicht, dachte, Celerina würde sogleich von ihm lassen. Sie drückte an seinen Hals, als ob es einen pries dafür zu gewinnen gäbe. Doch nichts dergleichen geschah. In Phraates regte sich Panik. Er hob seine beiden Hände, wollte Celerinas Arme von ihm wegreißen. Doch durch den Luftmangel war er geschwächt, desaströs geschwächt. Er rüttelte an Celerinas Armen, doch sie waren so stark, für eine Frau zumindest, dass er sie nicht wegbekommen konnte.
    Allmählich wurde alles schwarz um ihn. Er merkte, wie sein Turban von ihm runterfiel. Verzerrt hörte er im Hintergrund Charis‘ Stimme, die dagegen protestierte, wie Celerina mit dem Parther umging. Alles verzog sich zu Schlieren, er hörte Geräusche, die es nicht geben sollte, einmal nicht hier in Rom. Er sah Bilder, Bilder aus seinem Leben, an ihm vorbeizogen. Seine Kindheit. Sein erster Kuss. Seine Verlobung mit Ava. Die Schlacht bei Edessa. Das Geplänkel, bei dem er gefangen genommen wurde. Seine Sklaverei. All dies und noch vieles mehr zog an ihm vorbei, als seine Umgebung langsam ausblendete, er nichts mehr mitbekam, alles nur noch mehr wie ein Einheitstopf schien.
    Und das alles nur wegen einer verfluchten Katze. Den letzten klaren Gedanken, den Phraates noch fassen konnte, bevor er zu diesem nicht mehr in der Lage war, war:
    Mann, ich hasse diese Biester.
    Und dann gingen die Lichter aus, als sein Gehirn sich auf den Tod einstellte.
    Denn jener würde unweigerlich nun kommen, wenn Celerina nur noch eine Sekunde länger zudrücken würde.

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