Hauptverhandlung IUD MAI I/DCCCLIX - Medicus Germanicus Avarus vs. Lucius Flavius Furianus

  • Durus begann mit der Verteidigungsrede und insgeheim ärgerte sich Lepidus ein wenig, nicht schon eher hier gewesen zu sein. So saß er im Zuschauerraum. Wäre er ein wenig zeitiger da gewesen, womöglich hätte er bei seinem Patron einen Platz einnehmen können.

  • Verwundert und mit hochgezogener Augenbraue nahm der Praetor zur Kenntnis, dass der angeklagte Flaver verspätet, aber trotz der zuvor ausgesprochenen Entschuldigung seines Advocatus im Gerichtsaal erschien. Er deutete ihm, dass er sich auf seinen Platz begeben konnte.


    "Senator Furianus. Mir scheint du bist nicht so krank, wie uns dein Advocatus zuvor berichtet hat?"

  • Während der ersten Rede noch bemerkte Durus, dass Furianus doch noch erschienen war und war etwas verwundert. Dennoch führte er die Rede ohne mit der Wimper zu zucken fort und brachte seine Verteidigung zu Ende. Dass der Praetor dann jedoch noch einmal explizit auf Furianus' Erscheinen hinwies, erstaunte ihn doch ein wenig. Solange man sich von seinem Anwalt vertreten ließ, konnte man doch im Grunde kommen und gehen, wann man wollte!


    "Es ist wohl unschwer zu erkennen, dass mein Mandant trotz seiner Anwesenheit nicht als gesund zu betrachten ist. Dass er sich dennoch hierher geschleppt hat, ist wohl weniger seiner Gesundheit als seiner Achtung vor dem Gericht zuzuschreiben."


    bemerkte er daher - bevor es zu irgendwelchen Diskussionen über die Vorführung von Angeklagten kam!

  • "Also gut."


    Livianus wollte nicht näher darauf eingehen und blickte nach Links und Recht zu seinen Beisitzern, um damit anzudeuten, dass sie an der Reihe waren Fragen zu stellen, sofern sich bisher welche ergeben hatten.

  • “Wenn du erlaubst, Praetor urbanus.“, meldete sich dann auch tatsächlich Aelius Quarto zu Wort. “Ich habe eine Frage.“


    “Advocatus, verstehe ich dich richtig? Dein Mandant hat also aufgrund seiner Herkunft ein ganz besonders ausgeprägtes Ehrgefühl und damit verbunden, sehr hohe Ansprüche an sich und seine Mit-Senatoren, was ihn in die Lage versetzt, besser als das Gesetz und der Imperator Caesar Augustus in seiner Eigenschaft als Censor zu beurteilen, ob ein Mann würdig ist, dem Senat anzugehören?“

  • "Ich würde es nicht so ausdrücken. Vielmehr beurteilt er die Voraussetzungen wohl schlicht anders als der Imperator Caesar Augustus. Die Sicht ist wohl etwas traditioneller, ob sie besser ist, ist wohl eine individuelle Einschätzung, deren Beurteilung wohl nicht die Aufgabe dieses Gerichts ist."


    erwiderte Durus kurz. Offenbar wollte Quarto ihn ein wenig herausfordern!

  • Macer hatte zu beiden Seiten noch Fragen, aber da es ihm egal war, mit welcher Seite er begann, bleib er der Einfachheit halber beim Verteidiger. "Du begannst deine Ausführungen damit, dass die Tat deines Mandanten als Fahrlässigkeit einzustufen sei. Dann aber argumentiertest du so, dass der Tatbestand der Üblen Nachrede gar nicht erfüllt sei, weil die behauptete Tatsache in den Augen deines Mandanten wohl erweislich wahr war. Es mag an meiner Unerfahrenheit liegen, aber es erscheint mir seltsam, dass du in derselben Rede einerseits auf die Nichterfüllung des Tatbestandes und anderserseits zugleich auf die fahrlässige Erfüllung des Tatbestandes plädierst."

  • Es sprach nicht für die beste Vorbereitung, sah sich ein Avocadus -durch seinen Mandanten derart bloß gestellt- im Prozess konfrontiert. Die Anwesendheit des Flavius war natürlich immer besser als eine vorgeschobene Krankheit, ob sie unter dem plebejischen Gericht jedoch eine Art Leidensbonus hervorrief, war schwer auszumachen, wenn nicht abwägig.


    Für den Moment stockte Germanicus Avarus der Atem, hörte er mit welcher Boshaftigkeit die Verteidigung ihr Wort führte und mit welch Überzeugung sie ihn, einen langjahrigen Senator, zum Hort des Bösen manifestierten. Schon diese stupide Fixierung auf seine Person als Quell allen Übels ließ ihn das Zwergfell ballen, aber er blieb so ruhig und reglos da sitzen wo er saß, hörte dem Beisitzer Aelius Quarto zu und lauschte den Antworten des Verteidigers. Es folgten weitere Ergründungsfragen des Senator Macer, der ebenso die Worte an den Tiberius richtete.

  • Offenbar war seine Rede nicht so deutlich angekommen, wie Durus sich das vielleicht gewünscht hatte. Die Reglosigkeit des Germanicers auf der Bank der Ankläger missdeutete er jedoch als Unwohlsein, was ihm wieder ein wenig den Rücken stärkte.


    "Ich wollte mit meinen Ausführungen tatsächlich das Verhalten meines Mandanten erklären und seine Aussage für ihn als wahr herausstellen. Da ich jedoch nicht so vermessen sein will, subjektive Ansichten zur Richtschnur des Gesetzes zu machen, habe ich beschlossen, lediglich für Fahrlässigkeit zu plädieren."


    erklärte Durus seine Strategie. Dass er selbst die Ansicht des Flaviers teilte, verbarg er lieber. Seine Erfahrung vor Gericht zeigte ihm, dass viele Richter weitaus weniger traditionelle Ansichten als er selbst hegten und er daher mit seiner früheren, hervorstürmenden Prinzipientreue eher angeeckt war.

  • "Nun Senator Durus. Jeder einzelne von uns hat seine persönliche Sichtweise und seine individuellen Einschätzungen zu den unterschiedlichsten Themen. Und ich bin mir auch sicher, jeder betrachtet sie für sich selbst gesehen, als die Wahrheit.


    Doch dies allgemein als Fahrlässigkeit zu betrachten, erscheint mir doch weit hergeholt. Sichtweisen hin oder her, dein Mandant hat ebenso kein Recht die Entscheidungen unseres Kaisers oder unser geltendes Gesetz in Frage zu stellen, wie irgendein anderer in unserem Reich. Ich sehe immer noch nicht, was daran als Fahrlässig gedeutet werden könnte."

  • Durus seufzte innerlich (jedoch nicht äußerlich, da dies sicherlich nicht besonders höflich gewirkt hätte). In seinen Augen war Livianus nicht gerade ein großer Jurist, daher zitierte er die Definition von Fahrlässigkeit aus dem Gedächtnis erneut in freundlichem Ton.


    "Fahrlässig handelt, 'wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.'


    Meines Erachtens nach trifft dies sehr gut den vorliegenden Sachverhalt: Es hätte Furianus bewusst sein müssen, dass er damit eine Üble Nachrede begeht. Aus den von mir genannten Gründen 'die Sorgfalt außer acht' gelassen. Folglich handelte er fahrlässig, folglich muss das Urteil auf Freispruch lauten, da das Gesetz eine fahrlässige Üble Nachrede nicht unter Strafe stellt."


    fasste er seine These zusammen. Da Furianus dem Germanicer weder die Tunica Laticlava vom Leib gerissen hatte, noch ein Edikt aufgestellt hatte, das Avarus den Senatorenrang aberkannt hatte, beschloss er, die übrigen Worte zu übergehen.

  • Mit der Nachfrage des Praetors war Macer nicht sonderlich glücklich, versagte sich aber außer einem unglücklichen Gesichtsausdruck jeglichen Kommentar. Immerhin trug sie dazu bei, dass seine Frage an den Verteidiger recht gründlich beantwortet wurde. Er dankte mit einem Nicken.


    Damit konnte er sich an den Ankläger wenden. "Senator Germanicus, mir ist in deinen Ausführungen noch nicht recht deutlich geworden, warum du dich explizit auf Absatz 2 des einschlägigen Paragraphen beziehst und nicht auf Absatz 1. Könntest du mir deine Argumentation diesbezüglich noch einmal präzisieren?"

  • Das war leicht zu erklären, fand Germanicus Avarus.


    "Ich war dabei. Im Ersten heißt es: '(1) Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist...' Diese Verfolgung von Beleidigungen jeglicher Art scheint mir eher dann zu greifen, wenn der Verleumder den Verleumdeten hinterrücks ohne dessen Teilnahme beschimpft. Daher sehe ich Absatz zwei als erfüllt an."


    Decimus Livianus hatte mit seiner Sichtweise natürlich völlig Recht. Es war jedoch fraglich ob es in dieser Art und Weise ausgesprochen dem Verfahren zuträglich erschien. Oder besser gedacht der Argumentation, den Gedanken des Klägers gleich kam. Doch noch sah Avarus keinen Grund gegen diese Unverfrohrenheit des Tiberius kleine Brandboote ins Wasser zu lassen, denn irgendwie drehte sich dessen Fahne wiedermal im Wind der Argumente.

  • "Aha", brummte Macer, schien einen Moment über eine weitere Nachfrage nachzudenken und stellte dann doch keine.


    Stattdessen wandte er sich an den vorsitzenden Praetor. "Keine weiteren Nachfragen meinerseits."

  • Eine durchaus berechtigte Frage, auch wenn es völlig bedeutungslos war, wie stark eine Beleidigung Wirkung zeigte.


    "Neben dem üblichen durch Rom getragenen Spott in Form von Kritzeleien an den Hauswänden spühlte diese Art der Ausführung des Flavius ebenso alte Geschichten zu Tage, deren Tadel bereits verraucht war. Es ist anzunehmen, das jene Vergangenheit sich nun in neuerlichen Hetzkampanien gegen mich niederschlagen wird. Dies geschieht natürlich nicht öffentlich, aber ebenso wirksam hinter vorgehaltener Hand. Außerdem hat diese Pöbelei meine Stellung unter den Senatoren im Senat geschwächt. Schon bei den kleinsten Gefälligkeiten tritt dieser Ansatz, wenn auch meist nur ironisch ins Wort."

  • Durus gähnte absichtlich, als Avarus die Nachteile aufzählte, die die Beleidigung angeblich für ihn ergeben hatten. Natürlich hielt es sich dabei dennoch die Hand vor den Mund, um nicht unhöflich zu erscheinen. Dennoch hielt er die Aussagen für absolut überzogen - das musste er nicht einmal artikulieren! Wahrscheinlich hätte es sowieso niemanden interessiert, wenn er nicht vor Gericht gezogen wäre, denn jeder wusste, wie Furianus - und auch Durus - über den Germanicer dachte.


    Nun jedoch wurde es wirklich spannend! Er blickte erwartungsvoll zu Livianus.

  • Solange es beim Denken blieb, war ja alles gut. Zum Glück war es nämlich nicht möglich Gedanken zu lesen. Es sei denn man war dem Quacksalben verfallen und schaffte sein Geld zu den Hexen im Transtiber Distrikt. Doch offen darüber zu sprechen, spannte eben ein Seil, riss Dieses, saß man schnell vor dem Praetor. Furianus hatte sein Seil mehr als überspannt und nun saß nicht nur er vor dem Praetor sondern wurde auch noch von seinem Busenfreund begleitet.


    Ihm, Avarus war es völlig egal welche Regungen durch die Gesichter der Patrizier gingen. Er beachtete sie nicht. Vielmehr ergründete er die Gesichter vorn am Podium und folgte dem Blick des Aelius Quarto.

  • Der Blick des Praetors schweifte zuerst zu Quarto und dann zu Marcer. Beide hatten keine Fragen mehr und auch er selbst hatte genug gehört. Dennoch wollte er beiden Parteien die Möglichkeit eines Schlusswortes einräumen. Er deutete daher zu Avarus.


    "Der Ankläger möge sein Schlusswort vortragen."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!