Tatsächlich erreichte Macer, nachdem er einige Klienten in seinem Tablinum empfangen hatte, bei einem Rundgang durchs Atrium auch diese Gruppe und grüßte in die Runde. "Salvete, die Herren. Ich danke euch für eure Aufwartung. Was gibt es Neues aus den Straßen Roms?" Dass ihm zumindest ein Gesicht zwangsläufig völlig unbekannt vorkam, störte ihn nicht weiter. Manche Klienten brachten häufiger ihrerseits Klienten mit, die er höchst selten sah, so dass er sich gar nicht erst die Mühe machte, sie sich zu merken.
[Atrium] Salutatio für einen Unbekannten
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Sermo bedankte sich bei dem Verwalter und wartete geduldig. Denn Geduld war eine Tugend. Mit den Männern an seiner Seite wechselte er nur ein paar Worte über den schönen Morgen und sonstige unwichtige Dinge, dann warteten sie stumm. Und irgendwann kamen sie an die Reihe. Die beiden Klienten begrüßten ihren Patron, Sermo jedoch wollte nicht im Schatten der beiden Männer stehen. Er musste die Aufmerksamkeit des Senators erlangen, ohne dreist zu erscheinen. Also versuchte er es mit einer Prise Witz. "Salve Senator Purgitius." Und auf die Frage nach Neuigkeiten antwortete er: "Einen Quintilier auf der Suche nach einem geeigneten Patron." Na, hoffentlich kam er nun nicht zu aufdringlich herüber. Er unterstrich seine Aussage mit einem freundlichen Lächeln und wartete nicht lange ab, sondern fuhr fort. "Wenn du erlaubst mich vorzustellen, ich bin Iullus Quintilius Sermo. Ich suche dich aus dem Grund auf, weshalb viele deiner heutigen Klienten einmal den Weg hierher gefunden haben." Der Wink mit der Insula war nicht zu übersehen. Der junge Quintilier fügte seiner Begrüßung noch eine leichte Verneignug und eine Geste in Richtung der anderen Klienten an und betrachtete dann erwartungsvoll sein Gegenüber. Ob er das Interesse des Purgitiers hatte wecken können? Er hoffte es inständig, denn ansonsten würde er hier wohl erfolglos herausspazieren dürfen.
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"Dann sei besonders begrüßt in meinem Haus", antwortete Macer auf die Vorstellung. "Die Gründe, weshalb ein Mann mein Klient wird und mich regelmäßig hier aufsucht sind vielfältig", fügte er dann hinzu. Früher waren es meist ehemalige Soldaten und Offiziere unter seinem Kommando gewesen, inzwischen kamen tatsächlich Klienten aus politischen und wirtschaftlichen Gründen sowie ehemalige Sklaven oder Angestellte hinzu. "Welches sind deine Gründe?"
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Der Senator hieß Sermo freundlich willkommen, was dieser mit einem dankbaren Lächeln quittierte. Und dann kam der Teil, auf den er sich gründlich vorbereitet hatte. Warum wollte er des Senators Klient werden?
"Meine Gründe sind derer folgende:
Ich habe die vergangenen Jahre mit dem Studium in Achaia verbracht und strebe nun eine Laufbahn in der Politik an. Hierzu benötige ich vier Dinge: Eine Arbeit, die mich vor dem Hunger bewahrt. Einen einflussreichen Fürsprecher. Eine Möglichkeit, mich mit dem Leben und Arbeiten in der res publica bekannt zu machen. Und jemanden, der letztendlich den Anstoß gibt, der mir den weiteren Weg öffnet.
Ich bin davon überzeugt, dass mir all das zum jetzigen Zeitpunkt nur jemand bieten kann, der schon lange Erfahrung im römischen Staatswesen sammeln konnte und der weithin als einflussreicher Mann gilt und dessen Wort Beachtung geschenkt wird. Und ein solcher Mann bist du, Senator Purgitius." -
Macer hatte ein Lob auf seinen Einfluss mehr als einmal gehört und auch diesmal hielt er seine eigene Rolle für deutlich überschätzt. Andererseits hörte er es natürlich trotzdem gerne, wenn man ihn für einen zugkräftigen Fürsprecher hielt. "Ich danke dir, dass du mich in einem so positiven Licht siehst", antwortete er daher erst einmal. "Doch auch für einen Senator ist es nicht leicht, einem Mann Arbeit und Bekanntheit zu verschaffen. An was hast du dabei gedacht? Durch welche Arbeit möchtest du in Rom bekannt werden?" Ein Studium von Achaia taugte bestimmt für viele Arbeiten, vom Juristen bis zum Theaterschauspieler, wobei letztere Möglichkeit zur Vorbereitung einer politischen Karriere zweifellos die falsche Wahl gewesen wäre.
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Ob des Dankes des Senators hatte Sermo ein Nicken übrig. Was sollte er dazu auch noch anmerken?
Nun, welche Arbeit schwebte dem Quintilier vor? Über diese Frage hatte er sich ebenfalls lange Gedanken gemacht. Wollte er ein Amt in der Verwaltung übernehmen? In der Regio oder in Rom selbst? Nein, er wollte lieber engen Kontakt zu seinem Patron haben. Daher antwortete er so, wie er es schon oft im Kopf durchgespielt hatte. "Senator, du kandidierst für ein Amt im Cursus Honorum. Du wirst viel Arbeit haben, sehr beschäftigt sein und wenig Zeit haben. Ich würde meine Pflichten dir gegenüber gerne ernster nehmen, als dir nur jeden tag bei der Salutatio meine Aufwartung zu machen. Zu diesem Zweck könnte ich meine Fähigkeiten mit Stift und Tabula in deinen Dienst stellen, was hälst du davon?" Die Vorteile lagen klar auf der Hand. Für Sermo, dass er direkt in die Geschehnisse im Cursus Honorum Einsicht erhielt und einer der ersten war, der wichtige Entscheidungen erfuhr. Für den Senator, dass er eine ganze Menge Arbeit nicht nur auf irgendwelche Sklaven abwälzen musste, sondern vielmehr einen verlässlichen Klienten an seiner Seite hatte, dem er trauen konnte. Natürlich war sich Sermo bewusst, dass er sich dieses Vertrauen erst verdienen musste. Doch er wusste, dass er den Senator nicht enttäuschen würde. Alles andere wäre nicht seine Art, denn Loyalität war ein Stützpfeiler des Clientelwesens und für den Quintilier von großer Wichtigkeit. -
Macer wiegte seinen Kopf leicht hin und her. Ein Studium in Achais prädestinierte verständlicherweise durchaus für einen Posten als Scriba. Andererseits lag es Macer doch ziemlich fern, den Posten eines Scriba personalis an einen Mann zu vergeben, den er weder kannte und der auch keine namhafte Empfehlung vorzuweisen hatte. Aber vielleicht hatte der Mann auch gar nicht so weit gedacht. "Nun, ich könnte versuchen, dir einen Posten als Scriba in Rom zu verschaffen und dich im Falle eines Wahlerfolges mir zuteilen zu lassen. Oder auch einen Posten als Liktor", bot er an.
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Sermo dachte nicht lange nach. Scriba der Urbs Aeterna, oder Liktor? "Ich finde die von dir zuerst genannte Variante sehr verlockend. Von einem Wahlerfolg deinerseits bin ich im Übrigen überzeugt. Als Praetor wirst du gewiss jemanden an deiner Seite brauchen, der die Schreibarbeit für dich erledigt. Ich danke dir für das großzügige Angebot." Der Quintilier ging wirklich von einem Erfolg des Purgitiers aus. Immerhin war der Mann ein verdienter Römer, kaisertreu und kompetent. Wer würde ihn nicht wählen?
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"Ich werde schauen, was sich machen lässt", versprach Macer und gab seinem Verwalter ein dezentes Zeichen. Dieser hatte bisher unauffällig hinter seinem Herrn gestanden und notierte nun, dass es etwas zu erledigen gab. Macer schaute derweil in die Runde, ob dieser neue Klient oder ein anderer aus der kleinen Gruppe noch etwas zu sagen hatte. "Was gibt es sonst noch Neues? Wurden schon viele Wahlparolen an den Wänden der Stadt gesichtet?"
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Der Quintilier bedankte sich noch einmal und überließ dann erst einmal einem anderen Klienten das Wort. Denn einer der anderen Männer an seiner Seite antwortete sofort auf die Frage des Senators. "Oh ja, ich habe da zuletzt eine besonders interessante Kritzelei entdeckt." Er grinste spöttisch. "Es war eine Karikatur, die einen großen Bären zeigte. Ja, eine dieser klauenbewährten Bestien, wie man sie sonst nur in der Arena oder in Käfigen auf dem Forum sieht. Nun, und daneben war ein kleines, verängstigtes Männchen gemalt. Dabei standen die Initialien F.O.M." Der Klient machte eine Pause und schaute in die Runde. "Faustus Octavius Macer," rutschte es Sermo heraus. Im selben Moment ärgerte er sich darüber. Jetzt würde die Aufmerksamkeit auf diesen elenden Tag bei den Ludi gelenkt werden. Er räusperte sich. "Faustus Octavius Macer, Duumvir von Ostia. Ich kenne ihn. Er kandidiert zum Cursus Honorum, soweit ich weiß." Der andere Klient zog genervt die Augenbrauen hoch. Sermo hatte ihm doch glatt die Geschichte versaut.
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Macer machte dagegen ein ratloses Gesicht. "Und was soll diese Karikatur dem geneigten Zuschauer sagen?" fragte er. "Dass dieser Octavius Macer keine Bären mag?" Von dem Zwischenfall bei den Ludi hatte Macer zwar gehört, sich aber nicht im Detail dafür interessiert. Bestenfalls würden demnächst die Aedile wegen der Vernachlässigung der Aufsicht über die Spiele verklagt werde, wenn ein Bär ausreißen konnte und dann würde er den Vorsitz führen müssen, aber mehr war ihm zu der Sache nicht in den Sinn gekommen.
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Der andere Klient warf Sermo einen verärgerten Blick zu und antwortete an dessen Stelle. "Na, ich war ja noch nicht fertig. Dabei stand ja noch folgendes: 'F.O.M. ignavus est'*. Es hat mit diesem Vorfall bei den Ludi Romani zu tun." Bei diesen Worten verdrehte Sermo die Augen. Ganz Unrecht hatte der Erschaffer des Graffiti wohl nicht gehabt, der Octavier war kein Held. Aber das konnte Sermo wohl genauso wenig von sich behaupten. Zur Erklärung wandte er sich an seinen neuen Patron. "Hast du von dieser Geschichte gehört? Es ging um einen Bären, der sich wohl losgerissen hatte und auf dem Forum ein Chaos anrichtete. Ich selbst habe es gesehen und war einer derjenigen, die die Bestie zu Fall brachten." Nicht ganz ohne stolz sagte er die letzten Worte. Doch war er auch vorsichtig, denn seine Rolle war im Grunde genommen nur nebensächlich gewesen. Mal abgesehen davon, dass er am Ende bewusstlos auf dem Pflaster gelegen hatte und wie ein lebendiger Toter ausgesehen hatte. Die umstehenden Klienten hingegen warfen dem Quintilier verblüffte Blicke zu. Dieser drahtige Mann hatte einen Bären erschlagen? Das war doch nicht zu glauben!
*F.O.M. iganvus est. = Faustus Octavius Macer ist feige.
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"Faszinierend. Du hast also den Bären wieder mit eingefangen?" wiederholte Macer das, was er gerade schon gehört hatte. "Du bist sicher, dass du Scriba und nicht doch Liktor werden möchtest? Als Bärenfänger ginge dir da sicher ein gewisser Ruf voraus, der dir die Arbeit erleichtern könnte." Um die Karikatur schien sich Macer schon wieder nicht weiter zu kümmern. Schmähungen waren im Wahlkampf an der Tagesordnung.
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"Nunja..." setzte Semo an. "Eingefangen ist vermutlich das falsche Wort. Ich war an der Tötung des Tieres beteiligt..." Doch bevor er dies weiter ausführen konnte, wurde er vom Vorschlag des Senators überrumpelt. So hatte er die ganze Sache noch gar nicht gesehen. Wenn er wirklich mit einem vorteilhaften Ruf diese Aufgabe anging, würde man ihm vielleicht wesentlich mehr Respekt entgegenbringen. Und man würde ihn fürchten. So hoffte Sermo zumindest.
Nach einem Moment der Konzeptlosigkeit fand er seine Sprache wieder und schüttelte die Verwunderung ab. "Du glaubst ich wäre ein Mann für das Liktorat? Damit könntest du wohl recht haben..." Jetzt hieß es eine Entscheidung treffen! "Ja, ich glaube das wäre wirklich eine Aufgabe, die ich mich mit Stolz erfüllen würde. Hieße das, ich würde nach Möglichkeit dir selbst zur Seite stehen?" Die anderen Klienten völlig außer Acht lassend, konzentrierte Sermo sich nur auf den Purgitier. -
"Sicher, warum nicht? Jeder römische Bürger kann Liktor werden, auch wenn es im Moment wohl mehrheitlich Freigelassene sind", gab Macer seinen Eindruck vom Liktorenamt wieder. "Wem sollte ich da sonst vertrauen, wenn nicht einem Klienten, der schonmal einen Bären getötet hat?", fragte er augenzwinkernd. "Außerdem kannst du so hautnah bei so manchem Ereignis mit dabei sein, wo der normale Zuschauer weiter weg steht."
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Der junge Quintilier nickte einfach nur. "So soll es sein. Dann werde ich Liktor." Er musste schmunzeln, als er die verblüfften Gesichter der anderen Männer sah. Besonders der Klient, der vorher so groß dahergeredet hatte, schaute seltsam drein. Hatte Sermo sich bei diesem Mann Sympathien verspielt? Nun, das würde er wohl bei der nächsten Gelegenheit erfahren. Vielleicht hatte er Glück und derjenige war nicht nachtragend.
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Tatsächlich kümmerte sich bereits Macer wenig später mit ein paar Worten um die Befindlichkeiten dieses Klienten, der darüberhinaus selber keine AMbitionen hatte, auch Liktor zu werden und damit in Macers Augen auch keinen Grund, sich zu beschweren. "Nun, dann wünsche ich einen erfolgreichen Tag", verabschiedete sich Macer schließlich von dieser Gruppe von Klienten, denn es warteten noch andere. "Und wenn in den nächsten Tagen hier und da ein paar Wahlempfehlungen zu meinen Gunsten oder denen meiner Kandidaten im Senat an den Wänden auftauchen, bin ich auch nicht traurig", fügte er noch hin.
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"Einen eben solchen wünsche ich auch dir. Vale mein Patron," verabschiedete sich Sermo dann, als der Senator sich von ihnen abwendete, um sich auch seinen anderen Günstlingen zuzuwenden. Den Kommentar über Wandkritzeleien quittierte er mit einem schmalen Lächeln, musste er doch gleich an diesen Sklaven denken, den er letztens bei solch einer Tätigkeit ertappt hatte. Höchst zufrieden verließ der Quintilier dann das Anwesen des Purgitiers - nicht ohne den Verwalter und den Ianitor mit einem knappen Nicken zu verabschieden - und ging weiteren Tätigkeiten nach, die er sich für heute vorgenommen hatte.
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