• [Blockierte Grafik: http://img353.imageshack.us/img353/322/lyra12eb2.gif]


    IM NAMEN DER HEILIGEN BRUDERSCHAFT DER MUSEN UND DES APOLLON ZU ALEXANDRIA
    findet folgender KURS statt


    Grundlagen der Musik



    ABGABEFRIST FÜR PRÜFUNG:


    10 Tage nach Übersendung der Unterlagen


    Bemerkungen:


    Dieser Kurs richtet sich an all jene Männer und Frauen, die die Grundlagen der hohen Kunst der Musik, ihre Technik, ihre Instrumente und ihre Mythen kennenlernen wollen.



    ANGEMELDETE TEILNEHMER:
    Lucius Iunius Merula



    Sim-Off:


    Dies ist der SimOn-Teil der Prüfung. Am Ende wird es noch einen SimOff-Fragebogen per PN geben, der innerhalb von 10 Tagen zurückgesendet werden muss. Zum Bestehen der Prüfung sind in jedem Prüfungsteil die üblichen 60% mindestens zu erreichen.

  • Ein wenig aufgeregt war Penelope schon, als sie die Vorlesungsnische im Museion betrat, die ihr für den Kurs zugeteilt worden war. Es war ihr erster Kurs, den sie hielt, und sie wollte ihn so perfekt wie möglich gestalten. Immer wieder ging sie die Themen und fragen in gedanken durch, die sie den Teilnehmern stellen wollte, um sie zum Mitdenken zu animieren. Sie wusste nicht um ihren bisherigen Kenntnisstand und wollte so natürlich weder zu leichte noch zu spezifische Fragen stellen.
    Allerdings war ihr äußerlich von ihren Überlegungen nichts anzumerken, als sie schließlich in die von Säulen umringte Nische trat, die sich vom Garten des Museions sanft absetzte. Sie zählte ein paar Zuhörer, allerdings nicht mehr als eine Handvoll. Die meisten davon kannte sie, waren sie doch Schüler anderer Philologen hier am Museion. Lediglich ein oder zwei neue Gesichter waren darunter, wie das eines Römers, den sie nicht kannte.


    Penelope stellte sich also auf die oberste Stufe der Nische und wartete schweigend, bis alle ihre Aufmerksamkeit auf sie gerichtet hatten. Sie hatte festgestellt, dass je mehr man sagte, umso hilfloser wirkte man, während wenn man in stoischer Ruhe einfach nur da stand und aufmerksam beobachtete, von alleine die Aufmerksamkeit erhielt, die man sich als Lehrer wünschte. Und so dauerte es auch nicht lange, bis die Handvoll Zuhörer zur Ruhe gekommen waren und ihre Augen auf die Griechin richteten.
    “Chairete, die ihr Wissen sucht“, begann sie vielleicht etwas feierlicher, als der Anlass es forderte. Allerdings ließ sie sich für keine Sekunde beirren und fuhr mit der selbstsicheren Stimme einer geübten Sängerin fort, als würde sie diese Kurse schon seit Jahren halten und es gäbe nichts, was sie hierbei erschüttern könnte.
    “Unser Thema heute ist die Musik. Viele lauschen ihr gerne, einige spielen sogar selbst ein Instrument und rezitieren die großen Dichter und Rhapsoden.
    So wollen wir auch gleich anfangen. Vielleicht zunächst mit etwas einfachem. Welche Instrumente benutzen wir, um unsere Kunst zu praktizieren? Wer kann mir drei Instrumente beschreiben?“

  • Nikolaos war selbstverständlich zu Penelopes Kurs erschienen, obgleich er nun schon einmal Privatunterricht bei ihr genossen hatte. Er sah der jungen Frau in die Augen, von denen er meinte, sie auch aus der Entfernung aufmerksam leuchten zu sehen. Sie sprach mit einer bewundernswerten Ruhe. Gut gefiel, dass sie sogleich eine Frage an die Schüler richtete. Das würde vielleicht einige aus dem Dämmerschlaf reißen, in den Schüler leicht verfielen, wenn sie auf den Geschmack anderer Annehmlichkeiten außer der Stätte der Gelehrsamkeit kamen, die die Stadt zu bieten hatte. In der Regel, das wusste Nikolaos aus eigener Erfahrung, verging die Zeit der Ablenkung rasch und machte dem Ehrgeiz Platz, sodass er über Ausschweifungen seiner Schüler meist hinwegsah - wenn sie nicht dem Ruf des Mouseions schadeten. Er betrachtete die Schüler. Fast hatte er Lust, selbst zu antworten auf diese nicht allzu schwere Frage, nur, um mit Penelope zu sprechen, aber er wartete auf die Reaktion der Schüler.

  • Auch Merula befand sich unter den Zuhörern. In seinen Augen war die Freude und das Erstaunen deutlich abzulesen, als könne er es selbst noch nicht so recht glauben, dass er nun im altehrwürdigen Museion zu Alexandria eine Lehrveranstaltung besuchen durfte.
    Sein Vorwissen zu dem Thema war zwar eher als rudimentär zu bezeichnen, doch da die Lehrerin ihre Schüler und Zuhörer einlud, sich zu beteiligen, ergriff der Iunier nach kurzem Zögern das Wort:
    "Nun, da wäre einmal natürlich die Lyra zu nennen, das Lieblingsinstrument der Götter. Ein Zupfinstrument, mit - ich bin mir nicht ganz sicher - sieben Saiten? Etwas größer im Vergleich dazu und mit einem Fuß versehen ist die Kithara. Und dann... wäre vielleicht noch die Flöte zu nennen, die in unterschiedlicher Form in den verschiedensten Kulturen zum Einsatz kommt. Bei uns Römern ist das Auftreten einiger Flötenspieler wichtiger Bestandteil von Opfern und Zeremonien."
    Dass Merulas persönliches 'Lieblinginstrument' trotz seiner Vorbehalte gegenüber allem militärischen Gehabe die römische Tuba war, behielt er besser für sich. Er wollte nicht gleich zu Beginn als römischer Barbar geringgeschätzt werden.

  • Penelope hörte sich die Antwort des Römers ruhig an, und nickte dann milde. Es war zwar im Bereich der Flöten etwas ungenau, aber er hatte zumindest wohl eine grobe Ahnung. Mehr, als sie einem dieser Barbaren – denn nichts anderes waren Römer aus griechischer Sicht – zugetraut hätte.
    “Ja, die verbreitetste Form der Lyra hat 7 Saiten, einfachere Ausführungen auch nur 3 oder 4. Bei diesem klassischsten der Instrumente unterscheiden wir nach Form die Chelys, die wohl der Erfindung des Hermes am nächsten kommt mit ihrem rundlichen Klangkörper, und die Barbitos, die schmaler und gerader ist und vor allem bei dionysischen Festspielen gebraucht wird.
    Die Kithara hingegen hat einen größeren, meist halbrunden Klangkörper mit einem Standfuß am unteren Ende. Auch besitzt sie mehr Saiten gewöhnlich als die Lyra und ist zum Spielen der ausgefeilteren Musikstücke vor allem im Gebrauch. Sie besitzt mindestens 5, maximal 12 Saiten und umfasst damit mehr Töne als die Lyra, ist allerdings auch größer und schwerer und wird deshalb bisweilen mit einem Gurt getragen, so dass man sie im Stehen dennoch spielen kann.
    Nun, aber an Flöten haben wir eine breite Auswahl. Es gibt die Syrinx, die die Hirten zu Ehren des Pan spielen. Von den Etruskern kennen wir die Querflöten, während wir meistens Längsflöten verwenden.
    Ein weiteres, höchst wichtiges Instrument wären die Auloi. Bei den meisten kultischen Handlungen erklingen seine Töne, gespielt von Männern und Frauen. Sie sind leicht mit Doppelflöten zu verwechseln, aber bei ihnen wird der Ton durch ein Holzblatt erzeugt. Dabei wird in die beiden flötenähnlichen Klangkörper gleichzeitig vom Spieler über das Blatt geblasen, so dass Doppellaute erzeugt werden können. Die Etrusker haben ein ähnliches Instrument, den Subulo, während die Römer ein ähnlich aufgebautes Instrument Tibia nennen. Allerdings besitzt die meist mehr Löcher als der griechische Aulos.
    Selbst die Ägypter haben ein solches Blattblasinstrument und nennen es Memet.


    Auch haben wir Metallbläser, wie den Salpinx. Bei euch Römern heißt dieses Horn Tuba. Es ist langgestreckt und ohne Windungen, während das römische Lituus gebogen ist. Der Cornu und die Bucina schließlich sind zu einem Dreiviertelkreis schon gebogen.


    Daneben gibt es noch eine Vielzahl an Takt- und Rhythmusinstrumenten. Am wichtigsten sind hier wohl die Trommeln, die bei den meisten kultischen Handlungen von Frauen gespielt werden. Aber es gibt auch Rasseln und Klanghölzer, oder sogar metallene Becken und Schellenkränze, oder das ägyptische Tamburin.“


    Penelope dozierte ein wenig über die verschiedenen Instrumente, die am gebräuchlichsten waren und so häufig Verwendung fanden, dass auch in späteren Jahrhunderten darüber Zeugnis gegeben werden konnte. Dabei vergaß sie beinahe ihre Schüler, die ihr lauschten und hier und da einmal etwas notierten.
    Sie lächelte leicht und blickte über sie hinweg. Nun bemerkte sie auch Nikolaos, der wohl zufällig vorbeigekommen war und ihr nun auch zuhörte. Als neuer Epistates tou Museion war es doppelt löblich, wenn er sich für solchen Kurzweil Zeit nahm.


    “Gut, nachdem wir nun wissen, womit wir Musik machen können neben unseren von den Göttern gegebenen stimmen, wollen wir uns dem widmen, wie wir sie machen. Jeder kann auf einem Instrument herumspielen und sagen, das sei Musik. Aber das ist nicht das, was nach pythagoräischem Vorbild als Kunst darunter zu verstehen ist.
    Die Musik ist ein hörbarer und fühlbarer Teil der Mathematik und folgt damit genauen Regeln und Gesetzen, die aus dem Chaos Harmonie erschaffen. Streng nach diesen Regeln berechnen wir, was wir später als Melodie festhalten wollen.


    Eine dieser geregelten Ordnungen, nach der wir spielen, sind unsere Skalen. Eine Skala besteht aus 2 Tetrachorden. Wer kann mir in groben Zügen sagen, was so ein Tetrachord ist?“



    Sim-Off:

    Gerne auch mit „modernen“ Begriffen, wenns mit Umschreibung nicht klappt

  • Während die Frau mit dem einprägsamen Namen Penelope sprach, war Merula bemüht, mit ihren Ausführungen gedanklich Schritt zu halten.
    Manches war ihm gänzlich unbekannt; von den meisten Instrumenten, die sie ansprach, hatte er aber zumindest schon gehört.
    Zwischendurch musterte der Iunier, der noch nie dem Unterricht eines weiblichen Lehrers beigewohnt hatte, wiederholt die Dozentin. Sie schien in jungen Jahren so selbstbewusst wie seine Cousine Axilla zu sein, strahlte dabei jedoch eine beinahe feierliche Ruhe aus, wie er es vielleicht von der Priesterin irgendeines Kultes erwartet hätte.
    Fast ein wenig unheimlich, befand der Alexandrianeuling Merula und kritzelte, als sie erneut eine Frage an ihr Publikum richtete, angestrengt auf seiner Wachstafel herum; wie ein Schüler, der die Aufmerksamkeit seines Lehrers von sich weglenken will.
    Ein junger Schüler hingegen versuchte sich an einer Antwort: "Ein Tetrachord! Ich würde es als ein Intervall bezeichnen, das vier Töne - nein: Tonstufen - umfasst. Die beiden Tetrachordien bilden dann sozusagen eine Art Tonleiter, ein einheitliches System von Tönen in auf- oder absteigender Folge."

  • Ruhig hörte sich Penelope die Antwort an und wog dabei leicht den Kopf. Natürlich verlangte sie nicht, dass ihre Schüler schon alles wussten, was sie wusste. Dann hätte es ja auch keinen Sinn, ihr zuzuhören, und so gab sie sich mit der kurzen Antwort auch zufrieden.
    “Ja, ein Tetrachord ist, wie der Name schon sagt, ein Vierklang. Ein genau bestimmter Vierklang, nicht nur irgendeiner, sondern einer von vier aufeinanderfolgenden Tönen in festgeschriebenen Abständen.“
    Penelope lief ein paar Schritte, während sie weiter dozierte.
    “Der große Mathematiker Aristoxenes hat sich besonders mit dieser Einheit beschäftigt, die die Grundlage der gesamten Musiktheorie bildet. Ein Tetrachord besteht aus zwei Ganztonschritten und einem Halbtonschritt.
    Nach Aristoxenes gibt es nun verschiedene Arten, wie man diese Schritte definieren kann. Das diatonische Tongeschlecht teilt unsere Skala in 7 Tonschritte ein und kennt Ganz- und Halbtöne.
    Das chromatische Tongeschlecht umfasst zwölf Halbtonschritte.
    Das enharmonische schließlich erlaubt es, einen Ton sowohl als Teil des einen als auch als Teil eines anderen Tones zu sehen, und dieses Tongeschlecht kennt wiederum eine Vielzahl an Halb-, Viertel-, ja sogar Achteltönen.“

    Als Beispiel für Enharmonik ließ Penelope eine Seite ihrer Kithara erklingen, und dann durch Verkürzung einer anderen Saite ihres Instrumentes exakt denselben Ton, nur eben gespielt von einem anderen Grundton aus.
    “Wir beschäftigen uns heute allerdings nur mit der Diatonik.“


    Penelope lief wieder die drei Schritte ins Zentrum ihrer Schüler und schaute sich einmal ruhig um. Das folgende war nicht einfach, und sie hoffte, sie konnte es gut erklären.
    “Wie bereits erwähnt ist ein Tetrachord nun eine Tonfolge aufeinanderfolgender Töne. Das wichtige hierbei ist der Abstand der einzelnen Töne zueinander. Ein Tetrachord ist genau definiert als 2 Ganztonschritte und 1 Halbtonschritt.“


    Sim-Off:

    Folgende Bilder sind zum leichteren Verständnis. Entschuldigt bitte, dass es eine Klaviatur ist, aber ich finde zum einen, dass man da den Unterschied zwischen einem Ganztonschritt (wenn eine schwarze Taste dazwischen ist) und einem Halbtonschritt (wenn keine schwarze Taste dazwischen ist) am einfachsten sehen kann. Außerdem hab ich im Gegensatz zu Penelope nunmal Orgel spielen gelernt und nicht Kithara :)


    [Blockierte Grafik: http://img114.imageshack.us/img114/9470/klaviatur2.jpg]


    “Um nun eine vollständige Skala zu bilden, die aus 7 Tönen besteht, benötigen wir einen zweiten, identischen Tetrachord. Die Besonderheit hierbei ist nun, dass dieser sich den letzten Ton des vorangegangenen Tetrachordes teilt. An dieser Stelle hat unsere Skala eine Synape.“


    [Blockierte Grafik: http://img62.imageshack.us/img62/3241/klaviatur1.jpg]


    Penelope schaute ihre Schüler an und versuchte einzuschätzen, ob verstanden worden war, was sie so kurz erklärt hatte. Dies war die Grundlage aller Musik, und dies würde noch in Jahrtausenden die Grundlage jeder Tonleiter sein.


    “Wenn Fragen sind, stellt sie“ forderte Penelope ihre Schüler auf. Und um die Diskussion anzuregen, gab sie ihnen auch gleich eine kleine Denkaufgabe mit.
    “Welches Problem seht ihr beispielsweise, wenn ihr die Skala nun fortsetzen wollt?“

  • Seit seiner Kindheit mochte es Merula, Musikern bei ihrer Tätigkeit zuzusehen - und natürlich zuzuhören. Die tieferen Zusammenhänge dieser Kunst waren ihm dabei aber stets verborgen geblieben. Er lauschte der Bantotakin also recht gebannt, als sie ihnen die Grundlagen des Systems erläuterte.
    Ihren Hinweis aufgreifend meldete sich Merula schließlich wieder zu Wort:
    "Welcher wäre denn der Ausgangston eines weiteren Tetrachords. Liegt dann erneut eine - wie sagtest du? - Synape vor, dann will das meiner Ansicht nach mit den zwei Ganzton- und einem Halbtonschritt nicht so recht funktionieren."
    Der Iunier zog seine Stirn in Falten und kratzte sich nachdenklich mit dem Griffel am Kopf. "Oder verstehe ich da etwas falsch?"

  • Penelope war freudig überrascht. Offenbar hatte der Römer es wirklich verstanden, und mehr als das, es zog sogar den richtigen Schluß! Ganz leicht lächelte sie, wenngleich auch nur eine Sekunde, ehe sie wieder zu ihrer Lehrerinnen-Miene zurückfand und sachte nickte.
    “Das stimmt. Würde man nach dem bekannten Muster mit einer Synape fortfahren, würde keine Harmonie entstehen. Das Verhältnis der Töne zueinander wäre zwar rein mathematisch dasselbe, aber harmonisch wäre es keine klare Fortsetzung unserer Reihe.“

    Sim-Off:

    In oberem Beispiel wäre die strenge Weiterführung h – a – g – fis, der anschließende Tetrachord dann fis – e – d – cis


    “Aristoxenes im Gegensatz zu Pythagoras aber forderte bereits, dass wir die Dinge, die wir mathematisch erfassen, auch mit dem Gehör nachzuprüfen haben, ob wirklich Harmonie daraus entstehe.“
    Sie spielte erst die unverfälschte Skala, und setzte sie dann streng mathematisch fort, so dass den Zuhörern die Veränderung der Klangfarbe der Noten auffallen musste, auch wenn sie nicht darauf achteten, wie Penelope die gestimmten Saiten verkürzen musste, um diese Halbtöne zu erzeugen.
    “Es scheint auch , als verlören wir hierbei einen Ton, der für die Harmonie vonnöten wäre. Daher verwenden wir an dieser Stelle einen Kunstgriff, um aus einer Skala zum Systema Telaion, zum vollständigen System auszuweiten.
    Wir setzen hier einen diazeuxis. Die Rhomäer würden wohl eine Zäsur sagen. Anstatt mit der Synape fortzufahren, gehen wir einen Halbtonschritt weiter, und setzen ab da wie gewohnt unsere Tetrachorde fort..“


    [Blockierte Grafik: http://img21.imageshack.us/img21/9470/klaviatur2.jpg]


    Penelope spielte nun das vollständige System, in neueren Zeiten würde man sagen, 2 Tonleitern abwärts a-Moll, um es ihren Schülern so erfahrbar zu machen.


    “So bilden sich alle uns bekannten, 4 natürlichen Systema mit ihren Skalen. Die Skalen, auf die die meisten unserer Instrumente mit ihren sieben Saiten gestimmt sind, setzen sich aus dem zweiten und dritten Tetrachord zusammen, dem Tetrachord diezeugmenon und dem Tetrachord Meson.
    Wer kann mir die vier Skalen benennen und erklären, worin der jeweilige Unterschied bei ihnen ist?“

  • Merula freute sich, dass die Griechin seine Antwort guthieß. Beim nächsten Punkt musste er aber passen, doch zum Glück fand sich wie in allen Schulklassen auch in dieser Gruppe eine eifrige, strebsame junge Schülerin, die eine richtige Antwort zu wissen glaubte und diese mit leiser Stimme vortrug.
    "Wir unterscheiden zwischen der dorischen, phrygischen, lydischen und mixolydischen Skala, die jeweils einen anderen Ausschnitt aus unserem Systema Telaion darstellen. Das bedeutet, sie unterscheiden sich je nach Grundton und Abfolge der Tonschritte."
    Worauf Merula sogleich nachhakte: "Wenn das stimmt: Warum gibt es dann nur vier davon, und nicht etwa sieben?"

  • Ungefähr ab dem Zeitpunkt, nachdem die richtigen Namen der vier Skalen gefallen waren, kam nur noch Durcheinander von der Schülerin. Penelope schaute sie an und versuchte zu verbergen, was sie dabei gerade dachte, da das Mädchen unter ihren Schülern ohnehin schon kaum herauszuhören war und fast flüsterte. Philolaos hätte wohl einen sehr spitzzüngigen Kommentar abgelassen, sie solle sich besser wieder um ihre Stickerei kümmern und ihre Finger von der hohen Kunst der Musik lassen. Aber Penelope war nicht ihr Gro゚vater und wollte ja Wissen vermitteln.
    Der Römer hingegen, der ihr schon vorhin aufgefallen war, brachte gleich den richtigen Einwurf ein und deckte den Fehler, wenn auch unbewusst, auf. Offenbar wusste er die richtige Antwort nicht, aber er erkannte zumindest, dass die des Mädchens auch nur halb richtig war. Und ihr war ein Schüler, der mitdachte, tausendmal lieber als die schweigende Masse, die nicht mitdachte.


    “Nein, nein, nein, die Skalen fangen nicht zwangsläufig mit verschiedenen Tönen an. Vergesst das wieder. Es geht viel mehr um die Art, die ein Instrument gestimmt ist.“
    Es gab immerhin keine einheitliche Definition von Tönen, wo absolut klar war, welcher Ton gespielt wurde. Selbst, wenn zwei Musiker dasselbe Stück nach denselben Noten spielten und auf derselben Skala, hie゚ das nicht, dass die genauen Töne identisch waren. Von Ort zu Ort waren die Töne, die als Grund- oder auch Kammerton genommen wurden, verschieden, manchmal auch von Instrumentenbauer zu Instrumentenbauer. Es gab immerhin keine Möglichkeit, einen Ton wirklich objektiv und absolut zu messen. Zwar gab es das mathematische Konstrukt, das einem Ton eine bestimmte Schwingung zuordnete, und es gab auch bereits die Unterscheidung in Volltöne und Halbtöne eben nach diesen Schwingungen – an deren Verhältnis und an deren Berechnung sich im Grunde auch nie etwas ändern würde – aber so etwas wie einen einheitlichen Grundton, sowas gab es nicht.


    Sim-Off:

    Oder modern ausgedrückt, es gab noch nicht das Tonsystem wie bei uns, das einer Note eine feste Tonfrequenz zuordnete. Deshalb lassen sich altgriechische Melodien, die teils erhalten sind, auch nicht ohne weiteres in unsere heutigen Noten übertragen, sondern bestenfalls interpretieren.


    “Es geht einzig und allein um die Reihenfolge, in der Ganztonschritte und Halbtonschritte erfolgen. Und da es bei vier Tönen nur vier Möglichkeiten gibt, an welcher Stelle der Halbtonschritt kommen kann, gibt es auch nur vier Skalen.“


    Penelope sah schon, hier war wohl etwas mehr Erklärungsbedarf vonnöten. Also sammelte sie kurz ihre Gedanken, um ihr Wissen in der richtigen Reihenfolge und verdaubaren Dosen preiszugeben.


    “Ein Tetrachord besteht immer aus zwei Ganztonschritten und einem Halbtonschritt. Das ist die wichtigste Grundlage, die ihr euch merken müsst. Dadurch ergibt sich ein Fester Abstand vom ersten Ton zum letzten Ton. Diese Töne sind für einen Tetrachord unveränderlich. Wenn ich einen Ton habe, kann ich immer bestimmen, bei welchem Ton der Tetrachord endet. Paranete und Trile, also der zweite und der dritte Ton, hingegen sind durch den Tetrachord an sich noch nicht bestimmt. Je nachdem, auf welche Weise wir spielen, sind diese Töne veränderlich.
    Nehmen wir die dorische Skala, so ist der Halbtonschritt am Ende des Tetrachords. Ton, Ganztonschritt, Ganztonschritt, Halbtonschritt.“

    Penelope spielte es auf ihrer Kithara, um es den Schülern zu verdeutlichen.
    “In der phrygischen Skala ist der Halbtonschritt ein Schritt weiter vorne. Ton,“ Und hierbei fing sie, auch wenn es schwieriger zu spielen war, wieder mit demselben Ton an wie eben, “Ganztonschritt, Halbtonschritt, Ganztonschritt. Ihr hört, der erste und der letzte Ton des Tetrachors ist identisch wie bei dem dorischen Tetrachord, allerdings sind die Töne dazwischen verändert.
    Und so ist es auch bei der lydischen Skala, wo der Halbtonschritt an zweiter Stelle kommt, und der Mixolydischen, wo er an erster Stelle erfolgt.


    In der praktischen Musikausübung bei Instrumenten mit mehr als 7 Saiten natürlich ist es am einfachsten, eine andere Skala zu benutzen, indem man einfach je eine Saite weitergeht und so einen Tonschritt bei einem gestimmten Instrument. Allerdings ist das nicht der Inhalt der theoretischen Skalenbildung. Diese ist rein mathematisch nach eben erklärtem Prinzip.“


    Penelope hoffte, dass es verstanden worden war. “Sind hierzu noch Fragen?“ hakte sie sicherheitshalber nach.

  • Merula grübelte noch eine Weile über die Worte der Lehrerin. Schließlich kam er jedoch zu dem Schluss, dass es durchaus Sinn machte, was die junge Griechin ihnen versucht hatte zu erklären. Er schüttelte also als Antwort auf ihre Frage den Kopf. Er glaubte, es verstanden zu haben.

  • Nachdem kein Schüler sich meldete, atmete Penelope einmal durch, um ihre Gedanken zu sammeln. Sie war beinahe durch mit dem, was sie ihren Schülern beibringen wollte, und wenn sie das bisherige verstanden hatten, dann war schonmal der wichtigste Grundstein für ihr Verständnis der Funktionsweise der Musik gelegt.


    “Gut. Wie euch nun vielleicht bei den Skalen aufgefallen ist, bestehen diese nun dank der diazeuxis aus 8 Tönen anstelle von 7. Diesen achten Ton nennen wir Proslambanomenos. Der „Hinzugefügte“. Er fällt somit eigentlich aus dem Tetrachordsystem heraus, das ja auf 7 Töne ausgelegt wäre, und ist damit der Ton, der auf den siebensaitigen Instrumenten nicht gespielt wird, gehört aber dennoch zum Tonsystem.
    Wer kann mir die Namen und die Bedeutung der anderen 7 Saiten, oder besser gesagt die Tonstufennamen, nennen?“



    Penelope wartete kurz die Antwort ab und fuhr dann fort mit dem eigentlichen Thema.


    “Mit diesem achten, hinzugefügten Ton hätten wir streng genommen nicht mehr zwei Tetrachorde, sondern einen Tetrachord und einen Pentachord. Um nun eine Hyposkala zu bilden, vertauschen wir einfach die Reihenfolge von Pentachord und Tetrachord und beginnen unsere Skala mit dem Pentachord.“
    Wenn man das vorangegangene alles verstanden hatte, sollte dies hier nicht weiter schwierig sein. Im Grunde war das hier nur ein Kunstgriff.

  • Dem Nichtgriechen Lucius Iunius Merula schwirrte langsam der Kopf angesichts der Vielzahl griechischer Fachbegriffe.
    Vielleicht sollte er beantragen, dass die Kurse im Museion in römischer Sprache abgehalten werden sollten. Ob er damit aber bei den Einheimischen auf große Gegenliebe stoßen würde, durfte bezweifelt werden. Er musste sich also wohl oder übel durchbeißen.
    Während seine Mitstreiterin die Namen der Tonstufen vortrug - "Néte, Paranéte, Trite, Mése, Paramése, Parhypáte, Hypáte" - war Merula bemüht, dem Ganzen Positives abzugewinnen. Wie würde doch sein römischer Bekanntenkreis vor Neid platzen, wenn er ihnen von seinen Erlebnissen in der bedeutendsten Bildungseinrichtung des Erdkreises würde berichten können. Und deswegen war er nunmal hier. Um etwas zu lernen.
    "Mése ist dabei die mittlere Tonstufe, der Zentralton. Néte, der Unterste, die Tonstufe mit dem hellsten Klang. Der Hypáte, der Oberste, der mit dem tiefsten Klang."

  • Penelope nickte bei der Antwort noch leicht, auch wenn die Reihenfolge nicht ganz stimmte, lag doch die Paramese vor der Mese. Aber sie hatte ja auch nichts von der richtigen Reihenfolge gesagt, von daher war diese Antwort vollauf korrekt.


    Nach ihrer Ausführung über die Hyposkala war Penelope auch soweit durch mit den Dingen, die sie ihren Schülern fürs erste beibringen hatte wollen. Wahrscheinlich war es ohnehin an der Grenze dessen, wozu die Schüler aufnahmefähig waren. Mathematik war nicht einfach, da bildete diese Form der Mathematik auch keine Ausnahme dazu.
    So machte sie erst einmal eine Kunstpause und wartete, bis die Gesichter ihr alle wieder aufmerksam zugewandt waren und die meisten imaginären Fragezeichen daraus verschwunden waren, ehe sie sich leicht verneigte und noch eine Reihe an Schriften und Werken ihren Schülern ans Herz legte, die sie lesen sollten, wenn sie sich näher mit der Musik befassen wollten.


    Sim-Off:

    Kurs hier offiziell zuende, natürlich kann aber noch hier weitergepostet werden, wenn jemand will. Unterlagen sind auch unterwegs, bitte innerhalb von 10 Tagen (06.11.09) an mich zurück.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!