exedra | Sardische Träume

  • Ich griff träge nach einer Karaffe, um mir einzuschenken, musste dabei jedoch feststellen, dass der Wein bereits zur Neige gegangen war. Wie gerufen kam da der kleine Knabe, der Leone an der Tür zur Hand ging. Noch ehe er etwas sagen konnte, trug ich ihm auf, den Krug aufzufüllen. Der Junge nahm das tönerne Gefäß, teilte mir mit, dass Orest heimgekehrt war und gleich zu mir stoßen würde. Dann verschwand er und ließ mich und meinen umnebelten Geist mit leerem Becher und schalem Geschmack im Mund zurück. Orest war also wieder da. Nun, sagte ich mir. Immerhin war nicht auch er dahingeschieden, so wie meine Nichte, deren Tod ich zu ertränken suchte, um stark sein zu können, wenn Ursus mich vielleicht brauchte zum Trost. Ich riss die Augen auf, um meinen Blick zu klären, blinzelte viele Male hintereinenader - und gab schließlich auf. Ehe Orestes erschien, brachte der Knabe stumm neuen Wein und einen zweiten Becher. Ebenso lautlos, wie er gekommen war, verschwand er auch wieder, und ich wartete mit trüben Gedanken und halbleerem Becher auf Orestes‘ Erscheinen.

  • "Marcus,", rief Orestes beim Eintreten zu. Er hatte sich beeilt einigermaßen frisch und sauber die Exedra zu erreichen. "ich habe..Leone hat es mir schon erzählt., stammelte er weiter. Er war sich zu gut bewusst wie wichtig Minervina für Corvinus war, von Ursus ganz zu schweigen, so dass ihn das Bild, was sich ihm bot, nicht besonders überraschte: Corvinus saß trübsinnig herum. Eine andere Trübsinnigkeit, als er sie in den letzten Monaten gelebt hatte, denn es war Trauer.


    Da zumeist weiteres Reden im Trauerfall weder erwünscht war, noch half, ging er in respektvollem Schweigen - er hätte auch nicht gewusst, was er sagen sollte - zu Corvinus und wartete seine Reaktion ab, bevor er sich zu ihm setzte.

  • Ich blickte auf, als Orest eintrat. Er wusste es also schon. Ich stellte den Becher weg und stand - ein wenig schwankend - auf, um Orestes schweigend zu umarmen. Die Begrüßung viel ein wenig länger aus als es vielleicht üblich war. Abschließend klopfte ich ihm auf die Schulter, dann seufzte ich und setzte mich wieder. "Es tut gut, dich zu sehen, Manius, und ich hoffe inständig, dass es dir wieder besser geht", sagte ich mit einer ein klein wenig schweren Zunge. Ich griff nach der Karaffe und schenkte einen zweiten Becher ein. Dunkelroter, purer Wein ergoss sich in das Gefäß. Wie Blut, das sprudelte. "Die Nachricht kam heute morgen. Ich habe Titus gleich informieren lassen", erzählte ich und nahm einen tiefen Schluck. "Wenn er nach Hause kommt, müssen wir alle ihm eine Stütze sein. Er wird sich die Schuld geben, denn er hatte entschieden, dass sie sich am Meer erholen soll... Es hätte ja keiner ahnen können, dass sich ihr...Zustand...noch verschlimmert." Ich warf Orestes einen kurzen Blick zu, als ich den Zustand erwähnte. Immerhin hatten auch in die Depressionen heimgesucht, ihn aber den Göttern sei Dank nicht derart überwältigt, wie sie es bei Minervina getan hatten.

  • Die Begrüßung war der Stimmung angemessen und doch fühlte Orestes, dass es gut war, dass er genau jetzt zurück gekehrt war. Du hast recht, Titus wird sich die Schuld geben. , nach einer kurzen Denkpause fuhr er fort, Was natürlich unsinn ist, die Meerluft hat mir ja auch gut getan, damit sich die Säfte ausgleichen. Aber das wird ihm, und uns allen nicht viel nützen.


    Orestes nahm sich den Becher und füllte ihn mit Wein, der sich fast dickflüssig - er war offensichtlich unvermischt - in den Becher ergoss. Ihm lag die Frage auf der Zunge, wie Minervina den Tod gefunden hatte, aber er verbiss sie sich, stattdessen trank er und sagte darauf: "Wir können den Göttern danken für das Geschenk, das sie uns in Minervina gegeben haben."

  • Ich nickte beipflichtend und goss mehr Wein ein. "Wir werden sie mit allen Ehre verabschieden", stellte ich fest und nickte abermals, mehr zu mir selbst als zu Orestes. "Ja. Dank den Göttern." Und als Trankopfer goss ich einen Schwapp Wein auf den Boden. Eine Weile hing ich - und Orestes vielleicht auch - meinen eigenen Gedanken nach. Dann fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht und stellte seufzend den Becher zurück. Gung Trübsal, irgendwann musste man weitermachen. "Wie geht es dir, Manius? Hast du dich gut auskuriert? Wirst du jetzt länger in Rom bleiben? Ich habe mich für dich auch bei Tiberius Durus erkundigt. Er hat seine Verwandte bisher keinem anderen versprochen." Und Orest täte wohl gut daran, sich der noch bestehenden Zusage zuversichern und alles weitere in die Wege zu leiten, ehe Arvinia am Ende doch noch einen anderen Ehemann fand. "Was weißt du über die politischen Angelegenheiten, die in deiner Abwesenheit stattgefunden haben? Oder eher: Was willst du wissen? Auf Sardinien beschreibt die Sonnenuhr einen anderen Kreis, so scheint es mir mitunter."

  • Orestes nickte. Die Stille, die sich nun ergab war nicht unangenehm, vielleicht wirkte der Wein dem auch entgegen. Jedenfalls ließ Orest Corvinus das Tempo des Gespräches bestimmen und als dieser das Thema wechselte und die Verarbeitungsstrategie "Ablenkung" wählte, ließ Orestes auch dieses geschehen, in der Annahme, das sein Vetter sich bewusst war, dass er ablenkte. Das gab aber zugleich die Gelegenheit die nächsten Schritte zu besprechen, was nicht gerade von Nachteil ist. "Dann sollte ich in den nächsten Tagen bei Tiberius Durus vorbei schauen, um mit ihm die Sache festzumachen. Sponsalia et cetera festzulegen. Arvinia - er hatte in Sardinien oft an sie denken müssen, der Arzt hatte ihm gesagt, dass es in seiner Verfassung gut sei das Leben zu ordnen, damit die Gefahr eines Rückfalles minimiert würde. Und was gab es ordentlicheres, als zu heiraten.


    "Was die Politik angeht, hört man auf Sardinien wirklich nur das allerwenigste, zumal die Acta auch nur selten ihren Weg dorthin findet. Man hörte, dass der Kaiser eine Zeit in Misenum weilte, so dass der Präfectus Urbi in Rom das sagen hatte, über den wir bei Gelegenheit mal sprechen könnten. Dann stehen ja wieder Wahlen ins Haus, da interessiert mich, wer kandidiert. Zumal wir beizeiten auch über die nächste Runde im Lauf der Ehren nachdenken könnten."


    Das wäre erstmal das Wichtigste. Ah, fiel es Orestes auf, die ersten Fragen seines Gegenübers hatte er noch unbeantwortet gelassen: Um aber zu Deiner Eingangsfrage etwas zu sagen. Mir geht es wieder gut. Ich habe manchmal das Gefühl, dass diese Schwarze Galle, die einige von uns heimsucht, etwas wie eine Familienkrankheit ist. Der Arzt hat mir eine Liste mit Speisen gegeben, die ich meiden soll. Wein steht glücklicherweise nicht darauf. Dann soll ich alle 20 Tage für drei, vier Tage aufs Land, oder wenigstens einen Ausritt oder ähnliches machen. Damit sollte man Rückfälle vermeiden. Und dann stünde auch einem Weg in der Politik und in der Religion nichts im Wege, meint er.

  • "Das solltest du", bestätigte ich. "Durus' Angebot war ganz angemessen. Wenn er dabei bleibt, wäre es vermutlich das beste, es anzunehmen. Auf spanischem Boden gedeihen Reben recht gut, will ich meinen. Vielleicht gehören Weinberge zum Anwesen mit dazu. Das solltest du in Erfahrung bringen." Ich starrte in meinen Becher, der dunkelroten Wein beinhaltete. Vielleicht kam er auch aus Iberien. In meinem momentanen Stadium konnte ich das nicht mehr so klar beurteilen. "Willst du die Tiberia immer noch cum manu heiraten?" Wenn Durus dabei zustimmen würde, wäre das ein riesiger Schritt, um den alten Zwist zwischen den Familien endgültig beilegen zu können. Ich blinzelte nachdenklich und nahm mir vor, Ursus mit Fragen nach seinem Legaten abzulenken, wenn er erst einma zurück sein würde.


    "Die Acta, oh ja... Momentan haben wir ein großes Problem, denn es gibt einerseits zu wenig Schreiber, als dass sie regelmäßig erscheinen könnte, andererseits gibt es nichts über den Kaiser, das ich guten Gewissens publizieren könnte. Du weißt ja, dass er in Misenum weilt momentan. Er hat von dort aus eine neue Vestalin berufen. Und sonst hört man nichts von ihm, von widersprüchlichen Gerüchten einmal abgesehen. Es geht ihm wohl schlecht, aber das können wir kaum veröffentlichen. Und dieser Vescularius hat nichts anderes zu tun, als ihm den Rang abzulaufen. Er sollte ihn vertreten, aber meiner Meinung nach verdrängt er ihn. Und der Senat ist machtlos, zumindest, solange niemand das Wort öffentlich gegen ihn erhebt. Das ist grausam." Ich selbst würde mich hüten, dabei den Anfang zu machen, zumindest öffentlich. Allerdings hatte ich Caius Columnus beauftragt, beim Bruder des Kaisers einmal anzuklopfen und durch die Blume zu fragen, was Sache war.
    "Unser Tiberius kandidiert zum quaestor consulum und Tiberius Durus zum consul. Prudentius Macer geht sein Prätorenamt an, zumindest hege ich keinerlei Zweifel, dass er mit herausragender Mehrheit gewinnen wird. Für die unteren Ämter kandidieren einige bisher Unbekannte. Ahja, Decimus Verus - du weißt schon, der nauta, der Celerina aus den Klauen der Piraten befreit hat - ist im Senat während seiner Kandidaturrede zusammengebrochen. Ich gehe davon aus, dass er nicht gewählt werden wird, aber warten wir es ab."


    Ich nickte geflissentlich und nahm einen weiteren Schluck Wein. "Dann achte auf dich, wie es der iatros verlangt. Ich bitte dich nur, mir beim nächsten Mal bescheid zu geben, wenn du Rom für eine so lange Zeit verlässt. Wir haben uns alle Sorgen gemacht."

  • Gut, dann werde ich mich baldigst dort hin begeben. Morgen, oder übermorgen.,
    sagte er - wie war denn noch einmal das Angebot für die Dos gewesen, überlegte er dann auf die Bemerkungen hin: "Das Angebot war ein Saltum Land, wenn ich mich recht erinnere, oder? Iberien, richtig, ja." Dann nahm auch er noch einen Schluck von dem Wein, von dem kaum zu sagen war, ob er iberisch oder sizilianisch war. Cum manu, ja. Am besten auch eine Confarreatio. Langfristig könnte ich mir vorstellen, aber das nur zu Dir und es ist auch nur eine von verschiedenen Optionen, mich in Richtung eines der Flamen Posten zu bewegen. Die jetzigen Amtsinhaber sind alle nicht besonders stark und das einer dieser in den nächsten Jahren ins Elysium aufbricht ist nicht unwahrscheinlich. Und in dem Moment einer der wenigen confarreierten Patrizier zu sein, könnte eine gute Position sein."


    Auf die politischen Anmerkungen nickte er bloß. Die Acta war also wirklich ein Problemkind momentan. Gerne hätte er Corvinus dabei unter die Arme gegriffen, aber er musste erst einmal seine Pflichten wiederaufnehmen, bevor er sehen konnte, welches weitere Engagement drin war. Die Meldungen zu den Kandidaten hörte er dafür mit Freude und Anerkennung. Es war gut, wenn Avianus jetzt kandidierte, so könnte er selbst da nächste Mal antreten. Auch ein Konsulat von Durus käme ihnen jetzt gaz gut zu passe. "Bene, die Kandidaturen sind ja ganz erfreulich, gerade wenn ich im nächsten Jahr für die Quästur kandidieren sollte, was wir überlegen könnten.

  • Ich nickte bestätigend. Je eher er die Verhandlungen hinter sich brachte, desto besser wäre es für ihn selbst. "Ja, ein Grundstück in Iberien. Durus sagte, es würde sich auch ein Haus darauf befinden", erwiderte ich. "confarreatio... Wenn Durus da zustimmt, soll es mir auch recht sein. Dann solltest du aber den flamen dialis frühestmöglich über den Termin der Heirat informieren. Und das Ziel, das du da anstrebst, werde ich natürlich nach Kräften unterstützen, wenn es dazu kommen sollte." Ich selbst hatte einst erwogen, den Posten des flamen des Quirinus anzustreben, was Orestes gewiss auch bekannt war, denn ein Geheimnis war dies schließlich nicht. Für den Moment allerdings lag diese Option auf Eis, nicht zuletzt dadurch, dass ich meine Frau sine manu geheiratet hatte. Ich hatte schlichtweg auch zu wenig Zeit, um mich darauf vorzubereiten.


    "An sich spricht nichts dagegen, bei den nächsten Wahlen zu kandidieren, Manius. Ich selbst möchte mein Ädilat wiederholen. Derart beschämend, wie es aufgrund dieser unpassenden Krankheit war, kann ich es so nicht stehen lassen. Was möchten sonst die Leute denken?" ich schüttelte den Kopf. "An welches Quästorenamt dachtest du denn?"

  • "Gut, dann spreche ich am besten bald mit Durus, und spreche auch die Frage nach der Form der Heirat gleich mit an. Danach müssten dann die entsprechenden Personen informiert werden. , sagte Orestes die Ausführungen zusammen fassend. Dass auch der Kaiser als Pontifex Maximus theoretisch anwesen müsste, machte Orestes gerade keine Probleme, er würde sich sicherlich durch Tiberius Durus vertreten lassen können. Als dann Corvinus nach der Art der Quästur fragte, überlegte Orestes, während er noch einen Schluck Wein nahm, den er nun schon etwas spürte. "Am liebsten etwas wie den Consulum. Da wäre dieses Jahr mit Durus natürlich ideal. Deswegen müsste man schauen, wer sich so alles aufstellen lässt für das Consulat meine ich, und ob es da vorteilhafte Personen gibt. Wenn nicht... dann, hm was würdest Du denn empfehlen?

  • "Empfehlen? Hm..." Ich überlegte, aber nur kurz. "Im Grunde ist jedes Amt im cursus honorum ein ehrenvolles Amt. Du solltest den Senat wissen lassen, dass du jedes Amt ausführen würdest. Als ich die Wahl hatte, hatte ich es auch so gehandhabt. Sie werden dich fragen, welche Position du bevorzugst und warum. Ich habe damals nicht in die Provinzen geschickt werden wollen und das auch gesagt. Was du letztendlich wählst und ob du selbst in diese Position gewählt werden wirst, ist eigentlich einzig und allein deine Entscheidung. Vielleicht reist du ja gern und willst es deswegen anders handhaben als ich?" Ich zuckte mit einer Schulter. "Ich kann dir da keine Empfehlung erteilen. Aber ich weiß, dass du in jeder Position dein Bestes geben wirst."

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