[Tablinum] Der zweite Anlauf drei Stunden später

  • Macer erwartete den kurzfristig gemeldeten Besucher in seinem Tablinum, in dem er noch ein paar Dinge gedanklich durchging, die er entweder heute noch abhaken oder in der Nacht nochmal ruhig überschlafen wollte. Als sein Türhüter den Gast herein führte, blickte er auf.

  • Dem Ianitor hintendrein wuselnd, war Piso ins Interieur der Casa Purgitia vorgestoßen. Gar nicht mal ein so schlechtes Haus. Auch wenn es nicht ganz so prunkvoll war wie patrizische Villen, was aber vielleicht eher auf die Extravaganz der Patrizier als dem fehlenden Reichtum der Purgitier zuzuführen war.
    Und so wurde er hineingeführt. Piso hatte Macer noch nie gesehen, doch es war ihm sofort klar, wer dies war. Ein eher hagerer Mann mittleren Alters, in etwa gleich groß wie Piso. Der Flavier schritt auf ihn zu. „Salve, Purgitius Macer. Mein Name ist Aulus Flavius Piso, doch ich denke nicht, dass dir dieser Name etwas sagt. Darf ich mich setzen?“, fragte er mit aller Höflichkeit, die er aufbringen konnte, ohne dabei unterwürfig zu wirken. „Ich möchte nicht um den heißen Brei herumreden. Ich bin aus einem spezifischen Grund zu dir gekommen – und zwar, um dich zu bitten, mein Patron zu werden.“, begann er, gleich ins kalte Wasser springend. Dem Purgitier blickte Piso direkt in die Augen, gefasst darauf, dass der Mann ziemlich viele Fragen an ihn hätte.

  • Hätte der Besucher bei seinem ersten Anlauf Erfolg gehabt und Mascer zu Hause angetroffen, hätte er ihn mit einem derartigen Auftritt zweifellos mächtig überrumpelt. So jedoch hatte der Hausverwalter des Senators die drei Stunden zwischen dem ersten und dem zweiten Anlauf genutzt, einige Informationen über den Gast zusammenzutragen oder zusammen tragen zu lassen, so dass Macer bestens informiert war. Was dieser sich natürlich nicht allzu deutlich anmerken lassen wollte.


    "Sicher, nimm Platz und sei gegrüßt", erwiderte er daher erst einmal nur und ersparte es sich angesichts des Wortschwalls, sich selber zur Begrüßung vom Platz zu erheben. "Es ist nicht eben häufig, dass sich Patrizier auf derart direkte Weise um das Patronat eines Plebeiers bemühen", begann er genauso offen, wie sein Gasst gesprochen hatte. Dass die patrizische Abstammung seiner Ehefrau schon derart schnell so konkrete Früchte trug, hielt er für ausgeschlossen. "Bist du zufällig mit Flavius Milo verwandt?" schloss er dann eine möglicherweise überraschende Frage an.

  • Der Flavier nickte dankbar und ließ sich mit einem leichten Ächzen, welches verriet, dass er einige Zeit nicht gesessen war, sich auf den Stuhl vorm Arbeitstisch des Senatoren nieder.
    Die erste Frage des macer hatte er irgendwie schon fast erwartet. „Nun, Senator Purgitius, ich bin mir dessen bewusst, dass ich Patrizier bin, und du nicht. Genauso aber weiß ich, dass das nicht viel zu bedeuten hat. Als Patrizier bin ich genau so römischer Bürger wie du. Und es wäre arrogant, anzunehmen, dass Patrizier noch immer, wie in der Republik, die Zügel in der Hand halten.“ Er hüstelte. „Zudem bist du, wie ich zuletzt gehört habe, Patron eines Aureliers. Und ich kann noch an viele andere Plebejer denken, die Patrizier als Klienten haben. Aelius Quarto und die Vinicius-Brüder zum Beispiel.“, ließ er vernehmen. „Und, was dazu kommt, es ist ja nicht so, dass du nicht eng mit den Tiberiern verbandelt wärest.“, strafte er den Gedankengängen des Macer Lügen.
    Auf die letzte Frage des Purgitiers hin musste er nachdenken. „Hmm. Flavius Milo. Das war doch... der Bruder des Furianus? Ich habe ihn nie kennen gelernt. Er ist ja vor einiger Zeit einer Krankheit erlegen. Wenn du den meinst, ja, ich bin mit ihm verwandt, er ist... mein Neffe zweiten Grades...“ Er ließ eine kurze Pause. „...gewesen. Wieso fragst du?“

  • Macer machte eine trauriges Gesicht, als er erfuhr, dass Flavius Milo nicht mehr lebte. "Das wusste ich nicht, dass er verstorben ist. Mein Beileid. Sehr schade. Er war mein Scriba personalis, als ich Aedil war. Also schon etwas länger her. Ein sehr netter Kerl. Ich hätte ihm eine gute Karriere zugetraut."


    Eine Weile schien sein Blick fern und sein Geist nach Erinnerungen zu graben, was manchmal etwas dauern konnte. Dann aber konzentrierte er sich wieder auf das Gespräch. "Ja, du hast natürlich eine Menge Argumente genannt und bist obendrein gut informiert. Aurelius Avianus ist ein Klient von mir, das stimmt. Erzähl mir mehr von dir. Du arbeitest am Kaiserhof, nicht wahr? Ist das nicht eher ein Platz, wo viele Ritter die Beamtenkarrieren empor steigen?"

  • Der junge Flavier nickte nur ernsthaft, als der Purgitier ihm sein Beileid aussprach. „Danke.“, meinte er, obwohl er Milo gar nicht gekannt hatte. Dass ihm Macer trotzdem sein Beileid aussprach, gefiel Piso, er fand es eine nette Geste.
    Er hörte Macer zu und nickte wiederum, dieses mal etwas erfreuter. „Das stimmt, ich arbeite in der Kanzlei. Ich bin noch Primicerius, aber ich denke, nicht mehr lange. Prudentius Balbus hat mir sein Versprechen gegeben, sich für mich beim Praefectus Urbi einzusetzen. Sodass ich eine bessere Stelle – vielleicht ja den Posten des Procurator a memoria – und den ordo senatorius erhalte. Nur habe ich noch nichts von ihm gehört... aber er ist sicher schon dran.“, war sich Piso sicher, auch wenn er mittlerweile der Meinung war, jeder Tag, den er noch weiter als Primicerius a libellis verbringen würde, wäre verschwendet. „Nun hast du recht, ich bin ein Patrizier unter Rittern. Aber mir gefällt es, und ich wäre nicht der erste Patrizier, der ritterliche Posten bekleidet. Ich weiß nicht, was man daran an manchen Stellen findet.“, grübelte er. „Ich will den ordo senatorius, weil ich bei den nächsten Wahlen als Vigintivir kandidieren will.“, offenbarte Piso hernach. „Und gerade deshalb suche ich einen Unterstützer im Senat.“
    Gerade, wie er seine Rede abgeschlossen hatte, fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, zu erwähnen, dass er ausgebildeter Jurist und Ökonom war, und zudem die Kriegskunst studiert hatte. Mist. Man konnte das ja noch später anbringen.

  • "Das Wort von Prudentius Balbus sollte einiges an Gewicht haben", machte Macer dem Mann Mut. "Auch wenn es mich überrascht, dass der Praefectus Urbi nun auch über die Vergabe der Posten in der Kanzlei entscheiden mag. Ich hatte angenommen, dass dies weiterhin in der Hand des Imperators liegen würde oder viel eher noch sein Bruder sich darum bemüht." Macers Blick war durchaus sorgenvoll angesichts dieser Information, aber das Gespräch lenkte der Senator deswegen trotzdem nicht weiter in diese Richtung.


    "Zweifellos ist es nichts unehrenhaftes, als Patrizier einen ritterlichen Posten zu bekleiden, aber ich denke schon, dass du dich rechtzeitig entscheiden solltest. Die Laufbahn der Procuratoren ist lang und für Patrizier sicher doch eher unüblich und wenn du nun nur einen Posten als Procurator bekleidest ohne die Laufbahn weiter zu verfolgen und danach das Vigintivirat anstrebst, mag man dich im Senat vielleicht zu Recht fragen, warum du es nicht früher in Angriff genommen hast." Macer war zwar kein Freund zu früher Festlegungen, hielt aber typische Karrierewege durchaus für flexibel genug. "Natürlich gibt es im Senat auch immer jene, die am liebsten einen Kandidaten von 20 Jahren mit 30 Jahren Erfahrung in 40 Ämtern in 50 Provinzen hätten, aber denen muss man ja nicht nach dem Mund reden."


    Macer lehnte sich einen Augenblick schweigend zurück. "Oder fragen wir mal anders. Angenommen, ich unterstütze dich, in den Senat zu gelangen und nach einigen Jahren und zwei Ämtern ist das gelungen. Wie unterstützt du dann mich?"

  • „Ja, das denke ich auch.“, gab der Patrizier zurück und lächelte. „Das denke ich auch. Und was Vescularius Salinator angeht... ja, es ist schon eine seltsame Sache mit ihm...“ Mehr äußerte er ja nicht, obwohl er sich selber relativ sicher war, dass Macer dem Mann misstrauisch gegenüber gesonnen war.
    Er hörte sich also aufmerksam an, was Macer nun weiteres zu sagen hatte. „Da magst du recht haben.“, überlegte er laut vor sich hin. „Also denkst du, es wäre möglicherweise besser, wenn ich noch nicht nächstes Jahr kandidiere, sondern zuerst einmal eine Karriere in der Kanzlei mache? Dann bin ich doch schon alt, so werde ich nie Senator. Oder sollte ich, ohne erst einen ritterlichen Posten anzunehmen, Senator werden? Dann bin ich ein kompletter Unbekannter, fuer den niemand am Wahltag stimmen wird.“ Wieso konnte das nicht so sein wie in den guten alten Zeiten, dass man sich einfach einen Senatorentitel kaufen konnte? Das wäre was gewesen. „Wieso ich erst jetzt Senator werden will, fragst du? Nun, ich ließ mich von meinem Verwandten Furianus dazu inspirieren, diese Laufbahn einzuschlagen. Vorher widmete ich mich dem Studium des Reiches, der Wissenschaften und der schönen Künste.“, gab er zum Besten. Besonders auf letzteres war er stolz. Er lachte, wie er Macers Kommentar hörte. „Und natürlich arbeitete ich bei der Kanzlei. Aber, ich muss dir sagen, so eine Laufbahn wäre einmal etwas. Vor so etwas müsste ich klarerweise passen.“Sein Lachen verklang, wie er die Frage des Purgitiers hörte. War der Senator bei jedem Klientelverhältnis so streng bei der Auswahl? Nun ja, Piso war Patrizier. Und Adel verpflichtet. So begann er zu reden.
    „Senator Purgitius, ich habe, wie du schon gehört hast, ausgiebig diverse Fachgebiete studiert. Ich bin nicht nur Beamter, sondern auch Anwalt. Zudem habe ich weitreichendes ökonomisches und zumindest theoretisches militärisches Wissen. Außerdem bin ich dabei, Erfahrungen beim Dienst an den Göttern zu sammeln. Meine Kenntnisse also würde ich dir zur Verfügung stellen. Ich denke außerdem, ich muss nicht mehr lange warten, bis ich Mitglied des Kollegiums der Arvalbrüder werde. Zudem würde ich dir einen guten Draht zu den Flaviern geben. Und ich habe in der Kanzlei und der Beamtenschaft allgemein mir wohlgesonnene Leute, mit denen ich mich gut verstehe, und gute Beziehungen habe. Nicht zuletzt zähle ich den Praefectus Praetorio zu meinen Freunden.“, zählte er auf. „Was ich dir natürlich bieten würde, ist meine Loyalität.“ Das war selbstredend. „Und, wenn ich erst Senator bin, meine Stimme.“

  • Bei der einen oder anderen Antwort hatte Macer den Eindruck, dass sie an seiner Frage vorbei ging, aber er ließ seinen Gegenüber erst einmal ausreden. So hatte er mehr Zeit, die eine oder andere Aussage nochmal zu überdenken, ob er sie nicht vielleicht nur falsch verstanden hatte.


    "Ich denke nicht, dass du ein chancenloser Unbekannter wärst, wenn du ohne einen höheren Beamtenposten in den Cursus Honorum einsteigen wirst", begann er dann. "Teilweise versuchen Senatoren, noch viel unbekanntere Klienten günstig für die Wahl zu platzieren. Du stammst immerhin aus einer namhaften Familie, hast einflussreiche Verwandte und obendrein noch eine soldie Ausbildung. Wenn du jetzt noch deine juristischen Kenntnisse in ein oder zwei öffentlich bemerkenswerten Prozessen unterbringen kannst, wirst du alles andere als unbekannt und chancenlos sein", sah er die Zukunft des Flaviers deutlich optimistier, als dieser selbst in seinen Ohren geklungen hatte.


    Die Versprechungen die er ihm machte, waren teilweise das übliche, teilweise aber auch interessant genug, dass Macer weiter darauf einging. "Du erwähnst die Arvalbrüder. Die meisten Patrizier sind Mitglied in einer kultischen Gemeinschaft, nicht wahr? Strebst du auch darüber hinaus an, Priesterämter zu bekleiden?"

  • Piso nahm die Frage natürlich als Anlass, seine ganzen Fähigkeiten und Referenzen aufzuzählen. Dass dies die Frage des Purgitiers nicht ganz beantwortete, störte ihn nicht. Er wollte doch nur beweisen, was für ein toller Kerl er war! Der Purgitier schien aber vom Meisten unbeeindruckt. Nur mit seiner juristischen Ausbildung schien er punkten zu können.
    Was Macer dann sagte, klang aber doch viel gleich versöhnlicher. Es machte Piso Mut. „Du denkst also, ich kann als kleiner Beamter gewinnen?“, fragte er ernsthaft und grübelte nach. „Natürlich kandidieren oft noch viel unbedeutendere Leute. Das sind dann die, die verlieren.“ Seine Schultern sackten wieder ein. Triste blickte er in die Landschaft. Nur bei den nächsten Worten Macers richtete er sich wieder auf. „Ein Prozess... hm. Das wäre eine Idee. Das wäre tatsächlich eine Idee, Senator. Das Problem ist nur, dass momentan keiner klagt. Und wenn, dann zeihen sich Senatoren gegenseitig der üblen Nachrede. Diese nehmen dann natürlich hochkarätige Anwälte, nicht, es tut Not, diesen Begriff zu benutzen, Grünschnäbel wie mich.“ Er zuckte die Achseln. „Siehst du eine Chance, dass ich mich bald bei einem Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Prozess bewähren kann?“, fragte er.
    Die Rede kam nun auf die Arvalbrüder. „Die meisten, ja. Ich bisher noch nicht, aber wie gesagt, bald sollte dieser Umstand behoben sein. Ob ich eine religiöse Karriere plane? Hm, eigentlich nicht, aber ich bin flexibel. Wenn in den Cultus Deorum, würde mich das Septemvirat interessieren.“ Dieses Amt war weniger religiös als vielmehr mit Verwaltungskram beschäftigt, wo Piso sich wie zu Hause vorkommen würde. „Aber wie gesagt, dass ist Zukunftsmusik. Aber ich denke, wohl wie du auch, dass ein Priesteramt sehr viel Ansehen mit sich bringt.“ Er musste dies am Besten wissen, war doch sein Vetter Manius Gracchus Pontifex.

  • "Ja, ich denke auch, dass ein Priesteramt nicht eben wenig Ansehen bringt", bestätigte Macer die Vermutung des Flaviers. "Ich hatte durchaus auch schonmal mit dem Gedanken gespielt, ein solches anzustreben, aber im Moment liegen meine Interessen anders." Weiter wollte er darauf aber nicht eingehen und kam daher auch gleich zu den anderen Themen zurück. "Wenn ich vorhersagen könnte, wer bald gegen wen einen aufsehenerregenden Prozess führen wird, würde ich mir eine silberne Kutte überwerfen, eine Tonmaske vor's Gesicht hängen und als Wahrsager auf dem Forum Tausende von Sesterzen verdienen", scherzte er. "Aber Spass beiseite. Ich habe im Moment keine Klienten, die einen nennenswerten Rechtsstreit anfangen möchten und deren Vertretung ich dir anvertrauen könnte. Insofern kann ich dir diesbezüglich nichts versprechen."


    Er machte eine Pause. "Als kleiner Beamter kannst du vielleicht keine Wahl gewinnen. Als Patriziersohn, Anwalt, Mitglied der Arvalbrüder und Klient eines möglicherweise zukünftigen ehemaligen Praetors schon." Er lächelte. Es kam eben immer darauf an, wie man sich verkaufte.

  • Den Senatoren, der über das Priesteramt sprach, verstand Piso natürlich. Natürlich hatte ein Senator mitten im Wahlkampf besseres zu tun, als über priesterliche Aufgaben nachzudenken. Wo Macers momentane Interessen lagen, war klar; es war, das Amt des Praetors zu erlangen. So nickte Piso nur wiederholt verständnis- und bedeutsamsvoll, um nicht purgitische Unbill auf sich zu ziehen.
    Bei macers Witzchen musste er aber lachen. „Glaube mir, es gibt genug Leute, die das tun. Man sieht diese Quacksalber oft in den Straßen herumstehen und orakeln. Davon mag man halten, was man will. Vielleicht haben diese Leute eine Gabe, die uns beiden verwehrt bleibt, ich für meinen Teil glaube das weniger. Ist schon komisch, mit dem Schicksal...“ Krampfhaft bemühte er sich, nicht auf schwerwiegende und sinnlose Diskussionen, die er schon zum zu bezweifelnden Vorteil seiner Mitmenschen geführt hatte, zu verfallen. Diese standen nicht zur Debatte. Und so verlegte sich Piso wieder aufs Nicken, und schmunzelte, als ihm ein Gedanke kam. „Ich könnte natürlich ganz forsch auftreten und einen Schusterbetrieb oder etwas Ähnliches ins Leben rufen. Wenn ich dann den Prozess, der unweigerlich kommt, gewinne, werden wohl einige auf mich aufmerksam werden.“ Macer als zum Praetor Kandidierender wusste sicher, dass es ein Bravourstück war, als Patrizier oder als Senator einen nicht agrikulturellen Betrieb aufrechtzuerhalten.
    Als Macer ihm erzählte, wie er gewinnen könnte, musste Piso abermals mit dem Kopf nicken. „Ja, das klingt schon bedeutend besser. Und...“, er stockte, „du wärest also bereit, dich als meinen Patron vorzustellen?“, fügte er hinzu, als es ihm kam, welche weitere Bedeutung Macers letzter Satz hatte. Erwartungsvoll blickte er den Mann an, mit dem er über den Verlauf der letzten 10 Minuten sowieso schon ein Gespräch geführt hatte, als ob er mit einem Patron reden würde.

  • "Ja, ich kann mir vorstellen, dein Patron zu sein", bestätigte Macer die Vermutung des Flaviers, der ihm nach dem bisherigen Gespräch ein sehr unteressanter Mann zu sein schien. "Zumindest, sofern du nicht auf dumme Gedanken kommst und plötzlich einen Schustereibetrieb eröffnest."

  • Piso blickte freudig, fast schon überrascht, drein, als Macer ihm anbot, in seine Klientel einzutreten. Und lachte anschließend. „Keine Sorge, ich bin nicht so blöd, wie ich aussehe.“, witzelte er. Das mit dem Schusterbetrieb war nicht ernst gemeint natürlich, obwohl Piso es sich tatsächlich 2 Sekunden lang durch den Kopf gehen lassen hatte.
    Gewichtig holte er Atem und hub sogleich an zu sprechen. „Also dann. Senator Purgitius Macer, ich bitte dich darum, mein Patron zu werden.“ Er trug diesen Satz in einer feierlichen und bedeutungsvollen Tonart vor, als ob er den Curator Aquarum um die Hand seiner Tochter bitten würde. Fehlte nur noch das "in aller Form". Gespannt blickte er auf den Mann.

  • Macer hatte den Eindruck, dass der Flavier es besonders feierlich machen wollte, denn eigentlich war ohnehin klar gewesen, dass er jetzt, nachdem Macer zugestimmt hatte, dass er sich ein Klientelverhältnis vorstellen könnte, nicht einfach aufstehen und ablehnen würde. Zumindest hätte Macer ihm das sehr übel genommen. Trotzdem bedurfte die formelle Bitte einer ebenso formellen Antwort.


    "Flavius Piso, ich folge dieser Bitte gerne und betrachte mich ab sofort als deinen Patron und dich als meinen Klienten, mit allen Rechten und Pflichten die dies für uns beide impliziert. Ich erwarte dich regelmäßig zur Salutatio, erwarte ferner, dass du alle wichtigen Entscheidungen deiner weiteren Karriere mit mir besprichst und dass du keine rechtlichen oder politischen Schritte gegen mich oder meine Klienten unternimmst. Dafür steht dir meine Tür jederzeit offen, bei Sorgen kannst du jederzeit um meinen Ratschlag bitten und vor Gericht werde ich für deine Verteidigung sorgen. Und was wir bei den nächsten Wahl anstellen und wenn du im Senat bist, klären wir, wenn es soweit ist." Er setzte ein feierliches und dennoch freundliches Gesicht auf und wartete auf die Antwort.

  • Unter Pisos liberalen Anstrich steckte im Grunde doch nur ein konservativer patrizischer Klemmi, sodass es nicht verwunderlich war, dass Piso über das Eingehen in das Klientelverhältnis einen solchen Aufstand machte. Macer hatte Feingefühl bewiesen, indem er mit ebenso formellen Brimborum den Ansprüchen des Flaviers genügte. Zufrieden lächelte der Flavier, als ihm Macer seine Rechten und Pflichten aufzählte.
    Regelmäßig zur Salutatio sein sollte kein Problem sein, die Casa Purgitia und die Villa Flavia waren nicht so weit voneinander entfernt. Entscheidungen besprechen? Genau so etwas hatte Piso eh immer wollen. Keine rechtlichen und politischen Schritte gegen ihn oder seine Klienten unternehmen? Sollte möglich sein. Wenn er sie erst einmal kennen gelernt hatte. Die Rechte klangen sogar noch besser, obwohl Piso dachte: wenn das Dokument, welches seine Berechtigung als Advocatus bescheinigte, auch nur die Tinte wert war, mit der es geschrieben war, könnte er dies selber machen. Dass Macer sich um ihn bei der Wahl kümmern würde, befriedigte ihn zutiefst.
    „Ich nehme diese Rechten und Pflichten gerne auf mich, und werde dir ein guter Klient sein.“, antwortete er wiederum etwas schraubstockartig, bevor er erleichtert ausatmete. Es war überstanden! „Kann ich dich noch fragen, was deine wichtigsten Klienten... beziehungsweise, meine wichtigsten Mitklienten sind? Ich werde sie vermutich eh bei den Salutationes sehen."versetzte er.

  • Macer schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, die wichtigsten Klienten wirst du nicht unbedingt bei der Salutatio treffen. Wichtige Klienten haben die Angewohnheit, wichtigen Geschäften nachzugehen und selber wichtige Klienten zu haben, so dass sie von der Salutatio abgehalten werden." Macer nahm ihnen das auch nicht übel, solange es wirklich wichtige Gründe waren.


    "Aus der Reihe der Senatoren wäre Annaeus Modestus zu nennen. Ferner Aurelius Avianus, Kandidat für die Quaestur. Dann noch Terentius Cyprianus, derzeit Legionskommandeur in Aegyptus", zählte Macer auf. Das waren schon mal ein paar ganz wichtige.

  • “Nicht?”, verwunderte sich Piso. “Dann werde ich sie vielleicht selber einmal besuchen gehen. Obwohl, wenn sie wirklich so beschäftigt sind, dann haben sie vielleicht keine Zeit für mich. Oder doch?“, rätselte er.
    Dass Macer Senatoren bzw. angehende Senatoren unter seinen Klienten hatte, verwunderte den Flavier nicht. Terentius Cyprianus war ihm auch ein Begriff, welch Ironie, dass er genau diesem Mann schon in ein paar Tagen degradieren werden müsste!

  • "Sicher, das könntest du tun, aber ich denke nicht, dass das unbedingt nötig wäre. Früher oder später werdet ihr euch ohnehin doch über den Weg laufen", vermuteter Macer. "Und wenn nicht, dann könnt ihr anscheinend ohnehin nicht viel füreinander tun oder einander verklagen."


    Welcher seiner Klienten mehr oder weniger Zeit hatte, konnte er dagegen beim besten Willen nicht sagen.

  • „Na ja, einmal sehen, ob ich die Zeit habe.“, meinte Piso, dem es, wenn er so darüber nachdachte, schon etwas seltsam vorkam, wenn er einfach bei diesen Leuten hereinplatzen würde. Na ja, sein Patron hatte recht, früher oder späer würde er ihnen über den Weg laufen.
    Er lachte ein wenig über Macers letzten Satz. „Durchaus nicht, das stimmt.“ Er atmete ein und schaute den Purgitier an. „Du hast also gesagt, es wäre nicht empfehlenswert, wenn ich Procurator werden würde und somit die ritterliche Laufbahn beginnen würde. Was empfiehlst du dann? Ich würde liebend gerne, bevor ich kandidiere, noch andersweitig Erfahrungen sammeln, wenn möglich, an einer höheren Stelle als bei der, die ich jetzt bekleide. Ich habe das Gefühl, ich bin schon viel zu lange Primicerius. Langsam wird die Arbeit eintönig und ich suche wirklich nach einer Herausforderung, der ich mich noch vor dem nächsten Jahr stellen kann. Auch, damit die Senatoren wissen, dass ich mehr kann als nur Papiere schlichten. Könntest du da etwas empfehlen, oder mir weiterhelfen?“

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