[Tablinum] Der zweite Anlauf drei Stunden später

  • Aus irgendeinem Grund kam es Macer gerade so vor, als würde er Gespräche wie diese häufiger führen. "Ich vertrete den Standpunkt, dass jeder das tun sollte, was er gut kann und jeder das Recht hat das zu lernen, was er noch nicht kann. Wenn ich mir anschaue, was ein Vigintivir tun muss und was ein Primicerius der Kanzlei tut, dann würde ich meinen, dass du das meiste für das Vigintivirat schon kannst und den fehlenden Rest problemlos im Amt dazu lernen darfst." Macers Problem war, dass eine nicht ganz kleine Menge von Senatoren offenbar anders dachte und es ihm trotzdem schwer fiel, anderslautende Ratschläge zu geben.


    "Ich kann dir also schwerlich einen anderen Posten empfehlen, wenn ich deinen jetzigen als Vorstufe vom Vigintivirat für völlig ausreichend halte. Aber ich kann natürlich auch verstehen, dass es dich nach neuen Taten dürstet", ergänzte Macer, auch wenn sich sein neuer Klient von Mitgefühl ganz sicher nichts kaufen konnte.

  • Piso hörte zu... es fiel ihm schwer, eine gerade Miene zu halten, und nicht dreinzuschauen wie ein begossener Pudel. Also war es genug, Primicerius gewesen zu sein. Piso hatte aber nicht unbedingt das Gefühl, dass alle so dachten wie Macer. Er überlegte kurz, bevor er weitersprach.
    „Nun, das ist nun doch beruhigend.“, fing er an. „Und danke für dein Verständnis. Aber, wie schon gesagt, ich möchte doch einen Arbeitswechsel. Vor allem brauche ich zwei Sachen: mehr Ansehen und mehr Eigenkapital. Beides kann ich erreichen, indem ich eine besser dotierte Arbeit erlange.“ Er dachte schnell nach. „Zur Zeit lege ich einen Architekturkurs ab. Ich hoffe, ich bestehe ihn. Und momentan gibt es auch einen Posten, der unbesetzt ist, und zwar der des Architectus der Regio. Es ist ein Decurionenposten, also kein Posten der ritterlichen Laufbahn. Allgemein eine Sprungbrettposition. Was denkst du davon?“, fragte er Macer.
    Piso wollte auf keinen Fall locker lassen, er war das seiner Abstammung schuldig!

  • Ganz offensichtlich lagen die Männer mit ihren Vorstellungen noch immer teilweise auseinander, aber Macer machte die Diskussion durchaus Spass. "Eigenkapital. Du bringst mein Bild von Patriziern wirklich gehörig durcheinander, weißt du das?", fragte er schmunzelnd. "Das Ansehen, dass man zusammen mit dem Eigenkapital bekommt, ist nicht unbedingt das, das einem nur Zuspruch einbringt. Oder hast du den Eindruck, dass Matinius Agrippa mit seinem immensen Landbesitz ein wichtiger Senator wäre? Oder Germanicus Avarus wegen seiner Geschäftstüchtigkeit eine besonders geachtete Stellung im Senat hat?"


    Was dann als Vorschlag kam, war indes eine äußerst interessante Idee in Macers Augen. "Das ist in der Tat ein guter Gedanke, aber natürlich abhängig davon, ob der Curator Rei Publicae es eben für nötig erachtet, einen solchen Posten zu besetzen, um ein aktuelles Bauvorhaben zu planen oder zu überwachen."

  • “Nun, ja.”, meinte Piso, die Achseln zuckend und leicht schmunzelnd. „Kapital. Die beiden Männer, die du erwähntest, sind gerade Beispiele dafür, wie Kapital hilft. Matinius Agrippa ist Consular. Er ist ehemaliger Statthalter von Hispania. Ich denke nicht, dass er wenig Einfluss besitzt, Patron, ganz und gar nicht. Vielleicht nicht in Rom, viel mehr in den westlichen Provinzen. Und er hat es zum Consul gebracht, was mehr könnte ein Mann sich erträumen? Dann Germanicus Avarus. Dieser Mann hat all sein Missgeschick seinen eigenen Aktionen zuzuschreiben. Da provoziert er den Kaiser, ihm eine Nota Censoria zu verpassen. Für jeden anderen wäre das das politische Ende. Aber Avarus errappelt sich, denn er hat das Kapital dazu. Ohne ihr Geld wären diese Männer nichts. Und besonders jetzt bin ich ein wenig knapp bei Kasse, haben doch meine Kurse... es waren nicht wenige... viel verschlungen.“ Er seufzte ein wenig.
    Dass sein Vorschlag auf Interesse stieß, wusste Piso zu schätzen. Er wollte schon breit losgrinsen, doch niedergedrückt in seiner Freude wurde er beim Gedanken daran, dass er den Kurs nicht schon viel früher gemacht hatte. Das wäre einmal wichtig gewesen. „Ja, der Curator Rei Publicae... sag, Patron, kannst du nicht einmal mit ihm sprechen? Ich bin sicher, er braucht Unterstützung, vor allem, weil, so denke und hoffe ich, der Curator Kalendarii Decimus Verus in den Senat gewählt wird. Da käme ich sicher zupass.“ Ach, könnte Piso doch in die Zukunft schauen! Doch er konnte dies nicht.

  • "So kann man das natürlich auch sehen", gab Macer zu. "Aber dann musst du auch zugestehen, dass diese Männer ihr Kapital nicht über ihre Ämter erworben haben." Ob Agrippa erst Consul und danach Großgrundbesitzer wurde oder umgekehrt, hatte Macer nicht mehr im Kopf. Aber so genau wollte er sich nun auch wieder nicht damit befassen, ging es doch letztlich um seinen neuen flavischen Klienten.


    "Ich kann bei Gelegenheit mit ihm sprechen. Ich wollte ihn auch fragen, ob ich ihn als meinen Nachfolger zum Curator Aquarum empfehlen darf", kam er dann zum Thema zurück, auch wenn letztere Idee seinem Klienten eher weniger weiterhelfen würde. "Er schuldet mir zwar keinen Gefallen, aber fragen kostet natürlich nichts."

  • „Nun, da magst du Recht haben.“, meinte Piso und zuckte die Achseln. „Geschadet hat ihr Geld aber sicherlich nicht. Sicher nicht.“, meinte der Flavier eher zu sich selber, bevor er auf das Wichtigste Thema zu sprechen kam, seine berufliche Zukunft.
    „Ich danke dir für deine Unterstützung. Nun, wenn du ihn als deinen Nachfolger vorschlagen würdest, hättest du eh einen Stein bei ihm im Brett.“ Er dachte nochmals vor sich hin. „Und du bist dir also sicher, dass ein ritterlicher Posten nichts für mich wäre?“, fragte er nochmals nach. „Wenn ich meine Nachfolge regeln würde, bevor ich als Vigintivir kandidiere?“ Er wollte nur wissen, ob es absolut ausgeschlossen war, denn es war nun doch ein heimlich gehegter Traum, den er aber ohne zu zögern seiner politischen Karriere opfern würde. Weh tun würde es aber schon irgendwie.

  • Auch wenn sein Klient nicht locker ließ, sah Macer auch weiterhin keinen Grund, seine Meinung zu ändern. "Eine gewisse Flexibilität ist sicher nicht schlecht, aber klare Linien sind meistens doch besser. So machen Ritter eben ihre Karrieren und Senatoren beziehungsweise angehende Senatoren eine andere. Den Cursus Honorum gab es schließlich schon lange, bevor die ritterliche Beamtenkarriere überhaupt erfunden wurde. Warum sollte er also jetzt plötzlich nicht mehr ohne funktionieren?" fragte er und schien selbst überrascht, dass ihm ein so banales Argument offenbar erst jetzt eingefallen war.

  • Piso hörte sich an, was sein Patron so sagte. „Ich habe nie gesagt, dass man zuerst ritterliche Ämter machen muss, bevor man Senator wird. Ich habe nur gesagt, es besteht die Möglichkeit. Man sehe sich meinen Verwandten Flavius Furianus an. Er bekleidete ritterliche Ämter. Er würde sicherlich bestreiten, dass sie ihn daran gehindert haben, Praetor zu werden.“, meinte er lächelnd.
    „Wie dem auch sei, ich werde keinen Grund, wieso man der ritterlichen Laufbahn die selbe Erhabenheit zumessen sollte, wie sie dem cursus honorum zugesteht. Sobald ich jenen beschritten habe, würde ich nie daran denken, ihn zu beenden.“
    Man konnte sehen, dass es eine innere Stimme im Flavier gab, die „Karriere!“ schrie.

  • "Es mag sein, dass er das nicht bestreiten würde, aber es gibt sicher auch eine Menge Leute, die seine Karriere als mehr als ungewöhnlich bezeichnen würden", antwortete Macer, ohne sich eine eigene Meinung in dieser Angelegenheit zu erlauben oder sie zumindest zu äußern.


    Zum eigentlichen Thema schienen nun aber beide Seiten nichts Neues mehr zu sagen zu haben. "Nun, dann werde ich sehen, was ich beim Curator Rei Publicae für dich erreichen kann", leitete Macer das Ende des Gesprächs ein.

  • „Ungewöhnlich, und auch ungewöhnlich erfolgreich.“, meinte Piso, bestrebt, das Ansehen von der Gens und seinem heimlichen Vorbild (auch wenn er dies nicht zugeben würde) zu erhalten. Dies war dann aber auch alles, was dazu gesagt werden konnte.
    „Ich möchte mich noch einmal für alles bei dir bedanken. Und, nimm dir ruhig Zeit, ich weiß, dass du momentan wegen der Wahlen nicht viel Zeit hast.“, meinte Piso, noch nicht wissend, dass er kurz später schon für einen Posten ins Gespräch gebracht werden würde, den zu bekleiden seine kühnsten Vorstellungen übertreffen würde.
    „Vale. Schönen Abend wünsche ich dir noch.“, meinte Piso und machte sich daran zu gehen.

  • "Ich habe zu danken für einen neuen Unterstützer", erwiderte Macer den Dank, denn von einem gesunden Verhältnis zwischen Patron und Klient hatten schließlich beide Seiten etwas. "Ich wünsche dir ebenfalls einen schönen Abend und werde mich melden, sobald ich etwas für dich erreichen konnte."

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