Tablinum | TAU und Phraates

  • Zitat

    Original von Cimon
    Cimon ging vorsichtig und leise in das Tablinum seines Herren. Er wartete bis Ursus aufsah, damit er seinen Herren nicht stören würde. Ein kleines Zeichen reichte dem Nubier um zu erkennen das er sprechen konnte.


    "Dominus? Ein Sklave wurde von Dominus Corvinius aus Rom gesand. Er heißt Phraates und wartet im Atrium. Ich habe ihm Essen und Trinken bringen lassen. Er sagt es sei eine sehr wichtige Nachricht an dich, Herr."


    Das es eine traurige sein würde wollte er seinem Herren noch nicht sagen. Vieleicht würde es noch etwas wichtiges zu erledigen geben, bevor sein Herr sich der Nachricht zuwenden könnte. Dann würde sein Dominus alle Aufmerksamkeit brauchen. Cimon wollte Ursus nicht zu sehr ablenken.



    Ursus kämpfte sich gerade noch durch diverse Aufzeichnungen, die er seinem Nachfolger hinterlassen wollte. Immerhin hatte er das Kommando geführt in der Zeit der Abwesenheit des Legaten. Und dies würde auch seinem Nachfolger blühen. Keine leichte Aufgabe und da der neue Tribunus Laticlavius vermutlich ein Neuling war, wollte Ursus es ihm so leicht wie möglich machen. Hier war es gemütlicher als in der Principia, daher hatte Ursus sich die Arbeit mit nach Hause genommen.


    Als Cimon nun eintrat und ihm den Boten meldete, runzelte Ursus die Stirn. Er kannte keinen Phraates im aurelischen Haushalt. Seine Miene drückte dies vermutlich auch deutlich aus. "Bring ihn zu mir, Cimon. Aber bleibe dann dabei." Man konnte ja nie wissen. Warum auch sollte Marcus ausgerechnet einen neuen Sklaven herschicken? Sehr merkwürdig das Ganze.

  • Phraates wurde nun tatsächlich zu Ursus durchgelassen. So schritt also der Parther, so würdevoll er konnte, durch die Türe in das Officium des Aureliers hinein. Vor dem Aurelier kam er zu stehen. „Salve, Herr. Mein Name sei... ist Phraates. Ich bin Sklave von Flavia Celerina, die ist Frau von Aurelius Corvinus. Corvinus hat mich jetzt geschicken hierher.“, machte er langsam und höflich. „Ich muss überbringen ein Nachricht. Eine Nachricht, natürlich.“, verbesserte er sich. „Ich habe da einen Brief... von Corvinus. Eine traurige Nachricht, Herr...“ Vorsichtig zog er ihn aus seinem Gewand heraus, wo er ihn aufbewahrt hatte. „Hier, lese.“, sagte er leise und übergab ihn an Ursus.
    Im Brief stand Folgendes:


    Titus,


    ich wünschte, ich müsste diese Zeilen nicht schreiben. Ich wünschte, ich hätte bessere Neuigkeiten für dich. Unsere geliebte Minervina hat den Lebenswillen verloren. Mich erreichte ein Bote aus Dyrrhachium, der mir das Schreckliche berichtete. Die Parzen haben ihren Schicksalsfaden dünner und dünner werden lassen, sodass er unweigerlich reißen musste. Die Einzelheiten erspare ich dir vorerst. Ich habe dafür gesorgt, dass man den Leichnam deiner Schwester nach Rom überführt. Zumindest wird sie nicht allein in der Fremde zur letzten Ruhe gebettet werden. Ich weiß, das ist ein schwacher Trost. Wir sollten in dieser schweren Zeit zusammenhalten. Bitte gib dir nicht die Schuld an ihrem Tod, du hast das Richtige getan, als du sie ans Meer schicktest. Niemand hat ahnen können, dass die Situation schlimmer ist als befürchtet.


    Komm bald nach Hause. Steh dies nicht allein durch.
    Marcus


    Phraates blickte bedrückt drein. „Ach Herr... es tut mir Leid. So Leid.“ Er meinte es ehrlich, und man konnte es ihm ansehen.

  • Mit einem ergebenen Nicken befolgte Cimon die Anweisungen seines Herren und führte den Sklaven in das Tablinum. Dort blieb er lieber im Hintergrund und ließ Phraates die schlechte Nachricht überreichen. Er war neugierig, zeigte es aber nicht. Auf dem Weg hatte er Xenon bereits bescheid gegeben und dieser brachte kurz darauf Wein und Wasser. Nur zur Vorsicht, falls der Herr etwas besonderes brauchen würde. Und Cimon richtete kurz seine Kleidung. Alles musste doch gut und perfekt sein, wenn es schon schlechte Nachrichten gab. Sein Blick ging zu Boden. Denn von Atonis war er es gewohnt bei üblen Nachrichten verprügelt zu werden. Auch dies würde er für seinen Herren über sich ergehen lassen. Manchmal brauchte das ein Mensch um sein Gleichgewicht wieder zu finden.


    So wartete er ab und beobachtete so gut es ging mit seinem gesenkten Blick die beiden anderen zu beobachten. Vorallem sah er sich den Sklaven an. Denn er glaubte das er nicht nur hier war, um als Ventil zu dienen sondern auch um den Herren zu schützen. Cimon änderte seine Position so gut und unauffällig es ging um sich besser zwischen die beiden werfen zu können, falls dies erforderlich sein würde. Bei der Übergabe der Nachricht war er besonders alamiert und kam kurz ein wenig näher. Es tat ihm leid?
    Cimon kam wie aus einem Reflex heraus noch etwas näher und glaubte nun zu wissen, das es eine Nachricht sein musste, die wirklich sehr schlecht war. Sein Herr hatte gar keinen Stock um sich Luft zu machen. Nur einen Augenblick lang überlegte Cimon sich ihm einen zu bringen, aber dann wäre er nicht mehr da um seinen Dominus zu beschützen. Also blieb er nun doch etwas näher als beabsichtigt und erkannte langsam, das sein Herr anders war... nicht nur so anders, wie er bislang glaubte, nein...anders wie Atonis immer behauptet hatte, was dessen Verhalten nicht normal und im Vergleich zu den Römern noch nett...


    Der Nubier verwarf den Gedanken mit dem Stock vollends und wartete ab, in wie weit er seinem Herren dienlich sein konnte. Phraates besah er sich dabei genau und achtete auf zu schnelle Bewegungen. Gleich wie sympatisch dieser ihm war, Cimon blieb vorsichtig, aber dabei nicht unhöflich. Seine Augen blieben ruhig und sein Gesicht verbarg seine Gedanken. Die Haltung war zwar recht niedergedrückt, doch sein Rücken fand seinen Stolz recht schnell wieder.

  • Ein Sklave von Flavia Celerina, das erklärte, warum Ursus den Mann nicht kannte. "Demnach bist Du der persönliche Sklave meiner Schwägerin?" Er musterte den Mann. Ein merkwürdiger Geselle. Aber vermutlich mußte man ihn erst richtig kennenlernen, um ihn schätzen zu lernen.


    "Eine traurige Nachricht von meinem Onkel?" So traurig, daß selbst ein Sklave, der ihn gar nicht kannte, ihn so mitleidig anschaute? Es schauderte Ursus, noch bevor er die Nachricht öffnete. Eine böse Vorahnung ließ seine Hände kalt und schweißig werden, während er zu lesen begann. "Nein", flüsterte er leise und las es noch einmal, da er hoffte, sich verlesen zu haben. Doch noch immer standen die furchtbaren Worte da. Minervina! Tot! "Nein!", rief er nun laut aus und sprang von seinem Platz auf. Tränen waren in seine Augen getreten und er machte sich nicht die Mühe, sie fortzuwischen. "Das ist nicht wahr! Sag, daß es nicht wahr ist!", fuhr er den armen Phraates an, der ja gar nichts dafür konnte.

  • „Genau, ich bin der.“, bestätigte Phraates und behielt einen, angesichts der Misshandlungen, die ihn Celerina angedeihen lassen hatte, sehr stoischen Gesichtsaudruck bei. Alles andere wäre auch fehl am Platze gewesen. Er musste Ursus eine traurige Nachricht mitteilen, da wüde er nicht weiterkommen, würde er ihm das ganze Unrecht aufzählen, dass ihm widerfahren war.
    Aus den Augenwinkeln registrierte er, dass Cimon noch immer herumlungerte. Eigentlich war es ein sehr netter Kerl, Ursus schien ihm zu vertrauen. Dass ein Römer einen Sklaven so vertraut, war schon merkwürdig. Hatte Cimon Dreck am Stecken, von der Warte eines aurelischen Sklaven aus gesehen? Womöglich. Aber Phraates wollte einmal nichts Schlechtes über den Nubier vermuten.
    Und so übergab er ihm den Brief. Ursus reagierte erwartungsgemäß, ungläubig. Als er angebrüllt wurde, zuckte Phraates nicht einmal zurück, so vorbereitet war er auf jegliche Reaktion des Aureliers. Er seufzte nur. „Es ist wahr, Herr. Es ist die Wahrheit. Ich habe gesehen das Gesicht von Corvinus, als er mir hat gegeben die Brief. Ein Gesicht von Ehrlichkeit und Traurigkeit. Es ist wahr.“, machte Phraates behutsam in seiner samtigen orientalischen Stimme.“Es tut mir Leid, Herr. Ich selber bin... entsetzt.“, brachte er hervor und blickte Ursus an wie ein Hündchen, welches zu Unrecht geschlagen wurde.

  • Der Schrecken seines Herren ließ Cimon aufschauen. Was konnte er nur tun? Langsam schritt er noch näher und überlegte was er tun konnte. Verwirrt schaute der Nubier zwischen den beiden hin und her. Phraates schien zu wissen worum es ging. Es musste etwas wirklich schreckliches sein.
    Kurz überlegte er was es bedeutete das Phraates der persönliche Sklave von Ursus' Schwägerin war... also würden sie sich in Rom heufiger sehen können.
    Leider war der Sklave viel zu durcheinander um seine Gedanken zu ende zu führen oder gar irgendeine Entscheidung zu treffen. Er kannte seinen Herren einfach noch zu wenig, als das er gewusst hätte wie er reagieren sollte.


    "Dominus? Was...was kann ich tun, Herr?"


    Er hatte schneller geredet, als das er nachdenken konnte. Rasch senkte sich sein Kopf. Nur langsam sah er auf, denn er machte sich Sorgen um seinen Herren und sah dabei sich selbst Fehler machen. Fragend legte er seinen Kopf schräg und wartete ab, was geschehen mochte. Nur kurz sah er dabei ebenso fragend zu Phraates. Aber seine Augen fanden rasch wieder zu seinem Herren zurück um zu erkennen, was er tun konnte, um seinen Dominus zu beruhigen oder irgendwie anders behilflich zu sein.

  • Natürlich war es wahr. Ursus wußte es. Er wußte es ja schon lange, daß Minervina sich selbst aufgegeben hatte. Die Tränen nahmen nun ihren Weg über seine Wangen. Unbeachtet von ihm. Er trat an das Fenster und atmete tief durch. Minervina! Seine Stimme klang heiser, als er wieder sprach. "Bitte entschuldige, Phraates. Dich anzubrüllen war falsch und sinnlos." Was konnte schon der Bote für die Nachricht, die er überbrachte. "Cimon, richte für Phraates ein Bett her und sorg dafür, daß er sich säubern, umziehen und essen kann. Ruh Dich aus, Phraates. Du hast Dich sicher nicht geschont auf dem Weg hierher und dafür gebührt Dir Dank." Er schaute die beiden nicht an, denn seine Augen brannten vor Schmerz. Es war besser, wenn sie sich nun miteinander befaßten und ihn mit seiner Trauer allein ließen.

  • „Ich... ich, ich...“, stotterte Phraates, der komplett überrumpelt war vor der 180-Grad-Drehung des Aureliers. So kannte er die Römer gar nicht. Bislang hatte sich noch keiner von denen... entschuldigt! Beim ewigen Feuer des Ahura Mazda, Phraates war auf ein Kuriosum gestoßen.. Fast schon hätte er den Römer am liebsten neugierig näher inspiziert, doch er wollte es sich nun nicht mit ihm verscherzen. So meinte er einfach nur: „Ich verstehe dir.“ Er schwieg ein paar Sekunden. „Ich verstehe dich gut.“ Seinen Fehler hatte er in diesem Satz ausgebügelt.
    Der Parther blickte zu Cimon hin, der besorgt herumstand. „Gehen wir am Besten.“, flüsterte er dem Schwarzen zu. „Ich glaube, Ursus will sein gelassen alleine. Ich erkläre dich, nein, dir dann, was ist geschehen.“, murmelte er und begab sich richtung Tür, mit der Absicht, Ursus nun allein zu lassen.

  • Die Reaktion seines Herren verwirrte Cimon ein wenig und er fühlte sich sogar ein wenig ... eifersüchtig dabei. Aber Phraates Worte holten ihn zurück und der Sklave nickte nur. Erst nach einem Moment viel ihm wieder ein etwas erwidern zu müssen und er sprach nur sehr leise zu seinem Herren.


    "Ja, Dominus. Ich werde mich um alles kümmern."


    Seinen Kopf neigte er dabei etwas tiefer als gewöhnlich um Ursus vieleicht noch ein wenig aufzumuntern, bis ihm in den Sinn kam, was sein Herr ihm dazu gesagt hatte. Langsam streckte sich sein Körper und sogar sein Haupt. Dann nickte er erneut und trat mit Phraates hinaus. Dabei sah er noch einmal kurz besorgt zu seinem Herren.

  • Regungslos blieb Ursus stehen, während die beiden Sklaven den Raum verließen. Er erwiderte nichts mehr. Stille breitete sich aus. Ebenso wie der innere Schmerz. Noch war es fast unwirklich. Er sah ihr liebes Gesicht, sah ihre vor Lebensfreude funkelnden Augen. Ihr verschmitztes Lachen, wenn sie ihn neckte. Minervina! Was hatte er getan! Es war falsch gewesen, sie fortzuschicken. Nun war dies Gewißheit. Sie hätte bei der Familie bleiben müssen. Gemeinsam hätten sie dafür sorgen müssen, daß sie herausfindet aus dieser Dunkelheit der Depressionen. Die Tränen liefen ungehindert über sein Gesicht. Ihr Götter! Ihr Ahnen. Bitte nehmt euch ihrer an und laßt sie ein ins Elysium!


    Mit beiden Händen fuhr sich Ursus über das Gesicht und bemerkte, daß sie zitterten. Dieses zweite Tribunat, das ihn nach Mantua geführt hatte. War es wirklich notwendig gewesen? Sicher, es würde seiner Karriere förderlich sein. Aber hatte er nicht praktisch seine Schwester dafür geopfert? Statt bei ihr zu sein und ihr Kraft zu geben, hatte er seine Karriere weiterverfolgt. Und nun war sie tot. Minervina! Ob sie ihm das je würde verzeihen können? Er hatte sie im Stich gelassen! Und erst jetzt, als es viel zu spät war, begriff er es.


    Er wußte nicht, wie lange er so dagestanden hatte. Es war deutlich dunkler geworden im Tablinum. Doch er mochte keine Lampe entzünden. Ein Ruck ging durch seinen Körper und fast ungewollt verließ er den Raum, um das Atrium zu betreten. Das Lararium. Natürlich war es nicht so schön, wie das in ihrem Haus in Rom. Doch das war nicht wichtig. Er betete hier jeden Tag. Trotzdem kam es ihm fremd vor, als er jetzt davor trat. Als wäre es falsch, die Ahnen hier anzurufen. Er wünschte sich, in Rom zu sein.


    Mit immer noch zitternden Fingern entzündete er ein paar Räucherstäbchen und verbrannte etwas Weihrauch. Automatische Handlungen, begleitet von wirren Gedanken, die sich um Minervina und all die Familienmitglieder drehten, die vor ihr bereits den Weg in die Gefilde des Todes gegangen waren.

  • Heute mochte Ursus niemanden mehr sehen. Auch essen mochte er nichts. Er ließ anweisen, dunkle Kleidung für ihn herauszulegen und betete bis spät in die Nacht am Lararium, während er damit kämpfte, die Schuldgefühle nicht Überhand gewinnen zu lassen. Die Nacht wurde unruhig für ihn, er wälzte sich immer wieder hin und her. Und erwachte weit früher als sonst. Ohne Cimon zu wecken, wusch er sich und kleidete sich an. Die Rüstung würde er später anlegen und auf die Rasur verzichtete er der Tradition entsprechend.


    Leise begab er sich ins Tablinum, um den Brief seines Onkels zu beantworten.



    Salve, Marcus,


    meine Feder sträubt sich, mir zu gehorchen, wie auch meine Gedanken immer wieder abschweifen. So magst Du mir hoffentlich verzeihen, wenn dieser Brief verworren und kurz gerät. Es fehlen mir einfach die Worte, den Kummer auszudrücken, der mich umklammert. Und die Schuldgefühle. Es war falsch, so falsch, sie fortzuschicken.


    Natürlich komme ich nach Hause, um ihrer Bestattung beizuwohnen. Ich hoffe, daß ich meine Zelte hier vollständig abbrechen kann, wenn ich heimreise. Da der Legat fort ist, wird das allerdings schwierig. Ich schicke Cimon nach Sardinien, um Caelyn zu holen. Und Phraates mit dieser Nachricht umgehend nach Rom zurück.


    Ich komme sehr schnell nach.


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