Fischstand des Flavius Piso

  • Hier befindet sich der Fischmarkt des Flavius Piso. Es ist ein relativ breiter Stand, der aus, wie ein aufmerksamer Beobachter sicher bemerken würde, germanischen Eichenholz gezimmert ist. Einige Zeichen, ebenfalls aus Holz, und mit grüner Farbe beschriftet, werben für die Fische aus der flavischen Fischzucht. Das größte Zeichen ist oben angebracht, wo groß FISCHHANDEL A. FLAVIUS PISO zu sehen ist. Andere Schilder sind kreuz und quer an den Holzständern angebracht – Süßwasserfische liest man da stehen, beste Qualität wird dort angepriesen. Frisch aus dem Lacus Volsinii kann man zweimal lesen, schmackhaft und bekömmlich sieht man gleich dreimal.
    Inmitten dieses Schilderwaldes liegen die Fische in der Auslage. Es sind wirklich herrliche Exemplare, aus einem noch unberührten Teil des Lacus Volsinii gefischt. Hinter den Fischen hockt auf einen erhöhten Stuhl, sodass er die Auslage überblicken kann, ein griechischer Freigelassener, der Verkäufer, der mit gierigen Adleraugen nach Kundschaft Ausschau hält.

  • „Also, ich habe mir das anders vorgestellt.“, meinte Titus Hypsaeus und beäugte kritisch das Kostüm. „Grundlegend anders.“ Sein Blick wanderte zu Gaius Publilianus Epaphroditus, der Verkäufer, der sich von seinem Hocker herunterbemüht hatte, um sich mit dem bulligen Sarden das Kostüm anzusehen. „Ich habe mir gedacht, das wär was, keine Ahnung, dezenteres! Muss ich jetzt so herumlatschen?“ Epaphroditus, kein Mann großer Worte, nickte nur streng.
    Hypsaeus knurrte und warf den zusammengeschusterten Fischkopf, den er in seiner Hand hielt, verärgert zum Boden. „Was bin ich denn, ein Kasperl?“, wütete er und fuchtelte in der Landschaft herum. „So etwas ziehe ich nicht an.“ Endlich entgegnete Epaphroditus etwas. „Du bist Schwerverbrecher, und bist gerade aus dem Gefängnis zurück. Sei froh, dass du einen ehrbaren Beruf bekommen hast. Andere würden sich um so etwas reißen.“, machte Epaphroditus. „Dann sollen das andere haben!“, greinte Hypsaeus und wollte gerade gehen.
    Dann hielt er in seiner Bewegung inne und drehte sich wieder zum Kostüm hin. Unenthusiastisch nahm er den Fischkopf wieder auf. „Ich sehe keine Alternative.“, murmelte er. „Keine Alternative... verdammt. Ich muss den Job annehmen.“ Wenn er dies nicht täte, würde er verhungern, das wusste er. Denn so gerne er wieder ein großes Ding drehen würde, die Vigiles hatten ein Auge auf ihn. So musste er zuerst einmal so eine Elendsarbeit machen.
    Er seufzte. „Ich werde es einmal anprobieren. Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm, wie es so aussieht.“ Epaphroditus entfloh ein leichtes Lächeln. Er selber bezweifelte dies, doch er wollte es den Inselaffen es selber herausfinden lassen. Titus Hypsaeus, so wie er früher in viele Villen eingebrochen war, schlüpfte nun gleichsam in das Kostüm und knöpfte es zu. Schließlich setzte er ich den Kopf auf. Fertig war er mit seinem Fischkostüm.
    „Wie sehe ich aus?“, fragte er Epaphroditus. Der Grieche schaffte es mühevoll, einen ernsthaften Gesichtseindruck zu machen. „Sehr gut.“, log er. „Gar nicht lächerlich.“ Hypsaeus sah den Freigelassenen aus seinem Kostüm hervor scheel an, bevor er sich umwandte, weg vom Griechen. „Und mein Text erst. Hollari, hollaro, ich bin Hupsi, der lustige Fisch. Was zum Henker...“ Fast hätte der Sarde seinen Fischkopf sich wieder vom Kopf gerissen und wäre abgehaut. Nur noch in letzter Sekunde besann er es sich eines Besseren.
    „Dann schau ich einmal... ach ihr Götter. Maskottchen. Wie kommt der bescheuerte Flavier wohl drauf? Das ist jetzt einmal eine Idee, die nie Fuß fassen wird.“, grollte er, trat vor den Stand hin und sorgte in seinem Kostüm gleich einmal dafür, dass sich einige Köpfe in seine Richtung drehen. Hypsaeus überwand die innere Abneigung gegenüber solch einem Zirkus und fing an zu rufen: „Hollarihollaro, Damen und Herren! Ich bin Hupsi, der lustige Fisch! Esst mich! Ich bürge für beste Qualität! Ich bin schmackhaft und bekömmlich!“ Wie peinlich. Mit einem wackelnden Schritt, der für Maskottchen halt so üblich ist, begann er, durch die Menge zu latschen. „Kauft ein bei Piso! Bester Fisch, frisch aus den Seen Italiens! Kauft ein, solange der Vorrat hält!“ Hypsaeus, beziehungsweise Hupsi, wäre am liebsten im Erdboden versunken. Aber er musste da jetzt durch.

  • „Kauft Fische, kauft Fische!“, rief Hypsaeus noch etwas lauter. Der Fischverkauf lief alles andere als toll, er musste Profit machen, sonst würde er gefeuert machen. Er wurde von minute zu Minute hektischer. „Fische, Fische, Fische!“, fuhr er einen Haufen Kinder an, welche vorhin, noch neugierig um ihn geschaart, hastig zurücksprangen, wie ein Schwarm Vögel, der ausschwärmte. Hypsaeus ließ von seinem Unternehmen in der Hinsciht ab und blickte nur noch traurig, was man aber unter dem fröhlichen Fischkostüm nicht sehen konnte. Es war eine Schande. Niemand wollte Fische kaufen, abgesehen von irgendwelchen Kauzen, die hie und da hineinschneiten, um vielleicht 10, oder 20, Fische zu kaufen. Selten waren größere Käufe. Auch Epaphroditus blickte schon ganz gelangweilt daher.
    Hypsaeus sah sich aus diesem Grund gezwungen, einen Gang höher zu schalten. Er breitete seine Arme, pardon, Flossen, aus, und begann im Kreis zu laufen. „Seht, wie ich schwimme!“, rief der Sarde aus. „Ich schwimme glücklich im See, im Lacus Volsinii, der Heimat der besten Fische der Welt!“ Kleine Übertreibung am Rande. „Und weil ich aus diesem See komme, bin ich ideal für Mahlzeiten, ob groß oder klein, für arm oder reich, jeder kann mich haben!“ Er wachelte mit den Armen herum, als ob er schwimmen würde damit. „Ich bin so gut, so schmackhaft und bekömmlich, so frisch und saftig, wer kann mir widerstehen? Kauft mich, Leute!“
    Der Sarde hatte sich in eine echte Manie hineingesteigert. Er begann zu singen. „Leute von fern und nah, kaufet mi-hisch! Denn ich bin Hupsi, der lustige Fi-hisch!“ Einige Zeitgenossen blickten verwundert drein und schauten den offensichtlich verrückt gewordenen zu. Dieser stieß sich nicht daran. „Auf den Tisch kommt heut ein Fisch! So saftig süüüß!“ Mehrere Leute wichen erschrocken zurück. Hypsaeus hielt inne und ließ die Schultern hängen. „Mensch, Laute. Kauft doch einfach Fische. Sonst werde ich gefeuert!“, begann Hypsaeus zu jammern.

  • Lucius Claudius war mit einigen Freunden nach dem Training im nahe gelegenen "Gymnasion" auf dem Markt unterwegs, als sie schon von Weitem eine eigenartige Kreatur erspähten.
    Erstaunt ging die Gruppe patrizischer Jünglinge näher, um sich das aus der Nähe anzusehen. Eigenartig, auf was die Leute heutzutage so kamen, wenn sie unten genug angelangt waren.
    "Hey, Fischmann! Ich will dich in ein paar Minuten gebraten zum Mitnehmen!", rief der Claudier dann aus und seine Freunde lachten lauthals mit. Lucius griff sich eine schöne Birne vom benachbarten Stand und biss genüsslich zu. Er wusste, dass sich die Birne gleich als wunderbares Wurfgeschoss eignen würde. :D

  • Was für eine erbärmliche Gestalt war Hypsaeus doch in seinem lächerlichen Kostüm. Als er dastand, die verachtenden bis belustigten Blicke der Leute auf sich ziehend. Das war ein neues Tief. Und Tiefs hatte er schon viele gehabt.
    Einer schien sich besonders gut zu mockieren. Hm, vielleicht konnte Hypsaeus dem Humor des Herren etwas abgewinnen? Der Sarde wandte sich ihm zu, ging auf ihn zu. „Jawohl, Herr! Gebraten schmecke ich besonders gut, aber auch gedünstet kann ich mich empfehlen! Selbst wenn man mich andersiwe zubereitet, bin ich für den Gaumen noch immer eine Sensation! Denn ich bin Hupsi, der lustige Fisch! Und ich komm‘ heut auf den Tisch!“ Seine Lebensgeister erwachten. Vielleicht würde der Mann – ein Patrizier schien er zu sein – tatsächlich ihm etwas abkaufen können.
    „Wieviele von meinen Artgenossen willst du haben?“ Er deutete auf den Fischstand. „Nirgendswo wirst du eine solche Ansammlung von schmackhaften Kollegen erleben.“ Piso hatte ihm befohlen, die Wörter schmackhaft und bekömmlich so oft wie möglich zu benützen. Vielleicht könnte er sie vielleicht einmal patentieren.
    Die Birne des Claudiers bemerkte Hypsaeus indes nicht.

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