Einige Tage nach dem wundervollen Fest in der Casa Germanica zu Ehren des Fons hatte Serrana ausnahmsweise einmal nichts im Tempel zu tun und und die Gelegenheit genutzt, um ein paar Stunden auf dem Forum zu verbringen und das geschäftliche Treiben dort zu geniessen.
Die junge Iunia schlenderte zum Tempel der Concordia und setzte sich dort auf eine der Treppenstufen. Mittlerweile war es spürbar Herbst geworden, und auch wenn die Sonne noch einiges an Kraft besaß, fühlte sich der Steinboden doch schon um einiges kühler an.
Kurzentschlossen schickte Serrana ihre Sklavin Adula wieder heim, um etwas Wärmendes zum unterlegen zu holen und zog dann die Schriftrolle hervor, die sie sich aus der iunischen Bibliotheca mitgebracht hatte. Es handelte sich um eine Abschrift über den Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pompeius aus der Feder des Asinius Pollio, der schon von jeher zu ihren bevorzugten Autoren gehört hatte, da er sich mit einer Epoche befasste, in der auch Serranas Vorfahren noch eine entscheidende Rolle in der römischen Geschichte gespielt hatten. Sie hatte schnell herausgefunden, dass das Lesen an diesem Ort ungleich spannender war als daheim in der verstaubten und einsamen Bibliotheca, denn all die berühmten Männer, die in diesem Werk beschrieben wurden, hatten sich vor vielen Jahren auch auf diesem Forum aufgehalten. Hier hatten sie miteinander geredet und Pläne oder auch Intrigen geschmiedet und das Schicksal dieser Stadt entscheidend beeinflusst. Serrana schloss die Augen und versuchte, den einzelnen Namen passende Gesichter und Stimmen zu geben, als sie plötzlich durch ein misstönendes Schnalzen aus ihren Tagträumen gerissen wurde.
Ganz in ihrer Nähe standen zwei Männer, die mit ihrem ungepflegten Äusseren und der einfachen Kleidung leider so gar nicht zu ihren Vorstellungen von edlen Senatoren und Feldherren passten und unterhielten sich lautstark in einer Sprache, die Serrana nicht verstand. Der kleinere der beiden hatte sie scheinbar schon eine Weile beobachtet und bedachte sie mit einem anzüglichen Grinsen, das ein ziemlich lückenhaftes Gebiss offenbahrte. Als er ihren Blick auffing, machte er eine obszöne Geste, die derartig eindeutig war, das sogar die unbedarfte Iunia sie sofort verstand. Mit hochrotem Kopf rollte sie ihre Schriftrolle wieder zusammen und stand auf um sich einen anderen und ungestörten Platz zu suchen. Sie hatte sich kaum erhoben, als drei weitere Männer auf die anderen beiden zutraten und diese sofort in ein Gespräch verwickelten. Ganz offensichtlich ging es dabei um nichts Angenehmes, denn auch wenn Serrana nach wie vor nichts verstand, konnte sie doch aus der zunehmenden Lautstärke und dem aggressiven Tonfall heraushören, dass die Stimmung zwischen den Männern immer ungemütlicher wurde. Mittlerweile wurden auch andere Passanten durch die immer lauter werdenden Streitereien angelockt und sammelten sich in sicherer Entfernung, um den weiteren Fortgang der Ereignisse zu beobachten. Serrana, die sich nach wie vor in unmittelbarer Nähe der Männer befand, presste ihre Schriftrolle wie zum Schutz eng an sich und wünschte sich, sie hätte Adula nicht fortgeschickt. Was hätte sie darum gegeben, jetzt in der ruhigen Bibliotheca daheim zu sitzen...
Die beiden gegnerischen Gruppen waren mittlerweile dazu übergegangen sich gegenseitig anzurempeln und laut zu beschimpfen, und Serrana schrie erschrocken auf, als der Kleine mit den schlechten Zähnen plötzlich einen versteckten Dolch hervorzog und auf einen seiner Gegner losging.
Vielleicht wird ja noch der eine oder andere durch den Tumult angelockt