Die Bibliothek der Villa Flavia hatte sich wirklich mit Ihresgleichen messen können! Unzählige Schriftrollen, Abschriften der großen Meister der Literatur, wichtige Traktate der Wissenschaften, teils von unschätzbarem Wert, aber auch Triviales, wie die Abenteuer des Sklaven Gaius, der besonders unter den Flavieren eine große Anhängerschaft hatte, sowie Schmachtfetzen von denen in einigen Jahren kein Hahn mehr krähte, waren darin vereint.
Oft hatte ich dort lange Abende verbracht, beim stöbern und entdecken interessanten Lesefutters. Ab und an hatte ich dabei Gesellschaft gehabt. Einige Mitglieder meiner Familie teilten die gleiche Leidenschaft mit mir. Oft kam es jedoch auch vor, daß ich die Abende mit Margo, dem alten kauzigen Bibliothekar verbrachte. Anfangs hatten wir so unsere Schwierigkeiten miteinander. Hatte der alte Mann doch geglaubt, ich würde ihm die Bibliothek durcheinander bringen. Bis ich ihn eines Besseren belehren konnte. So lernten wir uns mit der Zeit einander schätzen. Von da an gingen wir gelegentlich gemeinsam auf die Suche nach verlorengegangen Schriften oder machten uns auf die Reise in das Land der Phantasie, der Tragödie und der Komödie. Wir waren an einem Punkt angekommen, an dem wir uns "Freunde" nennen konnten, trotz unseres Standesunterschiedes, war doch der Bibliothekar nur ein weiterer Sklave in den Diensten der Flavier.
Nach meinem Umzug in die Villa Aurelia vermisste ich diese Abende zusehends. Ich dachte an die nahenden langen Winterabende, die nur durch ein gutes Buch und ein Becher Wein einigermaßen erträglich wurden. Doch wie in jeder anderen herrschaftlichen Villa Roms, gab es auch in dieser eine Bibliothek.
Eines Abends, von Langeweile und Neugier getrieben, verließ ich mein cubiculum. Im Nachtgewand und nur mit einem Öllämpchen bewaffnet, huschte ich durch die Gänge der Villa. Bei Tage mochte es in diesen Korridoren sehr geschäftig zugehen, doch am späten Abend hatte sich bereits der Schleier der Nacht über das gesamte Anwesen gelegt. Ich bemühte mich, keinen unnötigen Lärm zu veranstalten. Vorsichtig betätigte ich die Türklinke, stieß die Tür langsam auf und trat ein ins Reich des geschriebenen Wortes. Ahh, bereits der Duft der Papyri hieß mich willkommen!
Es brauchte seine Zeit, bis ich mich zurecht fand. Doch bald wurde ich fündig. In einer verborgenen Nische machte ich es mir gemütlich und begann im Schein meines Lämpchens zu lesen. Ich hatte eine ganz amüsante Schrift entdeckt. Eine Komödie von Plautus, die ich noch nicht gelesen hatte. Still in mich hinein kichernd saß ich nun dort und vergaß über das Lesen hinaus die Zeit, noch fiel mir auf, daß ich irgendwann nicht mehr allein war.
Reserviert!